Andy Young, Infomail 1221, 26. April 2023
Am 15. April griffen sich die regulären sudanesischen Streitkräfte (SAF) und die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) gegenseitig mit Luftangriffen, schwerem Beschuss und Feuergefechten in den Straßen der Hauptstadt Khartum sowie in anderen Städten und Regionen an.
Beide Seiten haben keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in den dicht besiedelten Gebieten genommen und sie in ihren Häusern eingeschlossen, so dass sie nicht in der Lage waren, sich Lebensmittel, Wasser oder medizinische Versorgung zu beschaffen. Innerhalb weniger Tage wurden Hunderte von Zivilist:innen getötet und die Straßen sind noch gefährlicher geworden, so dass eine Flucht vor den Kämpfen kaum mehr möglich ist. Anderswo, auch in Darfur, sollen Tausende Flüchtlinge die Grenzen des Landes überschreiten.
Die Kämpfe zeigen, wie zynisch die Behauptung des Militärs ist, einen „Übergang zur Demokratie“ zu vollziehen. In Wirklichkeit wurde die demokratische Revolution von 2019 mit dem Militärputsch vom 25. Oktober 2021 unter der Führung von General Abdel Fattah Burhan von der SAF und Mohamed Hamdan Daglo von der RSF, auch bekannt als Hemetti, zu Ende gebracht. Beide vertreten Fraktionen, die die großen Goldreserven des Sudan sowie Öl und andere Mineralien ausbeuten. Jetzt haben sich diese Diebe zerstritten und lassen ihr Volk den Preis dafür zahlen.
Diese Entwicklung hat einmal mehr gezeigt, wenn während einer Massenrevolution des Volkes die Kontrolle der Generäle über die Armee nicht gebrochen wird und die einfachen Soldat:innen nicht zu den Aufständischen überlaufen, eine Konterrevolution folgt wie die Nacht auf den Tag. Nur wenn die Generäle sich in ihren internen Konflikten erschöpfen, die Soldat:innen sich gegen das Töten auflehnen und die Massen wieder auf die Straße gehen können, besteht Hoffnung, den revolutionären Vormarsch wieder aufzunehmen.
Aber dieses Mal dürfen sie nicht aufhören, bis sie mit ihren eigenen Widerstandskomitees, denen sich die Delegierten der Soldat:innen anschließen, die Macht übernommen haben. Nur eine siegreiche Revolution der Arbeiter:innen und Bäuer:innen kann den Völkern des Sudan dauerhaften Frieden, demokratische Rechte und soziale Entwicklung bringen und die Völker in allen umliegenden Regionen zur Nachahmung anregen.
Die sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter Burhan werden von seinem Verbündeten Ägypten ausgebildet und verfügen über schwerere Waffen, darunter Panzer und die Luftwaffe, die der RSF fehlen. Aber die 100.000 Personen starke RSF unter Hemetti ist kein Schwächling. Als Veteran:innen der Aufstandsbekämpfung und ethnischen Säuberung in Darfur und anderen Regionen haben bis zu vierzigtausend RSF-Soldat:innen im Jemen im Auftrag Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gekämpft.
Die VAE sind Hemettis Gönner und der Hauptabsatzmarkt für das Gold aus den von ihm kontrollierten Minen, was seine Familie zu einer der reichsten im Sudan macht. Dieser Reichtum hat seinen Streitkräften beträchtliche Unabhängigkeit von der SAF und dem sudanesischen Staat verschafft. Die Elite in Khartum mag die RSF als provinzielles „Gesindel“ betrachten, aber sie sind eine kampferprobte, gut ausgebildete und mit gepanzerten Fahrzeugen ausgestattete Truppe. Auch Hemettis Verbindungen zur mächtigen russischen Söldnergruppe Wagner, die gemeinsam die Minen im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik ausbeuten, können mehr Ausrüstung und Fachwissen, einschließlich Hubschraubern, liefern.
Hemetti, Sohn eines lokalen Häuptlings und Kamelhändlers, begann seine Karriere als Mitglied der um Ressourcen und Beute kämpfenden Stammesmilizen der „Dschandschawid“, die während des 2003 in Darfur ausgebrochenen Krieges in Erscheinung traten. Diese für ihre Grausamkeiten berüchtigten Milizen wurden 2013 von dem brutalen Diktator Omar (Umar) al-Baschir in der RSF organisiert und in die Hauptstadt und andere Großstädte gebracht, wo sie inzwischen Stützpunkte eingerichtet haben. Allein in Khartum sind 20 000 RSF-Kräfte stationiert. Al-Baschirs Ziel war es, sich vor Putschen des Militärs und einer wachsenden Opposition auch in Teilen der herrschenden Klasse zu schützen.
