Arbeiter:innenmacht

Ampel auf Rot: Nachsitzen fürs Heizungsgesetz

Jürgen Roth, Infomail 1228, 23. Juli 2023

Am späten Mittwochabend des 5. Juli 2023 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Eilantrag des CDU-MdB Thomas Heilmann stattgegeben. So kann der Bundestag erst nach der Sommerpause mit der 2. und 3. Lesung beginnen. In der 1. Sitzungswoche ab 4. September, in der auch über den Bundeshaushalt beraten werden soll, ist die Gebäudeenergienovelle angesetzt. Die Schlussberatung im Bundesrat könnte am 29. September stattfinden.

Kritik am Hauruckverfahren

Heilmann erklärte, er wolle der Ampel einen „Gefallen“ erweisen. Wenn das Gesetzgebungsverfahren nicht ordentlich ablaufe, entstehe die Gefahr, ein formal verfassungswidriges Gesetz zu beschließen. Die Koalition wollte das umstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG) unbedingt vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen. Trotz Zustimmung im Kabinett Mitte Mai war man sich über wichtige Gesetzesteile nicht einig, worauf es zu wochenlangen Verzögerungen kam. Nicht nur die parlamentarische Rechte begrüßte die einstweilige Anordnung des BVerfG. Für den Co-Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, stellt der Karlsruher Richterspruch einen „Schuss vor den Bug“ der Regierung dar, ohne zu vergessen, darauf hinzuweisen, dass auch die Große Koalition regelmäßig im Hauruckverfahren Gesetze durch den Bundestag zu peitschen.

Auch der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Sebastian Bartels, kritisierte, dass im Vorfeld trotz geplanter Mietrechtsänderung nicht einmal der Rechtsausschuss angehört wurde. Die Ampel hatte sich verzockt und steht nun einstweilen auf Rot.

Kommunale Wärmeplanung

Von den rund 41 Mio. Haushalten heizt jeder 2. mit Erdgas und ein weiteres Viertel mit Heizöl. Das Gesetz besagt im Kern, dass künftig nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die auf Dauer zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien (EE) betrieben werden können. Doch das soll ab 2024 unmittelbar erst einmal nur für Neubaugebiete gelten.

Für Bestandsbauten soll eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung den Dreh- und Angelpunkt bilden: Für Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohner:innen soll diese ab 2026 und für die restlichen mit mehr als 10.000 Einwohner:innen ab 2028 vorliegen. Kommunen unter 10.000 Einwohner:innen brauchen das nicht zu tun. Ab August 2024 soll das GEG Anwendung finden. Diese Regelung soll also die Frage beantworten: Wo macht eine Wärmepumpe Sinn, wo der Anschluss an ein Nah- bzw. Fernwärmenetz, wo an ein Gas- oder Wasserstoffnetz?

Was kommt auf die Hausbesitzer:innen zu?

Wie lange dürfen sie ihre alte Gas- oder Ölheizung noch nutzen? Funktionierende müssen nicht ausgetauscht werden, auch wenn noch keine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Unter bestimmten Bedingungen und mit zahlreichen Ausnahmen müssen nur Anlagen ausgetauscht werden, die älter als 30 Jahre sind.

Darf künftig überhaupt noch eine Gas- oder Ölheizung eingebaut werden? Grundsätzlich ja, aber wieder mit Ausnahmen. Wer seine nach dem 1. Januar 2024 auswechseln will, soll eine verpflichtende Beratung bekommen, um angesichts steigender CO2-Bepreisung auf eine mögliche Kostenfalle bei Nutzung fossiler Energieträger hinzuweisen. Bis zur Vorlage einer Wärmeplanung können auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen eingebaut werden. Ist aber dann in der Kommune kein Wasserstoffnetz vorgesehen, gelten schrittweise Vorgaben zur Beimischung klimaneutraler Gase wie Biomethan (ab 2029 mind. 15 %, ab 2035 30 %, ab 2040 60 %. Biomasseheizungen (z. B. mit Holzpellets) sollen uneingeschränkt in Alt- wie Neubauten betrieben werden dürfen. In Neubaugebieten müssen unabhängig von der Wärmeplanung auf Wasserstoff umrüstbare und mit EE-Pflichtanteil betreibbare Gasheizungen installiert werden.

