Arbeiter:innenmacht

Sie sagen kürzen, wir sagen stürzen!

Mangan2002 (sv.wikipedia.org), CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Für eine gemeinsame Streikbewegung gegen die Kürzungen an den Berliner Hochschulen

Soma Vörös, Infomail 1284, 9. Juni 2025

Zerfallende Gebäude, nachweisliche Brüche der Zivilklausel hinter dem Rücken der Studierenden, Polizei und Militär auf dem Campus, Angriffe auf die Rechte migrantischer Student:innen und die Wiedereinführung von Zwangsexmatrikulationen – der Rechtsruck ist in jeder Ecke unserer Campus zu spüren. Das Studieren und Arbeiten an der Technischen Universität Berlin wird immer schwieriger. Wenn es nach den Vorstellungen der Berliner Landesregierung geht, waren die letzten Jahre jedoch nur ein Vorgeschmack auf das, was uns bevorsteht.

Das Land Berlin hat Ende vergangenen Jahres eines der umfassendsten Kürzungspakete seiner Geschichte bekannt gegeben. Etwa 3 der jährlichen 40 Milliarden Euro im Haushalt sollen gestrichen werden, davon werden etwa 200 Millionen Euro jährlich im Bereich Wissenschaft, Gesundheit und Pflege eingespart. Wenige Monate später hat der Berliner Senat die über 5 Jahre bereits ausgehandelten sogenannten Hochschulverträge (2024–2028) einseitig aufgekündigt. Das sind die Verträge, die u. a. das jährliche Budget seitens des Landes für elf landeseigene Hochschulen festlegen. Und „lädt“ nun zur „Nachverhandlung“ ein. Dagegen haben die Gewerkschaften jetzt eine Petition unter den Beschäftigten organisiert und zu Protestveranstaltungen, auch in Teilen gemeinsam mit den Hochschulleitungen, eingeladen. Die Hochschulleitungen von FU, TU und den drei Berliner künstlerischen Hochschulen (Hans Eisler, Ernst Busch und die Kunsthochschule Weißensee) haben bereits Klage eingereicht. Bis Ende Juni beabsichtigt der Senat konkrete Zahlen für dieses und die nächsten Jahre vorzulegen. Jedoch wird mit einem Kürzungspaket von 8 % des Gesamtbudgets gerechnet. Für die Technische Universität Berlin wird sogar von rund 10 % ausgegangen, was schätzungsweise 32 bis 40 Millionen Euro jährlich bedeuten würde. Schlussendlich ist die Rede von etwa 40.000 Studienplätzen, die in Berlin verschwinden könnten. Im Wintersemester 2024/25 studierten rund 200.000 Menschen an Berliner Hochschulen und etwa 57.000 Menschen sind an ihnen beschäftigt.

Wie sieht es an der TU aus?

Die Kürzungspolitik ist politisch. So werden beispielsweise bei der Polizei keine Mittel gekürzt. Auch werden keine Erhöhungen der Umsatz- und Vermögensteuer angegangen, um das nötige Geld zu bekommen. Die Kürzungen treffen gerade uns Studierende und im Endeffekt bedeuten sie nicht nur, dass Universitäten halt etwas weniger Geld bekommen. An der TU ist eine ganze Fakultät bedroht, Stellen werden gestrichen, das Studium womöglich auf Pflichtfächer begrenzt und soziale Räume wie Mensen und Cafés werden noch weiter geschlossen.

Die einzusparende Summe an der TU wird auf etwa 20 Fachgebiete an den Fakultäten und 100 Stellen in Zentraleinrichtungen geschätzt. Ein Fachgebiet umfasst in der Regel eine Professur, eine halbe Sekretariatsstelle, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter:innen und zwei Techniker:innenstellen. Bis Ende der Vorlesungszeit sollen die verschiedenen Fakultäten und Zentraleinrichtungen diskutieren, wie und wo sie die Einsparungen umsetzen würden.

