Martin Suchanek, Revolutionärer Marxismus 36, Dezember 2006
Die Vereinigung von PDS und WASG schreitet voran. Die beiden Parteitage haben im November 2006 die Weichen für einen Zusammenschluss auf reformistischer und bürokratischer Grundlage gelegt. Im kommenden Jahr wird eine zweite, linkere sozialdemokratische und staatstragende bundesweite Apparatpartei formiert werden.
Jene Linken, die den weiteren Verlauf und die Form der Vereinigung noch als „offen“ bezeichnen, täuschen mit solchen Einschätzungen nur sich selbst.
In der Gründungsphase und dann v.a. während und nach dem Bundestagswahlkampf schlossen sich viele AktivistInnen an, die bei den Demos gegen die Hartz-Gesetze dabei waren und direkt Betroffene der Armutsgesetze der Regierung waren und sind. Darin zeigt sich das Potential, das in der WASG trotz der reformistischen Führung zur Formierung einer neuen Arbeiterpartei der Klasse lag, die gegen die Angriffe des Kapitals kämpft und die zu einer revolutionären, anti-kapitalistischen Organisation hätte werden können.
Freilich war das keineswegs ein Selbstläufer. Um dieses Potential zu realisieren und – was schon ein großer Fortschritt und erster Schritt gewesen wäre – eine politisch-oppositionelle klassenkämpferische Strömung zu schaffen, war immer ein scharfer politischer Kampf gegen die vorherrschende Bürokratie und bürgerlich-reformistische Ideologie der Partei notwendig.
Dieses Potential ist in der WASG – von der PDS ganz zu schweigen – erdrückt worden. Die Arbeitslosen aus den Anti-Hartz-Protesten sind am Weg aus der Partei oder haben diese schon in den letzten Monaten verlassen. Die WASG hat schon seit geraumer Zeit aufgehört, AktivistInnen aus jeder Form sozialer Bewegung anzuziehen.
Sollte es nicht zu einer dramatischen Wendung im Klassenkampf und einer daraus resultierenden massenhaften Zuwendung radikalisierter Lohnabhängiger und Jugendlicher zu Partei kommen, so wird sich die Konsolidierung und Festigung einer reformistischen Partei, die die bornierten Sonderinteressen von Teilen der Arbeiteraristokratie, der Gewerkschaftsbürokratie und lohnabhängiger Mittelschichten zum Ausdruck bringt, die eine Partei der Vermittlung der Interessen des deutschen Imperialismus in Sektoren der Arbeiterklasse und der Mittelschichten sein wird, nicht verhindern lassen.
Daher ist unserer Meinung nach die zentrale Frage der nächsten Monate für den Kampf in der WASG jener gegen eine zunehmend verfestigte reformistische Bürokratie und die Sammlung all jener AktivistInnen, die sich von der WASG eine kämpferische Partei zur Vertretung ihrer Interessen und keinen zweite SPD erhofften.
Die Schaffung einer solchen Arbeiterpartei, die letztlich ein revolutionäre sein muss und nicht einfach irgendeine sozialdemokratische, also auf bürgerlicher Grundlage „Vereinigte Linke“, ist eine, wenn nicht die Schlüsselfrage für den Klassenkampf in Deutschland!
Die Frage einer weiteren Arbeit in der WASG und oder in der Vereinigten Linken muss deshalb danach beurteilt werden, ob sie zum Aufbau einer solchen Arbeiterpartei beiträgt oder ob sie diesen nicht vielmehr erschwert.
Die Entwicklung der letzten Monate – sowohl des Programms, der „Aktionen“ und v.a. der Taten der PDS und der WASG – zeigen, dass dieses Potential praktisch erloschen ist. Dass jene Schichten, die in der WASG eine Massenbasis für eine neue Arbeiterpartei hätten darstellen können, aus der Partei gedrängt wurden.
Dabei haben wir durchaus keine Ebbe im Klassenkampf zu konstatieren. Der Generalangriff von Oben läuft unvermindert weiter. In den großen Konzernen jagt eine Entlassungs- und Schließungswelle die nächste.
Diese Schichten drängen jedoch nicht die Vereinigte Linke – und werden es wohl auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht tun. Aber sie brauchen eine politische Organisation, um ihre Kämpfe zu bündeln und um das Rückgrad einer klassenkämpferischen Bewegung in den Betrieben und Gewerkschaften zu schaffen. Die Arbeitslosenproteste und die Bewegung der StudentInnen und Jugendlichen gegen den Bildungsabbau brauchen eine Aktionspartei! Das wird die Vereinigte Linke nicht sein.
Daher gilt es jetzt, alle jene Elemente politisch/organisatorisch zu sammeln und den Bruch mit PDS/WASG vorzubreiten. Es hilft überhaupt nichts, um diesen Punkt herumzureden und ihn aus „taktischen“ Gründen zu verschweigen. Das würde nur jene desorientieren, die nach einer politischen Orientierung im Kampf gegen das Kapital und gegen die Führungen von PDS/WASG suchen und dazu eine klassenkämpferische und politische Alternative aufbauen wollen.
Natürlich wird das von der Parteiführung, aber auch von linken Fußabtretern wie Linksruck als „Spaltung“ bezeichnet werden. Die Spaltung und Ausgrenzung geht jedoch von der Parteispitze aus. Die „Offenheit“ gegenüber Kommunismus und Anti-Kapitalismus war bei ihnen immer nur eine Phrase und galt und gilt nur dann, wenn diese das reformistische Programm der Führung verteidigen.
Die Marginalisierung der Linken und das Hinausdrängen „unsicherer“, nicht-kontrollierter BasisgenossInnen waren vom Standpunkt der Ziele der Parteiführung nachvollziehbar und folgerichtig. Lafontaine, Gysi, Ernst und Konsorten geht es darum, eine Partei zu schaffen, die im Interesse des deutschen Imperialismus mitregieren kann – natürlich auf Grundlage eines „Politikwechsels“. Was Lafontaine schon mit der SPD als Finanzminister machte, soll in Zukunft von der Linken betrieben werden (und dann natürlich klappen).
Daraus erklärt sich auch, warum die WASG-Führung mit allen möglichen Mitteln den eigenständigen Antritt der WASG in Berlin bekämpfen musste – auch wenn die Politik der Berliner PDS ganz und gar nicht zum sozialen Image der Neuen Linken passt.
Es ist aber klar, dass die Angriffe des Berliner Senats auf die Lohnabhängigen nur kleine Fische sind im Vergleich zu den politischen und ökonomischen Angriffen, die von der „linken“ Regierung des deutschen Kapitals gefahren werden müssen. Daher kommt auch der Kampf gegen mehr oder weniger unnachgiebige Linke und kämpferische ArbeiterInnen und Arbeitslose.
Die Linke ist wohl eine der ersten Parteien in Deutschland, die lange, bevor sie formell verschmolzen war, schon eine politische Führung hat: die Bundestagsfraktion unter Gysi, Lafontaine, Bisky und Ernst. Ihre Vorstellung einer „neuen Partei“ birgt kein großes Geheimnis in sich und war schon lange vor den jüngsten Parteitagen, spätestens zum Zeitpunkt der Bundestagskandidatur klar.
Die inneren Kämpfe zwischen verschiedenen Flügeln der PDS und WASG-Vorstände müssen daher immer schon als Kämpfe um die Dominanz in dieser vereinten reformistischen Partei und nicht als grundsätzliche politische Konflikte verstanden werden, auch wenn sie – wie wir weiter unten zeigen werden – verschiedene soziale Schichten widerspiegeln, auf die sich verschiedene Flügel von PDS/WASG stützen bzw. zu stützen versuchen.
Im folgenden Artikel wollen wir zuerst die politisch-programmatischen Eckpunkte der Fusion sowie die Differenzen innerhalb der zukünftigen Parteispitze näher untersuchen. Danach gehen wir auf die soziale Basis der jeweiligen Fraktionen in der „Vereinigten Linken“ sowie auf ihre Funktion für den deutschen Imperialismus ein.
Schließlich werden wir die Politik der „sozialistischen“ Linken einer kritischen Überprüfung unterziehen sowie unsere Schlussfolgerungen für den Aufbau des „Netzwerks Linke Opposition“ darstellen.
Zur Vereinigung hat sich eine Kommission (1) aus beiden Parteien auf ein „Eckpunkteprogramm“ verständigt, das als „Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutschland (2)“ auf der gemeinsamen Sitzung der Parteivorstände von Linkspartei.PDS und WASG am 22.10.2006 in Erfurt verabschiedet wurde.
In den „Entwurf“ sollen von den Vorständen und AutorInnen „Anregungen“ aus den innerparteilichen Debatten oder von der Parteitagen eingearbeitet werden – ein demokratischer Prozess, bei dem die lokalen Gliederungen eigene Änderungen oder gar alternative Entwürfe einbringen könnten, ist erst gar nicht vorgesehen.
Dasselbe gilt für das Statut der Partei und alle anderen grundlegenden Fragen.
Um sich gegen die ohnedies höchst unwahrscheinliche Gefahr, dass auf den Parteitagen bedeutende Minderheiten gegen diesen Kurs aufbegehren, zusätzlich abzusichern, sollen Fusion, Programm und Statut auch noch durch eine Urabstimmung unter den Mitgliedern plebiszitär legitimiert werden, so dass jedem aufmüpfigen Parteitagsdelegierten der manipulativ hergestellte „Wille der Mitgliedschaft“ um die Ohren gehauen werden kann.
Die Eckpunkte gehen wie viele andere Texte aus PDS oder WASG von einem bestimmten Bild der aktuellen Weltlage aus, aus dem dann die politischen Schlussfolgerungen gezogen werden.
Sie skizzieren eine verschärfte, v.a. ökonomische Krisenhaftigkeit des Kapitalismus seit den sechziger und siebziger Jahren. Diese führten zu Gegenbewegungen und Kämpfen, die aber schließlich mit Niederlagen endeten.
„Als mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion das größte Gegengewicht wegfiel, konnten sich die zerstörerischen Tendenzen des ungehemmten Marktes immer mehr entfalten. Heute bestimmen transnationale Konzerne und die Kapital- und Finanzmärkte zunehmend die gesellschaftliche Entwicklung.
Der Neoliberalismus tritt im Namen von mehr Freiheit an, doch werden alle Lebensbereiche der Kapitalverwertung und insbesondere der Steigerung der Aktienkurse auf den Finanzmärkten unterworfen. Neoliberale Kräfte fordern weniger Staat und bauen den Sozialstaat zugunsten eines repressiven Wettbewerbsstaats ab. Sie berufen sich auf die Demokratie und setzen die Schwächung der Gewerkschaften und anderer demokratischer Organisationen und Bewegungen durch. Sie verfolgen eine unsolidarische Politik der Privatisierung, Deregulierung und Unterordnung aller Lebenssphären unter die Märkte. Sie lösen neue imperiale Kriege aus und verschärfen die Terrorgefahren. Statt Chancengleichheit zu fördern, vergrößern sie die Kluft zwischen Oben und Unten. Niedriglohnsektoren breiten sich aus. Steigende Gewinne gehen einher mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit. Große Teile der Bevölkerung wenden sich von der Teilnahme an der demokratischen Willensbildung ab (3).“
Die AutorInnen konstatieren eine dramatische Veränderung der Lebensverhältnisse, der eine veränderte Kräftekonstellation zwischen den Klasse sowie innerhalb des Kapitals – zugunsten der transnationalen Konzerne, Kapital- und Finanzmärkte – zugrunde liegt. Lassen wir einmal diverse Ideologismen weg (der Bezug auf den Sozialstaat, die unhinterfragte Verwendung der „Terrorgefahr“), so ist die Darstellung als empirischer Befund in vielen Aspekten zutreffend.
Die Crux der Analyse und Politik der neuen Linken besteht nun aber darin, dass sie unterstellt, dass sich diese Folgen verschärfter struktureller Krise des Kapitalismus – letztlich einer Überakkumulationskrise – auf dem Boden der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse und mit dem bürgerlichen Staat zum Wohle aller – besonders natürlich der Lohnabhängigen – lösen ließen.
Wir revolutionäre MarxistInnen erkennen an, dass sich die Klassengegensätze unvermeidlich verschärfen müssen, dass die herrschenden Klassen mehr und mehr in einem verschärften Konkurrenzkampf und Kampf um die imperialistische Vorherrschaft verstrickt werden, die zu einem Generalangriff auf die Klasse in den Metropolen wie zur verschärften Ausbeutung, Ausplünderung und zum permanenten Krieg in den Halbkolonien führen müssen.
Wir folgern daraus, dass die Unterdrückten und Ausgebeuteten ihrerseits den Widerstand verschärfen und zu entschlosseneren und bewussteren Formen des Kampfes greifen müssen, dass sie mehr und mehr vor der Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ stehen, dass die Abwehr der immer aggressiveren Angriffe der herrschenden Klassen letztlich nur durch die sozialistische Revolution möglich ist, dass nur so die Befreiung der Arbeiterklasse, ja der gesamten Menschheit erfolgen kann.
Die entscheidende Aufgabe von MarxistInnen besteht darin, der Klasse einen Weg zu weisen, diesen Kampf erfolgreich zu führen: das heißt natürlich, als zentrale Frage den Aufbau eines Instrumentes, das diesen Kampf führen kann – einer revolutionären Klassenpartei und Internationale – zu betonen.
Hier erheben alle Führungsfraktionen der L.PDS und der WASG entschieden Einspruch. Haben sie zuerst noch eine Krisenhaftigkeit, eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses und eine immer aggressivere Politik der herrschenden Klasse konstatiert, so destillieren sie die„zivilisatorischen Momente“ der bürgerlichen Gesellschaft als die „transformatorischen Potentiale“ heraus, die den schlechten Seiten ebendieser Gesellschaft gegenübergestellt werden.
Die sich immer mehr verschärfenden Widersprüche des Kapitalismus bedürfen ihrer Auffassung nach nicht einer gewaltsamen, revolutionären Aufhebung, sondern bloß einer Veränderung des Kräfteverhältnisses im „inneren Rahmen“ der bürgerlichen Gesellschaft, der Erringung der „Hegemonie“, um dann evolutionär zur „Transformation“ überzugehen.
Um eine solche Auffassung zu begründen, wird der Kapitalismus – zumal in seinem imperialistischen Entwicklungsstadium – nicht als eine Totalität aufgefasst, sondern vielmehr als eine Summe von Einzelerscheinung, von „positiven“ und „negative“ Seiten.
So gibt es eben „gute“ (mehr Produkte, Reisefreiheit) und „schlechte“ (verschärfte Konkurrenz …) Seiten der Globalisierung, „gute“ (mehr Selbstbestimmung) und „schlechte“ (Flexibilisierung, Arbeitslosigkeit, Prekarisierung …) Aspekte neuer Formen kapitalistischer Arbeitsteilung.
Diese Erscheinungen werden nicht im Rahmen der Entwicklungslogik des Kapitalismus und ihres Gesamtzusammenhangs gefasst. Es fehlt auch jede marxistische oder leninistische Vorstellung des Imperialismus als einer bestimmten Epoche der kapitalistischen Entwicklung, in der die kapitalistische Produktionsweise reaktionär geworden und eine sozialistischen Umwälzung erforderlich ist, um die vorhandenen Entwicklungspotentiale der Menschheit zu realisieren.
Für die „Eckpunkte“ gibt es vielmehr einen Weg jenseits von Widerstand und Revolution: die „soziale, demokratische und friedensstiftende Transformation statt Entfesselung des Kapitalismus,“ der auch gleich ein ganzes Kapitel des Textes gewidmet ist.
„Die neue Linke legt programmatische Grundzüge einer umfassenden gesellschaftlichen Umgestaltung vor, um die Vorherrschaft der Kapitalverwertung über Wirtschaft und Gesellschaft zu beenden und den Herausforderungen der Gegenwart mit einem alternativen Entwicklungsweg zu begegnen. Es ist ein Programm des Richtungswechsels der Politik und der Erneuerung der Demokratie.“ (4)
„Der Kampf gegen den Abbau sozialer Rechte, für eine gerechte Verteilung der Arbeit in einer humanisierten Arbeitswelt und für einen erneuerten solidarischen Sozialstaat ist der im Gründungsprogramm formulierte Ausgangspunkt der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit.“ (5)
Diesen reformistischen Plunder bringt die WASG-Spitze stolz in die Vereinigung. Es geht keinesfalls um die Beseitigung des Privateigentums an Produktionsmitteln, sondern nur um die „gerechte Verteilung“ auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise.
Der Realisierung solch nobler Ziele steht dann auch nicht die kapitalistische Marktwirtschaft, sondern der „Neoliberalismus“ entgegen, wo das „Primat der Politik über die Wirtschaft“ verschütt gegangen sei.
„Die Linke tritt für das Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft sowie für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Europäschen Union ein. Alternative Wirtschaftspolitik ist gestaltende Politik. Sie zielt auf ein starkes Gewicht sozialstaatlicher Politik anstelle von deren Unterordnung unter Marktzwänge. Sie misst längerfristiger Struktur-, Wissenschafts- und Technologiepolitik erhebliches Gewicht bei. Sie betrachtet gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln als wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Doch sie strebt eine neue sozial-ökologische Rahmensetzung für die Marktmechanismen an, weil ohne Mitbestimmung, gewerkschaftliche Gegenmacht und sozialstaatliche Regulierung private Unternehmerinteressen zu volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch verlustreichen Fehlentwicklungen führen. Für mehr Investitionen und die Sicherung des Sozialstaats braucht der Staat Geld. Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Durch höhere Einnahmen kann auch die Verschuldung sozial gerecht abgebaut werden (6).“
Derart reguliert, hätten alle Klassen Vorteile von der Politik der Linken; der Kapitalismus würde nicht nur sozialer, sondern auch ökonomisch erfolgreicher werden, die Krisen könnte man in keynesianischer Manier abfedern und immer mehr würde das ganze System „transformiert“ werden – wären da nicht eine kleine Minderheit aus der führenden Kapitalfraktion, die Multis und das Finanzkapital, die dem entgegenstehen.
Auch dazu hat „die LINKE“ auch eigene, wenn auch nicht allzu originelle Rezepte zur Hand: “Die kapitalistische Wirtschaftsordnung führt zur Konzentration des Vermögens in den Händen einer Minderheit. Fünfhundert Konzerne kontrollieren die Hälfte des Weltsozialproduktes. Die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht gefährdet die Demokratie. Macht, die demokratisch nicht legitimiert ist, darf die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht bestimmen. DIE LINKE will das Primat der Politik. Stark konzentrierte Wirtschaftsbereiche müssen entflochten werden. Aus diesem Grund wollen wir die Kartellgesetzgebung verschärfen. Nur dann können Markt und Wettbewerb ihre Wirkung entfalten und den gesellschaftlichen Wohlstand steigern. Markt und Wettbewerb führen nicht nur zu einer effizienten Wirtschaft, sondern ebenso zur Dezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen und damit zur Einschränkung wirtschaftlicher Macht. DIE LINKE setzt daher vorrangig auf die Förderung der 2,9 Millionen Unternehmen, die weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen, und der über eine Million Kleinbetriebe, die in Deutschland weniger als zehn Beschäftigte haben (7)
Die zukünftige Linke erkennt zwar an, dass Kapitalismus zur Konzentration führt. Doch statt daraus den Schluss zu ziehen, dass der Kapitalismus selbst bekämpft und überwunden werden muss, um die Macht des Kapitalmonopols zu brechen, werden über hundert Jahre alte Forderungen wie nach „Entflechtung“ und „Verschärfung des Kartellrechts“ aus der Mottenkiste der Anti-Trust-Bewegung geholt.
Der deutsche „Mittelstand“, diese mittelmäßigste aller Klassen, um die sich jede mittelmäßige Partei des Landes drängt, will natürlich auch von der Linken bedient werden. Statt sich zum Vorreiter des gesellschaftlich Notwendigen und Möglichen zu machen – der Überwindung des Kapitalismus durch die Enteignung der Monopole, Kontrolle durch Beschäftigte und KonsumentInnen und die planwirtschaftliche Umgestaltung gemäß den gesellschaftlichen Bedürfnissen, offerieren sich Lafontaine und Co. als reaktionäre Verteidiger der kleinen Kapitalisten.
Noch positiver als „Innovationsfähigkeit“ und „freier Wettbewerb“ firmieren bei der Linken „die“ Demokratie und „der“ Staat. Während in etlichen Formulierungen noch auf die Entwicklungslogik des Kapitalismus, auf den permanenten Kampf um dessen „Bändigung“ hingewiesen wird, so erscheinen bürgerliche „Demokratie“ und „Staat“ als ungebrochene, zivilisatorische Errungenschaften, als zentrale Mittel zur „Zivilisierung“ des „freien Wettbewerbs“, die vom Neo-Liberalismus zerstört oder unbotmäßig in Beschlag genommen werden.
Die „Demokratie“ ist hier keine Herrschaftsform der Bourgeoisie, der Staat ist nicht der Staat des Kapitals. Nein, sie müssen nur wieder richtig in Besitz genommen und z.B. zur Wirtschaftdemokratie ausgebaut werden, „die alle Formen des Eigentums sozialen Kriterien unterwirft (8).“
Die vorgeschlagenen Mittel dafür sind dann aber äußerst bescheiden. Sie sind nicht dem Kampfarsenal um wirklich Kontroll- und Machtorgane der Arbeiterklasse – Fabrikkomitees, Räte etc. – entnommen, sondern den sozialpartnerschaftlichen Institutionen der BRD:
„Wirtschaftsdemokratie: Wir streben die Demokratisierung der Verfügungsgewalt über alle Formen von Wirtschaftsmacht an. Durch paritätische Mitbestimmung der Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften sowie Vertreterinnen und Vertreter der Regionen und Verbraucher soll die Macht des Kapitals demokratischen Interessen untergeordnet werden (9).“
Die Montanmitbestimmung hatten wir allerdings schon. Sicherlich wäre eine Ausweitung solcher Rechte heute dem Kapital zuwider, dass damit jedoch die „Verfügungsgewalt über alle Formen von Wirtschaftsmacht“ gebrochen werden könnte, glauben wohl die AutorInnen der Eckpunkte selbst nicht.