Ist die Heizung irreparabel kaputt, gibt es Übergangsfristen von 5 Jahren für neue Heizungen, die nicht die Anforderungen von 65 %-EE-Anteil erfüllen. Nach Fristablauf soll man sich auf Basis kommunaler Wärmeplanung für eine passende klimafreundliche Heizung entscheiden.

Entfallen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen die Sonderregel für Eigentümer:innen von Gebäuden mit bis zu 6 Mietwohnungen, die älter als 80 Jahre sind, im Fall einer nicht mehr reparierbaren Heizung nicht eine solche mit 65 % Ökoanteil einbauen zu müssen. Härtefälle müssen gesondert geltend gemacht werden. Zinsverbilligte Darlehen soll es über ein KfW-Programm geben.

Einkommensunabhängig soll es einen einheitlichen Fördersatz von 30 % geben, für solche mit einem zu versteuernden Einkommen von unter 40.000 Euro zusätzlich 30 %. Zudem ist ein „Geschwindigkeitsbonus“ von 20 % geplant, der ab 2028 alle 2 Jahre um 3 Prozentpunkte sinken wird. Der Fördersatz wird aber bei 70 % gedeckelt. Unklar bleibt bisher noch, wo die Fördermittel beantragt werden können und ob sie auch für moderne Gas- und Ölheizungen fließen.

Was kommt auf die Mieter:innen zu?

Auf die Mieter:innen in solchen Gebäuden kommt also eine Modernisierungsumlage zu. Sie sollen vor stark steigenden Mieten geschützt werden, aber gleichzeitig die Vermieter:innen Anreize bekommen, in klimafreundliche Heizungen zu investieren. Die Modernisierungsumlage beträgt 8 %/Jahr und fällt „natürlich“ auch nach Amortisation der Anlage weiter an. Sie kann auf 10 %/Jahr steigen, wenn die Vermieter:innen staatliche Förderung in Anspruch nehmen und diese Summe von den umlegbaren Kosten abziehen.

Die maximale Mieterhöhung pro Quadratmeter und Monat soll bei 50 Cent gekappt werden. Doch gilt diese Deckelung nur für 6 Jahre, unabhängig von der Inanspruchnahme staatlicher Fördermittel. Steigt die Miete dadurch auf mehr als 30 % des verfügbaren Haushaltseinkommens, soll nur eine beschränkte Umlagefähigkeit gelten. Mieterhöhungen wegen Heizungsaustausches sollen bei Indexmieten ausgeschlossen sein.

Sebastian Bartels bemängelt, dass im Gegensatz zur früheren Vorlage Energiekosten auf die Mieter:innen abgewälzt werden, die einen bestimmten Durchschnittswert übersteigen, z. B. bei Heizungen mit Biogas oder Wasserstoff. Berechtigt ist ferner sein Ärger darüber, dass Vermieter:innen Fördermittel, die sie nicht beantragt haben, nicht von der Modernisierungsumlage abziehen müssen.

Viele werden die Gelegenheit des Heizungsaustauschs auch nutzen, um zusätzliche Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen, was dann wieder zu Kostenbelastungen von bis zu 3 Euro pro qm und Monat führe, so Bartels – um nach 6 Jahren weiter zuzunehmen. Manch ein/e Vermieter:in würde die Heizung angesichts der unklaren Planungslage innerhalb weniger Jahre auch zweimal austauschen, wenn er/sie sich verkalkuliert hat. Die wenigsten Mieter:innen wissen darüber hinaus, dass ein Härtegrund spätestens einen Monat nach Erhalt einer Modernisierungsankündigung geltend gemacht werden muss, z. B. wenn dadurch bedingt die Miete auf mehr als 30 % des Monatseinkommens steigt.

Ampelkoalition schönt eigene Klimabilanz

Kein Wunder also, dass es bei derart intransparenten und komplizierten Regelungen und gleichzeitigem Mangel an kollektiven Umbauplänen (siehe dazu auch: https://arbeiterinnenmacht.de/2023/07/10/gebaeudeenergiegesetz-zieht-euch-warm-an/) die rechte Opposition Wasser auf ihre Mühlen bekommt. Zudem stockt das, was hierzulande als Energiewende schöngeredet wird. Sie endet in der Steckdose und auch hier fließt v. a. Schwachstrom. Zur Halbzeit der Bundesregierungsperiode kommt die Stromwende zwar etwas schneller voran, der Ausbau von Wind- und Solarenergie genießt jetzt den rechtlichen Vorrang eines öffentlichen Interesses. In diesem Jahr werden 10.000 MW Photovoltaik ans Netz gebracht, doppelt so viel wie 2021. 4.000 MW Windkraft kommen hinzu, zwei Drittel mehr als im letzten Jahr. Doch die hier nötigen 10.000 MW liegen in weiter Ferne.

Noch schlimmer steht es um die Reform des Klimaschutzgesetzes. Die Koalition gibt de facto die Emissionsminderungsziele für die Sektoren Verkehr und Gebäude auf. Sehr zum berechtigten Verdruss von Fridays for Future und Umweltverbänden weigerten sich Verkehrs- und Bauressort, ein Programm vorzulegen, nachdem der von der Bundesregierung einberufene Klimaexpert:innenrat bereits im April moniert hatte, dass die Emissionsvorgaben dort für 2022 verfehlt wurden. Eigentlich sieht das geltende Klimaschutzgesetz vor, dass ein Plan zwecks Lückenschluss vorgelegt werden muss. Diese Frist lief am Montag, den 17. Juli 2023, ab. Mit der vom Bundeskabinett im Juni beschlossenen Novelle des Klimaschutzgesetzes und den Maßnahmen im Entwurf zum „Klimaschutzprogramm 2023“ sei diese Pflicht wegen Überschreitung in den Vorjahren entfallen, so die Minister:innen Geywitz und Wissing unisono.

Nicht einmal 70 % der Emissionsvorgaben sind durch beschlossene Maßnahmen einigermaßen gesichert. Im letzten Monat wurde das GEG fast neu geschrieben. So wurde die Lebensdauer fossiler Heizungen um Jahre verlängert. Ferner sind zu erwähnen: der LNG-Boom – klimatisch bedenklicher als Braunkohle –, Tausende MW geplanter Backupkraftwerke für das zukünftige Stromsystem (ohne vernünftige Netzstruktur und Speicherkapazitäten), der Trick mit den wasserstofffähigen Heizungen, die auf Jahre ebenso wie die Elektrizitätswerke mit Erdgas statt grünem Wasserstoff laufen dürften. Diese Marktanarchie wird von Rot-Grün-Gelb gefördert, nicht die ökologisch sinnvolle Überbrückbarkeit der Zeit, in der die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Der Unsinn des Handels mit Strom an der Leipziger Warenterminbörse wird darüber hinaus den enormen Zuwachs beim Solarstrom konterkarieren, wenn sonnige Tage den Strompreis auf null drücken.

Versagen fördert rechten Diskurs: Bundesregierung und DIE LINKE

Die Debatte ums sogenannte Heizungsgesetz bildet ein Muster dafür, wie ökologisch unzureichendes Tun auf rechts gedreht wird. Im dieses Frühjahr durchgesickerten Referent:innenentwurf war nicht geklärt, wie die Förderung der Eigenheimbesitzer:innen aussehen sollte, noch weniger die Entlastung der Mieter:innen. Es wurde der Eindruck erweckt, Heizen mit Öl und Gas werde ab 2024 verboten. Selbst führende Mitglieder der Linkspartei fielen in den Tenor der AfD, Union und Springerpresse vom „Heizungsdiktat“ ein. Diesen ging es im Grunde darum, eine Klimapolitik anzugreifen, die auf Verbote und Ordnungspolitik setzt. Mit Erfolg! Klima- und sozialpolitisch wurde das GEG entkernt bzw. bleibt weit hinter den Notwendigkeiten zurück.

Habecks Gesetz sah klimafreundlichere Heizungen vor, hätte aber via Modernisierungsumlagen die Mieten hochgetrieben. Eigentümer:innen sollten begrenzt bezuschusst werden. Neoliberaler Alltag mit grün-roter Sozialtünche. Den Klassenkampf von oben verschärfte die Rechte inkl. FDP. Ihre Empörungskampagne stand ganz im Zeichen der lukrativen Gasindustrie. Die Grünen geraten hier zur Zielscheibe, nicht weil sie eine offen bürgerliche Partei sind, sondern als Symbol für alles Progressive. Sämtliche Talkshows, in denen erhitzte Gemüter mehr oder weniger künstlichen Dampf ablassen konnten, laberten an Kernkonflikten wie Kostenverteilung und Industrieprofiten vorbei. Auch Mitglieder der LINKEN entblödeten sich nicht, sich unterm Deckmantel des Mieter:innenschutzes mit den fossilen Kräften gegen die Grünen zu verbünden.

DIE LINKE stand in dieser wichtigen Debatte mal wieder am Spielfeldrand. Dabei wäre, Sozial- und Klimapolitik miteinander zu verknüpfen, ein Leichtes gewesen.

Während das Motto der selbsternannten Fortschrittskoalition bestenfalls „Unser Kapitalismus muss grüner werden“ lautet, beschränkte sich die Linkspartei auf Kritteleien in puncto soziale Flankierung des Heizungsaustauschs und Mieter:innenschutz. Kollektive und erschwingliche Lösungen wie massiver Ausbau und Verstaatlichung der (Wärme-)Netze; Verbot, mit Wärme Profit zu machen, das sucht man bei ihr vergebens mit Ausnahme einiger Einzelpersonen. Demgegenüber treten wir ein:

Für eine sozialistische Wärmewende!

Statt über Marktanreize einen Übergang ungeplant und unkoordiniert vor sich hinlaufen zu lassen und die Verantwortung fast vollständig auf die Immobilienbesitzer:innen zu übertragen, braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Plan für eine echte Wärmeverbrauchsreduktion als Teil einer integrierten Energiewende aller Sektoren. Statt Ausschüttung von Direktinvestitionen mit ihren Ungerechtigkeiten und ihrem bürokratischen Aufwand braucht es eine Finanzierung durch progressive Besteuerung aller Einkünfte.

In einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland drängt sich an erster Stelle der verpflichtende Ausbau von kommunalen Fernwärmenetzen auf. Wo dies sich gesamtgesellschaftlich nicht rechnet, bieten sich individuelle Lösungen an wie Wärmepumpen, aber auch Solarthermie (Erzeugung von Wärme im Unterschied zur Photovoltaik, die Strom aus Sonnenenergie erzeugt). Ausbau von Fernwärme im Verbund mit kommunalen Wasserspeichern (Brauch- und Trinkwasser getrennt!) genießt darüber hinaus den Vorteil, dass die Abwärme aller Sektoren genutzt werden (Anschlusszwang, Wärmetauschanlagen) sowie Wasserheizung mit überschüssigem erneuerbaren Strom erfolgen kann – jedenfalls vorrangig vor seinen anderen möglichen Speicherarten (chemisch, Druckluft).

Natürlich muss dieser Plan Hand in Hand gehen mit Ausbau der Stromnetze und -speicher, Kollektivierung des Verkehrs (ÖPNV, kommunale Taxis) und seiner Umstellung auf erneuerbare Energien (Stromleitung, Biomethan). Schließlich gelingt die Wärme- ebenso wie die Energiewende nur, wenn die Netzbetreiber:innen und Stromproduzent:innen sowie fossilen Großkonzerne entschädigungslos enteignet werden und auch wie jene Immobilienbesitzer:innen, die sich Anschlusszwang und Erneuerung widersetzen. Das gilt auch für Firmen der Bau- und Ausrüstungsindustrie, die die Umsetzung dieses Plans, aus nicht technisch bedingten Gründen, unnötig verzögern.

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