Zu den Personalkürzungen gibt es verschiedene „kreative Ideen“, die im Raum schwirren und zeigen, wie massiv, die Angriffe sein könnten. So steht seitens Senatsmitgliedern die „Idee“ im Raum die Fakultät 1 völlig einzustellen und auf andere Fakultäten aufzugliedern; das sind die Geistes- und Bildungswissenschaften. Auch könnten Ingenieurstudiengänge an den anderen Berliner Hochschulen derartige Nebenfächer belegen. Auch die Idee der Auflösung der Bindung an den Tarifvertrag der Länder wurde bereits ins Spiel gebracht.

Ein anderes brisantes Thema ist die Gebäudesituation – an den Berliner Hochschulen im Allgemeinen und der TU Berlin im Konkreten. Bei uns schimmelt es, Decken stürzen ein, im Sommer ist es zu warm, im Winter zu kalt, in zwanzig Gebäude regnet es hinein. Das Präsidium der TU Berlin schätzt den Sanierungsrückstau auf etwa 5 Milliarden Euro ein. Die Infos über Wasserschäden, wie im TEL-Gebäude, häufen sich. Das TEL ist nach einem Wasserschaden im April 2024 komplett geschlossen. Das Telefunken-Hochhaus umfasst etwa 10.000 Quadratmeter Nutzfläche für Büros, Seminar- und Arbeitsräume, aber auch eine Cafeteria und Bibliothek auf 22 Stockwerken.

Im Raum steht hier die nächste „kreative Idee“: Man solle einfach die neueren Gebäude der TU Berlin entmieten und die Büroräume verdichten, für Lehre solle nichts verloren gehen – wie auch immer das gehen soll. Daneben gibt es die Idee, die landeseigenen Gebäude einer Tochter des Landes Berlins zu überschreiben, dann kreditfinanziert den Sanierungsrückstau zu bekämpfen und das Geld über Mietzahlungen einnehmen – ein buchhalterischer Taschenspielertrick. Noch in keinem einzigen historischen Beispiel führte dies mittelfristig zu Verbesserungen der Lern- und Arbeitsbedingungen.

Das Beispiel der TU macht es klar: Hiergegen müssen wir Widerstand organisieren. Statusgruppenübergreifend werden hier unsere Bedingungen attackiert.

Streikinitiative an Berliner Universitäten

Die drohenden Angriffe bleiben nicht unbeantwortet. An den Universitäten sind verschiedene Initiativen zum Unistreik ins Leben gerufen worden sowie schon bestehende politische Strukturen wie „Studis gegen Rechts“ (Eigenschreibweise; d. Red.) und der SDS setzen einen Schwerpunkt auf den Kampf gegen die Kürzungen. Die Initiative „Unistreik25“ an der Technischen Universität ruft im Sommersemester 2025 zu mehreren Streikwellen auf, unter anderem auch Ende Juni in der Woche, in welcher der Senat über die Kürzungen abstimmen soll. Ziel ist, Druck auf den Berliner Senat aufzubauen und diesen aufzufordern, sich an die Hochschulverträge zu halten und die Kürzungen zurückzunehmen. Inhaltlich versteht die Initiative die Kürzungen als „Ausdruck des anhaltenden Rechtsrucks“ und hat durch das Miteinbeziehen von verschiedenen Fachschaften und Organisationen ein breites Verständnis davon, in welchem Ausmaß die Universität betroffen sein wird. Auch wenn wir dem zustimmen, so steht für uns die Frage der Kontrolle über den Haushaltsplan, aber auch über die staatlichen Einnahmen damit in direkter Verbindung. So handelt es sich bei der aktuellen Krise, die nicht nur das Land Berlin, sondern auch Deutschland und die Welt erschüttert, um eine strukturelle, in der der deutsche Kapitalismus sich und seine Wertschöpfung neu aufstellen muss oder weiter geschwächt zu werden droht.