Hier verwundert es nicht, dass der „Sozialstaat“ überhaupt nicht mehr als Ideologie denunziert wird. Der Staat der 60er und 70er Jahre erscheint nachträglich nicht als imperialistisches und kapitalistisches Herrschaftsinstrument, sondern wird als Phase imaginiert, als die Politik sich noch „die Wirtschaft“ untergeordnet hätte.
Kein Wunder, dass insbesondere bei Lafontaine bei jeder unpassenden Gelegenheit das Sprüchlein auftaucht, dass „die Schwachen einen starken Staat bräuchten“. Von dessen leider allzu realen Stärke dürfen sich übrigens täglich die Menschen in Afghanistan und anderen von deutschen Truppen besetzte Länder überzeugen; davon erfahren die Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU täglich – und auch ALG-II-EmpfängerInnen können sich davon überzeugen, dass der „schwache“ Staat beim Bespitzeln und Beschnüffeln der Lebensverhältnisse der Arbeitslosen sehr aktiv ist.
Dahinter steht die naive, kleinbürgerliche Vorstellung, dass der Staat nicht geschäftsführender Ausschuss der herrschenden Klasse, sondern eine über der Gesellschaft stehende, neutrale Instanz wäre.
Das Programm der neuen Linken endet mit den Mitteln zur „Umsetzung“ der eigenen Politik. Dazu strebt sie an:
1. Brechen der neoliberalen Hegemonie in der Öffentlichkeit.
“Der Neoliberalismus, ursprünglich nur eine Wirtschaftstheorie, wurde zur Ersatzreligion. Er korrumpiert die Sprache und damit auch das Denken (10).”
Wir wollen hier die Macht des kapitalistischen Meinungsmonopols über die Medien etc. nicht bestreiten. Allerdings bleibt auch hier das Denken auf halbem Weg stecken. Wer von der Verdummung durch Staat und Demokratie nicht reden will, möge auch über die Blödheiten des Neoliberalismus schweigen.
Vor allem aber hat das Gerede über das „Brechen der neoliberalen Hegemonie“ in den Köpfen einen praktischen Zweck. Solange ein solcher Bewusstseinswandel nicht vollzogen ist, könne die Linke eben nichts machen.
So erklärt sich dann die PDS auch das Ende der Montagsdemonstrationen oder anderer spontaner Bewegungsansätze. Nicht das eigene Bremsen, nicht die Politik von PDS, Gewerkschaftsbürokratie und anderer reformistischer oder kleinbürgerlicher Führungen tragen Schuld am Niedergang oder daran, dass betriebliche Kämpfe und jene der Arbeitslosen nicht zusammengeführt wurden.
„Natürlich“ hatte auch der DGB keine Schuld und keine politische Verantwortung dafür, dass die Demonstrationen vom 3. April 2004 ins Leere liefen, statt zu Streiks und einer Zuspitzung des Kampfes zu führen. Schließlich hatte man ja noch nicht „die Hegemonie“ im gesellschaftlichen Diskurs errungen, noch kein „anti-neoliberales Bündnis“ geschmiedet, dass diesen Kampf um Hegemonie hätte tragen können.
In der Praxis entpuppt sich der Hinweis auf die neoliberale Hegemonie als Anleitung zu Passivität und zum Abwarten – bestenfalls. In Ländern wie Berlin, wo die PDS mitregiert, werden selbst die Durchsetzung angeblich „sozialer gestalteter“ Kürzungen, Privatisierungen und anderer neoliberaler Sauereinen, als schmerzhafte Zwischenstationen auf dem Weg zur „Erringung der Hegemonie“ hingestellt.
2. Eng mit dem Kampf um die „Hegemonie“ verbunden ist die Herstellung eines „Bündnis gegen den Neoliberalismus: Seine Überwindung wird nur gelingen, wenn sich in der Gesellschaft ein breites Bündnis und eine politische Sammlungsbewegung für einen Richtungswechsel formieren. Wir gehen von den gemeinsamen Interessen abhängig Arbeitender in Deutschland und im europäischen und internationalen Maß- stab aus. Wir wollen zu einem sozialen Bündnis beitragen, das hochqualifizierte Beschäftigte und Kernbelegschaften wie auch in unsicheren und Teilzeitarbeitsverhältnissen Tätige sowie Erwerbslose, Selbständige und sozial orientierte Unternehmerinnen und Unternehmer, Beamtinnen und Beamte zusammenführt (11).“
Das „Bündnis gegen Neo-Liberalismus“ verdeutlicht, welcher Block für den „Kampf um Hegemonie“ zusammengestellt werden soll – eine Bündnis aller Klassen, am besten im EU-Rahmen.
Natürlich betonen WASG und PDS hier die „Lohnabhängigen.“ Doch jede/r weiß, dass ein solches Bündnis mit Teilen der Kapitalistenklasse nur dann möglich ist, wenn diese politische und soziale Garantien erhalten, d.h. wenn ihre Klasseninteressen nicht angegriffen und jene der Lohnabhängigen denen der „Selbständigen und sozial orientierten Unternehmerinnen und Unternehmer“ untergeordnet werden.
Ein Beispiel dafür ist die von Katja Kipping und anderen vorgeblich „Linken“ in der PDS geführte Kampagne um das bedingungslose Grundeinkommen – eine Forderung, um die sich dann auch Kapitalisten wie der Chef der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, sammeln.
In jedem Fall ist das Bündnis keines zur Schaffung von Widerstand und der Kampfeinheit der Arbeiterklasse und Unterdrückten. Es sich schon gar keines, das sich gegen die kapitalistische Ausbeutung oder den Imperialismus in seiner Gesamtheit richtet. Es ist v.a. ein „Bündnis“ zur Unterstützung der reformistischen Parlamentsarbeit der PDS und etwaiger Regierungsbeteiligungen.
3. Die „Regierungsbeteiligung ist für die Linke ein Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung, wenn dafür die notwendigen Bedingungen gegeben sind. Maßstäbe für Regierungsbeteiligungen sind die Verbesserung der Lage von Benachteiligten und die Verstärkung politischer Mitbestimmung, die Errichtung von Barrieren gegen die neoliberale Offensive, die Durchsetzung alternativer Projekte und Reformvorhaben. Sie muss die Veränderung der Kräfteverhältnisse nach links und die Einleitung eines Politikwechsels fördern (12).“
Deutlicher als in vielen bisherigen Dokumenten – v.a. der WASG, aber auch vieler Erklärungen in der PDS – gibt es hier keinen Zweifel mehr darüber, dass „die Linke“ nicht nur gewählt werden, sondern auch regieren will.
Dass beim Eintritt in Regierungen eine Politik in ihrem Sinn rauskommen soll, wird wohl jede Partei fordern. Viel mehr sagen die „notwendigen Bedingungen“ auch nicht aus. Die „Einleitung eines Politikwechsels“ z.B. kann auch wirklich alles sein. Und diese Unschärfe ist auch so gewollt.
Schließlich enden die Eckpunkte ja auch mit „Nachbetrachtungen“ darüber, was offen geblieben sei. Darunter diese Frage: „Können internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter Kontrolle der UN in regionalen Kriegs- und Bürgerkriegskonstellationen zu einer Rückkehr zu einer friedlichen Entwicklung beitragen? Wäre diese Frage zu bejahen: Unter welchen Bedingungen? Wie verhalten wir uns dann dazu (13)?“
Einige aus der PDS/WASG-Führung haben diese schon bejaht und eine Beteiligung am Sudan-Einsatz der UN gefordert – ganz ohne unmittelbare Aussicht auf Regierungsbeteiligung.
Betrachtet man das Programm der Neuen Linken, so findet sich darin wider, was Marx schon im Kommunistischen Manifest als „Bourgeoissozialismus“ beschrieben hat:
„Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern.
Es gehören hierher: Ökonomisten, Philantrophen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist dieser Bourgeoissozialismus ausgearbeitet worden.
Als Beispiel führen wir Proudhons Philosophie de la misère an.
Die sozialistischen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft ohne die notwendig daraus hervor gehenden Kämpfe und Gefahren. Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Abzug der sie revolutionierenden und sie auflösenden Elemente. Sie wollen die Bourgeoisie ohne das Proletariat. Die Bourgeoisie stellt sich die Welt, worin sie herrscht, natürlich als die beste Welt vor. Der Bourgeoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu einem halben oder ganzen System aus. Wenn er das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen und in das neue Jerusalem einzugehen, so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Gesellschaft stehenbleibe, aber seine gehässigen Vorstellungen von derselben abstreife (14).”
Trotz der gemeinsamen systemimmanenten Stoßrichtung aller Flügel in der WASG-Spitze hat sich im Zuge des Parteibildungsprozesses ein Richtungsstreit entwickelt. Das wurde öffentlich deutlich, als Lafontaine und andere VertreterInnen der WASG-Spitze aus der PDS wegen ihre „fundamentalistischen“ Haltung in Sachen Privatisierung angegriffen wurden.
Bekanntlich hatte Lafontaine jede Form der Privatisierung der Öffentlichen Daseinsvorsorge als unvereinbar mit linker Politik erklärt, nachdem die Dresdner PDS selbst aus der Opposition heraus der Privatisierung der städtischen Wohnbaugesellschaft an einen US-amerikanischen Investor zustimmte.
Anders als bei der PDS in Berlin oder Schwerin konnte diese Haltung nicht mehr als „unvermeidbares Zugeständnis“ einer ansonsten „sozialen“ Regierungspolitik, die angebliche oder wirkliche Schweinereien einer Großen Koalition von SPD und CDU auf Landesebene verhindert hätte, dargestellt werden.
In einem Kritikpapier an Lafontaine gingen wichtige PDS-Vorständler aus Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin mit dem Aushängeschild der „neuen Linken“ hart ins Gericht. Dieser hänge einem „veralteten“, staats-sozialistischen Verständnis an und sei außerdem nationalstaatlich fixiert. Obendrein wurden diese Kritiken noch damit garniert, dass der „Staatssozialismus“ von Lafontaine schon in der DDR gescheitert wäre und außerdem leicht mit anti-semitischen Vorstellungen zusammenzubringen sei.
Ein zweiter, nicht minder wichtiger Konfliktpunkt entbrannte um Forderungen wie jene des „bedingungslosen Grundeinkommens“, welche zur Zeit unter Führungs-VertreterInnen der PDS etliche AnhängerInnen hat, als bekannteste dabei wohl die als links geltende Katja Kipping.
Die AnhängerInnen des bedingungslosen Grundeinkommens – wie es auch in Teilen der Arbeitslosenbewegung und der kleinbürgerlich-radikalen Linken vertreten wird – gehen davon aus, dass Vollbeschäftigung als politisches Ziel nicht mehr zu erreichen wäre. Sie unterstützen zwar auch die Forderung nach Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung, wollen diese jedoch mit der ihrer Ansicht nach zentralen Losung nach einem „garantierten und bedingungslosen Grundeinkommen“ für alle kombinieren. Wir haben eine ausführliche Kritik dieser Forderung schon an anderer Stelle geleistet (15) und müssen diese hier nicht mehr wiederholen.
Politisch führt die Losung jedenfalls zu einer Absage an den von linken GewerkschafterInnen wie auch von der linken Gewerkschaftsbürokratie vertretenen Kampf um die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und um Vollbeschäftigung, da sich aufgrund der Produktivitätsentwicklung gezeigt hätte, dass es eben immer weniger Lohnarbeit gebe.
