Michael Märzen, Infomail 980, 7. Januar 2018
Am 18. Dezember wurde die neue Regierung aus ÖVP und FPÖ angelobt. Schon im Wahlkampf wurde klar, dass sich Kurz und Strache auf eine Mischung aus Neoliberalismus und Rassismus verständigt hatten – das entsprechende Regierungsprogramm liegt nun vor. Spätestens damit ist klar: Diese Regierung steht auf Seiten der Reichen und KapitalistInnen und plant einen Großangriff auf die sozialen Errungenschaften von Arbeitenden, Jugendlichen, Frauen und MigrantInnen. Es tut not, die Pläne der Herrschenden zu kennen. um sie zurückschlagen zu können.
Es ist wesentlich, die Gründe für die schwarz-blaue Politik zu verstehen. Immerhin wird die österreichische Konjunktur als besonders gut beworben: Die Unternehmen haben investiert, die Kredite sind weiterhin billig, die Arbeitslosigkeit geht leicht zurück und dazu sind auch noch die Asylanträge stark zurückgegangen. Warum also das ganze Gerede vom Sparen, von der Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Begrenzung der Zuwanderung? Zum einen ist es zwar richtig, dass Österreich nach Jahren der Krise und der Stagnation einen kleinen Aufschwung erlebt. Dieser wird aber gemäß den Prognosen nicht lange anhalten und 2019 und 2020 wieder merklich abflauen. Zusätzlich bleiben die Risiken in der Weltwirtschaft hoch und damit besteht die Gefahr einer Rezession. Zum anderen sieht sich die österreichische KapitalistInnenklasse im internationalen Wettbewerb als zurückfallende. Die neue Regierung spricht das klipp und klar in der Präambel ihres Regierungsprogramms an: man habe „den Anschluss an die Spitze in Europa verloren“ und der Wirtschaftsstandort sei „im Vergleich zu unseren Nachbarn nicht mehr wettbewerbsfähig“. Gemäß der neoliberalen Ideologie betonen Kurz und Strache also die Notwendigkeit, „den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken“. Diese Floskel, die nun sogar Staatszielbestimmung werden soll, bedeutet nichts anderes als die „Verbesserung“ der Ausbeutungsbedingungen der Arbeitskraft für das österreichische Kapital, damit sich dieses gegen ausländische Konkurrenz behaupten und die eigenen dominanten Ansprüche gegenüber Osteuropa durchsetzen kann.
Die sogenannte „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ ist somit das zentrale Projekt der schwarz-blauen Regierung. Erreicht werden soll das in erster Linie durch die Senkung der Unternehmensabgabenquote auf 40 %. Dabei geht es für allem um die steuerliche Entlastung von Firmen, den Reichen und Besserverdienenden – für die ärmere Bevölkerung und die unteren Schichten der ArbeiterInnenklasse wird es proportional viel weniger Entlastungen geben. Wichtige Maßnahmen dazu sind die Senkung der Körperschaftssteuer (Steuer auf Unternehmensgewinne) und die Senkung der Lohnnebenkosten. Die große Mehrheit der Bevölkerung profitiert von diesen Maßnahmen nicht nur nicht, sondern sie muss dadurch auch einen größeren Anteil am Staatshaushalt zahlen. Damit die Senkung der Abgabenquote aber gesellschaftlich akzeptabel ist, wirbt Schwarz-Blau mit einer Reform der Einkommenssteuer. Auch wenn noch nicht klar ist, wie eine solche aussehen wird, muss man befürchten, dass diese vor allem höhere Einkommen entlastet und durchschnittliche ArbeiterInnen über die Gegenfinanzierungsmaßnahmen belastet werden. Bedrohlich klingt auch die Ankündigung eines vereinfachten Einkommenssteuerrechts, was auf den Abbau der Progression (des zunehmenden Steuersatzes mit wachsendem Einkommen) hinauslaufen könnte.
Gegenfinanziert wird diese „Entlastung“ vor allem durch Einsparungen. Mittelfristig möchte die Regierung auf ein Nulldefizit im Staatshaushalt hinaus. Der Sparzwang soll mit einer Schuldenbremse in der Verfassung abgesichert werden. Der neue Finanzminister will schon im ersten Jahr insgesamt 2,5 Mrd. Euro in allen Ressorts einsparen. Das soll bei der Verwaltung, dem Personal und den Förderungen erfolgen. Maßgeblich wird vermutlich auch ein neues (schlechteres) Dienstrecht für den öffentlichen Dienst in Kraft treten.
