Martin Suchanek, Neue Internationale 197, März 2015
Am 27. Februar – einen Tag nach Drucklegung – stimmt der Bundestag über das „Abkommen“ der EU mit der griechischen Regierung ab. Von einer klaren Mehrheit für die Regierung ist auszugehen. Aus den Reihen der Großen Koalition werden allenfalls werden einige Euro-Skeptiker aus CDU/CSU gegen das Diktat Schäubles und der Europäischen Kommission stimmen.
Aber auch die parlamentarische Opposition wird ohne Not für das jüngste neoliberale Diktat stimmen. Von den Grünen ist ohnedies nichts anderes zu erwarten. Neu ist aber, dass auch eine Mehrheit der ParlamentarierInnen der Linkspartei für die Fortsetzung der EU-Politik gegenüber Griechenland stimmen wird. Bei einer Probeabstimmung am 24. Februar votierten 29 Abgeordnete für das nunmehr „Abkommen“ genannte Memorandum, das Griechenland nun nicht mehr der Kontrolle der „Troika“, sondern der „Institutionen“ ausliefert. Nur vier ParlamentierInnen stimmten mit Nein, 13 enthielten sich.
Der rechte Parteiflügel fordert in einem „Brief aus Brandenburg und Thüringen“ ein Schluss mit dem Zaudern und das Einhalten der „solidarischen Verpflichtung innerhalb der Europäischen Linken, Regierungen, die von ihren Mitgliedsparteien gestützt und geführt werden, solidarisch zu begleiten.“ Ein Nein, so Hoff und Markow, die Autoren des Briefes, würde die Linksfraktion außerdem in die Nähe der konservativsten Teile der Union und der AfD stellen.
Demagogie und Opportunismus gehen hier Hand in Hand. Folgen wir der Logik von Hoff und Markow, so hätte die Bundestagsfraktion auch schon für die früheren Memoranden und Diktate stimmen müssen.
Inhaltlich unterscheiden sich die Vorgaben, denen frühere griechische Regierungen zugestimmt haben, nicht vom aktuellen Abkommen, schließlich ist es in der Substanz nichts anderes als eine Fortschreibung der bisherigen Kreditkonditionen.
Die Zustimmung zu diesem Abkommen ist daher auch nichts anderes als eine Zustimmung zum Diktat des europäischen und v.a. des deutschen Imperialismus. Schäuble und Merkel, Gabriel und Steinmeier mögen diese zusätzlichen Stimmen für ihre Politik nicht erwartet haben, nützliche Idioten kann man aber immer brauchen, v.a. wenn sie ihre Hilfe ohne jede Gegenleistung anbieten.
Tsipras und Varoufakis haben nach einer einigermaßen theatralischen Inszenierung kapituliert – die Linksfraktion verzichtet sogar auf den Theaterdonner. Dafür reden sie und die parteinahe Presse den Deal schön.
So lässt Gregor Gysi verlauten: „Griechenland zeigt Ausweg aus der Kürzungs- und Verarmungslogik.“ (Presseerklärung vom 24.2.) So weit wollen nicht einmal Hoff/Markow gegen, die von „schmerzlichen Zugeständnissen“ sprechen. Aber der griechischen Regierung wäre es gelungen, „die Eurogruppe wenigstens zu einem partiellen Abweichen vom bisherigen Austeritätskurs zu zwingen.“
Parteichef Riexinger lässt verlauten, dass Syrzia „verantwortungsbewusst“ handelt. Und die „linke“ Sarah Wagenknecht titelt ihre Pressemitteilung vom 21. Februar gar: „Schäuble ausgebremst“ An Phantasie mangelt es also nicht.
