Arbeiter:innenmacht

Hände weg vom Iran! Stoppt die US-Attacken!

Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1083, 6. Januar 2020

Die Ermordung des iranischen Generalmajors Qasem Soleimani in Bagdad auf Befehl von US-Präsident Donald Trump hat ein gefährliches neues Kapitel für den Nahen und Mittleren Osten aufgeschlagen. Als Chef der Quds-Einheiten, einer Unterabteilung der Iranischen Revolutionsgarden (IRGC, Pasdaran), und strategischer Architekt von Irans ständig wachsendem Netzwerk internationaler Milizen, Verbündeter und Anlagen war Soleimani nicht nur eine mächtige Figur im iranischen Regime, sondern auch ein Königsmacher in weiten Teilen des Nahen und Mittleren Ostens. Mit dieser dreisten Verletzung des internationalen Rechts hat Trump die gesamte Region, wenn nicht sogar die Welt, an den Rand eines Krieges gebracht.

Soleimanis Ermordung war eine ernsthafte Eskalation einer laufenden Konfrontation zwischen den US-amerikanischen und iranischen Streitkräften. Anfang dieser Woche beschuldigten die USA Soleimani, einen Einbruchsversuch irakischer Milizen in die US-Botschaft und den Militärstützpunkt in Bagdad inszeniert zu haben. Der Angriff auf die Botschaft wurde zwei Tage zuvor durch US-Luftangriffe auf die vom Iran unterstützte Kata’ib-Hisbollah (Hisbollah-Brigaden) provoziert, bei denen nach Angaben irakischer Sicherheits- und Milizquellen 25 Kämpfer getötet und 55 weitere verwundet wurden. Diese Luftangriffe waren wiederum eine Reaktion auf die Tötung eines amerikanischen Militärbeauftragten durch Kata’ib-Hisbollah-Raketen.

RegierungsvertreterInnen und AußenpolitikexpertInnen auf der ganzen Welt sind sich einig in ihrer Analyse des veränderten Charakters des Angriffs, wobei der ehemalige Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes Sir John Sawers die Tötung Soleimanis als „Kriegshandlung“ bezeichnet hat. US-Außenminister Mike Pompeo versuchte zu behaupten, das Attentat sei eine Präventivmaßnahme zum Schutz des unmittelbar gefährdeten US-Personals gewesen, aber US-Präsident Trumps Aussage auf Twitter vor dem Angriff war unverblümter: „Der Iran wird für verlorene Leben oder Schäden in unseren Einrichtungen voll verantwortlich gemacht. Sie werden einen sehr GROSSEN PREIS bezahlen! Dies ist keine Warnung, es ist eine Drohung. Frohes neues Jahr!“

Eine gefährliche Krise

Während nur wenige BeobachterInnen mit diesem speziellen Angriff gerechnet zu haben scheinen, eskalieren die Spannungen zwischen den USA und dem Iran seit Jahren, die sich häufig durch Stellvertreterkonflikte in den Nachbarländern, einschließlich Irak und Syrien, abspielen. Als drittgrößter Ölexporteur der OPEC und strategischer politisch-ökonomischer Rivale des von den USA unterstützten Saudi-Arabien und ihres regionalen Gendarmen Israel hat der Iran einen blutigen Kampf geführt, um die schwächelnde US-Hegemonie auszunutzen und sich als expandierende Regionalmacht zu behaupten. Seit über einem Jahrzehnt hat der Iran seinen Einfluss durch den Aufbau loyaler schiitischer Milizen ausgebaut, die Assads mörderisches Regime unterstützt und ihre Macht im Irak konsolidiert haben.

Trump hat seinerseits deutlich gemacht, dass er den iranischen Einfluss durch eine aggressivere Außenpolitik zügeln will. Schon bald nach seinem Amtsantritt kündigte er den von seinem Vorgänger ausgehandelten amerikanisch-iranischen Nuklearvertrag, der die gegen das iranische Regime verhängten Strafsanktionen mit dem Versprechen, sein Atomprogramm abzuschaffen, gemildert hatte. Trump ersetzte den Deal durch noch härtere Sanktionen, forderte andere Länder auf, dem Beispiel zu folgen, und unterstützte Saudi-Arabien energisch in seinem Stellvertreterkrieg mit dem Iran im Jemen. Auf die schraubstockartigen Verschärfung der US-Sanktionen reagierte der Iran schließlich mit Angriffen auf den internationalen Schiffsverkehr in der Straße von Hormus, Flugkörperangriffen auf saudische Ölanlagen und schließlich den Raketenangriffen auf US-Militärstützpunkte, die die Ereignisse auslösten und zu der aktuellen Krise führten.