Damit die KapitalistInnen im Namen des Standorts öfter und billiger auf ihre Arbeitskräfte zugreifen können, plant die Regierung den Abbau von Arbeitsschutzbestimmungen,. Das Arbeitsinspektorat soll dann mehr den Charakter einer Serviceeinrichtung statt einer Kontrollinstanz bekommen. Im Zentrum steht bei dieser „Deregulierung“ die Ausweitung der allgemeinen Höchstarbeitszeit auf täglich 12 Stunden bzw. wöchentlich 60. Für die Beschäftigten bedeutet das vor allem des Öfteren mehr Überstunden, wenn die ChefInnen es wollen. In Kombination mit einem von der Regierung „zu prüfenden“ Zeitwertkonto-Modell könnte das auch noch zusätzlich zum Wegfall vieler Überstundenzuschläge führen. Generell sind 12-Stundendienste natürlich eine enorme geistige und körperliche Belastung und tragen zur Gesundheitsgefährdung (u. a. auch durch Arbeitsunfälle) bei.
Harte Angriffe müssen Arbeitslose erwarten, für die die Regierung eine Reform der Arbeitslosenversicherung, hin zum System wie in Deutschland, vorbereitet. Im sogenannten Arbeitslosengeld NEU richtet sich die Höhe des Arbeitslosengelds nicht mehr nur nach der Höhe des früheren Einkommens, sondern auch nach der Beitragsleistung, d. h. eine kürzere Beitragsleistung führt zu einer kürzeren Bezugsdauer. Außerdem wird die Notstandshilfe abgeschafft bzw. in das Arbeitslosengeld „integriert“. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit muss man somit Mindestsicherung beantragen, wofür man das eigene Vermögen aber bis auf etwas mehr als 4.000 Euro aufgebraucht haben muss und wo man auch nur unter bestimmten Umständen über ein Auto verfügen darf. Langzeitarbeitslose werden in diesem Fall de facto enteignet. All das beinhaltet weitreichende Gefahren nicht nur für die Arbeitslosen, sondern für die gesamte ArbeiterInnenklasse. Die Menschen, die keinen Job finden, werden noch mehr als bisher dazu gedrängt, Jobs anzunehmen, die sie womöglich nicht nur nicht interessieren, sondern bei denen besonders schlechte Arbeitsbedingungen herrschen. Dieser Zwang ist für die schlechter gestellten Schichten der ArbeiterInnenklasse umso höher. Gleichzeitig wird auch der Druck auf die Arbeitenden erhöht, denn sie werden trotz unattraktiver Arbeitsbedingungen leichter ersetzbar sein und mehr Einschränkungen akzeptieren müssen, um einer Kündigung zu entgehen. Zusammengefasst zielt diese Maßnahme also auf den Ausbau des Niedriglohnsektors in Österreich.
Auch die Jugend hat unter der schwarz-blauen Regierung zu leiden. Kinder aus einkommensstärkeren Familien werden durch einen Steuerabsetzbetrag („Familienbonus“) weiter bevorzugt, denn die ärmeren Familien haben davon nichts. Das selektive Schulsystem, das mit der Neuen Mittelschule ein kleines Stück weit aufgebrochen wurde, wird beibehalten und sogar wieder gestärkt. Ein Schritt dabei ist die Notenpflicht an Volksschulen, mit der die SchülerInnen schon frühzeitig an die „Leistungsgesellschaft“ gewöhnt werden sollen, ihr Konkurrenzdenken befördert und klarer zwischen guten und schlechten Kindern unterschieden wird. Verstöße gegen schulgesetzliche Verpflichtungen sollen über Kürzungen von Sozial- und Transferleistungen sanktioniert werden, was in erster Linie sozial schwache Familien treffen wird. An der Universität wird die soziale Selektion durch Studiengebühren und ein „neues Zugangsregelungsmanagement“ weiter verschärft. Zusätzlich wird die Studierendenvertretung (ÖH) vermutlich politisch entmündigt.
Es wäre nicht die Regierung von Kurz und Strache, wenn sie nicht enorme Verschlechterungen für MigrantInnen, insbesondere Geflüchtete, plante. Das ist aber nur die eine Seite, denn dort, wo Nachfrage an (qualifizierter) Arbeitskraft besteht, soll es erleichterte Zuwanderung geben. Diese soll also gemäß dem Gesichtspunkt der Kapitalverwertung reguliert wird. Herkommen, um zu arbeiten, ist also für einige wenige Menschen genehmigt, der große Rest muss draußen bleiben. Dass die wenigen Glücklichen aber auch gleiche staatsbürgerliche Rechte bekommen, wird weiter erschwert. AsylwerberInnen wird weiter das Leben zur Hölle gemacht, um sie davor abzuschrecken, überhaupt ins Land zu kommen. Deshalb soll ihnen gleich zu Beginn das Bargeld abgenommen werden und sie sollen nur noch Sachleistungen erhalten. Auch das Handy muss mitsamt den darauf gespeicherten privaten Daten zur Verfügung gestellt werden, damit die Identität, die Fluchtroute u. ä. der geflüchteten Person kontrolliert werden kann. Wer dann eine Asylberechtigung erhält, aber keinen Job findet, soll zukünftig nur eine extra für Asylberechtigte reduzierte Mindestsicherung erhalten. Damit werden diese nicht nur noch mehr zu Menschen zweiter Klasse degradiert, sie werden auch in die Armut und in besonders unattraktive Jobs gedrängt. Die sogenannte Integration ist nichts anderes mehr als erzwungene Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft. Das wird exekutiert durch eine Kopplung finanzieller Leistungen an Deutsch- und Wertekurse. Dabei wird die Absonderung von der Mehrheitsgesellschaft vorangetrieben. Deutschkurse sollen bald in sogenannten Brückenklassen im Asylheim stattfinden. Und statt mehrsprachigen Unterrichts bzw. forcierter Förderung von Deutschkenntnissen dabei heißt es nun Deutsch vor Regelunterricht oder gar eigene Deutschklasse.
Während die arbeitende Bevölkerung stärker ausgebeutet werden soll und die Bevölkerung dafür weiter in In- und AusländerInnen, Arbeitende und Arbeitslose, Frauen und Männer, leistungswillige und leistungsunwillige Jugendliche gespalten wird, soll der staatliche Unterdrückungsapparat weiter ausgebaut werden. Dafür gibt es nicht nur Strafverschärfungen bei Sexual- und Gewaltdelikten – was nebenbei bemerkt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Widerstand gegen die Staatsgewalt betrifft. Straf- und Erschwernisgründe sollen eine größere Bedeutung haben und ihrer neue geschaffen werden, bspw. „religiös-fundamentalistisch motivierte Gewalt“. Junge Erwachsene sollen härter bestraft werden (derzeit bestehen bis zum 21. Lebensjahr teilweise mildere Regelungen) und schon im Kindergarten wird den Kindern mit einem „Bekenntnis zur Verfassungs, Werte- und Gesellschaftsordnung“ die herrschende bürgerliche Ideologie samt Obrigkeitshörigkeit eingetrichtert. Ein zentrales Vorhaben ist der Ausbau elektronischer Überwachung. Höchstwahrscheinlich läuft das auf den sogenannten Bundestrojaner hinaus, einer Schadsoftware, mit der Smartphones ausspioniert werden können. Außerdem möchte die Regierung eine mildere Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung („Quick Freeze“), also die Verpflichtung der Telekomfirmen zur Datenspeicherung bei verdächtigen Personen. Zusätzlich bekommt die Polizei 2.000 zusätzliche Planstellen und das Bundesheer wird gestärkt.
Bei Schwarz-Blau III haben wir es mit einer rechtsbürgerlichen Angriffsregierung zu tun, die zentrale Anliegen der österreichischen KapitalistInnenklasse gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung durchsetzen will. Der Widerstand dagegen ist bitter nötig. Eine starke proletarische Kraft ist nicht vorhanden. Die in Opposition befindliche SPÖ wird gemeinsam mit den Gewerkschaften lieber in Worten als in der Praxis gegen die Attacken vorgehen. Ein starkes Bündnis aus linken, fortschrittlichen, antirassistischen und gewerkschaftlichen Kräften ist deshalb eine notwendige Bedingung, um sich zur Wehr zu setzen.
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