Doch wozu eigentlich der Streik an Universitäten?

Wie eingangs erwähnt planen doch die Hochschulleitungen bereits den Klageweg dagegen und die Gewerkschaften und Personalräte unterstützen das mit Petitionen und Protestaktionen. Warum braucht es dann noch den Streik? Der Angriff ist politisch, zugleich stellt er unsere Lernbedingungen wie auch in Tarifritualen erstreikten Arbeitsbedingungen grundsätzlich infrage. Diese Gemeinsamkeit macht uns stark und wir müssen sie bewusst einsetzen und ausbauen.

Streiks sind ein Druckmittel, ein Arbeitskampf, welche die Massen für ihre Forderungen auf die Straße bringen. Lohnt es sich also, als Studierende zu streiken? Wir sagen: Ja! Allerdings geht das nur zusammen mit den Beschäftigten in der Lehre, der Forschung, der Verwaltung oder Technik. Durch die Niederlegung der Arbeit stehen die Betriebe still, denn ohne Arbeiter:innen läuft gar nichts. Weder werden Gebäude aufgeschlossen, die IT läuft nicht, in der Mensa gibt’s kein Essen, Dozierende leisten keine Seminare und Vorlesungen, studentische Hilfskräfte keine Tutorien, Forschende unterbrechen ihre vereinzelnde Projektarbeit und wir, Studierende, wir nehmen nicht hin, weiter unter immer schlechteren Bedingungen das Ganze auszugleichen.

Weiter noch wollen wir die Frage aufwerfen: Was wird eigentlich gelehrt und beforscht? Was in der Universität an wissenschaftlicher Bildung vermittelt wird, steht weiterhin im Interesse des Kapitals und bildet Studierende konkret für den Arbeitsmarkt aus. Selbst Sozial- und Geisteswissenschaften, die häufig als kritische und progressive Studiengänge wahrgenommen werden, bleiben nur im bürgerlichen, „akzeptablen“ Rahmen progressiv. Es bleibt weitestgehend nur bei kritischen Gedanken und das Hinterfragen der bestehenden Umstände bleibt nur bei Diskursen, welche nicht zu bedeutenden Fortschritten in der Wissenschaft selbst führen. Im gemeinsamen Arbeitskampf steckt das Potenzial, diese Prozesse nicht nur als kritische Kritiker:innen zu hinterfragen, sondern ins Stocken zu bringen.

Auch ist wichtig, diese Kampfkraft heute aufzubauen, denn sobald die Klage gegen die Hochschulverträge fallen oder zu einem Vergleich führen sollte, geht es ans Eingemachte. Das Präsidium unserer Hochschule, so positiv der Klageweg auch ist, erfüllt schlussendlich auch eine Managementfunktion zur Verwaltung des Elends. Sobald die Kürzungen bestätigt würden, würde es diese auch aktiv umsetzen. Die laufenden Diskussionen um Fachgebietsstreichungen zeigen das deutlich. Hier geht es um die Verwaltung des Elends. Ähnlich tritt auch der Personalrat auf, im Sinne des Co-Managements wirbt er gegen betriebsbedingte Kündigungen, aber nicht für betriebsbedingten Widerstand.

In diesem Sinne ist es kein Zufall, dass der Aufruf zum Streiksemester nicht zu Streiks führte. Es gibt keine organisierte Kraft, die ihn vorbereitet, die ihm ein Programm des Widerstands entwirft und die Verbindung zwischen den Statusgruppen aufbaut. Diese Diskussion müssen wir in und mit Initiativen wie Unistreik25, SgR und SDS führen, aber auch in die Betriebsgruppen, die Personalräte, die Fakultäten, Kantinen, Werkstätten, Pausenräume und bis in die Seminare tragen.

