Arbeiter:innenmacht

Sexismus und Rap

Leonie Schmid, REVOLUTION, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Dass Rap sexistische Prägungen hat, ist wohl jedem/r klar. Seien es Musikvideos, in denen sich Frauen halbnackt räkeln und nur zur Objekten degradiert werden, oder ein Gzuz von 187 Straßenbande, der Vergewaltigungsfantasien in seinen Texten ausdrückt („Baller der Alten die Drogen ins Glas Hauptsache, Joe hat sein’n Spaß“ – Gzuz & Bonez MC im Song „Lebenslauf“) oder auch die völlig fehlende Repräsentation von Frauen oder LGTBIA-Personen: das Patriarchat schwingt immer mit. Das ist natürlich logisch, denn unsere gesamte Gesellschaft ist ja vom Patriarchat durchzogen. Dennoch stellt sich die Frage: wie umgehen mit diesem Sexismus?

Rap – Genre des Widerstands und der Befreiung der Arbeiter_Innenklasse?

Rap ist eigentlich ein Genre, das vor allem von People of Colour (PoC), also Nichtweißen aufgebaut wurde, Anfänge sind in der afroamerikanischen Kirche, der Bürgerrechtsbewegung und bei den Black Panthers zu finden. Diese Art von Sprechgesang wurde hauptsächlich genutzt, um politische Parolen zu verbreiten. Anfang der 1970er begann man, diese Aussagen immer mehr mit Slang zu rappen, da man davon ausging, dass Rap so den Jugendlichen nähergebracht werden könnte. Auch im 20. Jahrhundert waren hauptsächlich PoC Rapper, die Rap und Hip Hop weltweit bekannt machten. Aber spätestens seit dem Erfolg von Eminem in den USA oder Sido in Deutschland ist das Genre zum Mainstreammedium geworden. Wenngleich in vielen Rapsongs die politischen Parolen untergingen, so bleibt Rap doch ein Musikstil, der häufig die Lebensrealität von Leuten aus dem Prekariat thematisiert und oftmals von ihnen gehört wird. Dementsprechend, so argumentieren manche, ist es auch okay, wenn Rapper_Innen sexistische Wörter benutzen oder sexistische Elemente in ihre Musikvideos einbauen. Leider sind Rapper_Innen aber keine unbeteiligten Straßenreporter_Innen und viele von ihnen leben diesen Lifestyle auch wirklich, von dem sie reden. Auch wenn dem nicht so ist, ist es wichtig, die Sachen die die Arbeiter_Innenklasse erlebt, nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu analysieren und eine Perspektive aufzuzeigen. Und auch das ist möglich, ohne schwierige Wörter oder Theorien zu verwenden, die angeblich niemand verstehen würde.

Sexismus gegen Rechts? – Das Beispiel K.I.Z

K.I.Z haben ein Album, welches „Sexismus gegen Rechts“ heißt, herausgegeben und so klingen auch vieler ihrer Songs. Wörter wie Fotze, Hure, Schlampe usw. werden verwendet und es finden sich viele Gewaltfantasien gegenüber Frauen. Vieles davon, so sagen sie, ist ironisch gemeint. Den aufmerksamen Hörer_Innen wird das vielleicht auch auffallen, aber es gibt ja trotzdem genug Jugendliche, die diese Texte nicht reflektieren und diese oft sehr beklemmenden Szenarien, wie zum Beispiel auch in den Liedern „Ariane“ oder „Ehrenlos“ vom Album „Hurra die Welt geht unter“, feiern. Maxim von K.I.Z meint, dass Sexismus in der Gesellschaft existiert und dass niemand von seinen Texten Sexist_in wird. Auch hier eine tendenziell richtige Analyse (zumindest was den Sexismus in der Gesellschaft angeht), nur leider manifestieren und reproduzieren sich sexistische Aussagen trotzdem und Sexist_Innen, die diese Lieder hören, können sich auch nicht reflektieren. Auch die Behauptung, Jugendliche und Kinder würden beim Hören dieser Lieder keine neuen Wörter oder Szenearien lernen, ist rein pädagogisch und psychologisch eine blanke Lüge. Alles, was wir wahrnehmen, beeinflusst uns irgendwie („Das gesellschaftliche Sein bestimmt  das Bewusstsein“ – Marx). Und gerade im jungen Alter, wo wir nicht selektieren können, kann das verheerende Ausmaße annehmen. Auch Rapper_Innen wie MC Bomber, der sich gerne mal MC Vergewaltiger in seinen Songs nennt, meinen, mit Ironie spielen zu können und zu dürfen. Aber meist sind diese Witze weder innovativ noch lustig. Des Weiteren kann so eine Linie Menschen, die schon einmal Opfer einer Vergewaltigung wurden, unheimlich stark triggern.

Zusammengefasst: Rap ist ein Sprachrohr und der Charakter des jeweiligen Songs hängt von den jeweiligen Inhalten ab. Wenn viele Texte davon handeln, dass es geil ist, mit einem BMW zugekokst durch sein Viertel zu fahren, während man dann irgendeine Frau fickt, ist das Ausdruck von einem Teil des gesellschaftlichen Bewusstseins. Für Rapper_Innen, die sich als links identifizieren, sollte aber klar sein, dass es ihre Aufgabe ist, revolutionäre Ideen in ihren Texten zu verarbeiten, ohne dabei Diskriminierung zu verwenden. Denn sonst bleibt man auf dem aktuellen Stand der bürgerlichen Gesellschaft stehen und reproduziert Spaltungsmechanismen sowie Unterdrückung statt Solidarität und fortschrittliche Positionen.

Und nun – darf ich keinen Rap mehr hören, weil er sexistisch ist?

Nein, darum geht es nicht. Wir leben in einer bürgerlichen Gesellschaft, in der es im Hier und Jetzt kein befreites Leben von den Zwängen des Kapitalismus geben kann. Aber das heißt nicht, dass man alles, was problematisch ist, kritiklos abfeiern soll. Es geht also darum, Sexismus im Rap überall, wo er auftritt, zu kritisieren und anzuprangern und Frauen und LGTBIA+-Menschen zu supporten. Es geht darum, sich mit den Inhalten, den Texten, die man hört auseinanderzusetzen. Das heißt auch, dass man linke, politische Rapper_Innen für ihren noch in Texten vorhandenen Sexismus kritisieren muss und bei einem politischen Social nicht gedankenlos K.I.Z. abspielt. Das gilt auch für „revolutionäre“ Rapper_Innen wie Vizzion, der beim Sturm auf die Regierung davon singt, dies mit „seinen Jungs“ (ja auch Frauen machen Politik und können in der ersten Reihe stehen, lieber Vizzion!) zu tun („0x6“ – offizielles YouTube-Video von Vizzion), oder Vergewaltigunsgmacker_Innen verteidigt.  Und einzelne Lines wie „meine Mädels werfen Steine auf Streifenwagen“ („Macht und Gewalt“ – YouTube-Video von Taktikka) sind zwar ganz cool, heben aber trotzdem kein Mackertum auf und beziehen keine klare Position gegen Sexismus. Das sind nur ein paar Gründe, die es notwendig machen, Frauen zu pushen bspw. Thawra, Tice oder Presslufthanna und Genoss_Innen zu supporten, auch mal das Mikrophon in die Hand zu nehmen. Aber auch im amerikanischen bzw. britischen Rap gibt es Frauen, die es zu unterstützen gilt: zum Beispiel Miss Eaves, Cupkakke, Lady Leshurrr, Lizzo, Stefflon Don, Nadia Rose, Princess Nokia, Angel Haze. Positiv erwähnt seien auch die französische Kenny Arkana und die Palästinenserin Shadia Mansour.

Wir brauchen aber auch neue, unabhängige Rapperinnen, die sich gegen Rassismus, Sexismus und Kapitalismus stellen und den Weg zum Kommunismus aufzeigen und keine sexistischen und keine, die problematische Featuregäste wie SXTN zusammen mit Capital Bra sowie Schwesta Ewa und AON-Chef Xatar haben oder selbst sexistische Scheiße verbreiten. So kann die Jugend erreicht werden und so können sich auch junge Frauen besser mit Kommunismus und der revolutionären Jugend identifizieren!

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