Doch Burhan und Hemetti wandten sich gemeinsam gegen al-Baschir und stürzten ihn im April 2019 in einem Präventivputsch, um eine Massenrevolution zu verhindern. Seitdem waren die RSF-Kräfte in einige der schlimmsten Angriffe auf die demokratische Volksbewegung verwickelt, darunter das Massaker vom 3. Juni 2019 in Khartum bei dem Versuch, die Revolution niederzuschlagen und die Militärherrschaft aufrechtzuerhalten, wobei mehr als hundert Demonstrant:innen getötet wurden.
Hemetti mag ein kriminelles Subjekt und Kriegsverbrecher sein, aber er ist nicht dumm. Sein erster Schachzug, der den Konflikt auslöste, war der Angriff auf Luftwaffenstützpunkte, wobei er sich auf Merowe konzentrierte und dabei zahlreiche ägyptische Truppen und Ausbilder:innen in seine Gewalt brachte. Burhan verfügt jedoch weiterhin über ausreichende Luftstreitkräfte, um Stützpunkte und Stellungen der RSF in Khartum, Omdurman und mehreren anderen Städten zu beschießen und zu bombardieren, und er hat die Kontrolle über einige Fernseh- und Radiosender, die neben Stützpunkten und Flughäfen ein Hauptziel der RSF-Revolte sind, aber auch die RSF verfügt über Kanäle für ihre Propaganda. Beide haben Verhandlungen ausgeschlossen, es ist ein Kampf auf Leben und Tod.
Es gibt Berichte, dass die ägyptische Luftwaffe Burhan unterstützt und RSF-Depots angegriffen hat, während andere behaupten, dass Hemetti Waffen vom libyschen Armeechef Chalifa Hafta erhalten hat. Hemetti hat bereits Unterstützung von bewaffneten Oppositionsgruppen in den vom Krieg zerrissenen Gebieten Südkordofan (Dschanub Kurdufan) und Blauer Nil sowie im Osten gesucht, wo Milizen, die sich auf das Volk der Beja (Bedscha) stützen, Port Sudan (Bur Sudan) besetzt haben.
Die sudanesische Küste des Roten Meeres ist ein strategisch wichtiges Gebiet für ausländische Mächte, wobei die Genehmigung für einen russischen Marinestützpunkt seit 2019 in der Schwebe ist. Das nahegelegene Dschibuti, das an der Bab-al-Mandab-Straße liegt, die den Golf von Aden vom Roten Meer trennt, kontrolliert die Zufahrten zum Suezkanal. Daher beherbergt das Land einen chinesischen Marinestützpunkt, einen französischen Luftwaffenstützpunkt, einen italienischen und einen japanischen Stützpunkt. Und nicht zuletzt ist Camp Lemonnier die Heimat der „Vereinigten Kombinierten Eingreiftruppe am Horn von Afrika“ des U.S. Afrika-Kommandos, der einzigen ständigen U.S. Militärbasis in Afrika.
Wenn Hemetti sich erfolgreich verschanzt, könnte die Hilfe der USA, Großbritanniens, Chinas und Russlands sowie ihrer regionalen Verbündeten es den beiden Seiten ermöglichen, ihren Kampf fortzusetzen.
Hemetti appelliert jedoch an die Beendigung des Konflikts, die Wiederaufnahme des Übergangs, die Durchführung von Wahlen und an die unterdrückten Minderheiten in den Regionen. Dies könnte jedoch ein Zeichen dafür sein, dass die RSF in den Seilen hängt. Einige Kommentator:innen berichten, die SAF kontrolliere alle fünf Hauptstädte der Provinzen in Darfur, ein Gebiet, das die RSF eigentlich beherrschen sollte. Ein auf Al Jazeera (Al Dschasira) zitierter Analyst erklärte, die RSF habe keine Stützpunkte mehr, sondern nur noch Truppenteile „ohne Führung oder zentrales Kommando“.
Zweifellos würden Millionen einfacher Sudanes:innen jedes Ende der Kämpfe und des Leids begrüßen, aber ein Sieg von Burhan oder Hemetti, geschweige denn eine Annäherung zwischen ihnen, wird weder die demokratischen Rechte bringen, für die Arbeiter:innen, die Jugend und die Armen des Sudan seit 2019 kämpfen, noch eine Befreiung von der immer tieferen Armut, die durch Inflation, Schulden und vom Internationalen Währungsfonds erzwungene Sparmaßnahmen verursacht wird. Burhan klebt ebenso viel Blut an seinen Händen wie Hemetti und war für Baschirs Regime und dessen Völkermord ebenso wichtig, da er als Oberst des militärischen Geheimdienstes von 2003 bis 2005 die Angriffe der Armee und der Milizen in West-Darfur koordinierte.
Der Krieg zwischen Burhans SAF und Hemettis RSF ist nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen zwei „starken Männern“, sondern die bittere Frucht der unvollendeten Revolution von 2019. Nachdem Massenkämpfe und Streiks die SAF-Soldat:innen zu beeinflussen begannen, wurde im August ein Kompromiss geschlossen, dem zufolge Burhan und Hemetti als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender einen „Souveränitätsrat“ beaufsichtigen, der zur Hälfte aus Militärs und zur Hälfte aus Zivilist:innen besteht, sowie den dreijährigen „Übergang“ zur Demokratie bis 2022.
Diese Strategie, die von den liberalen und reformistischen Führer:innen der Kräfte für Freiheit und Wandel und ihren US-amerikanischen und britischen Unterstützer:innen vorangetrieben wird, hat sich für die arbeitenden Menschen im Sudan als eine sehr blutige Sackgasse erwiesen. Was viele Arbeiter:innen, die 2019 kämpften, im August 2019 widerwillig als Notwendigkeit akzeptierten, um Blutvergießen zu vermeiden, hat das Militär und die Sicherheitsdienste intakt gehalten und die wiederholte Tötung von Demonstrant:innen nicht nur durch die RSF-Truppen, sondern auch Polizei und SAF ermöglicht.
Im September 2021 erklärte der Außenminister der Übergangsregierung, Mariam Sadiq al-Mahdi (Sadiq Abd ar-Rahman) von der Umma-Partei, dummerweise, dass der Sudan mit seinem gemeinsamen militärisch-zivilen Übergang „putschsicher“ geworden sei. Weniger als einen Monat später stürzte Burhan mit Hemettis Unterstützung die Zivilregierung, bevor er einen neuen „Übergangs“-Rat mit handverlesenen, loyalen Zivilpolitiker:innen ernannte und sogar den Premierminister und UN-Wirtschaftsexperten Abdalla Hamdok zur Rückkehr bewegen konnte, bis ihn Massenproteste im Januar 2022 zum Rücktritt zwangen.
Laut Sara Abdelgalil, einer Sprecherin der Sudanesischen Berufsvereinigung (SPA) im Jahr 2022, hat es „keine Reform der Justiz und keine Reform des Sicherheitssektors“ gegeben. Die Gerichte haben mehrere islamistische Führer freigesprochen, darunter auch den ehemaligen Vorsitzenden der Nationalen Kongresspartei (NCP), Ibrahim Ghandour, der den Staatsstreich von 2021 vorhersehbar als „Korrektiv“ unterstützte. Seit dem Putsch hat Burhan Schlüsselpositionen mit alten Baschir-Anhängern besetzt, vom Außenminister über den Gouverneur der Zentralbank bis hin zu den Ministern für Arbeit, Handel und Kabinettsangelegenheiten. Entscheidend ist, dass der Direktor des allgemeinen Nachrichtendienstes und der Leiter des Justizwesens beide aus der Baschir-Ära stammen und direkt für die Rehabilitierung der Figuren des alten Regimes oder die Unterdrückung von Aktivist:innen der Demokratiebewegung verantwortlich sind. Der Korruptionsuntersuchungsausschuss wurde kalt gestellt und neben diesen hochkarätigen Ernennungen wurden Hunderte von Beamt:innen aus der NCP-Ära, die wegen Korruption aus dem Amt entfernt worden waren, wieder eingesetzt. Die Sudan-Wissenschaftlerin Willow Berridge wies auf ein offenes „Iftar“ (Ramadan-Essen) hin, das von NCP-Führer:innen kurz vor dem Staatsstreich in dem Bezirk Kobar, in dem Baschir inhaftiert ist, veranstaltet wurde.