Als Studierende bilden wir den Großteil auf dem Campus. Durch unsere Aktivitäten können wir Öffentlichkeit schaffen, wie durch Besetzung und eigene Lehrveranstaltungen oder auch den kollektiven Boykott der kaputtgesparten Lehre mit dem Aufruf zum gemeinsamen Streik von Lehrenden und Lernenden.

Streik an Universitäten und Hochschulen: sinnvoll, effektiv und kämpferisch organisieren!

Eines konnten wir bis hierher hoffentlich deutlich machen: Um effektiv an Universitäten zu streiken, braucht es vor allem die breiten Massen der Studierendenschaft und Beschäftigten. Dazu braucht es ein starkes Bündnis mit Organisationen, Fachschaften, gewerkschaftlichen Betriebsgruppen und sonstigen Strukturen an der Universität. Dieses Bündnis gibt es momentan leider nicht, auch Unistreik25 hat sich nicht dazu entwickelt. Die Arbeit setzt SgR jetzt in den eigenen AGs fort, eher auf die Auseinandersetzung um TV-Stud schielend. Doch das gleicht einer relativen Aufgabe des Widerstandes gegen die Kürzungen. Was wir brauchen, sind gemeinsame Aktionskomitees aller Statusgruppen. Dort müssen wir einen Aktionsplan aus Protesten, Versammlungen, Besetzungen und Streiks besprechen, der auch andere Beschäftigtengruppen, die von den Kürzungen des Landes betroffen sind, anspricht. Denn die Uni alleine kann nur schwer einen Stillstand in der Stadt erreichen; zusammen mit Ämtern, Stadtreinigung, Gesundheitssystem, Schule und Kita sieht das Ganze schon ziemlich anders aus.

Die Aktionskomitees müssen für alle offen sein, die die Kürzungen aufhalten wollen. In ihnen soll um die Perspektive, wie das geschehen kann, diskutiert werden, um dann gemeinsam in Aktion zu treten. Dabei sollen die beteiligten Akteur:innen zeigen, wie sie denken, dass wir die Kürzungen abwehren können. Durch eine starke Bündnisarbeit ist es auch möglich, mehr Kapazitäten für die Arbeit und Organisation der Protestaktionen aufzuwenden, wodurch diese effektiver gestaltet werden können. Zudem sollten die Zusammenarbeit der Strukturen durch ein Bündnis gestärkt werden, welche dasselbe Interesse verfolgen, und die unterschiedlichen Auswirkungen der Kürzungspolitik konkret adressiert werden. Nur so kann eine effektive Mobilisierung erfolgen, welche großen Teile der Studierenden erreicht. All das sollte bereits den Gedanken verfolgen, dass das Land Berlin ein Pilotprojekt bundesweiter Kürzungen sein kann und nicht losgelöst von den Generalangriffen der Regierung Merz verstanden werden sollte.

Unsere Perspektive lautet also: Bildungsstreik gegen ihre Angriffe! Als Kommunistischer Studierendenbund (KSB) der Gruppe Arbeiter:innenmacht denken wir, dass der Aufbau einer solchen Bewegung eine zentrale Aufgabe an den Hochschulen ist. Verschiedene Bewegungen von Studierenden, allen voran die in Solidarität mit Palästina und der Kampf gegen rechts, müssen dies als Teil ihrer Praxis begreifen und gemeinsam organisieren. Als KSB werden wir politisch und praktisch versuchen, den Aufbau dieser Bewegung zu stärken und die relevanten Kräfte für eine solche Kampagne zu gewinnen.

Wenn du dem zustimmst, dann meld’ dich gerne bei uns! Lasst uns gemeinsam den Klassenkampf an die Uni tragen!

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Internationalismus Revolutionäres Sommercamp Krieg, Krise, Kapitalismus – es reicht! Ob Ukrainekrieg, der Genozid in Gaza oder die neuen Handelskriege – eine Krise jagt die nächste. Gleichzeitig treibt die Wirtschaftskrise die Inflation in die Höhe, während[...]

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