Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, 1. April 2018, Infomail 997, 5. April 2018
Israelische Streitkräfte, die wahllos auf unbewaffnete palästinensische DemonstrantInnen, Männer, Frauen und Kinder, schießen, haben Ende März mindestens 16 Menschen getötet und weit über 100 verletzt. Wie in solchen Fällen üblich, blockieren die VertreterInnen der USA und Großbritanniens im UN-Sicherheitsrat jede Verurteilung Israels oder gar jede Aufforderung, das Abschlachten einzustellen. Das Massaker kam einen Tag, nachdem eine Granate, die von einem israelischen Panzer abgefeuert wurde, einen palästinensischen Bauern tötete, der sein Petersilienfeld pflegte.
Der zionistische Siedlerstaat hat 1948 und 1967 Landstriche besetzt und daraus die BewohnerInnen vertrieben und diese Politik seitdem mit unzähligen kleineren Vertreibungen fortgesetzt. Die brutale Unterdrückung und der letzte Angriff zielten darauf ab, eine geplante Demonstration namens „Der große Rückkehrmarsch“ entlang des so genannten Sicherheitszauns, der die BewohnerInnen des Gazastreifens von ihrem geraubten Land trennt, zu stören.
Der 9. April ist auch der 70. Jahrestag des Massakers von Deir Yasin, bei dem zwischen 100 und 250 DorfbewohnerInnen – die Zahlen sind umstritten – von der militärischen Untergrundorganisation Irgun (Irgun Tzwa’i Le’umi; Abk.: IZL, Etzel; deutsch: Nationale Militärorganisation) und den zionistischen Lehi-Milizen getötet wurden. Menachem Begin, zu dieser Zeit Kommandant der Irgun, später Premierminister Israels und Friedensnobelpreisträger (!), rühmte sich: „Das Massaker an Deir Yasin war nicht nur gerechtfertigt, ohne den Sieg von Deir Yasin hätte es nie einen Staat Israel gegeben“. (Henry Schuman: Der Aufstand, Geschichte der Irgun, New York, 1951).
Gaza selbst befindet sich seit elf Jahren unter einer israelisch-ägyptischen Blockade und ist zudem verheerenden Luftbombardements ausgesetzt, zuletzt im Jahr 2014. Zwischen dem 8. Juli und dem 27. August 1914 wurden mehr als 2.100 PalästinenserInnen bei der Invasion und Teilbesatzung des Gazastreifens getötet.
Der aktuelle Protest, der am „Tag des Bodens“, dem 29. März, begann und bis zum 15. Mai, dem Nakba-Tag (deutsch: Tag der Katastrophe), dauern soll, zielt darauf ab, die Aktionen eines Staates hervorzuheben, der 5 Millionen PalästinenserInnen im Status von Flüchtlingen und Vertriebenen aus ihrem Heimatland hält. In wenigen Wochen wird Israel 70 Jahre seines Bestehens feiern, zweifellos mit den herzlichen Glückwünschen der imperialistischen Mächte verziert, die dies ermöglicht haben: Großbritannien, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland und ihre Verbündeten.
Die Propagandamaschinen der israelischen Regierung und ihrer Botschaften auf der ganzen Welt propagieren nun, dass sich „die AraberInnen“ die Vergeltung durch das Werfen von Steinen oder die eine oder andere Benzinbombe selbst zuzuschreiben hätten. Die westlichen Medien werden dies unterstützen ebenso wie die rechten Kräfte in den westlichen ArbeiterInnenbewegungen. Solche Kräfte führen bereits einen Präventivschlag gegen Jeremy Corbyn, den Vorsitzenden der britischen Labour Party, der bisher die PalästinenserInnen verteidigt und die Gräueltaten Israels verurteilt hat.
Es gibt noch andere Pläne. Trump und May betrachten ebenso wie ihr Gehilfe, der Kronprinzen von Saudi-Arabien, der selbst einen völkermörderischen Krieg im Jemen führt, Israel als einen wichtigen Verbündeten gegen den Iran, selbst keine progressive Kraft, wie dessen Verbrechen in Syrien zeigen. Die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels durch Trump ist ein erster Einschnitt, der es Israel erlaubt, einen weiteren Schritt in Richtung des Raubs von palästinensischem Land um Jerusalem herum zu setzen. Jeder größere Krieg in der Region, der beispielsweise durch einen Angriff auf die iranische Atomindustrie ausgelöst wird, wird zweifellos als Deckmantel für die Vertreibung weiterer PalästinenserInnen und die Beschlagnahme von mehr Land dienen.
Der israelische Staat ist eine überwältigend mächtige Streitmacht. Er hat nicht nur Atomwaffen, sondern auch die bedingungslose Unterstützung der USA und der meisten europäischen Staaten. Wenn er jedoch Maßnahmen wie die in Gaza gegen unbewaffnete zivile DemonstrantInnen ergreift, untergräbt er die Sympathie, die er von normalen BürgerInnen in der ganzen Welt genossen hat. Sie betrachten solche Handlungen mit Abscheu. Der Versuch, sich den Holocaust zur Rechtfertigung eigener Kriegsverbrechen zu missbrauchen, wird zunehmend nicht nur als Obszönität gegenüber seinen sechs Millionen Opfern erkannt, sondern untergräbt auch den immer noch notwendigen Kampfes gegen den wirklichen, reaktionär-rassistisch begründeten abscheulichen Antisemitismus.
Der Grund, warum die westlichen Mächte Israel immer unterstützen, ist nicht die tiefe Sympathie für den Zionismus oder die jüdischen Bevölkerung in diesen Ländern, geschweige denn die Schuld dieser Ländern, ihre Grenzen für die meisten europäischen Ju(e)dInnen, die Opfer des Holocaust wurden, geschlossen zu haben. Der wahre Grund ist vielmehr, dass Israel immer ein starkes Hindernis für die Einheit der Länder des Nahen Ostens gegen die westlichen Mächte war, die seit über einem Jahrhundert ihre Ölressourcen geplündert haben.
Aus all diesen Gründen ist es für SozialistInnen und GewerkschafterInnen im Westen unerlässlich, auf die Straße zu gehen, um den PalästinenserInnen durch die Verurteilung der israelischen Massaker den Rücken zu stärken und die Forderung der PalästinenserInnen nach ihrem Rückkehrrecht zu unterstützen.