Carlos Uchoa Magrini, Assíria Conti, Liga Socialista, Neue Internationale 259, Oktober 2021
Am 7. September, dem nationalen Unabhängigkeitstag Brasiliens, rief der rechtsextreme Präsident Jair Bolsonaro seine AnhängerInnen auf die Straße. Hunderttausende marschierten in 15 oder mehr Städten, darunter Massendemonstrationen von Zehntausenden. Allein in Sao Paulo sollen es 100.000 gewesen sein.
Auch wenn die Zahl der TeilnehmerInnen im Vergleich zu früheren Demonstrationen zurückgegangen sein mag, ist sie immer noch alarmierend. In Brasilia und Sao Paulo waren sie den GegendemonstrantInnen zahlenmäßig deutlich überlegen. Noch wichtiger ist die stärkere Radikalisierung und Veränderung von Bolsonaro und seinen AnhängerInnen. Auf der extremen Rechten marschierten Angehörige der Armee und der Militärpolizei in Uniform und mit Waffen.
Bolsonaro und seine Regierung sind vielen Bedrohungen ausgesetzt: einer schweren Wirtschaftskrise, einer Pandemie, die 580.000 Menschen das Leben gekostet hat, Korruptionsvorwürfen, sinkender Unterstützung in den Umfragen und sogar Teilen der herrschenden Elite, die sich von ihm distanzieren. Dennoch werden er und seine UnterstützerInnen nicht einfach von der Bildfläche verschwinden, selbst wenn sie die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr verlieren oder er vom Obersten Gerichtshof abgesetzt werden sollte.
Klar ist, dass sie zu einer reaktionären kleinbürgerlichen Bewegung faschistischer Prägung zusammenwachsen, die eng mit paramilitärischen Kräften und Teilen des Repressionsapparates sowohl in der Armee als auch insbesondere in der 500.000 Köpfe starken Militärpolizei verbunden ist.
Während sich Teile der herrschenden Klasse und der traditionellen bürgerlichen Parteien von Bolsonaro distanziert haben, will der Kern der Bourgeoisie nicht riskieren, ihn zu stürzen, und Teile unterstützen ihn sogar weiterhin, da er verspricht, die sozialen und wirtschaftlichen Ziele des parlamentarischen Putsches von 2016 zu verwirklichen, mit dem Dilma Rousseff (ArbeiterInnenpartei PT) aus dem PräsidentInnenamt entfernt wurde. Um einzuordnen, was heute auf dem Spiel steht, muss man die seitherigen politischen Entwicklungen verstehen.
Obwohl Rousseff durch ihren Vizepräsidenten Michel Temer von der Partei Brasilianische Demokratische Bewegung (MDB) ersetzt wurde, der den Putsch inszeniert hatte, hatte dieser eine unerwartete Konsequenz für die wichtigsten Parteien der Bourgeoisie, die MDB und die Sozialdemokratische Partei (PSDB), die in Misskredit gerieten. Dies wurde bei den anschließenden Wahlen sowohl für das PräsidentInnenamt als auch für BürgermeisterInnen und GouverneurInnen deutlich.
Die chaotische Atmosphäre rund um den Putsch schuf ernsthafte Probleme für das bürgerlich-demokratische System, da die politischen Parteien von der Bevölkerung in Frage gestellt wurden. Das wachsende Misstrauen gegenüber den bürgerlichen Institutionen fand seinen Ausdruck in Bolsonaro. In seinen demagogischen Reden, die von rassistischen Vorurteilen und Hass gegen die korrupte politische Elite geprägt waren, prangerte er die gesamte „alte Politik“ an und behauptete, dass er sich nicht auf Kompromisse mit dem Kongress einlassen würde.
Was seine UnterstützerInnen am meisten ermutigte, war seine Behauptung, gegen Korruption und öffentliche Bedienstete zu kämpfen, die seiner Meinung nach hohe Gehälter bezogen und AnhängerInnen der PT und der KommunistInnen waren.
Während er also die Linke angriff, entfernte er sich gleichzeitig von der traditionellen Rechten, stellte sich über alle anderen und präsentierte sich als Lösung für das Land. Mit dieser Kombination aus Hass und Radikalität stieg Bolsonaro in den Umfragen in die Höhe und gewann mit der Unterstützung fundamentalistischer, neupfingstlich-evangelikaler Gruppen, des Militärs, der MilizionärInnen und der GroßgrundbesitzerInnen weitere SympathisantInnen.
In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen 2018 lief das Rennen zwischen Haddad von der PT und Bolsonaro. Lula, der der natürliche Kandidat der PT gewesen wäre, wurde durch eine Entscheidung des Obersten Bundesgerichts aus dem Wettlauf genommen. Die PSDB und die MDB erkannten, dass die einzige Möglichkeit, die Ziele des Staatsstreichs von 2016 aufrechtzuerhalten, darin bestand, die Kandidatur von Bolsonaro zu unterstützen und so die Rückkehr der PT an die Macht zu verhindern. In einem knappen Wahlkampf mit vielen ungültigen und leeren Stimmzetteln gewann Bolsonaro die Wahlen 2018 und brachte viele neue ParlamentarierInnen von kleinen rechten Parteien in den Kongress, die bereit waren, ihre Stimmen zu verkaufen.
Nach seiner Machtübernahme trieb Bolsonaro seine Hasspolitik gegen soziale Bewegungen, Linke, BeamtInnen und LehrerInnen voran, zusätzlich zu Angriffen gegen Frauen, LGBT+, Schwarze und Indigene. Als er von den Liberalen angeklagt wurde, vor allem durch die bürgerliche Presse und das Fernsehen, antwortete er mit Angriffen auf die Medien, indem er versuchte, sie mit der Linken in Verbindung zu bringen und seine SympathisantInnen aufrief, zu seiner Unterstützung aktiv zu werden.
Wichtige Positionen in der Regierung und im Staatsapparat wurden schnell mit Militärs besetzt, von denen es heute mehr als 6.000 gibt, auch in den oberen Rängen. Wir können also sagen, dass wir es mit einem zivil-militärischen bonapartistischen Regime zu tun haben. Darüber hinaus hat Bolsonaro, der bereits einen starken Rückhalt bei den Milizen verzeichnete, auch seinen Einfluss auf die Polizei (Militär, Zivil- und Bundespolizei) verstärkt. Er entlastete den Chef der Bundespolizei und verhinderte weitere Ermittlungen wegen angeblicher Korruption durch seine Söhne, indem er eine Person seiner Wahl einsetzte.
Mit der wachsenden Unterstützung durch die bewaffneten Sektoren begann Bolsonaro, den Kongress und den Obersten Gerichtshof anzugreifen, wenn diese Entscheidungen fällten, die seinen Interessen zuwiderliefen. Dank seines finanziellen Einflusses auf Abgeordnete und SenatorInnen gelang es ihm, seine Verbündeten in den Vorsitz der Abgeordnetenkammer und des Senats zu wählen. Zu diesem Zweck schloss er Vereinbarungen mit den Parteien des „Zentrums“, die bereit sind, sich zu verkaufen, indem er entgegen seinen Wahlversprechen Gelder freigab und ihnen Posten in der Regierung anbot.
So handelte Bolsonaro einen Waffenstillstand mit dem Kongress aus und verstärkte die Angriffe auf den Obersten Gerichtshof, indem er ständig damit drohte, ihn zu schließen, und sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen seine Mitglieder beantragte. Seine AnhängerInnen übernahmen die Idee, den Gerichtshof zu schließen, und behaupteten, seine RichterInnen seien KommunistInnen und gegen das Land.
Die Demonstrationen am 7. September dieses Jahres waren ein weiterer Höhepunkt seiner Kampagne. Während der Aktion in Brasilia sagte Bolsonaro in seiner Rede an die Menge, er werde sich nicht an Urteile des Richters am Obersten Bundesgerichtshof, Alexandre de Moraes, halten, und machte damit deutlich, dass er den Richter, das Gericht und die Bundesverfassung völlig missachtet.
Daraufhin begannen die traditionellen Parteien der Bourgeoisie, auf Bolsonaros Attacken zu reagieren. Während der Präsident des Abgeordnetenhauses, Arthur Lira, angesichts der Angriffe Bolsonaros einen Rückzieher machte, distanzierte sich der Senatspräsident, Rodrigo Pacheco, öffentlich von Bolsonaro. Zwei Mitglieder des Obersten Gerichtshofs, Luiz Fux und Luis Roberto Barroso, verurteilten Bolsonaros Anschläge auf das Gericht und die Bundesverfassung, ohne jedoch etwas gegen ihn zu unternehmen.
LkW-FahrerInnen, die Bolsonaro unterstützen, versuchten, ihre Aktionen nach dem 7. September fortzusetzen. Nach Angaben von G1 (Nachrichtenportal Globo) wurden am 9. September in mindestens 16 Bundesstaaten Autobahnen blockiert, wobei nur Kleinwagen, Einsatzfahrzeuge und verderbliche Lebensmittel passieren durften. Am folgenden Tag gab es weiterhin Straßenblockaden in Bahia, Mato Grosso, Pará und Rondônia sowie Demonstrationen in Rio Grande do Sul, Mato Grosso do Sul und Paraná.
Diese Aktionen sind danach abgeklungen, aber die wirtschaftliche, soziale und politische Krise wird weitergehen und sich sogar noch verschärfen.
Es gab mehr als 580.000 Todesfälle durch Covid-19, und die Impfkampagne hat nur etwas mehr als 30 Prozent der Bevölkerung erreicht. Als wäre das nicht genug, hat Bolsonaro das Impfstoffbudget für 2022 im Vergleich zu 2021 um 85 Prozent gekürzt.
Trotz all dieser Probleme garantiert Bolsonaro den BänkerInnen, GroßunternehmerInnen, der Agrarindustrie und den LandbesitzerInnen immer noch immense Profite. Deshalb bleibt er an der Regierung, obwohl mehr als 150 Anträge auf Amtsenthebung beim Präsidenten der Abgeordnetenkammer eingereicht wurden.
Bolsonaro positioniert sich zunehmend als „großer Führer“, der keiner institutionellen Macht gehorcht und bereit ist, den Putsch zu vertiefen, selbst wenn dies eine gewaltsame militärische Intervention erfordert, indem er die Streitkräfte an die Regierung bringt und die paramilitärische Polizei und Milizen auf der Straße agieren lässt. Es besteht also die eindeutige Gefahr, dass sein nächster Schritt ein Staatsstreich sein wird, der diesmal eindeutig faschistisch ist und auf einer bewaffneten Massenmobilisierung und der Zerstörung der verfassungsmäßigen, parlamentarischen und gerichtlichen Institutionen beruht.
Es ist die anhaltende Krise des Landes, die politische Lähmung zwischen seinen verschiedenen Institutionen und den verschiedenen Klassenkräften, die die soziale Grundlage für den Zusammenhalt der UnterstützerInnen Bolsonaros in einer Bewegung wütender KleinbürgerInnen zusammen mit Teilen der Streitkräfte bildet. Es ist diese Krise und Lähmung, die das KleinbürgerInnentum und sogar rückständige, rassistische Teile der ArbeiterInnenklasse nach rechts treibt. Ironischerweise sind es das Chaos und die Instabilität, die drohenden militarisierten Aufmärsche, die Bolsonaro selbst schürt, die die Spannungen im Land vertiefen und die Forderung nach einem „starken Mann“ aufkommen lassen, der die volle diktatorische Macht übernimmt. Dies würde es Bolsonaro ermöglichen, die verbliebenen defensiven Hochburgen der ArbeiterInnenbewegung, die Gewerkschaften und ArbeiterInnenparteien, innerhalb des krisengeschüttelten brasilianischen Kapitalismus zu zerstören.
Wie reagieren die ArbeiterInnenklasse und ihre führenden Organisationen auf die Radikalisierung der Konterrevolution, auf die reale Gefahr, dass sich eine faschistische Bewegung weiterentwickelt und im Bündnis mit Teilen der Militär- und Polizeikräfte sogar die Macht übernimmt?
Die PT, die größte linke Partei des Landes und der wichtigste Bezugspunkt für die ArbeiterInnenklasse, bemüht sich um den Aufbau einer „breiten Front“. Dazu gehören auch die Parteien der Rechten, die den Putsch von 2016 geplant und die Kandidatur von Bolsonaro unterstützt haben, um zu verhindern, dass die PT an die Spitze des Landes zurückkehrt. Dies zeigt sich sowohl in den Bemühungen von Lula, ihrem wichtigsten Vorsitzenden, der mit den „alten Bossen“ der traditionellen Rechten spricht, als auch in den Ankündigungen vieler anderer ParteiführerInnen.
Diese breite Front ist nichts anderes als die historische Volksfront, wie wir sie in Spanien und Frankreich in den 1930er Jahren und in Chile in den 1970er Jahren gesehen haben, die immer zur Niederlage der ArbeiterInnenklasse geführt hat. Lula und die anderen PT-FührerInnen sollten das sehr gut wissen. Es war ein solches Bündnis, das die Partei weiter nach rechts trieb, mehrere ihrer FührerInnen ins Gefängnis brachte und seinen Höhepunkt im Putsch von 2016 und der ungerechten Inhaftierung von Lula selbst fand.
Die Strategie, ein Bündnis mit dem „Anti-Bolsonaro“-Teil der herrschenden Klasse zu suchen, wurde von der PT entwickelt, aber auch von der Kommunistischen Partei (PCdoB) und kürzlich durch eine Erklärung von Guilherme Boulos von der Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL) unterstützt. Glücklicherweise haben sich Sektoren der PT, der PCdoB und der PSOL bereits gegen diese Volksfront ausgesprochen. Dabei handelt es sich um wichtige Teile, die sowohl die FührerInnen als auch die Basis dieser Parteien umfassen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die PCdoB im Begriff ist, mit der Sozialistischen Partei Brasiliens (PSB) zu fusionieren, einer „sozialistischen“ Partei, die schon vor langer Zeit zu einer der Rechten wurde, um eine neue, sicherlich größere und weiter rechts stehende Partei zu gründen. Ein Zusammenschluss zwischen diesen beiden Parteien wurde sogar als „Bewegung 65“ bezeichnet.
Historisch gesehen erwies sich die Volksfront als verhängnisvoll für die ArbeiterInnenklasse. Sie hat nicht nur ihre Forderungen nicht erfüllt, sondern war in vielen Fällen ein Vorspiel für die Machtübernahme durch die FaschistInnen. Da die Volksfront nur möglich ist, wenn die Organisationen der ArbeiterInnenklasse die Interessen ihrer Klasse und des fortschrittlichen KleinbürgerInnentums und der Mittelschichten der Gesellschaft denen der Bourgeoisie unterordnen, ist sie notwendigerweise enttäuschend, desorientierend und frustrierend für die ArbeiterInnen. Sie drängt auch das KleinbürgerInnentum von der ArbeiterInnenklasse weg und hin zu reaktionären rechtspopulistischen oder sogar faschistischen Kräften, die sich als die „radikalere“ Lösung der Krise präsentieren.
Der Kampf gegen den Faschismus ist untrennbar mit dem gegen den Kapitalismus verbunden. Die faschistische Bedrohung entsteht gegenwärtig, wie auch in der Vergangenheit, aus der schweren Krise des Kapitalismus und der bürgerlich-parlamentarischen Herrschaftsformen. Auf der Grundlage verzweifelter Teile der Mittelschichten versucht die faschistische Herrschaft, die Krise durch die Vernichtung jeglichen Widerstands der ArbeiterInnenklasse oder anderer Unterdrückter gegen die Programme zur Rettung der Interessen des Großkapitals zu lösen. Die Volksfront mag wie eine kurzfristige Lösung gegen die drohende faschistische Machtübernahme aussehen, aber da sie nicht in der Lage ist, die Krisensituation entweder zugunsten der ArbeiterInnenklasse und Mittelschichten oder im langfristigen Interesse der KapitalistInnen zu lösen, kann sie nur eine höchst instabile und vorübergehende sein. Die zugrundeliegende Krise muss in eine dieser beiden Richtungen gelöst werden. Da die Volksfront ein Hindernis für die volle Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse darstellt, ist sie ein Vorteil für die Bourgeoisie, die den nächsten faschistischen Angriff vorbereiten kann, sobald die Volksfront die ArbeiterInnen desillusioniert und den faschistischen Mob radikalisiert hat.
Neben dieser Haupttendenz zur „breiten Front“ gibt es die kleineren linken Organisationen Brasilianische Kommunistische Partei (PCB), Partei der ArbeiterInnensache (PCO) und die Vereinigte Sozialistische ArbeiterInnenpartei (PSTU), die sich gänzlich gegen die Volksfront aussprechen. Die PCB und die PSTU nehmen jedoch eine sektiererische Position in den ArbeiterInnenkämpfen ein und weigern sich, die PT in eine Einheitsfront einzubeziehen oder sich taktisch mit ihr zu verbinden. Das Gleiche gilt für die Wahlen: eine politische Position, die der ArbeiterInnenklasse nichts bringt und der PT-Führung die Freiheit lässt, Bündnisse mit dem rechten Flügel zu suchen, was es dieser erleichtert, ihre Kontrolle über die Masse der organisierten ArbeiterInnenklasse fortzusetzen.
In der gegenwärtigen Situation, in der wir eine große Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse brauchen, um einem Vormarsch des Faschismus entgegenzutreten, haben die wichtigsten Parteien der brasilianischen Linken und die zentralen Gewerkschaften in der ersten Phase der Pandemie die politische und gewerkschaftliche Aktivität weitgehend eingestellt.
Infolgedessen bleiben GewerkschafterInnen und Linke passiv, während die ArbeiterInnenklasse weiterarbeitete und die überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel nutzte. Dieser Fehler erschwerte es ihr, sich zu mobilisieren, um den Angriffen der Regierungen und UnternehmerInnen während der Pandemie zu begegnen. Viele Gewerkschaften schlossen sogar ihre Zentralen für lange Zeit.
Darüber hinaus unterschätzen große Teile der Linken, während sie die ganze Zeit den verrückten und faschistischen Charakter von Bolsonaro und seinen UnterstützerInnen anprangern, die Gefahr einer neuen Qualität des Kampfes um die Macht, d. h. dass Bolsonaro, seine faschistischen SympathisantInnen mit Spitzenpositionen im bewaffneten Apparat des bürgerlichen Staates nun wirklich auf eine Machtübernahme zusteuern. Die Linke sollte sich nicht über die Gefahr täuschen, aber sie sollte auch nicht alles als verloren betrachten, da die Zahl der Bolsonaristas auf den Straßen am 7. September nicht allzu groß war und es Teile der Bourgeoisie gibt, die jetzt direkter gegen ihn sind. Eine kraftvolle und vereinte Aktion der ArbeiterInnenklasse auf den Straßen und in den Betrieben kann seine Bewegung immer noch besiegen und zerstreuen.
Aber die schwache Reaktion der Linken auf diese unglaubliche Provokation wird die FaschistInnen ermutigen und sie glauben lassen, dass sie bei der Errichtung ihrer Diktatur nicht auf viel Widerstand seitens der legalistischen Linken und der traditionellen Parteien der Rechten stoßen werden. Im Gegenteil, wir müssen die Alarmglocken läuten. Die ArbeiterInnenklasse, ihre Parteien, die Gewerkschaften und die Basisorganisationen müssen einen Kampf vorbereiten, der den Faschismus wirklich schlagen kann, wenn er angreift. Dazu gehören die stärksten Waffen des Proletariats, vom Generalstreik bis zum bewaffneten Widerstand.
Die Führungen der Linken und Gewerkschaftsbewegung beginnen langsam und verspätet, Mobilisierungen zu fördern. Um diesen Prozess zu beschleunigen, ist eine direkte Aktion der Führungen und der Basis notwendig. Dazu ist ein einheitliches, national definiertes Ziel erforderlich. Die CUT und die PT, die größten Organisationen der ArbeiterInnenklasse im Land, haben die Pflicht, den Generalstreik als konkretes Ziel zu definieren. Dazu müssen die PT-Führungen, einschließlich Lula, aufhören, Bündnisse mit dem rechten Flügel einzugehen, und sich an die Arbeiterklasse wenden. Wir müssen die nationale Führung der CUT auffordern, zum Generalstreik aufzurufen und Selbstverteidigungseinheiten zu organisieren, wenn die rechten BolsonaristInnen putschartig die Macht übernehmen wollen. Dieser Kampf erfordert den Bruch mit allen bürgerlichen Parteien und Bündnissen. Stattdessen muss man eine Einheitsfront der Arbeiterklasse und aller unterdrückten Schichten der Gesellschaft, der PT, der CUT, aller anderen Gewerkschaften und Linken, der Landlosenbewegung (MST) und Obdachlosenbewegung (MTST), der Frauen-, LGBTIAQ- und StudentInnenbewegung fördern.
Um eine solche Front aufzubauen, muss man den Kampf gegen die kapitalistische Krise, die Pandemie und den Aufstieg der Rechten vereinen.
Der Putsch von 2016 und der Aufstieg von Bolsonaro haben das Land ins Chaos gestürzt. Mehr als 580.000 Tote durch Covid-19; die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 %, wenn man die Arbeitslosen (14,6 %) und die Entlassenen (5,7 %) berücksichtigt; die Lebensmittelpreise sind auf den Märkten in die Höhe geschnellt; Metzgereien beginnen bereits, Knochen zu verkaufen, als Alternative für diejenigen, die kein Fleisch mehr kaufen können; Treibstoff hat exorbitante Preise erreicht, und viele verwenden bereits Holz- und Alkoholöfen, um Kochgas zu ersetzen.
Die wirtschaftliche, gesundheitliche und politische Krise hat viele Arbeitslose hervorgebracht, die auf das Überleben angewiesen sind und einen völlig ungeregelten Arbeitsplatz gefunden haben. Das sind die Fastfood-LieferantInnen, die mehr als 10 Stunden am Tag arbeiten, ohne festen Lohn, ohne bezahlte Ruhezeiten, ohne Sozialversicherung, ohne Urlaub, und da sie keine/n ChefIn haben, sind sie am Ende ihre eigenen HenkerInnen.
Eine Volksfront wird keine Lösungen für die ArbeiterInnenklasse bringen. Ihre Hauptrolle wird darin bestehen, die Rechnung für die Krise wieder einmal auf den Rücken der Lohnabhängigen zu begleichen und dafür zu sorgen, dass die Investitionen in den privaten Sektoren ihre Profite in Krisenzeiten garantieren.
Außerdem können wir nicht auf institutionelle Lösungen warten, die vom Obersten Bundesgerichtshof oder dem Kongress kommen. Unser einziger und wahrer Ausweg ist der Kampf gegen den Aufstieg der Rechten, die Vorbereitung des nächsten Putsches und die sozialökonomischen Angriffe. Es ist klar, dass dies im Sturz der Regierung Bolsonaro gipfeln muss, wobei sich die Frage der politischen Macht und die Schaffung einer Regierung der Arbeiterklasse stellt.
Um dies zu erreichen, brauchen wir eine Einheitsfront der gesamten Linken, die alle Parteien der Linken (PT, PCdoB, PSOL, PCB, PCO und PSTU) sowie die sozialen und gewerkschaftlichen Bewegungen einbezieht. Der Aufbau dieser Einheit kann nicht auf künstliche Weise erfolgen, nur als eine Zusammensetzung der Kräfte für den Wahlkampf. Diese Einheit muss sich auf die Hauptforderungen zur Beendigung der Krise stützen, auf ein Notprogramm, das die unmittelbaren Forderungen der Arbeiterklasse und der verarmten Massen erfüllt.
Eine solche Regierung, die sich aus der PT, der PSOl, dem CUT (größter Gewerkschaftsverband) und anderen linken und gewerkschaftlichen Organisationen zusammensetzt, muss sich auf Kampforgane stützen, auf Widerstandskomitees in Stadtvierteln, an Arbeitsplätzen, Schulen und Universitäten. Diese sollten die Grundlage für die Aktionen der linken Front und ein Schritt zum Aufbau von ArbeiterInnen- und BäuerInnenräten sein.
Eine solche Regierung kann nur als Ergebnis des Kampfes zustande kommen, nicht als rein parlamentarische Kombination. Sie wird zwar noch nicht die Regierung einer neuen, sozialistischen Gesellschaft darstellen, aber kann ein Schritt in diese Richtung sein. Fordert deshalb von den bestehenden Organisationen der ArbeiterInnenklasse, diesen Kampf voranzutreiben, mit aller Volksfrontpolitik zu brechen und für eine ArbeiterInnen- und BäuerInnenregierung zu kämpfen. Wir werden eine solche Bewegung gegen jeden Angriff von rechts, der herrschenden Klasse und des Imperialismus unterstützen. Gleichzeitig müssen wir für ein echtes Programm von Übergangsforderungen kämpfen, die umgesetzt werden müssen, um den Kampf zur Schaffung eines ArbeiterInnen- und BäuerInnenstaates auf der Grundlage einer demokratischen Planwirtschaft voranzutreiben.
Um einen vereinten Kampf der ArbeiterInnen zu organisieren, schlagen wir die folgenden Forderungen für einen Notfallplan vor, um die Bedürfnisse der ArbeiterInnen und Unterdrückten zu befriedigen!
Aufhebung der Arbeitsreform und aller Gesetze, die die Rechte der ArbeiterInnen seit dem Staatsstreich von 2016 angreifen.
Aufhebung aller Gesetze und Gerichtsentscheidungen, die das Outsourcing legalisiert und reguliert haben.
Aufhebung der Sozialversicherungsreformen der Regierung Bolsonaro sowie der Regierungen Lula und FHC (Fernando Henrique Cardoso).
Kostenlose, hochwertige öffentliche Gesundheitsversorgung für alle. Ausbau und Stärkung des Sistema Unica de Saude (Gesundheitssystem), Erhöhung der Investitionen in die öffentliche Gesundheit. Enteignung aller Gesundheitseinrichtungen des privaten Sektors und Abschaffung der Gesundheitspläne.
Kostenlose Impfung gegen Covid für alle! Volle Entschädigung für alle in Quarantäne, oder wenn Arbeitsplätze geschlossen werden müssen, um die Pandemie einzudämmen.
Kostenlose, hochwertige, öffentliche Bildung für alle. Enteignung aller Privatschulen und verstärkte Investitionen in die Bildung.
Verbot der Arbeit für Kinder unter 16 Jahren. Der Platz eines Kindes ist in der Schule!
Für einen von den Gewerkschaften beschlossenen und an die Inflation gekoppelten Mindestlohn! Anhebung der Arbeitslosenunterstützung und der Renten auf das Niveau des Mindestlohns.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für alle Lohnabhängigen, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Altersgruppe oder Herkunftsland.
Verkürzung der Arbeitszeit auf 36 Stunden pro Woche, wodurch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden und den ArbeiterInnen mehr Ruhe- und Freizeit zur Verfügung stehen.
Keine prekären Jobs mehr! Jede/r Lohnabhängige hat das Recht auf bezahlte und geregelte Arbeit!
Für ein Programm sozial und ökologisch nützlicher öffentlicher Arbeiten, finanziert durch die Besteuerung der Reichen und unter Kontrolle der ArbeiterInnenbewegung.
Gleicher Lohn für Frauen und Unterdrückte in allen Bereichen der Wirtschaft!
Verteidigung des Rechts auf Abtreibung! Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper.
Sozialisierung der Hausarbeit – kostenlose Kinderbetreuung, Kindergärten für alle.
Bau von Frauen- und LGBT-Flüchtlingsunterkünften, um Opfern von Gewalt Schutz zu bieten.
Selbstverteidigungstraining für Frauen gegen häusliche und öffentliche Gewalt.
Gleicher Lohn und uneingeschränkter Zugang zu Sozialleistungen, Bildung und Gesundheit für alle!
Polizei und staatliche Kräfte raus aus den Gemeinden der Unterdrückten und indigenen Bevölkerung!
Recht indigener Gemeinschaften auf ihr Land.
Selbstverteidigung organisiert von den Gemeinden und der ArbeiterInnenbewegung, gegen rassistische Angriffe und Mord.
Enteignung aller großen Ländereien und landwirtschaftlichen Betriebe. Gründung von Kolchosen und Genossenschaften kleiner ländlicher ErzeugerInnen, die Anspruch auf Kredite des Staates haben.
Erlass aller Schulden der ländlichen KleinerzeugerInnen und sofortige Beendigung der Vollstreckungsverfahren für diese Schulden.
Wirksamer Schutz aller Wälder und der einheimischen Bevölkerung. Enteignung aller verbrannten Flächen. Revitalisierung aller Flüsse und Wälder.
Petrobras (größter Energiekonzern) muss zu 100 % in staatlichen Besitz genommen und unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt werden.
Plan zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen! Investitionen in die Entwicklungsforschung zur Erzeugung sauberer Energie.
Steuern auf große Vermögen und Gewinne.
Enteignung aller Schlüsselunternehmen und derjenigen, die Massenentlassungen vornehmen und die Rechte der Lohnabhängigen missachten. Verstaatlichung, ohne Entschädigung und unter ArbeiterInnenkontrolle.
Wiederverstaatlichung von privatisierten Unternehmen ohne jegliche Entschädigung.
Finanzielle Anreize durch die Bundesregierung für alle verstaatlichten Unternehmen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Enteignet die Großbanken, die Finanzinstitute, die großen Monopole in Industrie, Handel und Gewerbe sowie den Großgrundbesitz und die Agrarindustrie!
Für einen Notfallplan zur Bekämpfung der Pandemie, der Armut und des Hungers und zur Erneuerung der Gesellschaft entsprechend den Bedürfnissen der Menschen und der ökologischen Nachhaltigkeit.
Die ArbeiterInnen müssen einen solchen Plan kontrollieren!
Nieder mit der Präsidentschaft und allen undemokratischen Institutionen des Staates.
Für eine verfassunggebende Versammlung. Ihre zu wählenden Mitglieder sollen von betrieblichen und lokalen Versammlungen und Räten der ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen einberufen und kontrolliert werden.
Für das Ende der Polizei! Die Polizei ist nichts anderes als eine bewaffnete Armee zur Verteidigung des Privateigentums der KapitalistInnen. Für die ArbeiterInnen bedeutet sie Repression und Angst. Die Aktionen, insbesondere der Militärpolizei, in den Armenvierteln zeigen genau deren Charakter: Eine gewalttätige, rassistische Polizei, die die BewohnerInnen dieser Viertel, insbesondere die Schwarzen, hinrichtet.
Bildung von ArbeiterInnen- und antifaschistischen Milizen, organisiert aus Gruppen von ArbeiterInnen, bewaffnet und ausgebildet, um die ArbeiterInnenklasse zu verteidigen.
Gegen Faschismus! Für eine gleichheitliche, gerechte und demokratische Gesellschaft: eine sozialistische Gesellschaft.
Für die Internationalisierung der Revolution! Für eine ArbeiterInnen- und BauernInnenrepublik als Teil der vereinigten sozialistischen Staaten Lateinamerikas!