Veronika Schulz, Infomail 1020, 17. September 2018
Nachdem dieses Jahr bereits in anderen Städten Großdemonstrationen stattfanden, wurde es auch in München Zeit für Widerstand gegen InvestorInnen, Hedgefonds und die Wohnungspolitik der Landesregierung. Innerhalb nur weniger Wochen hat der „Münchner Mieterstammtisch“, gegründet von verschiedenen MieterInnengemeinschaften, die Themen bezahlbares Wohnen und soziale Ausgrenzung durch Immobilienspekulation fest in der öffentlichen Debatte verankert. Mittlerweile unterstützen mehr als 100 Organisationen, Parteien und Verbände das Bündnis unter dem Motto #ausspekuliert. Am Samstag, genau eine Woche vor dem Einzug der Wies’nwirtInnen, folgten mehr als 10.000 Menschen dem Aufruf zum symbolischen „Auszug der Münchner“ aus der teuersten Großstadt Deutschlands. Neben SPD und Linkspartei war auch die ver.di-Jugend in großer Zahl mit eigenem Demozug vertreten, der sich mit der #ausspekuliert-Demo verbunden hat. Unter dem Motto „Ohne Moos wohnungslos“ wurde auf die besonders prekäre Situation von Azubis und jungen Lohnabhängigen aufmerksam gemacht, für die ohne Bürgschaft von Eltern eine Wohnung schlicht nicht zu haben ist.
Die aktuelle Misere auf dem deutschen Wohnungsmarkt mit rasant steigenden Mieten ist das Resultat des stetigen Abbaus sozialer Förderprogramme bei gleichzeitiger Privatisierung. Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre von 200.000 auf 1,2 Millionen versechsfacht. In München haben sich die Mieten seit 2010 um 50 % erhöht. Im Schnitt kostet der Quadratmeter 17 Euro!
Es sind mittlerweile nicht nur GeringverdienerInnen, die sich die Mieten in München nicht mehr leisten können. Das Problem der explodierenden Quadratmeterpreise betrifft längst auch FacharbeiterInnen, junge Familien und RentnerInnen. Das bedeutet eine Verdrängung von den Menschen, die die Stadt beleben, am Laufen halten, ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, in die Vororte. Dies führt nach und nach zu einem Verlust der städtischen Vielfalt und Kultur. Die ImmobilienspekulantInnen wie „Deutsche Wohnen“ machen Rekordgewinne – auf unsere Kosten. Die Filetgrundstücke luxussanierter Wohnungen teilen Immobilienverwaltungen und InvestorInnen untereinander auf, um sie einer kleinen, finanzkräftigeren Klientel als den bisherigen BewohnerInnen anzubieten.
Der Wohnungssektor ist Teil des kapitalistischen Gesamtsystems. Der MieterInnenkampf muss daher als Klassenkampf geführt werden (z. B. durch Einbeziehung der Gewerkschaften und anderer Organisationen, die sich auf die ArbeiterInnenklasse beziehen). Wir können uns nicht mit der Besetzung und Beschlagnahme vorhandenen Wohnraums sowie einer Mietpreisbremse begnügen, sondern schlagen auch ein Programm öffentlicher Wohnungsbau- und Sanierungsmaßnahmen zu Tariflöhnen und bezahlt aus Unternehmerprofiten vor: