Arbeiter:innenmacht

FU, shame on you! Polizei runter vom Campus!

Oda Lux, Infomail 1253, 8. Mai 2024

Auf Verhandlungen ließ sich die Leitung der „Freien“ Universität Berlin erst gar nicht ein. Schon kurz, nachdem am 7. Mai das Protestcamp errichtet wurde, teilte sie den Besetzer:innen mit, dass die Polizei gerufen wurde, das Camp zu räumen. Und so kam es auch am Nachmittag, nachdem sich hunderte Cops auf dem Gelände versammelt und die Protestierenden umstellt und eingekesselt hatten.

Wie fest die Leitung der FU auf dem Boden der imperialistischen Staatsräson steht, verdeutlicht wohl nichts deutlicher, als dass sie auch angesichts des Starts der israelischen Bodenoffensive auf Rafah, der Vertreibung weiterer Hunderttausender und einer weiteren Eskalation des genozidalen Mordens nicht einmal zu Verhandlungen mit den Besetzer:innen bereit war.

Wie auch in Leipzig schlugen Studierende der „Freien“ Universität Camps in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung auf. Schon zwei, drei Stunden später waren auf dem Campus mehr Polizist:innen als Besetzer:innen. Innerhalb weniger Stunden wurde das komplette Hauptgebäude gesperrt.

Zwischen 9 und 10 Uhr versammelten sich Studierende in einem der größeren Innenhöfe in der Fabeckstraße. Angelehnt an die Encampments in den USA forderten sie den Stopp des Genozids, den Boykott israelischer akademischer und kultureller Institutionen und das Ende aller akademischer institutioneller Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten und anderen Institutionen, die in tiefer Komplizenschaft mit dem Siedlerkolonialismus stehen, das Ende der Repression gegen die Studierenden und die Anerkennung der Verbrechen des Kolonialismus.

Die Rolle der Universitätsleitung

Etwa eine Stunde nach der Besetzung hat die Universitätsleitung die Polizei verständigt. Selbst in Erscheinung getreten ist niemand von ihr. Lediglich über „Social“ Media und die Website verfasste sie ein Statement und teilte mit, dass am 7. Mai kein Unterricht mehr stattfinden würde. Man versteckte sich lieber hinter Mitarbeitenden und ließ ansonsten die Staatsgewalt walten. Hier zeigt sich, wie frei es tatsächlich an der Universität zugeht.

Bereits in den letzten Monaten gab es eine Zunahme der Repression, insbesondere gegen die Palästinasolidarität. Der Polizeieinsatz ist der bisherige Höhepunkt. Es zeigt uns, für wie gefährlich der Staat und seine Institutionen Kritik zum derzeitigen Zeitpunkt einschätzen. Das Präsidium hat gezeigt, wo es steht. Uniproteste gehören, insbesondere an der FU Berlin, die als besonders aktivistisch gilt, eigentlich zum Alltag. Doch damit soll jetzt offenkundig Schluss sein. Repression, wohin man nur sieht.

Überall wird aufgerüstet und versucht, Kritik zum Verstummen zu bringen. So ist es nicht verwunderlich, dass etwa ab 11:30 Uhr keine/r mehr zum Camp gelassen und den Herumstehenden mitgeteilt wurde, dass die Räumung vorbereitet wird. Doch die Menge wurde dennoch immer größer und erwiderte die „Viva, Viva, Palästina“-Rufe aus dem eingekesselten Camp. An allen Fenstern fanden sich Menschenmassen ein. Um Punkt 13:12 Uhr begann die gewaltsame Räumung. Die Maßnahmen dauerten bis nach 16 Uhr an. Doch wir lassen uns davon nicht mundtot machen!

Angst verbreiten

Die Universitätsleitung versuchte derweil alles, um „unschöne“ Bilder zu vermeiden. Selbst Menschen, die aus oberen Stockwerken herausschauen wollten, wurde ein Hausverbot durch Präsidiumssprecher:innen angedroht, da man die polizeiliche Maßnahme behindern würde. Wer im ersten Stock die Räumung mitverfolgen wollte, wurde mit Hausverbot und Anzeige wegen Hausfriedensbruch bedroht. Ab 14:00 Uhr wurde begonnen, das gesamte Gebäude (Rost-, Silber- und Holzlaube) zu räumen. Bis dato gab es keine Mail an die Studierenden, in der sich das Präsidium erklärt. Wer erst spät einen Kurs hatte, hat daher vermutlich gar nicht mitbekommen, dass die Lehrveranstaltungen ausfielen, und stand in leeren Gängen. Die Essensaugabe der Mensa wurde dichtgemacht und Menschen wurden aus den Bibliotheken entfernt. In der Holzlaube gingen im Block 12 – 14 der Dekan und der Hausmeister in Kurse und legten den Dozierenden nahe, nachhause zu gehen. Später löste man sogar den Alarm aus, um doch noch alle, auch jene die bleiben wollten, zu vertreiben. Beschäftigte des FB GeschKult berichteten, dass sie von der Unileitung eine Mail bekommen hätten, dass wer dableibt, sich einschließen soll. Hierzu merkte ein Professor an, dass man eine Stimmung der Angst verbreiten wolle. Die Strategie der Universität und der Polizei, alle nachhause zu schicken, ging nicht auf. Bedenkt man, dass der Berliner Senat derzeit die politische Zwangsexmatrikulation wiedereinführen will, kann man sich vorstellen, welche Strafen den Demonstrierenden nun angedroht werden oder sie treffen können.

