Arbeiter:innenmacht

Prostitution: Kein Randphänomen

Maria Berghoff, Neue Internationale 138, April 2009

Allein in Deutschland sind nach Schätzungen rund 400.000 Menschen als Prostituierte tätig (einschließlich der „Gelegenheitsprostituierten“). Die überwiegende Mehrheit davon – rund 95 Prozent – sind Frauen.

Prostitution kann verschiedene Formen haben. Die nach wie vor häufigste Form ist die Zwangsprostitution. Sie trifft v.a. Migrantinnen. Rund die Hälfe aller Frauen, die in Deutschland als Prostituierte arbeiten bzw. dazu gezwungen sind, stammen lt. Prostituiertenvertretungen wie Hydra aus Osteuropa, Ostasien oder Schwarzafrika.

Die Prostituierten sind hier durch Zwang, Täuschung etc. und wurden unter Ausnutzung ihrer ökonomischen Zwangslage in ein imperialistisches Land „importiert“ und verrichten hier ihren Dienst am Freier unter Bedingungen der Illegalität oder Halblegalität, die von sklavenartigen Bedingungen bis zur „traditionellen“ Zuhälterei reichen.

Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Formen: von der „selbstständigen“ Tätigkeit, über der Lohnarbeit ähnliche Verhältnisse bis zur „Edelprostitutierten“.

So ist auch die Prostitution in sich noch einmal klassenmäßig differenziert – wie auch die (meist männlichen) Klienten.

Sklavenartige oder „illegale“ Formen der Prostitution sind global gesehen noch weit verbreiteter als in einem imperialistischen Land wie Deutschland.

Sex und Ökonomie

Ohne Zweifel sind die entscheidenden Gründe, die Frauen in die Prostitution treiben bzw. zwingen, ökonomischer Art und immer mit einem Gewalt- und Ausbeutungsverhältnis verbunden.

Prostitution ist eine regelrechte Industrie mit großen Gewinnen für kriminelle Organisationen – vom Schlepperring über maffiöse Strukturen bis zum Zuhälter. Wie jede Ware muss auch die Prostitution ein wirkliches oder imaginiertes Bedürfnis der Käufer bedienen. Schon Engels bemerkte, dass die Prostitution in der bürgerlichen Gesellschaft das notwendige und unvermeidliche Gegenstück zur Familie darstellt, dass die Unterdrückung der Frau im privaten Haushalt, dass die stigmatisierte Rolle der Hausfrau und Mutter ihre Ergänzung in der Hure findet.

Trotz gewisser Liberalisierungen und der weitgehend rechtlichen Gleichstellung der Frau gilt die monogame Beziehung nach wie vor als Norm für die Frau. Während beim Mann die „Untreue“ als Kavaliersdelikt, ja dieser gar als besonders „toller Hecht“ gilt, so wird die Frau schnell als „Schlampe“, „Luder“ oder „Hure“ stigmatisiert, wenn sie ihre sexuellen Bedürfnisse ausserhalb der Ehe befriedigt.

Die Prostituierte ist für den Mann eben eine bezahlte Form der „Geliebten“, die neben „seiner“ Frau ihm seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen soll.

Es ist daher also alles anders als zufällig, dass die Prostitution von Männern nach wie vor eine Randerscheinung ist und in einer Gesellschaft, deren integraler Bestandteil die Unterdrückung der Frau ist, auch bleiben muss.

Hinzu kommt, dass die bürgerliche Gesellschaft systematisch auch eine Unterdrückung und Deformierung der Sexualität selbst beinhaltet. „Freie“ Sexualität muss in einer Gesellschaft, die auf Unfreiheit und Unterdrückung basiert, letztlich eine Fiktion bleiben. Doch solange die Sexualunterdrückung der bürgerlichen Gesellschaft existiert, wird sie – ob wir das wollen oder nicht – damit einhergehen, dass sich v.a. Männer als Freier bei der Prostituierten die Erfüllung sexueller Wünsche erhoffen, die die Frau in der Partnerschaft oder als „Geliebte“ nicht zu geben scheint.

Nein zur Kriminalisierung!

Ein Verbot von Prostitution würde jedoch nur zur weiteren Kriminalisierung und Diskriminierung der Frauen in der Prostitution führen. Sie würde die Lage der verschleppten, illegalisierten, den schlimmsten, erniedrigensten und sklavenähnlichen Formen von Unterdrückung nur verallgemeinern, wie es schon jetzt in vielen Ländern der Fall ist. Sie würde diese Frauen noch stärker der Gewalt von Polizei, Staat und Zuhältern ausliefern und sie immer weiter in die Illegalität drücken.

Eine Illegalisierung der Freier – wie z.B. in Schweden von bürgerlichen und reformistischen Feministinnen gefordert – ist ebenso untauglich. Es führt nur dazu, dass die Freier sich andere,  illegale Formen wie den „Sextourismus“ suchen.

Auch wenn wir die Prostitution nicht als „Arbeit wie jede andere“ betrachten, müssen wir die Stigmatisierung dieser Tätigkeit – dass sie schmutzig, abartig usw. ist; dass sie das Letzte wäre, was sich Frau antun würde – bekämpfen. Viele Prostituierte leiden unter dieser Stigmatisierung: sie schämen sich. Diese Scham macht es auch sehr schwer, sich öffentlich zu bekennen, Rechte und Respekt einzufordern.

Wir müssen Forderungen aufstellen, dass diese Frauen in der Gesellschaft anerkannt und nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen werden. Wir treten für die Entkriminalisierung der Prostitution und für die uneingeschränkte Anerkennung des Aufenthalts- und Arbeitsrechts sowie aller anderen demokratischen Rechte für „Illegale“ ein.

Wir kämpfen dafür, dass der Beruf anerkannt wird, verbunden mit der Gewährung aller sozialen Absicherungen – nicht nur im Bereich der „Edelhuren“ und „Escortservices“, sondern auch beim Straßenstrich und „normalen“ Bordellen. Diese Rechte würden Prostituierten helfen, ohne die Gewalt der Zuhälter zu arbeiten.

Prostituierte könnten sich vor Übergriffen gewaltsamer Freier oder Zuhälter schützen, indem sie Selbstverteidigungskurse besuchen und sich gegenseitig schützen. Es sollte Häuser für Sexualarbeit geben, in welche Kunden nur reinkommen, wenn sie sich ausweisen. Dies würde anonymer Gewalt vorbeugen. Bei Weigerung würde Hausverbot erteilt.

Wir müssen Prostituierte dazu ermutigen, sich gewerkschaftlich zu organisieren; wir müssen zugleich die Gewerkschaften dazu bringen, Prostituierte aufzunehmen.

Davon sind Gewerkschaften wie ver.di heute noch weit entfernt. Im Moment diskutiert ver.di das Pro und Contra der Aufnahme von Prostituierten.

Perspektive

All diese Forderungen sollen dazu dienen, Prostituierte aus ihrer Entrechtung und Abhängigkeit zu bringen. Viele davon sind auch von Vereinigungen von Prostituierten in den letzten Jahren selbst erhoben worden.

Aber es ist wichtig festzuhalten, dass das Ziel von KommunistInnen in der Abschaffung der Prostitution besteht, sprich des Zwangs, den eigenen Körper als sexuelle Dienstleistung zu verkaufen.

Anders als bürgerliche Heuchler oder auch Teile der feministischen Bewegung hängen wir nicht der Illusion nach, dass die Prostitution einfach „abgeschafft“ werden könne, wenn zugleich die gesellschaftlichen Bedingungen weiter bestehen, die sie hervorgebracht haben und im Kapitalismus immer wieder hervorbringen werden. Von zentraler Bedeutung ist natürlich, dafür einzutreten, dass Prostituierte reale Möglichkeiten erhalten, aus der Prostitution auszusteigen, also in ein gesichertes, tariflich bezahltes Arbeitsverhältnis zu wechseln oder dazu umgeschult zu werden.

Der Kampf für die Abschaffung des ökonomischen und sozialen Zwangs, der Frauen in die Prostitution zwingt, und der von Mafia, Schleppern und Zuhältern gewaltsam verstärkt wird, kann als letztlich nur erfolgreich geführt werden als Kampf gegen die Entrechtung der Frauen, gegen Überausbeutung und patriarchale Familienstrukturen. Nur eine Programm, das die volle Integration der Frauen in die gesellschaftlich Produktion und die Überwindung des privaten Charakters der Hausarbeit ermöglicht, das also die Wurzeln der Frauenunterdrückung angreift – und damit auch den Kapitalismus -, kann zu einer Beendigung der Frauenunterdrückung allgemein und der Prostitution als einer besonderen, zugespitzten Form führen.

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