Helga Müller, Neue Internationale 234, Dezember2018/Januar 2019
Die ver.di-Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst hat am 4. 10. 2018 die Kündigung der Entgelttabellen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zum 31. 12. 2018 beschlossen. Ab 1. Januar 2019 wären ver.di und die Belegschaften in diesem Bereich nicht mehr an die sog. Friedenspflicht gebunden. Die Gewerkschaft könnte zu Warnstreiks und nach Scheitern der Verhandlungen und anschließender Urabstimmung zu Durchsetzungsstreiks aufrufen.
In der jetzigen Phase geht es nun darum, in den Dienststellen und Betrieben, die unter den Geltungsbereich des TV-L fallen – z.B. gehören Landesverwaltungen, Unikliniken, Straßenmeistereien, Staatstheater etc. dazu -, die Forderungen zu diskutieren und an die Bundestarifkommission weiterzugeben. Diese wird am 20.12. die Forderungen für die Entgelttarifrunde festlegen und beschließen.
Die Bundestarifkommission gibt auch gleich Empfehlungen für die anstehende Diskussion in den Betrieben und Dienststellen mit:
Sicherlich ist die Prozenterhöhung von 6 % angemessen, aber es fällt gleich auf, dass eine sogenannte Festgeldforderung, die in den letzten Tarifrunden auch erhoben wurde, um die Schere zwischen den unteren und oberen Einkommen nicht zu groß werden zu lassen, diesmal völlig fehlt. Ebenso fällt ins Auge, dass auch dieses Mal wieder nur drei Verhandlungsrunden – kurz hintereinander – festgelegt wurden, die letzte am 28. Febr./1. März 2019 mit offenem Ende (!). Dies lässt mal wieder darauf schließen, dass die Bundestarifkommission ein möglichst rasches Ende des Tarifkampfes mit einem Ergebnis anpeilt, das der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL – öffentliche Arbeit„geber“Innen) nicht zu sehr weh tut – ganz wie auch schon in den letzten Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst, nicht zuletzt in der der Länder von 2016.
Auf der anderen Seite erklärt die Bundestarifkommission zwar in ihren Veröffentlichungen und Aufrufen zur Diskussion über die Forderungen, dass auch diese Gehaltsverhandlungen nicht einfach werden. Da die TdL auch 2019 keine Geschenke verteilen und es von daher notwendig sein wird, dass alle zusammen in die Auseinandersetzung um die Forderungen gehen müssen, stellt sie auch klar, dass die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen gut sind:
Alles in allem handelt es sich also um eine klassische Konstellation für Gewerkschaften, einen stärkeren „Schluck aus der Pulle“ zu fordern.
Gleichzeitig gibt es bei den Beschäftigten der Bundesländer auch einen Nachholbedarf: Hier sind die Entgelte vom öffentlichen Dienst insgesamt die niedrigsten. Und gegenüber der Tarifentwicklung der Gesamtwirtschaft hinken alle Staatsangestellten hinterher: Der Abstand beträgt hier 3,5 Prozentpunkte! Gleichzeitig wird die Arbeitsbelastung immer höher, Personalabbau und Befristungen, d. h. prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen auch hier zu.
Probleme gibt es also genügend im öffentlichen Dienst, die angegangen werden müssen. Auch wenn die Diskussion in den Betrieben und Dienststellen noch aussteht, steht jetzt schon fest, dass die Forderungen vollständig gegen den Widerstand der Tarifgemeinschaft der Länder, der sicher nicht auf sich warten lassen wird, durchgesetzt werden müssen.
Den Kolleginnen und Kollegen muss klar werden, dass auch in diesem Arbeitskampf eine Niederlage bereits droht, wenn dieser nach dem üblichen Ritual – ein paar Warnstreiks, um dann in der dritten und letzten Verhandlungsrunde „einzuparken“ – geführt wird, wie sich das ganz offensichtlich die Bundestarifkommission mal wieder vorstellt. Diese übliche Vorgehensweise deutet sich auch mit der gewohnten Argumentationslinie an, mittels derer man die öffentlichen Arbeit„geber“Innen davon zu überzeugen versucht, dass eine Gehaltssteigerung gesamtwirtschaftlich sinnvoll sei , da sie doch der Stärkung der Kaufkraft und damit auch des Binnenmarktes nütze.
Damit der Tarifkonflikt erfolgreich geführt und alle Beschäftigten in den Kampf einbezogen werden können – z. B. auch die KollegInnen in den Krankenhäusern, die für eine personelle Entlastung kämpfen-, müssen sie für folgende zentrale Forderungen und basisdemokratische Organisierung eintreten:
Zugegebenermaßen ist der Organisationsgrad und damit die Kampfkraft der Länderbeschäftigten nicht sehr hoch, aber zum einen spielte der öffentliche Dienst schon immer eine gewisse Vorreiterrolle für alle Bereiche auch in der sog. Privatwirtschaft, zum anderen geht es dort tatsächlich auch um gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Somit drängt sich geradezu auf, den anstehenden Arbeitskonflikt zum Ausgangspunkt zu nehmen, um auch erstere mit in die Auseinandersetzungen einzubeziehen. So stehen z. B. die KollegInnen aus der Zeitungs- und Druckbranche vor einem Generalangriff ihrer Unternehmerverbände, die gerade versuchen, ihre Krise auf die Belegschaften abzuwälzen und jahrzehntelang erkämpfte Errungenschaften anzugreifen. Ebenso müssten auch DIE LINKE und die SPD aufgefordert werden, die Arbeitskampfmaßnahmen bedingungslos zu unterstützen.