Reaktionen

Aus AStA-Kreisen zeigte man sich besorgt über Polizei auf dem Campus. So heißt es in dem Statement vom 7. Mai:

„Ungeachtet dessen, inwiefern wir die Forderungen des Protestcamps teilen, halten wir die gewaltsame Räumung einer friedlichen Protestaktion für sehr gefährlich und absolut unverhältnismäßig. Wir sehen darin einen Angriff auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Wir verurteilen das repressive und eskalierende Vorgehen der Universität gegen ihre eigenen Studierenden scharf. Wir stehen solidarisch an der Seite von Menschen, die während der Räumung Polizeigewalt erfahren haben und weitere Repressionen fürchten müssen. Wir fordern die Universität dazu auf, keine Strafanzeigen zu stellen und alle bereits gestellten Strafanzeigen zurückzuziehen.“

Der AStA verurteilt immerhin die Polizeigewalt und macht die Universitätsleitung für den skandalösen Angriff auf demokratische Rechte antwortlich. Aber zugleich vermag er nicht, sich zur Solidarisierung mit der Besetzung selbst durchzuringen, vermag er nicht, in klaren Worten Solidarität mit dem palästinensischen Volk zum Ausdruck zu bringen.

In einem offenen Brief protestierten 120 Professor:innen und weitere Lehrkräfte an der FU gegen das Vorgehen der Universitätsleitung:

„Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind grundlegende demokratische Rechte, die auch und gerade an Universitäten zu schützen sind. Angesichts der angekündigten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkrete Forderungen teilen oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet halten.“

Der Appell an die Uni-Leitung, vom Ruf nach der Polizei abzusehen, verhallte, wenn auch wenig überraschend, ungehört.

Solidarisiert Euch!

Das Unverständnis und Entsetzen sind groß. Egal, mit wem man spricht, nur eine kleine Handvoll von Leuten hatte Verständnis. Lange musste die Palästinasolidarität an deutschen Universitäten darauf warten, Gehör und Rückhalt zu finden. Dieser maßlose Polizeieinsatz, der unter dem FU-Präsidenten Ziegler stattfand und in die Geschichte eingehen wird, birgt das Potenzial, vorher wenig politisierte Kommiliton:innen in Zugzwang zu bringen. Entgegen dem Versuch der Unileitung, die Situation in Gaza totzuschweigen und den Campus zu entpolitisieren, geht ihre Taktik nach hinten los. Wir fordern alle Studierenden daher auf, sich zu organisieren und den Protesten anzuschließen! Hochschulgruppen, Gewerkschafter:innen, AStA – seid solidarisch!

Der heutige Polizeieinsatz wird vermutlich auch ökonomische Auswirkungen auf Beschäftigte haben. Wer nicht festangestellt ist, wird dank der Uni wahrscheinlich nicht bezahlt. Eine Honorardozentin meinte, dass es nun fraglich sei, ob sie ihr Geld bekomme. Ihr Kurs konnte durch die Räumung nicht stattfinden. Bezahlt wird sie allerdings nach Stunden. Das ist eine kalte Aussperrung! Genauso wie wir uns gegen jegliche Repressionsmaßnahmen stellen, müssen wir uns gemeinsam als Studierende und Arbeiter:innen gegen durch Polizeieinsatz bedingte Lohnausfälle oder Disziplinarmaßnahmen wenden.

Nur wenige Beschäftigte fanden ihren Weg zum Protest. Wir rufen daher alle auf, sich an die Seite der Protestierenden zu stellen! Als Gewerkschafter:innen an den Universitäten ist es nicht nur unsere Aufgabe, uns gegen Outsourcing und prekäre Arbeitsbedingungen auszusprechen, sondern auch für internationale Solidarität und gegen Aufrüstung im Innern wie anderswo einzutreten.

Von den nur in kleiner Zahl erschienenen Hochschulgruppen sowie vom AStA fordern wir volle Solidarität mit den Besetzer:innen. Nur gemeinsam können wir gegen Polizei auf dem Campus und steigende Repression, sei es in Form von Zwangsexmatrikulationen oder Polizeieinsätzen auf dem Campus, vorgehen.

  • Für eine internationalistische Solidaritätsbewegung!
  • Gegen Polizei auf dem Campus! Schluss mit jeder Strafverfolgung! Für das Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit – auch an der Universität!
  • Solidarität mit den Besetzer:innen!
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