Arbeiter:innenmacht-Flugblatt, Infomail 1182, 25. März 2022
Um die schlimmsten Klimafolgen abzuwenden, müsste der globale CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 % reduziert werden – aber aktuell zeigt er eine steigende Tendenz. Das legt der aktuelle IPCC-Bericht Nr. 6 akribisch dar. Die Prognosen sind düster und werden konkreter, vergangene Vorhersagen zu Ausmaß und Folgen der Erderwärmung werden von der Realität überboten. Die Diskrepanz zwischen einem für die Menschheit zerstörerischen Eingriff in unseren planetaren Lebensraum und dem Fehlen angemessener Maßnahmen zur Abschwächung der Schäden ist offenkundig, sie verweist auf einen grundlegenden gesellschaftlichen Widerspruch: Die Kapitaleigentümer:innen und ihre Regierungen sind nicht fähig und willens, eine Politik zu verfolgen, die mit den natürlichen Lebensvoraussetzungen der Menschheit kompatibel ist.
Die drohende Klimakatastrophe ist nur eine Facette eines kaputten und krisenhaften Systems; nur eine der von Menschen entfesselten Gewalten gegen Menschen. Das haben auch viele Klimaaktivist:innen in den letzten Wochen zum Ausdruck gebracht, indem sie die Proteste gegen den russischen Einmarsch unterstützt haben. Auch FFF verbindet den heutigen Klimastreik mit dem Antikriegsprotest.
Die Ampel-Koalition dagegen nimmt den Krieg zum Anlass, das größte Aufrüstungsprogramm der Geschichte der BRD durchzusetzen und nutzt die Klimakrise zynisch, um ihre Kriegsvorbereitung als Wohltat für die Menschheit zu präsentieren. Die bislang uneingelösten Versprechungen einer grünen Transformation erhalten nun einen neuen Zweck, indem gesagt wird, die Abkehr von russischen Energieträgern diene nicht nur der „nationalen Sicherheit“, sondern auch dem Klimaschutz. Grün ist das neue Patriotisch. Gas aus Russland fließt allerdings erstmal weiter – nur mit der Dankbarkeit dafür ist es vorbei.
Öl und Gas aus Nicht-Russland ist dagegen plötzlich gefragter denn je. Die OPEC erhöht die Förderquoten, und das liegt nicht daran, dass Katar, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate ein Gütesiegel für Demokratie und Frieden besäßen, sondern dass Marktanteile neu zu verteilen sind und der Preissprung an den Ölbörsen dabei auch hohe Gewinne verspricht. All das bedeutet nicht, dass russisches Öl im Boden bleiben muss – es findet zu erheblichen Preisnachlässen neue Abnehmer u. a. in Indien und China.
100 % (erneuerbare) Energie aus Deutschland geht nicht von heute auf morgen. Daher geht es der Regierung auch nicht darum, wie wir rasch auf Öl und Gas verzichten können. Vorgeblich soll dreckiges, blutiges und klimaschädliches Diktatorengas aus Russland durch grünes Demokratiegas mit Menschenrechtssiegel ersetzt werden, das vorzugsweise aus Nahost oder auch in den USA importiert wird. Eigentlich geht es also darum, die Handelsbeziehungen des deutschen und europäischen Kapitals der neuen Realität anzupassen, in der Russland eine feindliche Militärmacht ist. Gas soll weiterhin verlässlich zu uns strömen, und nicht versiegen, etwa wenn der Feind uns im ungünstigsten Moment den Hahn zudreht. Außenministerin Baerbock erwägt sogar einen späteren Kohleausstieg, weil das der Preis sei, den „wir“ für Putins Krieg bezahlen müssten.
Autokratisch oder demokratisch ist nicht das Erdgas, sondern höchstens der Staat jener Kapitalist:innenklasse, die es fördert. Das Gas ist vor allem eine Ware, die Profit verspricht. Zur Zeit wird es auch zum Instrument der Machtausübung, also zur Waffe im Kampf um die Neuaufteilung der Welt – der Rest ist moralische Reinwaschung imperialistischer Machtpolitik. Die von FFF Deutschland aufgestellte Forderung nach einem Handelsboykott entspricht daher der Logik zwischenstaatlicher imperialistischer Konflikte, indem sie voraussetzt, auf der „richtigen“ Seite des Konflikts zu stehen. Damit werden die Ziele der Bewegung den Interessen des deutschen Kapitals untergeordnet und ein gemeinsamer Kampf in West und Ost gegen Krieg und Klimakrise verhindert.
Das Problem kommt daher, dass in der bürgerlichen Strömung der Klimabewegung die Vorstellung vorherrschend ist, dass richtige Klimapolitik nur die Frage richtiger Einsicht und konsequenten Handelns sei. Die Vorstellung einer „objektiv vernünftigen“ Klimapolitik führt jedoch weg von Klimastreik und Kampfaktionen, die die Systemlogik von Kapital und Regierung in Frage stellen. Dabei bräuchten wir gerade diese – und keinen Schulterschluss mit den Klimakiller:innen und Kriegstreiber:innen der Ampel-Koalition.
Klimakampf bedeutet Kampf gegen das Kapital – gegen den Hauptfeind im eigenen Land: