Leo Drais, Infomail 1191, 24. Juni 2022
Wirtschafts- und angeblich auch Klimaminister Habeck hat die zweite Stufe des sogenannten Gas-Notfallplans ausgerufen, der Arbeiter:innenklasse drohen massive Gaspreisanstiege. Sie wird sie zahlen müssen, wenn wir keine Gegenwehr aufbauen.
Es sind die Kosten des Krieges, die auf die Arbeiter:innenklasse abgewälzt werden. Während Kanzler Scholz rätselt, ab wann man eigentlich Kriegspartei ist, bekommen wir die Kosten von Waffenlieferungen und einem nie dagewesenen Sanktionsprogramm sehr konkret zu spüren. Die grüne Partei des deutschen Imperialismus ist da ein bisschen ehrlicher. Robert Habeck hat die jüngste Drosselung der russischen Gaslieferungen um etwa die Hälfte als „Waffe gegen Deutschland“ bezeichnet. Und wo kommen Waffen zum Einsatz? Im Krieg, natürlich, im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, den die Ukraine stellvertretend für Deutschland und die NATO gegen Russland ausfechtet – und deren Bevölkerung weit mehr als horrende Gaspreise dafür zahlt.
Unmittelbar verantwortlich für die Gasdrosselung, wie für den Überfall auf die Ukraine auch, ist natürlich der russische Imperialismus. Aber deshalb schlagen wir uns nicht auf die Seite des deutschen Imperialismus mit seinen Werten, die er schon im Kosovo und in Afghanistan so glänzend verteidigt hat, und seiner Demokratie, die über Nacht 100 Milliarden an der Bevölkerung vorbei ins Militär steckt.
Das ist nicht unser Krieg. Von einem Schulterschluss mit den Herrschenden profitieren nur westliche Kapitale wie Shell und Rheinmetall sowie ihre politischen Vertreter:innen – von Biden bis Macron, von Baerbock bis Selenskyj. Wir werden auch nicht für sie frieren. Wir werden frieren, weil wir uns das Heizen und Duschen und Kochen mit blauer Flamme bald vielleicht nicht mehr leisten können.
Eine Preiswelle rolle auf Deutschland zu, die faktisch nicht mehr abzuwenden sei, so Habeck. Das klingt wie eine Naturkatastrophe, Schulterzucken, da kann man nichts machen. Die jetzt ausgerufene Stufe zwei des Gas-Notfallplans beschreibt Erdgas nun als knappes Gut in Deutschland. Die Folgen zeigen die kommenden Wochen. Schon vor diesem Schritt wurde für einen Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden pro Jahr errechnet, dass 1000 – 2000 Euro Zusatzkosten auf ihn zukommen. Eine drohende drei- bis vierfache (400 %!) Gaspreiserhöhung ist für viele – der Zusammenbruch. Der Markt befiehlt, diese vom Kapitalismus erschaffene Pseudonatur. Preisgarantien sind nichts mehr wert. Auf den Markt wird gehofft. Habeck will der Industrie Anreize zum Energiesparen geben, bei Auktionen sollen Firmen eingespartes Gas versteigern dürfen. Wer dieses Spekulationsspiel wohl am Ende bezahlt?
Die Gaskonzerne werden wahrscheinlich die Kosten an die Verbraucher:innen und die Industrie direkt weitergeben dürfen, die Industrie wird die Kosten an die Verbraucher:innen weitergeben, die Verbraucher:innen sind im wesentlichen die Arbeiter:innenklasse, die lohnabhängigen Mittelschichten und das Kleinbürger:innentum. In Habecks Geldbeutel wird die Gaspreisexplosion genauso wenig Kratzer hinterlassen wie in den Taschen der deutschen Kapitalist:innen. Bei uns entstehen klaffende Spalten. Es ist ideologischer Bullshit, dass wir jetzt alle den Gürtel enger schnallen. Wir kriegen den Gürtel von denen enger geschnallt, bei denen er weiter im weitesten Loch sitzt.
Viele werden mit dem Gas sparen – sparen müssen, Rechnungen und Kontostände sprechen eine eindeutige Sprache. Manchen hilft es dann, sich unter der kalten Dusche mantraartig „Es ist gut für‘s Klima, es ist gut für‘s Klima,…“ vorzubeten. Aber, davon wird vielleicht die Gänsehaut verschwinden, der Klimawandel wird damit nicht gestoppt, nicht mal im kleinsten Ansatz.
Denn die Konsequenzen der Ampelregierungen aus dem Krieg und der Abhängigkeit vom russischen Gas sind ja nicht, einen schnellstmöglichen Ausstieg aus fossiler Energie zu forcieren. Nein. Es geht um den Ausstieg aus russischerfossiler Energie, und selbst der dauert. An die Stelle des sibirischen Gas tritt die rheinische RWE-Braunkohle, das den Krieg im Jemen finanzierende saudische Öl und das vollkommen zerstörerische, abgefrackte Schiefergas aus den USA, von rußkotzenden Flüssiggastankern einmal um die halbe Welt geschippert. Unterm Stich – eine Katastrophe für‘s Klima.
Dabei gebe es Möglichkeiten jetzt und sofort viel mehr fossile Energie und auch Gas einzusparen. Zum Beispiel indem der größte deutsche Industriesektor schnellstmöglich restrukturiert wird. Die Autoindustrie produziert sowieso im Minutentakt eine Verkehrsweise, die weder ökologisch, noch sonst in irgendeiner Weise sinnvoll ist.
Die Gaspreisexplosion ist eben nicht das, was Habeck uns weiß machen will. Sie ist keine unabwendbare Katastrophe, schon gar nicht eine natürliche. Ein angeblicher Klimaminister sollte die Unterschiede zwischen Natur und Gesellschaft besser kennen. Aber gut, Habeck ist ja auch das glatte Gegenteil eines Klimaministers. Die aktuelle Gaspreisexplosion hilft der Absicherung deutscher Konzerne im Ringen mit Russland auf unsere Kosten und die unserer Lebensgrundlage. Nichts anders.
Dafür zahlen wir nicht! Der Kampf gegen den Krieg, Waldbrände in Brandenburg und das völlige Abgebrannt-sein unserer Ersparnisse hat gemeinsame Nenner: