Arbeiter:innenmacht

Universität Leipzig occupied: Polizei und Zionist:innen reagieren mit Gewalt

Leonie Schmidt, Infomail 1253, 9. Mai 2024

In Anlehnung an die Unibesetzungen in den USA und anderen Ländern wurde am Dienstag, dem 7. Mai von einigen propalästinensischen Studierenden, Aktivist:innen und verschiedenen linken Gruppen die Universität Leipzig besetzt. Im folgenden Artikel wollen wir von der Besetzung, an der wir auch teilgenommen haben, berichten und aufzeigen, warum eine entsprechende Dynamik wie andernorts ausblieb und Potenziale, die solch eine Aktionsform eigentlich bietet, verschenkt wurden.

Ablauf der Besetzung

Gegen 15 Uhr wurde ein Camp auf dem Innenhof des Hauptcampus am Augustusplatz errichtet sowie ein Hörsaal, das Audimax, besetzt. Die Unileitung wollte jedoch von den Forderungen der Besetzenden wie zum Beispiel, die Verbindung der Uni mit dem israelischen Staat und dem Krieg in Gaza offenzulegen und einzustellen, nichts wissen. Stattdessen mobilisierte sie lieber die Polizei und den Uni-Sicherheitsdienst, um die Aktivist:innen aus dem besetzten Hörsaal zu holen und das Hausrecht durchzusetzen.

Die Polizei wurden jedoch von weiteren Protestierenden, die die Türen zum Audimax von außen blockierten, zunächst daran gehindert. Letztendlich konnte die Besetzung, bestehend aus insgesamt 50 – 60 Menschen, trotz Blockaden und Verbarrikadierungen nicht lange standhalten und bis zum Dienstagabend wurde sie komplett von der Polizei geräumt; das Camp im Innenhof wurde ebenfalls aufgelöst.

Zionist:innen und Polizei – Hand in Hand

Leipzigs bekannteste Antideutsche (die, nebenbei bemerkt, online auch mit ihrer Transfeindlichkeit auftrumpfen) ließen nicht lange auf sich warten und formierten einen Gegenprotest gegen die Besetzung. Dabei waren sie provokant und aggressiv, antworteten auf den Demospruch „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“ mit „Ja, das ist auch gut so“. Außerdem riefen sie voller Stolz „Nie mehr Gaza“. Des Weiteren griffen sie die Besetzung auch physisch an, was jedoch nicht von Erfolg gekrönt war und eher wie ein Akt der Verzweiflung wirkte. Als die Polizei schließlich eingetroffen war, trauten sie sich auch, ihre Israelfahnen zu entrollen.

Wenngleich die Polizei sicherlich nicht so gewaltvoll wie an der FU Berlin gegen die Besetzer:innen vorging, so wendete sie gleichwohl Schmerzgriffe an, während sie die Aktivist:innen aus dem Hörsaal und von den Türblockaden weg schleifte. Laut eigenen Angaben stellte die Polizei 30 Strafanzeigen im Zusammenhang mit der Besetzung. Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen stehen im Raum; 13 Beteiligte mussten mit auf die Polizeiwache kommen.

Dieses einheitliche Bild des vereinten Kampfes gegen den friedlichen Protest der Studierenden ist eines, welches weltweit aufkommt: Im Windschatten der Polizei greifen rechte, prozionistische Aktivist:innen die Protestierenden an, wobei dann letztendlich ein besonders chaotisches und gewaltvolles Bild der Besetzungen in den Medien gezeichnet wird.

Medienhetze gemäß Staatsräson

Auch in Leipzig ließen sich die Medien nicht lumpen. So zitierten beispielsweise die Leipziger Volkszeitung und SACHSEN FERNSEHEN Leipzig auf Basis einer DPA-Meldung den Sprecher der Konferenz der sächsischen Studierendenschaft, welcher behauptete, es habe aufgrund der Besetzung unmittelbare Gefahr für jüdische Studierende und Lehrkräfte bestanden. Eine dreiste Lüge, die auf keinerlei Tatsachen aufbaut, da der Protest von Seiten der propalästinensischen Besetzenden friedlich, wenngleich kämpferisch, war, sich auch jüdische Aktivist:innen an der Besetzung beteiligten (wie sie es ebenso weltweit tun) und die einzigen, die physische Gewalt anwendeten und anwenden wollten, der zionistische Gegenprotest mitsamt der Polizei war.

Jedoch kann so natürlich die Anwendung von „unmittelbarem Zwang“ (aka Schmerzensgriffe) legitimiert werden, da nun die Uni Leipzig angeben konnte, sie habe die Polizei beauftragt, das Hausrecht durchzusetzen, da „Gefahr im Verzug für die Sicherheit aller Studierenden und Lehrenden“ bestanden habe. Auch die staatstreue Juso Hochschulgruppe stimmte in diesen Tenor mit ein, bezeichnete die Besetzung als autoritär, stalinistisch und antisemitisch. Im Nachgang möchte die Uni Leipzig nun auch noch Schadensersatzforderungen an die Besetzer:innen stellen. Die Universität hat also wieder ihr Gesicht offenbart, als Institution, die die herrschende Meinung prägt, (re)produziert und schützt und die deutsche Staatsräson mitsamt den Interessen des deutschen Kapitals bis aufs Blut verteidigt.

Potenziale

Doch so muss es eigentlich nicht bleiben. Wir können die Universität sehr wohl zu einem Ort des Kampfes für Gleichberechtigung und Wissensschöpfung für eine befreite Gesellschaft machen. Gerade die Aktionsform der Unibesetzung stellt eigentlich ein gutes Mittel dar, um die Unileitung unter Druck zu setzen und mehr Mitstreitende gegen den Genozid und letztlich auch gegen den Kapitalismus und für seine revolutionäre Überwindung zu gewinnen. Das kleine Problem daran ist natürlich nur, dass sich dafür viel mehr Menschen an der Besetzung hätten beteiligen müssen, um diese länger aufrechtzuerhalten. So war es in Verbindung mit den welt- und auch deutschlandweiten Besetzungen zwar eine medienwirksame Aktion und ein erster Ansatzpunkt. Aber es konnten in der kurzen Zeit nur wenige zusätzliche Studierende an der Uni dafür gewonnen werden, sich an der Besetzung zu beteiligen. Doch gerade mehr Leute für die eigene Sache zu gewinnen und wirklichen Druck auszuüben, stellt ein zentrales Ziel einer Besetzung der Universität (oder auch Fabrik) dar! Dadurch, dass die Besetzung überschaubar ausfiel, hatten auch Polizei und Antideutsche leichtes Spiel, ihre Gewalt ausüben.

Warum haben aber nur so wenige etwas von der Besetzung mitbekommen? Zweifellos liegt das auch an einer langen Tradition der Entpolitisierung an den Universitäten und der mangelnden Bereitschaft so mancher Linker, sich zu positionieren. Es liegt zweitens in der Natur der Sache, eine solche Besetzung vorher nicht konkret anzukündigen, denn dann hätten sich auch die „Sicherheits“kräfte vorab in Position bringen können.

Jedoch ist es auch bei unangekündigten Streiks üblich, die Belegschaft auf solche potentiell bevorstehenden Aktionen einzustimmen. Daher hätten wir die Studierendenschaft auf die Möglichkeit einer solchen Besetzung schon länger vorbereiten sollen, beispielsweise durch Flyer, Veranstaltungen oder Kundgebungen, die die Notwendigkeit der Besetzung untermauern und aufzeigen, darlegen, dass wir die Aktionsformen der US-amerikanischen Studierenden übernehmen sollten und warum man sich überhaupt gegen den Genozid Israels in Gaza an der eigenen Uni organisieren sollte. Doch das erfolgte in einem viel zu geringen Maß in den letzten Wochen und Monaten. Kurzfristig war das nicht „aufzuholen“, denn natürlich war auch schnelles Handeln aufgrund der schweren Bombardements Israels auf Rafah gefragt. Dass so rasch reagiert wurde, stellte dabei trotz aller Schwächen einen wichtigen Schritt vorwärts dar.

Aber diese Faktoren erklären auch, warum letztlich nur Personen, die zufällig gerade am Hauptcampus unterwegs waren, von der Aktion erfahren konnten. Daher braucht es eine stärkere Verankerung propalästinensischer Kräfte an der Uni, um eine solche Aktion auch länger durchhalten und verbreiten zu können. Ein besetzter Innenhof und ein Hörsaal sind wichtige Zeichen, bringen aber den Betrieb der Uni längst noch nicht ins Wanken – insbesondere, wenn sie nur wenige Stunden anhalten.

Zusätzlich war der später angemeldete Protest im Innenhof nicht sonderlich inhaltlich geprägt, wenngleich auch Reden gehalten werden konnten. Dabei galt die Propagandafreiheit scheinbar nicht für jede/n – einige Redner:innen durften ihren Gruppennamen nicht nennen (z. B. die RKP Leipzig), während das anderen erlaubt war. Das halten wir für unnötige und ausgrenzende Hierarchien und Sektierertum, die bei gemeinsamen Aktionen verschiedener Gruppen völlig fehl am Platz sind. Zusätzlich hätten die Redner:innen den Sinn der Besetzung deutlicher machen und eine klare Perspektive im Kampf gegen Israels Krieg in Gaza verbreiten müssen.

Lehren

Ungeachtet von Schwächen war es jedoch vollkommen richtig, die Initiative zu ergreifen. Bei diesem einen, letztlich aufgrund der massiven Repression gescheiterten Versuch darf es aber nicht bleiben. Die Uni Leipzig gehört besetzt, so wie jede Uni in einem imperialistischen Staat. Gerade in diesen Zeiten, wo Uni-Leitungen, Politik und Polizei die Solidarität mit Palästina als so gefährlich einschätzen! Daran sollten sich nicht nur die Studierenden beteiligen, sondern auch wie in den USA und z. B. in Berlin Lehrkräfte, Wissenschaftler:innen und wissenschaftliche Mitarbeitende, die erkannt haben, dass es ihre Aufgabe ist, die Studierenden in ihrem Anliegen im Kampf gegen den Genozid in Palästina zu unterstützen. Hierbei können auch genauso verschiedene andere Aspekte wie Kämpfe gegen Kürzungen und schlechte Arbeitsbedingungen der Angestellten der Uni mit einbezogen werden. Aktionen von kleinen Gruppen werden jedoch nicht reichen. Wir müssen es schaffen, die Gewerkschaften, Hochschulgruppen und möglichst viele Studierendenräte, Referate und Ausschüsse davon zu überzeugen, sich ebenfalls an dieser Protestbewegung zu beteiligen.

Uns ist klar, dass wir uns überall, wo wir uns im Alltag bewegen, gegen Krieg und Krise, insbesondere aber gegen den brutalen Genozid des israelischen Staats in Gaza organisieren müssen – egal ob an Uni, Schule oder im Betrieb! Gleichzeitig muss diese Bewegung aber auch bundesweit und international koordiniert werden, um möglichst schlagkräftig zu sein. Denn wir wissen, dass es unsere Aufgabe in den imperialistischen Kernzentren ist, einerseits die ideologischen Verschleierung des Kriegs gegen die Palästinenser:innen in Gaza aufzubrechen und andererseits ganz konkret den Krieg durch Streiks, Besetzungen und Waffenblockaden zu stoppen. Nur durch diese internationale Unterstützung kann es den Palästinenser:innen möglich sein, sich von den kolonialistischen und imperialistischen Ketten der Apartheid des israelischen Staats zu befreien und einen demokratischen, sozialistischen, binationalen, säkularen Staat zu errichten, in welchem alle Menschen der Region unabhängig von Ethnie, Nationalität und Religion friedlich miteinander leben können.

  • Für eine internationalistische Solidaritätsbewegung!
  • Gegen Polizei auf dem Campus! Schluss mit jeder Strafverfolgung! Für das Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit – auch an der Universität!
  • Solidarität mit den Besetzer:innen!
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