Arbeiter:innenmacht

LINKS: Ein politischer Angriff auf den Arbeiter*innenstandpunkt

Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1285, 30. Juni 2025

Wir waren betroffen, aber keineswegs überrascht, als uns vor wenigen Wochen die Information über einen Misstrauensantrag gegen eine AST-Genossin erreichte. Damit sollte sie aus ihrer Position im Koordinationsteam der Tagesleitung von LINKS entfernt werden. Als Mitglied des Arbeiter*innenstandpunkts steht sie für eine klare, internationalistische Haltung, insbesondere in Bezug auf den Genozid in Palästina, sowie für eine klassenkämpferische und revolutionäre Ausrichtung von LINKS. Das Misstrauen richtete sich nicht einfach gegen unsere Genossin als Person, sondern gegen den palästinasolidarischen Teil von LINKS und gegen den AST als Organisation. Dieser Angriff konnte durch eine starke Solidarisierung von Aktivist:innen und Delegierten im Bezirksausschuss, dem zwischen den Konferenzen tagenden zweithöchsten Gremium von LINKS, abgewendet werden.

Wie auch in vielen anderen linken Organisationen und Formationen gibt es auch in LINKS tiefgehende Auseinandersetzungen anlässlich des Genozids in Gaza zu Fragen von Internationalismus, dem Charakter Israels und des Zionismus sowie der Rolle, die Österreich hierbei spielt. Nachdem LINKS sehr lange daran gescheitert war, eine klar internationalistische Positionierung zu finden und sich an palästinasolidarischen Protesten zu beteiligen, konnten die antiimperialistischen Kräfte auf der Aktivist:innenkonferenz 2025 eine Mehrheit in diesen Fragen finden. Der Antrag „Gegen Genozid und Apartheid“ wurde angenommen. Er machte klar, dass LINKS in diesem Konflikt „klar auf der Seite derer [steht], die von Ausgrenzung, Apartheid, Vertreibung und Unterdrückung betroffen“ sind. Doch proisraelische Teile der Organisation versuchen weiterhin, die Aktivitäten in Solidarität mit den Palästinenser:innen und eine Beteiligung an der palästinasolidarischen Bewegung zu blockieren.

Von Anträgen zum Verbot der Teilnahme mit LINKS-Materialien an propalästinensischen Demonstrationen und der Ablehnung von Finanzierung für internationalistische Aktivitäten bis hin zu diversen persönlichen und politischen Angriffen ist die Situation – trotz klarer Konferenzbeschlüsse – weiterhin alles andere als geklärt. Den letzten traurigen Höhepunkt fand die Auseinandersetzung kürzlich in einem Misstrauensantrag gegen das einzige AST-Mitglied in der Koordination von LINKS. Der Antrag war nicht nur weitgehend auf unrichtigen persönlichen Unterstellungen gegen unsere Genossin aufgebaut, sondern war daneben auch noch mit diversen politischen Angriffen gegen uns als Arbeiter*innenstandpunkt gespickt.

Die Vorwürfe waren großteils nicht auf konkrete Fälle oder Beispiele gestützt, sondern wurden einfach pauschal in den Raum gestellt. Die Vorwürfe gegen uns als AST reduzierten sich damit auf diskreditierende Schlagworte wie „aufgesetzte Revolutionsnostalgie und Gewaltfaszination“, „leninistisch-autoritär“, „putinistische Positionen“, „Israel-feindliche Positionen“, „frühbolschewistische Politikkonzepte“. Wir haben darauf innerhalb von LINKS mit einer Stellungnahme reagiert, die wir hier auszugsweise wiedergeben wollen.

„[…] Der Arbeiter*innenstandpunkt ist eine revolutionär-kommunistische, trotzkistische Organisation. Wir haben immer offen argumentiert, dass unser Ziel der Aufbau einer revolutionären Partei zur Überwindung des Kapitalismus ist. Wir denken, dass im Angesicht der vielfachen Krisen des Kapitalismus (Klimawandel, Umweltzerstörung, Gefahr globaler Kriege etc.) nur eine revolutionäre Antwort eine adäquate Antwort ist. Wer sich an dieser Stelle für eine ausführliche Begründung davon interessiert, kann das Ganze in unserem Artikel vom letzten Jahr ,Warum wir Revolutionär:innen sind’ nachlesen (https://arbeiterinnenstandpunkt.net/?p=5081). Dass uns für dieses offene Eintreten für eine Revolution ,aufgesetzte Revolutionsnostalgie und Gewaltfaszination’ vorgeworfen werden, wird im Misstrauensantrag nicht begründet. Revolution ist für uns keine Nostalgie – sie ist weder etwas ,Schönes’ noch etwas Vergangenes, keine Utopie, sondern eine politische Notwendigkeit und Konsequenz der kapitalistischen Krisenhaftigkeit. Es sind dieselben Vorwürfe, die normalerweise bürgerliche Liberale oder sozialdemokratische Reformist:innen gegen Marxist:innen ins Feld führen, zu denen nun LINKS-Aktivist:innen greifen.

Innerhalb der Linken und Arbeiter:innenbewegung gibt es quasi schon immer einen Konflikt zwischen einer Richtung, die den Kapitalismus revolutionär überwinden möchte, und einer Richtung, die den Kapitalismus durch Reformen entweder abschaffen oder verbessern möchte. Wir sehen uns in diesem klar auf der Seite der Revolutionär:innen wie Marx, Lenin, Trotzki oder Luxemburg – die letzten drei Genannten würden ebenso wie wir im Misstrauensantrag (ohne inhaltliche Basis) als ,Frühbolschewist:innen‘ diffamiert werden, was auch immer das genau sein soll. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass in der kommunistischen Bewegung der Trotzkismus jene Strömung ist, die den revolutionären Marxismus gegen sozialdemokratischen Reformismus und stalinistische Entstellungen zu verteidigen versuchte. Letzteres wäre dann wohl unter ,Spätbolschewismus’ zu verstehen? Nebenbei sei auch bemerkt, dass die Verwendung des Begriffs ,Kommunismus’ – dem mittlerweile sogar viele Menschen in LINKS etwas abgewinnen können und unter dem wir zur Wien-Wahl angetreten sind – in seiner modernen Form ein direktes Produkt der Ablehnung der nationalistischen und opportunistischen Politik der Sozialdemokratie im 1. Weltkrieg ist, um den revolutionären Teil der Arbeiter:innenbewegung zu kennzeichnen. Direkt aus unserer revolutionären Einsicht, dass die herrschende Klasse im Kapitalismus nicht freiwillig und friedlich ihre Macht abgeben wird, erwächst auch unsere Position zur Frage von Gewalt. Wir hegen keine ,Gewaltfantasien’, sondern sind der schlichten Auffassung, dass eine wehrlose linke Bewegung durch die Kapitalist:innenklasse unterdrückt werden wird, sobald sie gefährlich wird. Wir sind keine Fans von blutigen, gewaltvollen Revolutionen oder finden das irgendwie geil. Wir sagen aber offen, dass die kapitalistische Herrschaft Gewalt ist und wir uns wehren können müssen. Sei es im praktischen Antifaschismus, bei der Verteidigung gegen Übergriffe durch die Polizei und staatliche Unterdrückung oder im Widerstand gegen Genozid. Wir verteidigen deshalb das Recht, sich auch bewaffnet gegen Imperialismus, Kolonialismus und (nationale) Unterdrückung zur Wehr zu setzen – sei es in Palästina, Kurdistan, der Ukraine oder Kaschmir. […]

Da wir uns selbst durchaus als leninistische Organisation betrachten, möchten wir nicht unerwähnt lassen, was wir darunter überhaupt verstehen: eine Organisation von aktiven Mitgliedern auf einem klaren kommunistischen Programm, die ihre Politik möglichst demokratisch bestimmt und gemeinsam umsetzt, eine politische Führung wählt und versucht, die Ausgebeuteten und Unterdrückten bewusstseinsmäßig für den Sturz des Kapitalismus zu gewinnen und zu organisieren (auch in eigenen, von der Partei unabhängigen Organisationen wie Gewerkschaften, Räten usw.). […]

Uns wird vorgeworfen, ,spalterische Anträge’ eingebracht zu haben – einen Beleg, geschweige denn eine zitierte Stelle, finden wir im Antrag leider keine. Genauso wenig gibt es einen Beleg für den Vorwurf, wir hätten ,putinistische Positionen zum genozidalen Krieg in der Ukraine’. Wir haben den russischen Angriff auf die Ukraine immer schärfstens verurteilt und uns dagegen positioniert (unser aktuellster Artikel zur Ukraine findet sich zum Nachlesen hier: https://arbeiterinnenstandpunkt.net/?p=5388). Gleichzeitig wird im Misstrauensantrag auch der Krieg in der Ukraine mit dem Genozid in Gaza gleichgesetzt. Obwohl wir zwar die Einschätzung teilen, dass es sich sowohl bei der Ukraine als auch bei Palästina um unterdrückte Nationen handelt, deren Recht auf nationale Selbstbestimmung wir unabhängig von ihrer politischen Führung verteidigen, ist es doch eine grobe Verharmlosung des Genozids, der gerade in Gaza stattfindet. Nach mehr als 3 Jahren Krieg gibt es laut OHCHR1 (Office of the High Commissioner for Human Rights; Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen)  auf ukrainischer Seite über 13.000 zivile Tote2. Im Gazastreifen gibt es in weniger als der halben Zeit und mit einer etwa 20 Mal kleineren Bevölkerung aktuell viele zehntausende zivile Tote (im Oktober letzten Jahres waren es wohl mindestens etwa 30.000)3.“

Auf dem Bezirksausschuss, bei dem der Misstrauensantrag diskutiert wurde, stellte sich ein großer Teil der Anwesenden dagegen und die Antragsteller:innen taten sich offenkundig schwer damit, eine kohärente inhaltliche Kritik an uns als AST zu formulieren. Nach einer langen Debatte sahen sich die Antragsteller:innen dann sogar gezwungen, den Antrag zurückzuziehen. Ein spontan gestellter Antrag, der unserer Genossin explizit das Vertrauen aussprach, wurde mehrheitlich angenommen. Der Angriff gegen uns als Arbeiter*innenstandpunkt im Speziellen und gegen den linken und internationalistischen Flügel im Allgemeinen konnte also abgewehrt werden. Das politische Problem, dass dem palästinasolidarischen Flügel aber weiterhin – trotz eines Konferenzbeschlusses dazu – Steine in den Weg gelegt werden, um praktisch aktiv zu werden, ist aber weiterhin nicht gelöst. Hier braucht es endlich eine klare Entscheidung, ob es nach mehr als 20 Monaten wichtiger ist, nur ja keine Kritik aus der linksliberalen, aber zutiefst rassistischen Medienlandschaft sowie von unterschiedlichen proisraelischen bzw. zionistischen Organisationen einstecken zu müssen, oder mit den Betroffenen von Genozid und Apartheid solidarisch auf die Straße zu gehen.

Gerade jetzt, wo sich nach den Angriffen Israels und der USA gegen den Iran der Kampf um die imperialistische Neuordnung der Welt noch weiter beschleunigt, sind für uns Antiimperialismus und Internationalismus wichtiger denn je. Die österreichische Bundesregierung in Person von Außenministerin (Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten) Beate Meinl-Reisinger (NEOS) stellt sich hier zwar etwas vorsichtig („[wir] sorgen uns vor einer Eskalation und Ausweitung des Krieges“), aber dennoch mehr als eindeutig hinter Israel und seine Angriffe („Selbstverständlich hat Israel das Recht, sein Land zu verteidigen und seine Bürger zu schützen.“). Noch weiter geht hier die deutsche Regierung, für die Israel „die Drecksarbeit für uns alle“ macht.

Es ist mittlerweile mehr als offensichtlich, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren massiv zugenommen haben, und dieser Trend wird sich wohl auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Im Kontext der sich verschärfenden innerimperialistischen Widersprüche reiht sich Österreich eindeutig in den westlich-imperialistischen Block und innerhalb dessen sehr klar an der Seite Deutschlands ein. Dabei folgt Österreich auch dem allgemeinen Trend zu Aufrüstung und Militarisierung. Im Doppelbudget 2025/26 wurden die Ausgaben für das Bundesheer massiv erhöht. Während nahezu alle anderen Bereiche Einsparungen vornehmen müssen, ist für Krieg und Militarisierung im Kapitalismus offenbar immer Geld da.

Es ist zentral hierbei, in Österreich das österreichische Kapital und seine politischen Vertreter:innen als wichtigste Gegner:innen zu begreifen. Österreichische Unternehmen verdienen durch und an Ausbeutung, Krieg und Genozid. Wir können und müssen hier in Österreich unser Hauptaugenmerk auf das österreichische Kapital und seine internationalen Verstrickungen legen. Eine Linke, die im Angesicht dessen nicht den Kampf gegen Krieg, Genozid und Aufrüstung mit dem gegen viel zu hohe Lebenskosten, Krise und Kapitalismus verbindet, hat die Aufgaben der Zeit nicht verstanden und wird mittelfristig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Es ist notwendig, die herrschende proimperialistische Politik offen zu verurteilen und sich aktiv gegen imperialistischen Krieg und Genozid im Nahen Osten zu stellen!

Endnoten

1 https://www.statista.com/statistics/1293492/ukraine-war-casualties

2 Genaue Zahlen sind schwer zu bekommen, weil sogar die Infrastruktur zur Aufzeichnung der Toten weitgehend zusammengebrochen ist. https://en.wikipedia.org/wiki/Casualties_of_the_Gaza_war

3 https://aoav.org.uk/2024/casualties-in-gaza-israels-claims-of-50-combatant-deaths-dont-add-up-at-least-74-of-the-dead-are-civilians/

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