Leonie Schmidt, Neue Internationale 258, September 2021
Für rechte und konservative Parteien erscheint die gesellschaftliche Unterordnung von Frauen und sexuell Unterdrückten nicht nur im Wahlkampf als bloße Nebenfrage.
Die CDU/CSU hat in ihrem Wahlprogramm nur einen marginalen Abschnitt zur Frauenfrage, in welchem lediglich auf bestehende Ungleichheiten in der Berufswelt hingewiesen wird. Die Union beteuert, sich gegen ungleiche Löhne und Renten bei gleicher Arbeit einzusetzen sowie die Berufswelt bzw. insbesondere die Führungspositionen familienfreundlicher zu gestalten. Des Weiteren gibt sie an, Frauen mehr im Bereich der Wissenschaft fördern zu wollen. In einem kleinen Abschnitt über Gewalt gegen Frauen wird noch vorgeschlagen, Straftaten besser zu erfassen und auszuwerten, so dass es wirksamere Strategien der Polizei dagegen geben kann. Außerdem soll das Prostitutionsgewerbe stärker polizeilich reguliert werden.
Auch die FDP setzt sich für Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwissenschaft, Technik) ein und möchte dies fördern sowie mehr von ihnen in Führungspositionen bringen und die Vereinbarkeit von Job mit Familie verbessern. Des Weiteren möchte sie das eigenverantwortliche Lösen des unternehmensinternen Gender Pay Gaps unterstützen, indem firmeninterne Statistiken erstellt werden. Ebenfalls möchten die Liberalen den Paragraphen 219a abschaffen bzgl. des Abtreibungswerbeverbotes. Außerdem sprechen sie sich bzgl. Gewalt gegen Frauen für das schnelle Umsetzen der Istanbul-Konvention aus.
Von einer systematischen Unterdrückung der Frauen wollen CDU/CSU und FPD natürlich nichts wissen. Im Grunde geht es für sie nur um die Beseitigung von „Resten“ von Ungleichheit und Benachteiligung mit starkem Fokus auf die Interessen der Frauen in führenden und leitenden Positionen.
Selbst von der schreienden Ungleichheit will die AfD nichts wissen. Ihr Programm enthält erst gar keinen konkreten Abschnitt zum Thema Frauenrechte. Geschlechtlich Unterdrückte gibt es für eine Partei, die ständig den Vormarsch des „Genderwahns“ wittert, erst recht nicht. Sie sieht sich vielmehr in der Verantwortung, die gesamte Familie zu stärken. Lediglich erwähnt wird, dass sie die Rechte von muslimischen Frauen stärken und jenen, die dem traditionellen Rollenbild nachgehen, mehr Anerkennung schenken will. Des Weiteren stellt sie sich gegen Frauenquoten, da diese diskriminierend wären und bedeuten würden, dass Frauen sich nur innerhalb eines Berufes selbst verwirklichen könnten. Die AfD wird also ihrem Ruf als rechte, reaktionäre Partei auch in der Geschlechterfrage gerecht.
Während CDU/CSU, FPD und besonders die AfD den Frauen weniger oder gar nichts versprechen, präsentieren sich SPD, Grüne und Linke als Parteien, die in ihrer extremen Benachteiligung und Diskriminierung einen Misstand erblicken, der endlich behoben werden müsste.
So notiert die SPD in ihrem Wahlprogramm, dass sie sich gegen die ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit einsetzen, mehr Frauen in Führungspositionen in Form einer Quote beanstanden, sich für Frauen im MINT-Bereich einsetzen, die Istanbul-Konvention weiter vorantreiben sowie den Paragraph 219a abschaffen möchte. Des Weiteren möchten sie für einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln sorgen.
Ebenfalls gegen den Gender Pay Gap einsetzen möchten sich die Grünen. Außerdem wollen sie Frauen in Führungspositionen fördern, ebenfalls die Istanbul-Konvention durchsetzen und den Paragraphen 219a abschaffen. Des Weiteren möchten auch die Grünen das aktuelle Prostitutionsschutzgesetz überarbeiten und einerseits die Arbeitsbedingungen verbessern, aber auch die Kontrollen vermehrt durchführen.
Die Linkspartei möchte durch die Einführung eines Mindestlohnes von 13 Euro dafür sorgen, dass auch Branchen wie z. B. die Pflege, welche besonders stark von Frauen dominiert werden, gerechter entlohnt werden. Ebenso setzt sie sich natürlich für gleichen Lohn für gleiche Arbeit ein, auch für eine Frauenquote in Führungspositionen. Auch möchte sie sich für die Entstigmatisierung von SexarbeiterInnen und bessere Beratungsprogramme für diese starkmachen. Darüber hinaus setzt sich auch die Linke für die Istanbul-Konvention ein, möchte auch insbesondere geflüchtete Frauen schützen, indem sie dafür plädiert, Massenunterkünfte aufzulösen. Es soll die Möglichkeit geben, Aufenthaltstitel unabhängig vom Ehemann zu bekommen. Auch sie tritt ein für die Abschaffung von 219a, außerdem für die Finanzierung von Verhütungsmitteln und Menstruationsartikeln durch Krankenkassen und öffentliche Hand.
Zwischen SPD, Grünen und Linkspartei – teilweise sogar Union und FDP – finden wir eine Reihe von Überschneidungen. Das liegt daran, dass es sich um bürgerlich-demokratische Reformen handelt, wobei die Quotierung sich lediglich auf Frauen in Führungspositionen bezieht. Zum Aufbrechen der geschlechtlichen Arbeitsteilung, der Förderung des Zugangs von Frauen in sog. Männerberufe wird wenig ausgesagt.
DIE LINKE stellt sicherlich den sozialen Aspekt der Frauenfrage am meisten in den Vordergrund, gefolgt von der SPD. In dieser stärkeren Betonung der sozialen Fragen spiegelt sich die soziale Verankerung und historische Basis dieser Parteien in der ArbeiterInnenklasse wider, reflektiert sich, dass sie beide bürgerliche ArbeiterInnenparteien verkörpern.
So widmet die Linkspartei mehrere Seiten ihres Wahlprogramms der Umverteilung der Carearbeit, der Überwindung von Lohndiskriminierung, der Verhinderung von Gewalt gegen Frauen, der sexuellen Selbstbestimmung und den Rechten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen, queeren und asexuellen Personen (LSBTIQA*). Ihr Programm stellt inhaltlich sicherlich das umfassendste und fortschrittlichste unter den Parlamentsparteien dar.
Die meisten dieser Forderungen sind ohne Einschränkung unterstützenswert. DIE LINKE leistet jedoch zwei Dinge nicht. Erstens verknüpft sie die Unterdrückung der Frauen nicht mit ihren Wurzeln – der geschlechtlichen Arbeitsteilung im Kapitalismus – und stellt sie damit auch nicht in den Rahmen eines Programms für die Sozialisierung der Hausarbeit. Zweitens fehlt jeder Hinweis darauf, dass diese Forderungen in den Betrieben, an den Schulen, Unis und auf der Straße erkämpft werden müssen und dass wir dazu eine proletarische Frauenbewegung aufbauen müssen, die gemeinsam mit der gesamten Klasse diese Ziele durchsetzt.