Die VertreterInnen des bedingungslosen Grundeinkommens akzeptieren diese Entwicklung im Grunde als unvermeidlich, ja sehen in diesem gesellschaftlichen Übel nicht ein Zeichen für die immer größere Freisetzung von Arbeitskraft im Kapitalismus, sondern auch ein Signal, dass sich die Lohnarbeit ohne Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln beseitigen ließe. Es ist kein Zufall, dass auch „soziale Unternehmer“ diese Forderung aufgreifen. Auch von ihrer Geschichte her ist sie alles anderes als links, entstammt sie doch ursprünglich dem neoliberalen Doktrinär Milton Friedman und heißt in der FDP-Variante auch Kombilohn.
Gegen diese utopischen und pseudo-linken politischen Zaubertricks polemisiert u.a. die sog. „Sozialistische Linke“ in der WASG. Sie bildet eine eigene, politische zentrale Strömung, ist offen keynesinanisch orientiert und eng mit Teilen des Gewerkschaftsapparats bis in die verdi-Vorstandsetagen verbunden.
Mit Forderungen wir Kippings „Grundeinkommen“ haben sie nichts am Hut. Sie stehen für „traditionelle“ linksreformistische Gewerkschaftspolitik, die zur Politik der bundesdeutschen WASG werden soll.
Die Bedeutung der „Sozialistischen Linken“ als Vorstandsfraktion wurde auch am Parteitag der WASG klar. Sie prägte – gemeinsam mit den Ernsts und Händels – das Bild. Sie hat mindestens sechs Positionen im Vorstand und sie dient den Gewerkschaftsbürokraten in der WASG (und zukünftig wohl auch in der Vereinten Linken) als Sprachrohr.
Ihr Kampf gilt den Advokaten des „Dritten Weges“ in der PDS. Dazu sind sie auch bereit, sich mit jenen Linken zu verbünden, die schon im voraus ihre Kapitulation vor der Parteiführung klar gemacht haben, v.a. der „Antikapitalistischen Linken“ um die Kommunistische Plattform (KPF), aber auch isl oder linksruck.
Hinter dem Konflikt zwischen WASG-Vorstand/Sozialistischer Linker inkl. Teilen des PDS-Apparates, der ihnen nahe steht, und den Rechten in der PDS verbirgt sich allerdings auch eine unterschiedliche soziale Basis verschiedener Fraktionen in WASG und PDS.
Die dominierende WASG-Fraktion bringt sehr unmissverständlich die Interessen des linken, jahrzehntelang in der linken SPD beheimateten Gewerkschaftsapparates und der von ihr vertretenen und kontrollierten Schichten der Arbeiteraristokratie zum Ausdruck. Durch die Wendung zur „Neuen Mitte“, aufgrund des Angriffs von SPD-geführten oder mitgetragenen Regierungen auf die Arbeiterklasse wie auch der Ruhigstellung dieses Flügels in der Sozialdemokratie, hat er seinen politischen Arm in der SPD wohl unwiederbringlich verloren.
Er muss daher daran gehen, einen neuen aufzubauen – dazu diente von Beginn an die WASG und jetzt die „neue Linke.“ Die PDS allein wäre für ein solches Projekt nicht in Frage gekommen, da sie erstens nie über den Status einer ostdeutschen Regionalpartei hinauskam, deren Mitgliedschaft samt aller Karteileichen im Westen bis 2005 nie über 4.700 (2001) hinauskam (16).
Zweitens war sie von sich aus nicht in der Lage, Anziehungskraft für einen links-reformistischen Flügel aus den Gewerkschaften und darüber aus der SPD zu gewinnen. Selbst als unter Rot-Grün eine massive Austrittswelle aus der SPD stattfand und die Konflikte in und mit den Gewerkschaften zur Formierung der WASG beitrugen, zogen es die Gewerkschaftsbürokraten vor, zuerst eine eigene „originäre“ politische Formation zu gründen, statt direkt der PDS beizutreten, selbst wenn diese auch einen politischen Konflikt mit jenen Parteimitgliedern bedeutete, die aus der WASG mehr als nur den parlamentarischen Arm eines Flügels der Gewerkschaftsbürokratie machen wollten.
Letztlich wollen sie die L.PDS übernehmen und die Vereinigte Linke zu einer Partei des linken Gewerkschaftsapparates und der von ihr geführten und kontrollierten Lohnabhängigenschichten machen.
Neben den reformistischen Gewerkschaftern und sozialdemokratischen Funktionären hat die WASG – im Unterschied zur PDS! – in zwei Phasen ihrer Existenz (bei Gründung, v.a. um den Bundestagswahlkampf) auch massiv untere Schichten der Arbeiterklasse, v.a. Arbeitslose, HartzIV-EmpfängerInnen, die teilweise schon jahrelang politisch aktiv waren, ansonsten jedoch erst über die Anti-Hartz-Bewegung politisiert und mobilisiert wurden, erreicht.
Diese AktivistInnen kamen aus einer, wenn auch an ihre Grenzen gestoßenen, Bewegung. Sie wollten – wenn auch oft nicht bewusst artikuliert – mehr als eine weitere sozialdemokratische, staatstragende Partei, die den Protest und die Wut gegen das System nur elektoral kanalisiert. Dieses, teilweise wirklich, teilweise dem Vermögen nach eigenständige und widerspenstige Element musste in jedem Fall aus der WASG getrieben werden (und zwar auch ohne Fusion mit der PDS).
Gegen diesen Flügel richtete sich von Beginn an die Führung der WASG. Sie führte ihn als Kampf gegen die Linke, auf die Klaus Ernst als „Sektenkrieger“ losschlug. Dabei war ein Teil der Linken stramm auf Vorstandlinie (v.a. linksruck), die anderen Gruppierungen durchaus eher schwach. Abgesehen von unserer Organisation – der Gruppe Arbeitermacht – verzichten auch alle darauf, ein eigenes alternatives Programm zum Vorstandsentwurf vorzuschlagen.
Die Hetze gegen „die Linken“ drückte sich damals z.B. in Berichten von „Basismitgliedern“ aus, die entsetzt über WASG-Kreise und Bezirksgruppen der Partei als politisches Terrain „unzähliger“ linker Gruppen berichtete; von Orten und Parteitagen, an denen permanent linke Zeitungen angeboten würden und die Menschen durch „Kordone“ von Linken laufen müssten. Solche Berichte „von unten“ fanden sich schnell auf der Homepage der WASG etc., manche ihrer AutorInnen arbeiten heute für die Bundestagsfraktion …
All das hatte mit der Realität reichlich wenig zu tun. Das wusste der Vorstand als Initiator solcher Kampagnen am besten. Aber es galt damals, die organisierte Linke vor den politisch unerfahrenen neuen Mitgliedern zu isolieren, indem diese als sektiererische Hindernisse auf dem Weg zur „Sozialstaatspartei“ und den großen Massen dargestellt wurden.
Der eigentliche Grund bestand jedoch darin, dass die WASG-Spitzen durchaus den schwer steuerbaren Charakter der Massenmitgliedschaft aus dem Arbeitslosenmilieu erkannten. Das hatte nichts mit dem aktuellen Bewusstsein dieser AktivistInnen zu tun, wohl aber mit der Lebenslage des (Dauer)Erwerbslosen und der Tatsache, dass viele von ihnen in einer Bewegung politisiert worden waren.
Anders als die (noch) Beschäftigten und hier vor allem anders als langjährige Gewerkschaftsmitglieder, die über einen langen Zeitraum an eine „Politik der kleinen Schritte“, Rückschläge, faulen Kompromisse gewöhnt sind und die sich noch einigermaßen stabil reproduzieren können, ist die Lebenslage der Arbeitslosen viel direkter von drohendem Niedergang, Armut, Absturz, Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben geprägt. Die „Reformen“ der letzten Jahre haben außerdem dazu geführt, dass dieser Absturz viel rascher als noch vor 10 oder 15 Jahren vonstatten geht und dass auch kein einigermaßen politisch bewusster Arbeitsloser von einer Regierung Verbesserungen erhofft.
Kurz: die Arbeitslosen haben wenig Zeit vor sich. Sie sind daher sehr viel ungeduldiger als „Normalbeschäftigte“, sie wollen rasche Resultate, weil sie rasch Besserung brauchen, da sie ansonsten den kompletten Absturz befürchten.
Hinzu kommt, dass sie zur Sicherung ihres Einkommens permanente staatlichen Institutionen (Bundesagentur) sowie diversen Ämtern gegenüberstehen, während der Lohnarbeiter in der Regel mit dem Kapitalisten zu tun hat und den Staat eher als „dritte“ Partei wahrnimmt.
D.h. die Arbeitslosen müssen von jeder Partei, die Regierungsverantwortung übernimmt, direkt angegriffen werden. Und jede Partei, die wie WASG und PDS dereinst eine „Reformregierung“ für einen Politikwechsel haben wollen, trachtet natürlich danach, dass die Mitgliedschaft nicht von Arbeitslosen dominiert wird. Diese mögen wie bei jeder bürgerlichen Partei die Linke wählen, sonst aber von einer allzu aktiven Einmischung in interne Angelegenheiten der Partei ablassen.
Die Hetze gegen die organisierte Linke (KommunistInnen, SozialistInnen) hatte natürlich auch den Zweck, eine mögliche Verbindung zwischen diesen Gruppen – einer organisierten, radikalen, „zu ungeduldigen“ anti-kapitalistischen Linken – mit bislang unorganisieren, radikalen, ungeduldigen, wenn auch noch nicht anti-kapitalistischen Massenelementen zu verhindern.
Die PDS hatte dieses Problem erst gar nicht. Einen Zustrom von Arbeitslosen in die Mitgliedschaft gab es nicht. Die Mobilisierungen gegen die Regierung und Angriffe des Kapitals in den letzten Jahren haben in der PDS zu keinen Mitgliederzugewinnen geführt, selbst wenn sie auf elektoraler Ebene davon zuweilen profitieren konnte.
Anders als die bürgerliche Arbeiterpartei (17) SPD, in der bis vor einigen Jahren das Gros des Führungspersonals der WASG (tw. über den Umweg PDS) ihre politische Vertretung sah, stützt sich die PDS nur in geringem Maße auf die gewerkschaftliche organisierte Arbeiterklasse.
So sind 57 Prozent der SPD-Mitglieder in Gewerkschaften (18) aktiv, während es bei der PDS nur 37 Prozent sind (deutlich ist hier natürlich der Unterschied zu CDU/CSU mit 16 Prozent Gewerkschaftsmitgliedern). Allerdings ist die PDS durch diverse andere Vereine mit der Masse der lohnabhängigen Bevölkerung im Osten verbunden wie z.B. der Volkssolidarität.
Das hat nur zum Teil mit der Deindustrialisierung des Ostens zu tun. Von Beginn an hatte die PDS relativ wenig Verankerung in der industriellen Arbeiterklasse wie auch unter LohnarbeiterInnen, die im Handel tätig sind. Sie war – im Gefolge der SED – eine Partei, die v.a. auf die lohnabhängigen Schichten im Staatsapparat, in der Verwaltung bzw. in der Administration, also auf Mittelschichten oder Teile der DDR-Arbeiteraristokratie und natürlich der Bürokratie ausgerichtet war.
Diese machen auch noch heute den Kernbestand der PDS-Mitgliedschaft als Rentner aus. Von den rund 60.000 sind mehr als 70 Prozent älter als 60 Jahre.
Ein Blick auf die „junge“ Mitgliedschaft verdeutlicht auch die enge Bindung zwischen PDS und Staatsfunktionen. Ein großer Teil der „jüngeren“ Mitgliedschaft bekleidet eine Funktion auf kommunaler oder Kreisebene, in die die Mitglieder gerade in jungen Jahren rasch hineinwachsen, selbst, ja gerade wenn sie ursprünglich aus dem autonomen oder Antifa-Spektrum rekrutiert wurden.
Neben den Funktionen auf kommunaler oder Landesebene kommen noch hunderte Posten als parlamentarische Mitarbeiter sowie in den Stiftungen und im eigentlichen Parteiapparat.
Alles in allem leistet sich damit die PDS im Kern eine recht stabile und im Vergleich zur Mitgliedschaft sehr umfangreiche Funktionärs- und Apparatschicht, die sich auch innerparteilich als Delegierte zu den Parteitagen reproduziert.
Besonders hoch ist der Akademikeranteil unter den PDS-Mitgliedern mit 54 Prozent (verglichen mit 33 Prozent der SPD-Mitglieder). Während 40 Prozent der SPD-Mitglieder Hauptschulabschluss oder gar keinen haben, liegt der Anteil der PDS nur bei 30 Prozent (gegenüber 50 Prozent der Gesamtbevölkerung).
Die PDS kann insgesamt sehr wohl als bürgerliche Arbeiterpartei charakterisiert werden, in der die gewerkschaftlich organisierten Kernschichten der industriellen Arbeiterschaft und die sich auf sie stützenden Gewerkschaften aber wenig Gewicht haben. Wie auch in der SPD (und vielen anderen bürgerlichen Parteien) wird das politische Personal zunehmen aus den lohnabhängigen Mittelschichten rekrutiert. In der PDS gibt es dazu sicher den „Sonderweg“, dass sie sich dabei auf RepräsentantInnen der ehemaligen DDR-Bürokratie stützt. Ansonsten zeigt sich auch in ihrem politischen Personal eine starke Dominanz von Staatsbediensten und Angestellten.
Beide, WASG und PDS, sind – sieht man von den vor der Säuberung stehenden Arbeitslosenschichten in der WASG ab – Parteien, die Partikularinteressen bestimmter Teile der Arbeiterklasse, der Arbeiteraristokratie sowie der lohnabhängigen Mittelschichten zum Ausdruck bringen. Der Konflikt innerhalb der zukünftigen Linkspartei über die genaue Ausgestaltung ihres Reformismus ist wesentlich ein Konflikt darüber, auf welche dieser Schichten oder Teilen einer Klasse sich die Linke zukünftig stellen soll.
Es ist auch kein Zufall, dass die VertreterInnen der Arbeiteraristokratie und Bürokratie hier als die Linkeren auftreten, weil sie real auch stärker unter dem Druck einer selbst vom Generalangriff des Kapitals massiv bedrohten und organisierten Schicht der Klasse stehen, während sich die ostdeutschen „Realpolitiker“ viel mehr vom organisierten Druck einer sozialen Basis freigespielt haben.
PDS und WASG sind reformistische, bürgerliche Arbeiterparteien und auch die neue Linke wird eine solche sein. Selbst wenn der formale Bezug zum „demokratischen Sozialismus“ im Programm auftauchen sollte, so hat das nichts mit einem auf wissenschaftliche, materialistische Analyse gestützten Programm zur Erringung des Sozialismus zu tun. Ein solches Programm von Übergangsforderungen müsste eben nicht bloß ein nebelhaftes, allgemeines Bekenntnis, sondern eine Strategie zur revolutionären Machtergreifung des Proletariats, zur Zerschlagung des bürgerlichen Staates und zur Erringung der Räteherrschaft der Arbeiterklasse, zur Diktatur des Proletariats sein.
Das Programm von PDS und WASG hat damit nichts zu tun (ebenso wie das der SPD seit gut hundert Jahren). Es ist ein utopisch-reaktionäres Programm im Rahmen des bürgerlichen Staates, es ist nicht sozialistisch, sondern bürgerlich.
Mag es auch noch so gern Reformziele beschwören, so bedeutet die Regierungsbeteiligung dieser Parteien – wie jede Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung – Verantwortung für die Politik im Interesse der Bourgeoisie zu übernehmen und in Perioden verschärfter Klassenkämpfen natürlich die eigene Basis anzugreifen oder „bestenfalls“ Sektoren der Aristokratie kleine Zugeständnisse für massive Angriffe auf die unteren Schichten der Klasse zu bieten.
Eine bürgerliche Arbeiterpartei ist also eine Partei, die sich – in Trotzkis Worten – „auf die Arbeiter stützt, aber der Bourgeoisie dient.“
In der imperialistischen Epoche und in der parlamentarischen Demokratie sind diese Bedingung oft sehr eng, durch tausende Pöstchen, Gremien, zivilgesellschaftliche Institutionen, NGOs etc. vermittelt, wenn auch zunehmend instabiler.
Die Gründung der WASG hatte schließlich auch einen viel widersprüchlicheren Charakter als die Existenz der PDS, weil sie einerseits den Willen eines Teils der Klasse nach einer eigenständigen politischen Organisierung und einem Kampfinstrument ausdrückte und andererseits den Willen der Bürokratie, sich ein neues politisches reformistisches Instrument zu schaffen als Mittel, die SPD „wieder auf Kurs zu bringen“ bzw. die Sozialdemokratie außerhalb der SPD wieder zu beleben.
Die Funktion bestand und besteht also darin, eine staatstragende Partei zu schaffen, die aktuellen, v.a. aber zukünftig zu erwartenden Widerstand abfedert, integriert oder spaltet. In diesem Sinn ist die Linke nicht nur ein Instrument der Arbeiterbürokratie, bringt nicht nur das Interesse nach Abmilderung der Klassengegensätze zum Ausdruck; sie ist auch ein Instrument des imperialistischen Staatsapparates und der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse.
Das wird deutlich, wenn man die Rollen betrachtet, die PDS oder WASG in Kämpfen spielten – gerade dann, wenn sie als Unterstützer auftreten. Ob bei AEG in Nürnberg, Opel in Bochum oder bei BSH in Berlin: die Unterstützung war immer zuerst eine Unterstützung für den Kurs der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie. Wo die Beschäftigten gegen den Kurs der Bürokratie ankämpften, stellte sich die PDS gegen die ArbeiterInnen und Angestellten.
Von der Forderung nach Abschaffung aller Hartz-Gesetze hört man natürlich nichts.
Selbst die Parlamentsfraktion, die für das Recht auf Generalstreik eintritt, hat es bisher nicht geschafft, Gesetzesanträge einzubringen, die die Einschränkung des Streikrechts in Deutschland aufheben sollen, und darum eine politische Kampagne zu entfachen.
Ebenso kündigt sich für die Mobilisierung zum G8-Gipfel an, dass die PDS im Gleichschritt mit attac und anderen versuchen wird, den Protest in kontrollierten Bahnen zu halten (19).
An allerdeutlichsten zeigt sich der staatstragende und pro-imperialistische Charakter des Reformismus aber in der Außenpolitik:
„Deutsche und europäische Außenpolitik muss Friedenspolitik werden: Die Bundeswehr darf nicht weiter für Militärinterventionen im Ausland eingesetzt werden. Die Nutzung von Militärbasen auf dem Boden Deutschlands und in der EU für Aggressionskriege und menschenrechtsfeindliche Verschleppungen muss beendet werden. Militärbündnisse wie die NATO wollen wir überwinden. (…)
Demokratisierung der UNO: Das Ziel der Charta der Vereinten Nationen, eine Welt des Friedens und der Wahrung der Menschenrechte zu erreichen, erfordert eine weitere Stärkung und Demokratisierung der UNO, mehr Rechte der Vollversammlung gegenüber den Ansprüchen der Welt- und Großmächte. Verschleppungen, geheime Gefängnisse und Folter sind weltweit zu ächten. Die Koordination der internationalen Anstrengungen für eine gerechte Weltwirtschafts- und Sozialordnung sollte bei einer demokratisierten und gestärkten UNO liegen. (…)
Wandel der Europäischen Union: Wir treten dafür ein, dass sich die EU von einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu einer europäischen Beschäftigungs-, Sozial-, Umwelt- und Friedensunion entwickelt (20).“
Der deutsche Imperialismus und der sich formierende europäische Imperialismus werden in utopischer Manier in einen potentiellen Friedensverein umgedichtet, der heute zwar „schmutzige“ Kriege führt, doch, richtig regiert, allemal echte „Friedenspolitik“ machen könne.
Die EU kann auch nicht zu einer „Beschäftigungs-, Sozial-, Umwelt- und Friedensunion“ umgestaltet werden – sie ist ein imperialistisches Staatenbündnis unter Führung von Deutschland und Frankreich, um mittel- und langfristig den USA als vorherrschende Weltmacht den Rang abzulaufen.
Das Gerede um die „soziale Union“ auf Basis der bestehenden Eigentumsverhältnisse hat hier allerdings auch einen politischen Zweck für die herrschenden Kapitalistenklassen in Deutschland und anderen EU-Ländern, nämlich die sich formierenden Bewegungen gegen den Generalangriff in Europa, gegen das rassistische Grenzregime, gegen die imperialistische Politik auf ein „anderes“, besseres – bürgerliches – Europa zu orientieren und so doch noch eine „andere“, d.h. mit mehr reformistischen und sozialen Phrasen versehene imperialistische Verfassung zu legitimieren.
Anders als die PDS war die WASG lange Zeit keine stabilisierte, gefestigte reformistische Apparatpartei. Ihre Bürokratie musste sich selbst erst formieren und ihre Kontrolle über die Partei immer wieder behaupten.
Am schärfsten trat dieser Konflikt sicher um die Eigenkandidatur der WASG-Berlin zutage, der gegen den Willen und alle möglichen medialen und juridischen Winkelzüge der WASG-Spitze durchgekämpft wurde.
Die Berliner WASG trat hier mit einer Reihe unterstützenswerter Teilforderungen an, wenn auch im Rahmen eines reformistischen Programms. Entscheidend war jedoch, dass sich in dieser Kandidatur der Wille einer großen Mehrheit der aktiven WASG-Mitglieder ausdrückte, gegen die neoliberale Senatspolitik der Berliner PDS anzukämpfen, und keine Fusion um jeden Preis einzugehen.
Dass die WASG letztlich doch unter Kontrolle des Vorstandes landete, ist durch eine Reihe von Faktoren bedingt.
Der zentrale ist sicherlich, dass es seit dem Niedergang der Montagsdemonstrationen auch zu einem Niedergang landesweiter Protestmobilisierungen von Teilen der Arbeiterklasse kam. Dadurch war der Druck durch reale Bewegungen auf die sich formierende WASG immer begrenzt.
Ein zweiter Faktor war jedoch die Politik der Linken in der WASG und außerhalb.
Bei allen Begrenzungen und Kritiken an der WASG war sie doch Resultat einer Erschütterung des sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Reformismus – insbesondere der Form seiner Reproduktion, wie es sie seit dem Niedergang und der politischen Ausschaltung der KPD im Westen nicht mehr gegeben hatte.
Es handelte sich tatsächlich um eine politische Neuformierung in der Klasse, die von Massen getragen oder zumindest mit Interesse und Sympathie verfolgt wurde. Die Gefahr, ja die Wahrscheinlichkeit, dass diese letztlich wieder unter die Fittiche der Bürokratie gerät, war immer da, ja immer groß.
Doch das macht die Haltung eines Teils der deutschen Linken außerhalb der WASG, mit dem Verweis auf die Wahrscheinlichkeit und Gefahr der Konsolidierung des Reformismus und Bürokratie erst gar nicht in dieser Formierung zu wirken oder zu kämpfen, nicht besser. Es war nur eine rechthaberische, passive Vorab-Kapitulation, die praktisch nur dazu führen kann, den soziademokratischen Reformisten das Feld zu überlassen.
Freilich wurden diese „Kritiken“ auch genährt durch das Verhalten der Linken in der WASG. Die DKP als eine der größten reformistischen Formationen links von der PDS zeichnete sich dadurch aus, dass zwar in etlichen WASG-Kreisen Mitglieder eintraten, dass sie aber insgesamt überhaupt keine klare politische Taktik oder Zielsetzung verfolgte. So unterstützte z.B. die Berliner DKP den eigenständigen Antritt der WASG Berlin, während sich noch kurz zuvor Führungsmitglieder derselben DKP als Kandidaten auf der PDS-Liste versucht hatten.
Im Zuge der Fusionsdiskussion hat sich eine WASG- und PDS-übergreifende „Oppositionsströmung“ gebildet, die von Kommunistischen Plattform (KPF) um die EU-Abgeordnete Sarah Wagenknecht, über Vertreter der „Sozialistischen Linken“ wie Sabine Lösing, Abgeordnete wie Nele Hirsch bis zu Thiess Gleiss (Bundesvorstand WASG und isl) reicht. Diese heterogene Mischung tritt für eine „sozialistische Programmatik“ ein, auch wenn diese positiv nicht näher definiert und ihre Forderungsplattform als links-reformistische zu charakterisieren ist.
Sie tritt außerdem dafür ein, dass die PDS in Berlin „unter diesen Bedingungen“ die Koalition mit der SPD nicht fortsetzt. Sie kritisiert die programmatischen Eckpunkte als „Schritt nach rechts“ (Wagenknecht) oder als „schwammig“ (Spilker).
Gemein ist dieser Opposition jedoch, dass sie es erstens ablehnt, sich gegen die Entscheidungen der Vorstände in der Praxis zu stellen. So haben alle namhaften VertreterInnen dieser „Opposition“ den eigenständigen Antritt der WASG Berlin abgelehnt und die Kandidatur der PDS unterstützt.
Und „natürlich“ lehnen sie es auch ab, einen organisierten, politischen Fraktionskampf in der PDS, der WASG oder der neuen Linken zu führen, um möglichst viele Mitglieder von der Partei zu brechen. Die KPF als Kern dieser Strömung hat das in der PDS 15 Jahre lang abgelehnt – und wird das wohl auch in den nächsten 15 Jahren tun (sofern sie dann noch existiert). Der „Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei (21)“ beginnt gleich mit einer politischen Lobhudelei und politischen Unterstützung von deren Ausrichtung:
“Der am 2. Juni 2006 von Oskar Lafontaine, Gregor Gysi, Felicitas Weck, Klaus Ernst, Katja Kipping und Lothar Bisky vorgestellte Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei ist für uns unterstützenswert, da er – gerade im Vergleich mit manchen anderen Veröffentlichungen in der bisherigen Programm- und Strategiedebatte – ein erster Schritt hin zu einer linken Politik und Praxis der neuen Partei sein kann (22).”
Darum will diese “Strömung” auch an der Politik des Vorstandes “anknüpfen” und lehnt diese nicht grundsätzlich ab. Das zeigt sich z.B. bei der Frage der “Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligungen:”
„Als Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligungen werden im Aufruf bisher drei Grundsätze genannt: Die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht privatisiert, der Personalabbau muss generell gestoppt und die Kürzung sozialer Leistungen verhindert werden. Diese Grundsätze sind richtig, aber reichen nicht aus. Notwendig ist aus unserer Sicht mindestens das klare Versprechen zu einer konsequenten Friedenspolitik. Eine Zustimmung der neuen linken Partei zu Militäreinsätzen würde ihre Glaubwürdigkeit schließlich ebenfalls massiv beschädigen.
Ferner muss festgehalten werden, dass DIE LINKE. in Regierungsbeteiligung keine Maßnahmen mit trägt, die Ausgrenzungen im Bildungswesen verschärfen oder Grund- und Freiheitsrechte aushöhlen. Dies ist gerade für Regierungsbeteiligungen auf Landesebene von Bedeutung, wo die Politik keine unwesentlichen Einflussmöglichkeiten besitzt. Entscheidend ist hier für den Bildungsbereich insbesondere, dass DIE LINKE. die Gebührenfreiheit von Bildung sichert bzw. ausweitet. In der Innenpolitik muss sie sich in Regierungsverantwortung unter anderem konsequent gegen Abschiebungen stellen und polizeirechtlichen Verschärfungen mit den damit einhergehenden Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten, beispielsweise in den Bereichen der Demonstrationsfreiheit und des Versammlungsrechtes, entgegentreten (23).“
All das gibt sich ganz „kritisch“ gegenüber der Praxis der PDS-Regierungen. Doch im Klartext heißt es nur eines: Die „anti-kapitalistische Linke“ steht zur Übernahme von Regierungsmacht im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft zur Verfügung.
Selbst wenn die oben angeführten „Bedingungen“ erfüllt würden, wäre die Regierung, an der sich die „anti-kapitalistische Linke“ beteiligen würde, selbstverständlich eine bürgerliche, eine imperialistische.
Auch wenn diese ein „klares Versprechen zu einer konsequenten Friedenspolitik“ abgeben würde, was wäre das wert? Nichts!
Eine solche „andere“ Politik ist für eine bürgerliche Regierung oder gar für ein einzelnes Ministerium von „Sozialisten“ einfach unmöglich. Der bürgerliche Staat ändert seinen Charakter als politisches Instrument der herrschenden Klasse zur Verteidigung und Reproduktion der herrschenden Verhältnisse selbstredend nicht durch diese oder jene Parteienzusammensetzung der Regierung. Wohl aber bedeutet eine Regierungsbeteiligung von SozialistInnen immer, für die Gesamtheit der bürgerlichen Politik Verantwortung zu übernehmen.
Damit wäre natürlich jede grundsätzliche Kritik am bürgerlichen Staat und Regierungssystem – am Staat als Staat des Kapitals – konterkariert und parodiert durch das eigene Regieren. Kurzum, auch bei der „sozialsten“ Regierung gewinnt die herrschende Klasse.
An diesem Beispiel zeigt sich, dass die „anti-kapitalistische Linke“ fest auf dem Boden der bürgerlichen Verhältnisse steht, in der Traditionslinie des „linken“ Reformismus, an der Seite der französischen Regierungssozialisten Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert gegen Rosa Luxemburg und alle anderen revolutionären MarxistInnen der Geschichte.
„Worin sich sozialistische Politik von der bürgerlichen unterscheidet, ist der Umstand, dass die Sozialisten Gegner der gesamten bestehenden Ordnung im bürgerlichen Parlament grundsätzlich auf Opposition angewiesen sind (24).“
Wichtiger noch als die reformistischen Positionen der „anti-kapitalistischen“ Linken ist freilich deren Funktion für die Formierung der „neuen Linken“ – die Verhinderung einer politischen Opposition gegen die Vorstände, die im Parteibildungsprozess wirklich kämpft und willens und fähig wäre, eine neue politische sozialistische Arbeiterpartei auch außerhalb und gegen „die Linke“ aufzubauen.
Während sich die „anti-kapitalistische Linke“ wesentlich aus VertreterInnen speist, die prominent im Apparat und in der Bundestagsfraktion vertreten und in der „Kommunistischen Plattform“ eine nahezu ungebrochen Geschichte der Unterordnung unter die PDS-Führung hat, spielen die größeren zentristischen Organisationen in der WASG – linksruck, isl, SAV – eine fast noch tragischere Rolle.
Während die isl wesentlich eine Form linken Flügels in der anti-kapitalistischen Linken darstellt und gelegentlich, d.h. v.a. bei rechten Schwenks, mit der SAV paktiert und ihre VertreterInnen ansonsten als mehr oder weniger gut getarnte U-Boote in allen möglichen Strömungen zu finden sind, haben linksruck und SAV eine klarer sichtbare Politik.
Auch wenn wir uns hier mit der isl wenig beschäftigten, dann nicht deshalb, weil ihre Politik besser als jene der SAV wäre. Im Gegenteil: auf einen gemeinsame Begründungszusammenhang oder disziplinierte Umsetzung ihrer Politik verzichtet diese Strömung nur vorgeblich im „Dienste der Bewegung.“ In Wirklichkeit kann sie genau damit ihre politische Funktion – Scharnier und Integrationspunkt zwischen den verschiedenen „linken Strömungen“ im Kampf gegen deren Radikalisierung zu sein – besser erfüllen. Anders als der SAV, linksruck oder Arbeitermacht erscheint die isl als Gruppe, die gar kein „Eigeninteresse“, gar kein eigenes politisches Ziel verfolgen würde.
In der Politik, wo letztlich verschiedene Klassenstandpunkte aufscheinen, bedeutet solcher vorgebliche „Altruismus“ freilich nur, dass die jeweils schon vorherrschende Position oder Stimmung unterstützt wird. Daher läuft die Politik der isl, trotz mancher korrekter Teilkritik an WASG oder PDS immer auf Nachtrabpolitik hinter den Vorständen und vorzugsweise hinter deren „linken“ Flügel hinaus.
Linksruck kann für sich den zweifelhaften Ruhm reklamieren, immer stramm auf Vorstandslinie gestanden zu sein. Selbst verhaltene Kritik an den diversen reformistischen Programmen der WASG wurde geradezu euphorisch bekämpft und die „Formelkompromisse“ gefeiert.
„Linksruck setzt sich im Rahmen der Formierung einer Linkspartei für ein solches (von den Initiatoren der Wahlalternative vorgeschlagenes; Anm. der Redaktion) konsensfähiges Reformprogramm ein (25).“
Der „Kampf“ der Linskruckler beschränkt sich darauf, „innerhalb einer solchen Linkspartei um die Erkenntnis der Unreformierbarkeit des Kapitalismus zu streiten“ und „mittel- und langfristig“ dafür, dass „der Kampf für Reformen ein Kampf um die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sein wird (26).“
Eine solche Perspektive hat anno dazumal schon der linke Flügel in der Sozialdemokratie vertreten. Auch diese kämpften für Reformen und beschworen nach Feierabend die „Unreformierbarkeit des Kapitalismus“.
Wenn diese Formel für eine politische Strömung einen Wert haben soll, dann muss eine solche Partei den Kampf für Reformen bewusst nutzen, um die Arbeiterklasse zum Kampf um die Macht, zum Sturz der bürgerlichen Herrschaft, der Zerschlagung des Staatsapparates und die Errichtung der Macht der Arbeiterklasse vorzubereiten.
Eine solche revolutionäre Strategie und Programmatik kann und darf den „Tageskampf“, den „Kampf um Reformen“ (also soziale und politische Forderungen) nicht unberührt lassen. Sie müssen sich beispielsweise in der Verbindung von Teilforderungen mit Forderungen nach Arbeiterkontrolle zeigen.
Darauf können und dürfen wir freilich nicht erst warten, bis eine akut revolutionäre Situation eingetreten ist. Eine neue Partei muss jetzt die Frage von „Reform und Revolution“ diskutieren – und nicht erst, wenn die „Situation reif ist“. Dann ist es nämlich meist zu spät, weil die Zeit fehlt, die notwendige Strategie zu erarbeiten und die Parteimitglieder und die Arbeiterklasse darauf vorzubereiten.
Hinzu kommt, dass die Frage von „Reform und Revolution“ viel aktueller ist, als Linksruck meint. Wir brauchen nur an die Kämpfe in Italien seit Genua zu denken. Diese waren knapp daran, die Machtfrage aufzuwerfen. Die italienischen Gewerkschaften, Rifondazione und die Sozialforen – genauer: deren Führungen – hätten den Sturz Berlusconis durch einen Generalstreik erzwingen können. Sie haben es bewusst nicht getan, weil sie die dadurch aufgeworfene Machtfrage – die Frage von Revolution und Konterrevolution – nicht stellen und beantworten wollten.
Im Fusionsprozess bestand und besteht die Aufgabe von Linksruck darin, der Bürokratie den Rücken freizuhalten. Am Bundesparteitag im November kritisierten diese „Sozialisten“ natürlich auch nicht die Rechte, sondern – die Linken.
Eine Reihe FunktionärInnen von linksruck hat diese Rolle als Kläffer des Parteivorstandes mit Posten versüßt bekommen, als politische MitarbeiterInnen der Parlamentsfraktion.
Im Gegensatz zu linksruck oder isl trat die “Sozialistische Alternative Voran” (SAV) am Beginn der WASG für ein sozialistisches Programm ein – zumindest versprach das der Untertitel ihrer Broschüre vom Oktober 2004.
Die SAV ging darin von der Unversöhnlichkeit der Interessen von Proletariat und Bourgeoisie und der Unmöglichkeit eines „sozialen, humanen und friedlichen Kapitalismus“ (27) aus.
Ein Programm, das wirklich sozialistischen Charakter hat, muss sich v.a. daran messen lassen, ob es einen Weg weist vom gegenwärtigen Abwehrkampf zum Kampf für die sozialistische Revolution. Das SAV-Programm enthält fraglos richtige Elemente, die gegenüber dem Programmentwurf des Bundesvorstandes der ASG einen Fortschritt darstellen:
„Parlamentarische Positionen werden wir vor allem als Plattform zur Verbreitung unserer politischen Alternative und zur Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen nutzen … Die WASG unterstützt gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe und wird helfen, diese zu vernetzen. Kämpferische Basisinitiativen auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene erhalten unsere Unterstützung und wir setzen uns in den gewerkschaftspolitischen Debatten für einen Kurswechsel der Gewerkschaften hin zu einer kämpferischen Politik ein … (28)“
Ihre in 6 Punkten zusammengefassten Ziele, von denen die meisten durchaus unterstützenswert sind, kulminieren denn auch in der Forderung nach „Überführung der Banken, Konzerne und Versicherungen in Gemeineigentum … Demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung (29)“.
Doch wie soll das bewerkstelligt werden? Soll der bürgerliche Staat das durchsetzen? Welche Stufe und Organisationsformen des Klassenkampfes wären dazu notwendig und wie dauerhaft wäre diese Doppelherrschaft zwischen Arbeiterräten und bürgerlichem Staat? Soll er zuvor zerschlagen werden oder soll er sich etwa friedlich – Kraft eines Beschlusses einer WASG-Parlamentsmehrheit – auflösen? Mehr Fragen als Antworten! Gerade in der Staatsfrage aber dürfen MarxistInnen gar nichts offen lassen! Die SAV macht aber gerade das!
Hier kommt die Methode der SAV klar heraus! „Zuerst“ den Weg mit Reformisten und ihren Vorstellungen gemeinsam gehen. „Danach“ – wenn sie durchgesetzt oder aber gescheitert sind – den Rechthaber spielen: Wir haben ja schon immer gesagt, dass es nicht genug ist! Erst dann trennen sich die Wege von SAV und WASG-Vorstand!
Die WASG-Spitze verballert mit ihrer utopischen Strategie der Rückkehr zu den „goldenen Zeiten“ der „Sozialpartnerschaft“ von Adenauer bis Schmidt das kostbare Potential einer politischen Alternative. Sie nimmt nicht den Kampf gegen den Neoliberalismus praktisch auf, um ihm eine Anleitung zu geben, sondern hofft passiv auf Mitgliedergewinne durch das Abbröckeln der SPD-Wählerbasis.
Das „Übergangsprogramm“ der SAV enthält zwar einige radikale Losungen, welche die ReformistInnen nicht auf ihrem Zettel haben, aber es schlägt eben nicht die Brücke vom heutigen Bewusstsein der Arbeiter(vorhut) zum Ufer der Diktatur des Proletariats, benennt keine unabhängigen Klassenorgane wie Fabrikkomitees, Arbeitermilizen und -räte, sondern will nur „einen“ Schritt weiter als das vorherrschende reformistische Bewusstsein derjenigen sein, die mit der SPD (einstweilen) organisatorisch gebrochen haben, ohne damit aber schon der sozialdemokratisch-reformistischen Ideologie den Laufpass gegeben zu haben.
Die revolutionäre Sprengkraft des Übergangsprogramms wird von der SAV – und nicht nur in ihrem WASG-Vorschlag, sondern immer! – doppelt entschärft:
1. werden einzelne Losungen aus dem Gesamtzusammenhang des Programms gerissen. Es gibt aber eben keine Einzellosungen, die für sich genommen mit wundersamer Sprengkraft den Kapitalismus zerstören könnten, wenn man nur heftig genug für sie kämpft! Alle Übergangslosungen müssen in eine Strategie für die Zerschlagung des Kapitalismus, die Diktatur des Proletariats eingebettet sein, sonst sind sie integrierbar und wirkungslos – selbst für die Entfaltung von Doppelherrschaft.
2. fehlen bei der SAV hier wie stets die eigentlich zentralen, die Frage der Macht betreffenden Losungen nach Räten, Arbeitermilizen, Arbeiterkontrolle und der Zerschlagung des bürgerlichen Staates.
Die Vorschläge der SAV hätten das WASG-Programm graduell verbessern – eine Anleitung zum Handeln im Klassenkampf oder gar sozialistisch wären sie aber nicht gewesen!
Doch die SAV ließ ihren WASG-Programm-Vorschlag ohnedies rasch fallen. In der Programmdebatte beschränkte sie sich auf die Formulierung einzelner Änderungen, darunter die Frage der Regierungsbeteiligung – was dazu führte, dass auch die SAV in der WASG dazu überging, vom „richtigen Gründungskonsens“ der Partei zu sprechen.
Prominent und zu einem zentralen Kern der oppositionellen Formierung in der WASG wurde die SAV durch den eigenständigen Wahlantritt in Berlin, den sie voll unterstützte und bei dem sie eine prominente Rolle spielte, während sich linksruck frontal entgegenstellte und die isl zwar für einen Antritt war, ihr Mitglied im Bundesvorstand der WASG, Thiess Gleiss, jedoch gegen die Kandidatur agitierte.
Insofern ist es ein Mythos, dass die SAV immer „konsequent“ oppositionell gewesen wäre. Sie hat sich der Programmatik der WASG über weite Strecken angepasst, statt diese offen als bürgerlich-reformistisch zu kritisieren.
Aber die Rolle der SAV war durchaus verschieden von jener von linksruck, da sie sich in einem zentralen politischen Konfliktpunkt eindeutig gegen den Bundesvorstand stellte – dem um die eigenständige Kandidatur der Berliner WASG.
Die Bedeutung dieser Kandidatur für den Formierungsprozess der WASG geht dabei weit über Berlin hinaus und hat vor allem eine bundespolitische Bedeutung, weil sie ein realer Schritt war zu einem NEIN zur Politik der reformistischen Vorstände und ihrer politischen Zielsetzung.
Schließlich ging es in Berlin um weit mehr als einzelne politische „Ausrutscher“ oder eine besonders üble Politik von Wolf und Co. Die Koalitionen in Berlin und Schwerin zeigen, wohin eine Vereinigte Linkspartei auf reformistisch-keynesianischem Programm unwillkürlich gehen kann und muss.
Daher war der Berliner Wahlantritt trotz des bürgerlich-reformistischen Programms, auf dessen Grundlage er geführt wurde, ein Schritt vorwärts. Wenn auch ohne ausreichende Bewusstheit stellte der Kampf um die Eigenkandidatur den Kampf zwischen zwei sozialen Lagern – einerseits der bürgerlichen Arbeiterbürokratie und -aristokratie in der PDS/WASG und andererseits der unteren Schichten der Klasse dar, die gewissermaßen instinktiv den Kurs der Anpassung nicht mehr mitgehen wollten.
Das Problem war und ist jedoch, wie die Formierung der Opposition, die sich in den letzten Monaten ergab, bundespolitisch vorangetrieben werden kann; wie aus dem instinktiven Aufbegehren gegen den Kurs der Parteiführungen ein bewusstes und organisiertes Aufbegehren wird.
Auf Dauer ist nämlich eine Partei, die Reformstrategie und Revolutionsperspektive vereinen will, nicht möglich, da diese beiden Strategien auf unterschiedlichen Klassenstandpunkten – auf einem bürgerlichen bzw. einem proletarischen beruhen.
Eine längerfristige Existenz als klassenkämpferische oder gar revolutionär-kommunistische Opposition ist in einer reformistischen Partei nur in kurzen Phasen ihrer Krise oder inneren Bewegung (in der Regel nach links) möglich. Ansonsten ist das nur um den Preis der politischen Kapitulation und Marginalisierung möglich.
Die Phase der Konstituierung der Linkspartei geht jetzt dem Ende zu. Die Linke muss sich daher auch um den politischen Endkampf bemühen. Jetzt abzutauchen heißt, einfach den weiteren Exodus und die politische Zersplitterung enttäuschter, aber durchaus kampfwilliger Menschen hinzunehmen; es würde eine weitere Vertiefung der Spaltung von politischer und sozialer Protestbewegung bedeuten.
Wie schon bei der Frage des Programms rudert die SAV unter ihrem Bundessprecher Sascha Stancic nun auch in der Frage der bundespolitischen Formierung kräftig zurück.
„Wir treten dafür ein, den Kampf um die Ausrichtung und Programmatik der zu bildenden Partei ernsthaft bis zum Schluss zu führen. Das beinhaltet das Eintreten für ein Nein zu einem Zusammenschluss mit der LPDS, wenn die genannten inhaltlichen Mindestkriterien nicht erfüllt werden und der Parteibildungsprozess so undemokratisch verläuft, wie bisher.
