Leonie Schmidt, REVOLUTION Sachsen, Infomail 1096, 19. März 2020
Am Sonntag dem 8. März beteiligten sich insgesamt 3.000 Demonstrierende in Leipzig beim sogenannten feministischen Streik. Wenngleich eine Demo im Kampf um die Frauenbefreiung eigentlich lautstark und kämpferisch sein sollte – so war das in den meisten Blöcken nicht der Fall. Hier setzte man eher auf Technomusik, Schweigen und ein bisschen Sekt, um den Kampf für mehr Frauenrechte zu besiegeln. Desweiteren entschloss man sich dazu, kämpferischen, antiimperialistischen und revolutionären Frauen die Teilnahme an der Demo zu untersagen. So positionierte sich das Bündnis über den Lauti bei der ersten Zwischenkundgebung am Wilhelm-Leuschner-Platz gegen vermeintlichen Antisemitismus (aka Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf) und verbannte AktivistInnen von REVOLUTION, der MLPD und dem BDS aufgrund von Antisemitsmus- und Mackertum-Vorwürfen von der Demo.
Diese mündliche Durchsage wurde auch durch körperliche Auseinandersetzungen bestärkt, so wurde an Fahnen und Transpis gerissen, AktvistInnen von Revolution geschubst und auch Genossinnen durch eine männlich gelesene Person niedergeschrien. Ebenfalls wurden Genossinnen, welche sich vorher durch ein Megaphon mit antisexistischen Parolen Gehör verschaffen wollten, als Macker bezeichnet, da sie „zu laut und aggressiv“ gesprochen haben sollen. Das zeugt von einem sexistischen Frauenbild, wenn Frauen nur dann „gute“ Frauen sind, wenn sie sich auch leise und ruhig, wie eine Frau verhalten und das selbstbewusste Auftreten als männlich wahrgenommen wird. Selbstbewusstes Auftreten von Frauen ist wichtig und sollte unterstützt werden. Wir sind stolz als Organisation Frauen in unseren Reihen zu haben, die sich nicht scheuen, ihre Meinung zu sagen und sich in die erste Reihe zu stellen. Höhepunkt war dann, dass die Genossin von einer selbsternannten Queerfeministin als „Fotze“ beleidigt wurde (auf Nachfrage, wurde allerdings behauptet, es wäre nur „Halt die Fresse“ gewesen). Desweiteren wurde von Seiten der Sprecherin des Bündnisses behauptet, dieser Ausschluss sei Konsens des Bündnisses gewesen und vor der Demo auf dem Plenum so beschlossen worden, das scheint aber fraglich, da es dazu keine vorherigen Veröffentlichungen gab.
Wir als revolutionäre Jugendorganisation und InternationalistInnen weisen dieses Vorgehen und die Vorwürfe entschieden zurück. Wir empfinden es als absolut sexistisch, dass Frauen aus revolutionären Organisationen die Teilnahme an den Frauenstreiks/feministischen Streiks untersagt wird und sie zusätzlich ausgegrenzt, niedergeschrien und sexistisch beleidigt werden. So wird verbale Gewalt nicht nur gedeckt, sondern auch zusätzlich durch TeilnehmerInnen des feministischen Streiks ausgeführt. Dieser sexistische Angriff reiht sich ein in andere, teilweise auch rassistische, Angriffe gegen AktivistInnen unserer Organisation, insbesondere gegenüber Frauen und nicht-weißen GenossInnen. So wurden beispielsweise bereits Genossinnen von antideutschen Mackern angespuckt und eine kurdische Genossin aufgefordert, ihre Koufiya abzunehmen und sich wie eine „Deutsche“ zu kleiden.
Der Vorwurf des Antisemitismus gegenüber unserer Organisation ist auch kein Neuer und wird regelmäßig wieder ausgegraben, aber selten näher begründet. Er ist allerdings mehr als lächerlich. Wir als Revolution setzen uns regelmäßig in unseren Artikeln und Publikationen mit dem Kampf gegen Antisemitismus auseinander und haben uns auf Demonstrationen immer als verlässliche Kraft gegen Antisemitismus, Rassismus und Faschismus erwiesen. Der Vorwurf, unser Eintreten für einen multiethnischen sozialistischen Staat im Nahen Osten und unserer Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf sei antisemitisch, empfinden wir somit als haltlos. Viel mehr denken wir, dass der Kampf der PalästinenserInnen gegen patriachale Unterdrückung und sexuelle Gewalt und der Kampf israelischer Frauen gegen Sexismus ein gemeinsamer Teil im Kampf gegen das Patriachat sein muss.
Die Bewegung des Frauenstreiks ist eine internationalistische Bewegung. Für uns ist klar, dass keine Frau auf dieser Welt befreit ist, solange eine andere weiterhin sexistisch unterdrückt wird. Das Patriarchat macht nicht vor irgendwelchen Nationalstaatsgrenzen halt, kann also nur international bekämpft werden. Wir verstehen uns als Teil des internationalen Frauenstreiks, da er überall auf der Welt die Zusammenhänge zwischen sexualisierter Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung im globalen Norden und globalen Süden aufzeigt. Nicht so in Leipzig. Dort werden Frauen, die sich dem Narrativ der deutschen Außenpolitik entgegenstellen, beleidigt, als Antisemitinnen diffamiert und zum Schweigen gebracht. Wir betrachten diesen sexistischen Angriff im Kontext weiterer Spaltungsversuche und rassistischer Anfeindungen, wie im letzten Jahr durch den „offenen Brief aus Göttingen“ geschehen, mit dem Migrantinnen aus dem Berliner Streikbündnis ausgeschlossen werden sollten. Auch die Rote Einheit Düsseldorf wurde auf dem diesjährigen Streik beleidigt und angegriffen. Wir solidarisieren uns mit den Menschen und Organisationen, die diesen Angriffen ausgesetzt sind und rufen dazu auf, die internationalistische Grundausrichtung des Frauenstreiks hochzuhalten, sich nicht den deutschen rassistischen Diskursen anzupassen und sich geschlossen gegen diese Vorwürfe, verbalen und körperlichen Angriffe zu wehren.
Wir fordern eine Aufklärung dieser sexistischen Vorfälle, wir erwarten eine Erklärung vom Bündnis dazu und sind auch bereit in einen Diskussionsprozess zu gehen, aber werden es nicht dulden, dass wir diffamiert werden.