Die Behauptung von Trump und seinen BeamtInnen, dass der Drohnenangriff, der Soleimani tötete, ein gerechtfertigter Präventivschlag war, ist eine völlig unhaltbare Entschuldigung für die Provokation. Der Iran hat die Aktion zu Recht als „einen Akt des internationalen Terrorismus“ verurteilt, und sein oberster Führer Ajatollah Ali Khamenei (Chamene’i) hat geschworen, in gleicher Weise zu reagieren. Die meisten ExpertInnen sind sich einig, dass der Iran nicht mit einem direkten Angriff auf US-Militärstützpunkte oder -schiffe zurückschlagen wird, sondern sich eher für eine „kalibrierte“ Reaktion wie weitere Angriffe auf saudische Öleinrichtungen, Blockaden in der Straße von Hormus oder Angriffe auf Schlüsselanlagen von US-Verbündeten wie Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten entscheiden wird. Angesichts der wahrscheinlichen Folgen ist es nicht im unmittelbaren Interesse des Iran, einen offenen Krieg mit den USA auszulösen.

Es besteht jedoch die reale Gefahr, dass die Reaktionen beider Seiten außer Kontrolle geraten werden. Der Iran steht unter erheblichem Druck, energisch zu reagieren. Seine angeschlagene Wirtschaft hat eine wachsende inländische Protestbewegung angeheizt, die ein Ende des korrupten und repressiven Regimes fordert. Auch Trump muss sich für die Präsidentschaftswahlen Ende diesen Jahres in Stellung bringen, da die Wolke der Amtsenthebungsanklage über seiner Regierung hängt. Aggressive US-Verbündete, von Israel bis Saudi-Arabien, ganz zu schweigen von Trumps eigenem juckenden Abzugsfinger, können den Konflikt auf unvorhersehbare Weise beeinflussen. Die Weltwirtschaft befindet sich bereits am Rande einer Rezession. Ihr stagnierender Kern nach 2008 wurde durch Trumps Handelskriege weiter geschwächt und eine Ölkrise könnte sie über den Rand drängen und eine globale Wirtschaftskrise auslösen, die den innenpolitischen Druck noch weiter erhöhen würde. Die Logik der Eskalation hat den Konflikt bisher beherrscht, und die Spannungen, die ihn im In- und Ausland antreiben, werden dafür sorgen, dass dies so bleibt. Wie schon 1914 könnten scheinbar geringfügige Aktionen schließlich die Machtbalance zerstören und einen verheerenden globalen Konflikt entfachen.

Imperialismus und Sektierertum

Soleimani war eine Hauptzielscheibe des US-Imperialismus. Er war der Stratege der Demütigung Israels im Libanonkrieg 2006 und hat die iranischen Interventionen in Syrien und im Irak, die den iranischen Einfluss auf Kosten der USA erweitert haben, angezettelt. Aber kein/e AntiimperialistIn sollte um Soleimani weinen, der das Blut von Tausenden an seinen Händen hatte. Er spielte eine wesentliche Rolle bei der Stabilisierung des blutbefleckten Assad-Regimes und stellte Mittel für das unerbittliche Massaker an pro-demokratischen Bewegungen im Irak und im Iran, bei dem Hunderttausende getötet wurden, zur Verfügung.

Bei allem Lob von Trump für die Demokratiebewegung im Iran hat seine Provokation dem iranischen Regime den perfekten Vorwand gegeben, sie zu unterdrücken und Massenproteste gegen die USA zu mobilisieren, um seine wackeligen Grundlagen zu stützen. Die Quds-Truppen von Soleimani sind zweifellos eine reaktionäre Kraft, ebenso wie die irakischen schiitischen Milizen, und das reaktionäre iranische Regime versucht, sich als die dominierende Macht im Mittleren Osten zu etablieren, aber es bleibt ein halbkolonialer Staat, der von einer Kette regionaler Verbündeter des US-Imperialismus umzingelt ist. Die Hauptangreiferin in diesem ungleichen Kampf sind die USA, unterstützt von ihren israelischen, saudischen und anderen reaktionären Verbündeten.

Es war die US-Besatzung des Irak, die einen beispiellosen Anstieg der sektiererischen Gewalt anheizte und das korrupte sektiererische Regierungssystem dort etablierte. Dieses war das Ziel der inspirierenden, Konfessionen übergreifenden Demokratiebewegung, die in den letzten Wochen auf die Straße ging. Die Provokation von Trump wird sich negativ auf diese Bewegung auswirken, indem sie die sektiererischen Spannungen verschärft, das Versinken in einen neuen Bürgerkrieg möglich macht und die Spannungen mit Israel, das selbst an der Bombardierung iranischer Militärziele im Iran und in Syrien beteiligt ist, verstärkt. Die USA haben immer noch über 5.000 SoldatInnen im Irak und haben jetzt über 3.000 weitere entsandt. Donald Trump hat nicht nur deutlich gemacht, dass die USA sich jeder Entscheidung der irakischen Marionettenregierung widersetzen würden, die Stationierung der US-Basen im Land zu beenden, sondern hat dem Irak auch mit drastischen Sanktionen gedroht, sollte es Versuche geben, die Entfernung seiner US-„UnterstützerInnen“ zu erzwingen.

Wie das Blutbad in Syrien zeigt, hat die US-Intervention nichts mit Demokratie oder der Überwindung des Sektierertums in der Region zu tun, ihr einziges Ziel ist die „Stabilität“ ihrer Vorherrschaft, sind also die immensen Profite, die sie dem Nahen und Mittleren Osten entzieht, und ist geopolitische Macht, die daraus erwächst. Nachdem sie Terrain an Russland, den Iran und ihre Verbündeten in Syrien verloren hat, ist sie entschlossen, ihre Macht im Nahen und Mittleren Osten wieder zu behaupten, indem sie einen „Regimewechsel“ im Iran durch Sanktionen, Attentate und Drohungen, 52 oder mehr „Ziele“ im Land zu bombardieren, erzwingt. Zu dieser Strategie gehört auch, den seit Jahrzehnten von ihrer „Befreierin“ verwüsteten Irak im Grunde genommen zu einem kolonialen Satus herabzudrücken. Diese regionale Strategie ist selbst Teil des Versuchs Washingtons, dem wachsenden militärischen und geostrategischen Einfluss der russischen und chinesischen ImperialistInnen entgegenzuwirken. Während alle „Großmächte“ einen direkten Zusammenstoß vermeiden wollen, könnten die Angriffe und die offene Kriegsdrohung gegen den Iran in eine globale Konfrontation umschlagen.

In dieser Situation präsentieren sich die europäischen Mächte Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die EU als Kräfte der „Mäßigung“. In einer gemeinsamen Erklärung vom 5. Januar riefen Merkel, Macron und Johnson alle Seiten zur „äußersten Zurückhaltung“ auf. „Es ist jetzt entscheidend zu deeskalieren“, warnten sie. Während dies die USA enttäuschte, sind europäische oder UN-Aufrufe zur „Zurückhaltung“ auf beiden Seiten nur eine heuchlerische Farce.

Die ArbeiterInnenklasse und die Antikriegsbewegungen sollten keine Hoffnung oder Vertrauen auf diese „weicheren“ ImperialistInnen setzen, auch nicht auf China oder Russland, noch sollten sie die Augen vor dem reaktionären Charakter des iranischen Regimes und seiner Rolle in Syrien oder im Irak verschließen. Sie müssen jegliche Hoffnung auf US-demokratische PolitikerInnen wie Elizabeth Warren aufgeben, die sagte, dass sie „noch“ nicht davon überzeugt sei, dass bewaffnete Angriffe angebracht seien. Solche „KritikerInnen“ können nur allzu leicht zu den KriegshetzerInnen von morgen werden.

Es waren die Antikriegs-Demonstrationen in den USA am Wochenende und die massenhafte Empörung in der halbkolonialen Welt, die den Weg nach vorne zeigten: Millionen gegen die US-Aggression zu sammeln, für die Aufhebung der Sanktionen und den Rückzug aller imperialistischen Truppen und Stützpunkte aus dem Irak und der gesamten Region jetzt!

Wir rufen alle Organisationen der ArbeiterInnenklasse, die linken, sozialdemokratischen und Labour-Parteien, die Gewerkschaften, die linken und antiimperialistischen Organisationen auf, sich zu vereinen und zu mobilisieren, um die US-Aggression und die Attacken jetzt zu stoppen!

Wir fordern:

  •  Kein Krieg mit dem Iran!
  • US-, britische Truppen und NATO-Verbände raus aus dem Nahen und Mittleren Osten! Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran!
  • Nieder mit der religiös-sektiererischen irakischen Regierung!
  • Sieg für die irakische Revolution!
  • Vorwärts zu den Vereinigten Sozialistischen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens!
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