Hemetti hat jede politische Karte ausprobiert, um seine Position zu stärken, einschließlich des Vorwurfs, Burhan bringe die Islamisten zurück. Doch schließlich hat die alte Baschir-Hierarchie nichts übrig für diese verräterischen Dschandschawid. Unter dem Druck der „Viererbande“ aus den USA, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Saudis stimmte Burhan am 5. Dezember 2022 einem anderen Plan für einen Übergang zu, einem „Rahmenabkommen“, das den Übergang noch weiter in die Zukunft verschob. Da dieser Plan jedoch eine frühzeitige Verschmelzung der RSF mit den Streitkräften vorsieht, wodurch Hemetti seine unabhängige Machtbasis verlieren könnte, von der aus er die Wirtschaft ausplündern kann, war nach Ablauf der Frist am 11. April eine große Auseinandersetzung unvermeidlich.
Die Gewerkschaften und Widerstandskomitees, die die Revolution 2019 mobilisiert haben, wurden während des Putsches gezwungen, sich in Hilfsorganisationen zu verwandeln, die die Menschen mit Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe versorgen und die Zivilbevölkerung schützen. Wenn dies möglich ist, sollten sie sich mit den einfachen Soldat:innen verbrüdern und, wo immer möglich, politische Proteste organisieren, um Nahrung, Wasser und Krankenhäuser zu fordern und diese Dienste unter ihre eigene Kontrolle zu stellen.
Wenn Burhan gewinnt, aber ein Bürger:innenkrieg mit den RSF-Truppen an der Peripherie ausbricht, sollten diese fortschrittlichen Kräfte den Massenkampf für volle demokratische Rechte und Klassenforderungen nach sozialen Rechten, Arbeitsplätzen und Gewerkschaftsrechten wiederbeleben. Ein solcher Kampf ist die beste Voraussetzung, um die Widerstandskomitees in echte Räte der Massen (Sowjets) umzuwandeln, die von der organisierten Arbeiter:innenklasse geführt werden und die Autorität besitzen, sich an die wehrpflichtigen Soldat:innen, die Söhne und Töchter der arbeitenden Massen zu wenden. Das setzt voraus, dass die Widerstandskomitees zu einem nationalen Kongress von Fabrikkomitees und Räten ausgebaut werden, die sowohl die Macht als auch das produktive Eigentum der Generäle, Großgrundbesitzer:innen und Kapitalist:innen an sich reißen können.
Sozialist:innen im Sudan müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Wiederherstellung der Revolution und der Widerstand gegen den Bürger:innenkrieg eine Auseinandersetzung mit den militärischen Befehlshabern beider Seiten, die Ablehnung der bürgerlichen Politiker:innen aller Couleur, aber auch das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Minderheiten bedeuten. Die Position der einflussreichen sudanesischen Kommunistischen Partei, die sich auf die stalinistische Strategie einer Revolution stützt, bietet eine reaktionäre Utopie: „eine professionelle, einheitliche nationale Armee auf der Grundlage von Kompetenz, Integrität und nationalem Bekenntnis, unabhängig von parteipolitischen, regionalen, nationalen, kommunalen und stammesbezogenen Zuordnungen“. In Wirklichkeit brachten die Arbeiter:innen und Bäuer:innen ihre eigenen Milizen und müssen die Soldat:innen vom Kommando ihrer reaktionären Offiziere brechen.
Nach dem gescheiterten Experiment des Zusammenlebens von ziviler und militärischer Herrschaft können Millionen erkennen, dass die Einführung der Demokratie die Zerschlagung des gesamten repressiven Staates mit den korrupten Generälen in seinem Zentrum bedeutet. Nur eine revolutionäre verfassunggebende Versammlung, organisiert von einer revolutionären Arbeiter:innenregierung, kann die brennenden Fragen der Demokratie, des Eigentums und der Unterdrückung lösen. Sie könnte die Bodenschätze des Sudan, seine Industrie und die großflächige Landwirtschaft in der Kornkammer Gezira für einen demokratischen Plan für die Bedürfnisse der Massen unter Führung der Arbeiter:innenklasse nutzbar machen und die Ausbeutung des Reichtums des Landes durch die räuberische Elite und die westlichen Banken beenden. Sie könnte eine wichtiges Sprungbrett für die Errichtung einer Arbeiter:innen- und Bäuer:innenregierung werden, die sich auf Räte stützt. Dieser sozialistische Übergang kann durch die Ausweitung der Revolution auf Afrika und den Nahen Osten dauerhaft gemacht werden.