Ideologisch unterfüttert wird der tragikomische Nachvollzug der Kapitulationspolitik der Syriza-Führung auch in etlichen Artikeln parteinaher Journalisten. So schreibt Tom Strohschneider am 23. Februar im Neuen Deutschland unter der Überschrift “Ein Signal für die europäische Linke”: „Dennoch liegt in der Nacht zum Freitag der Keim eines Erfolgs von SYRIZA. Die neue Regierung in Athen hat etwas Spielraum gewonnen, unter anderem in Sachen Primärüberschuss und bei einem Teil der Kürzungsauflagen. Klar: Ein Befreiungsschlag ist das nicht, es gelten die alten Regeln weiter, es wird kaum einfacher. Aber: Die Linkspartei hat gegenüber der kompromisslosen Linie in Berlin gezeigt, wer wirklich ein Interesse an einer Einigung hatte, was im öffentlichen Ringen um Zustimmung nicht unwichtig ist. Und: SYRIZA hat in den vier Wochen seit Amtsantritt bereits mehr für einen Kurswechsel in der Krisenpolitik geleistet, als es der europäischen Linken – oder wer sich zu ihr gern zählte, dann aber anders handelte – bisher gelungen ist.“
All die Argumente der VertreterInnen der Linkspartei laufen auf zwei Dinge hinaus: Erstens in mehr oder weniger phantasievolles Schönreden des Ausverkaufs von Syriza. Zweitens auf den Vorwurf an die EU und v.a. an den deutschen Imperialismus, besonders unnachgiebig zu sein.
Riexinger lobt: „Die Regierung Tsipras arbeitet verantwortungsbewusst, das könne man von den Hardlinern um Schäuble und Merkel nicht sagen.“
Sarah Wagenknecht klagt: „Dennoch ist es unglaublich, mit welcher Ignoranz die griechische Regierung bei den Verhandlungen erpresst wurde, eine offensichtlich gescheiterte Politik, die das Land ruiniert und seine Schulden immer weiter erhöht hat, fortzusetzen.”
Wohl wahr. Schäuble vertritt die Interessen seiner Klasse, des deutschen Finanzkapitals und der großen Monopole konsequent und rücksichtslos. Das Diktat der EU trägt ganz klar die Handschrift des deutschen Imperialismus, in dessen Interesse der griechische Markt, die griechische Wirtschaft als halb-koloniales Ausbeutungsgebiet weiter gesichert wird. Die herrschende Klasse kann mit ihrem Personal in diesem Fall durchaus zufrieden sein. Letztlich haben die eher keynesianisch orientierten Regierungen, auf die Trispras seine falschen Hoffnungen setzte, wieder einmal die Führungsrolle Berlins akzeptiert, ja die Bundesregierung geht entgegen der hoffnungsfrohen Schönrederei der Linkspartei gestärkt aus dieser Auseinandersetzung hervor.
Die Führung der Linkspartei macht Schäuble daraus einen Vorwurf, dass er in den Verhandlungen die Interessen seiner Klasse ins Zentrum gestellt und gegen den politischen Papiertiger Tsipras durchgezogen hat. Das ist albern. Es läuft darauf hinaus, der Bourgeoisie vorzuwerfen, die Bourgeoisie zu sein und sich nicht selbst zu verleugnen. Es läuft darauf hinaus, der Bourgeoisie vorzuwerfen, die eigenen Interessen, und nicht die eines imaginären, angeblich über den Klassen stehenden „Gemeinwohls“ zu vertreten.
Umkehrt rechnet die Linkspartei der Syriza-Führung genau das hoch an. Sie hätte „verantwortungsbewusst“ gehandelt. In Wirklichkeit hat sie nur die Klasseninteressen ihre eigenen Mitglieder, WählerInnen, AnhängerInnen verraten. Während die deutsche Bourgeoisie über ein politisches Personal verfügt, das ihre imperialistischen Interessen verfolgt, opfern die „Führer“ der griechischen Linken und der Lohnabhängigen ihre Klasse, verkaufen sich als Erfüllungsgehilfen des deutschen und europäischen Imperialismus.
Wenn es eine Lehre aus der Kapitulation gibt, so die: Die ArbeiterInnenklasse braucht keine Führung, welche die Interessen der herrschenden Klasse oder einen „vernünftigen“ Ausgleich mit dieser vertritt. Sie braucht PolitikerInnen, die konsequent und rücksichtslos die Interessen aller Unterdrückten gegen die Bourgeoisie vertreten.