Wir halten es für verfrüht und taktisch unklug zum jetzigen Zeitpunkt Festlegungen für den Fall zu treffen, dass dieser Kampf verloren geht und eine Mehrheit der WASG-Mitglieder einem Zusammenschluss mit der LPDS auf Basis der jetzigen L.PDS-Politik zustimmt (30).“
Einerseits will die SAV zwar anders als die anti-kapitalistische Linke gegen die Fusion mit der PDS und gegen die programmatischen Eckpunkte und Statutenvorschläge der Steuerungsgruppe der Vorstände stimmen (die nicht zufällig alle führungskonformen Strömungen aus PDS und WASG einschließen) und eine NEIN-Kampagne führen.
Andererseits drückt sie sich jedoch davor, sich und die MitstreiterInnen in der Linken Opposition für den Fall eines Scheiterns der eigenen Bemühungen vorzubereiten. Das muss aber einschließen, sich so weit zu formieren, dass auch außerhalb einer keynesianisch geeinten Linkspartei der Kampf weitergeführt werden kann.
Selbst die SAV gesteht zu, dass eine solche Partei wenig Anziehungskraft für AktivistInnen hat. „Ob sie selbst im Falle eines radikaleren Auftretens attraktiv zur Aktivierung einer größeren Zahl neuer Mitstreiterinnen und Mitstreiter wird, ist jedoch unwahrscheinlich (31).“
Aber bei zukünftigen Wahlen könnte sie – so wird spekuliert – viele Menschen anziehen. Hier wird erstens der Zustrom von WählerInnen mit der Organisierung und Gewinnung von AktivistInnen verwechselt. Zweitens wird hier ein Schema unterstellt, dass der SAV und ihrer internationalen Tendenz schon beim Entrismus in die Labour Party oder die SPD Pate stand: dass sich nämlich die Linksentwicklung der Massen über den Zustrom zu einer reformistischen Partei, zu einer bürgerlichen Arbeiterpartei vollziehen müsse.
Daher müssten die vorausschauenden „Revolutionäre“ eben schon in der reformistischen Partei sein, um die Massen, wenn sie dereinst vorbeikommen, „mitzunehmen.“
Dieses Schema war schon immer – wie jedes Schema – einseitig und damit falsch. Gerade in der aktuellen Situation führt es dazu, die Minderheit nach links gehender ArbeiterInnen und v.a. Arbeitsloser, in den Schoß einer bürokratisch-reformistischen Organisation zurück zu zerren, statt auf einen politischen und organisierten Bruch zu orientieren, wie er vom radikaleren Teil der WASG-Basis, wenn auch in einer oft unorganisierten Form, vollzogen wird.
Drittens aber wird eine Reihe von „Szenarien“ entwickelt, auf die die Linke zu reagieren hätte – eine aktive, vorwärts treibende Politik fehlt jedoch.
„Wir sehen, außerhalb von Berlin, zur Zeit kein Potenzial für eine erfolgreiche Gründung einer sogenannten ‚sechsten Partei‘ im Falle einer bedingungslosen Fusion von WASG und LPDS. In Berlin ist es eine Möglichkeit, dass eine Regionalpartei entstehen muss, um den Kampf, den der WASG Landesverband bisher erfolgreich geführt hat, fortzusetzen. Diese hätte aufgrund der spezifischen Situation in Berlin ein hohes soziales Gewicht und eine Verankerung in Teilen der Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Arbeiterklasse.
Weil ein solches soziales Gewicht und eine solche Verankerung bundesweit nicht existieren würde, warnen wir vor der Orientierung auf eine bundesweite Parteigründung bzw. Gründung einer parteiähnlichen Organisation. Das würde die Gefahr beinhalten, die beteiligten AktivistInnen an den Rand der politischen Auseinandersetzungen zu befördern und diese zu enttäuschen (32).“
Die SAV malt hier das Schreckgespenst einer isolierten „sechsten Partei“ an die Wand. In der Tat: wenn die „sechste Partei“ nur eine „ehrlichere“ Miniaturversion der keynesianischen WASG sein sollte, so hat sie keine Perspektive. Perspektive hat sie dann allerdings auch nicht in Berlin oder sonstwo als regionaler reformistischer Zwergenverein.
Der SAV kommt aber gar nicht in den Sinn, die Formierung der linken Opposition mit dem Kampf für eine politische Neuorientierung – weg vom Keynesianismus, weg von der Ausrichtung als „Wahlpartei“, hin zu einer revolutionären Kampfpartei der Arbeiterklasse zu verbinden. Die SAV betreibt hier eine Nachtrabpolitik – in diesem Fall in die PDS. Dieser Weg mag mit einigen „Regionallösungen“ wie in Berlin „versüßt“ werden. Er ist aber völlig hoffnungs- und perspektivlos. Im Grunde läuft aber alles darauf hinaus, dass die SAV ihrer Aufgabe, als sozialistische Organisation eine vorwärts treibende Perspektive zu weisen, nicht nachkommt. Stattdessen eiert sie rum und versucht, das Kernproblem der politischen Formierung der Linken Opposition und ihrer Perspektive auf bessere Zeiten nach dem Bundesparteitag zu vertagen.
Damit arbeitet sie – wenn auch entgegen ihrem eigenen Willen – den Vorständen in WASG und PDS zu, weil damit die notwendige Diskussion und Ausrichtung der Opposition weiter verschleppt wird.
Statt darum zu ringen, eine Opposition zu formieren, die in der Lage ist, hunderte, ja tausende AktivistInnen anzuziehen, behauptet die SAV, es gäbe dafür außerhalb von Berlin kein Potential.
Das ist nicht nur kontraproduktiv, es verschenkt zugleich eine große Chance, die gerade aufgrund der objektiven Verschärfung der Klassenkämpfe von großer Bedeutung ist – bei einem erneuten Klassenkampfaufschwung schon von Anfang an den Kern einer politischen Führung, den Kern einer neuen Arbeiterpartei zur Verfügung zu haben und sie nicht im Nachhinein schaffen zu müssen.
Dabei ist es doch kein Zufall, dass viele AktivistInnen die WASG wegen deren reformistischer Politik verlassen haben und sich auf den Aufbau sozialer Bewegungen, lokaler Bündnisse oder Betriebsarbeit konzentrieren. Diese Entwicklung passt den FührerInnen der Linkspartei, weil damit rebellisches und widerspenstiges Potential aus der Partei getrieben wird.
Andererseits ist diese Entwicklung vom Standpunkt der Formierung einer neuen Kampfpartei der Arbeiterklasse, von Standpunkt der Herausbildung eines revolutionären Subjektes und einer dementsprechenden Organisation fatal.
Die Spaltung zwischen politischer und gewerkschaftlicher Organisierung, wie sie in der Arbeitsteilung zwischen SPD und Gewerkschaften im Nachkriegsdeutschland bürokratisch verfestigt und über Generationen reproduziert wurde, droht so, auf unterer Ebene erneut reproduziert zu werden – indem sich ein Teil der AktivistInnen in die „Bewegung“ zurückzieht, ein anderer in der PDS einen hoffnungslosen Kampf gegen bürokratische Windmühlen, noch dazu ohne klare politische Orientierung führt.
Gerade ein Kampf gegen die bürokratische Fusion und die Vorbereitung auf die politische Eigenständigkeit wäre ein Mittel, dieser Spaltung entgegenzuwirken. Nur eine „Partei neuen Typs“, also eine klassenkämpferische Arbeiterpartei, wäre das Mittel, die Spaltung von sozialer und politischer Bewegung zu überwinden, indem ein politisches Instrument geschaffen wird, das als Kampfinstrument in den Bewegungen agiert, diese vorantreibt und von ihnen gespeist wird; das als politisches Instrument eine Gesamtstrategie zur Verbindung der verschiedenen Abwehrkämpfe liefert: ein anti-kapitalistisches, revolutionäres Übergangsprogramm.
Das Schema der SAV ist umso fataler, als es – eingestandenermaßen – in der neuen Linken ein erdrückendes Innenleben ohne radikale AktivistInnen, ArbeiterInnen und sicher ohne Jugendliche und MigrantInnen geben wird; und weil es zugleich die Formierung jener kämpferischeren, vom Apparat nicht kontrollierten Schichten in der WASG gibt, die sich im “Netzwerk Linke Opposition” (NLO) formieren.
Anfang Oktober trafen sich rund 100 GenossInnen in Felsberg (bei Kassel) zum zweiten bundesweiten Treffen des Netzwerks. Im Mittelpunkt stand die Frage der weiteren Perspektive ihrer Arbeit in der WASG vor dem Hintergrund des bürokratischen Zusammenschlusses von PDS.Linkspartei und WASG auf einer reformistischen, keynesianischen Grundlage.
Einigkeit gab es darüber, dass es richtig war, in Berlin gegen diese Politik anzutreten und auch darüber, als NLO nicht nur dem bürokratischen Fusionsprozess entgegentreten, sondern selbst bei der Organisierung von Widerstand sichtbar aktiv zu werden. Dazu soll auch die Erarbeitung einer politischen und programmatischen Alternative, einer „sozialistischen Perspektive“ zum Reformismus des Bundesvorstandes organisiert werden. Bezüglich der Linkspartei-Fusion wurden fünf Mindestbedingungen (Rote Linien) angenommen:
„1. Die neue Partei entsteht durch eine Neugründung, nicht durch eine Fusion, in der die Mitgliederbestände automatisch übernommen werden und schon gar nicht, indem die WASG-Mitglieder der Linkspaprtei.PDS beitreten. Jedes Mitglied soll sich durch Beitritt für die neue Partei entscheiden, alle Ämter sind neu zu wählen.
2. In der neuen Partei gilt die Trennung von Amt und Mandat und von Amt und Beschäftigungsverhältnis bei der Partei, den Fraktionen, einzelnen Abgeordneten oder Tendenzbetrieben. Einzubeziehen in dieses Verbot sind nicht nur Vorstandsämter auf Landes- und Bundesebene sondern auch Delegiertenämter zu Parteitagen.
3. Die neue Partei verneint Privatisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht nur in ihren Programmen, sondern beteiligt sich auch in der Praxis weder auf Landes- und Bundesebene noch in den Kommunen daran.
4. Die neue Partei tritt nicht in Regierungen ein, die Sozialabbau betreiben, tarifliche Standards oder Löhne im Öffentlichen Dienst absenken bzw. die Arbeitszeit der Beschäftigten erhöhen.
5. Die neue Partei stimmt Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht zu. Sie wendet sich auch strikt gegen Einsätze der Bundeswehr im Rahmen der inneren Sicherheit (33).“
Die Probleme begannen jedoch bei der Diskussion der Konsequenzen dieser Forderungen für den Fall, dass sie nicht angenommen und die WASG aufgelöst würde. Hier standen sich zwei Linien gegenüber. Die eine wurde von SAV und isl vertreten, die meinten, die möglichen Konsequenzen einer solchen Entwicklung jetzt nicht genauer zu diskutieren und die Entscheidung darüber „offen zu lassen“ – um sich gegebenenfalls die Möglichkeit des Eintritt in die Vereinigte Linkspartei samt Regionallösung in Berlin zu erhalten.
Eine klare Antwort auf die Frage, was im Fall des Falles einer Verletzung der Roten Linien zu tun wäre, solle das Netzwerk nach SAV- und isl-Vorstellung nicht beziehen.
Der andere Pol des Netzwerks, der auch von arbeitermacht unterstützt wurde, sprach sich dafür aus, in diesem Fall auf den Aufbau einer eigenständigen politischen Kraft zu orientieren.
Diese Perspektive wurde u.a. von der SAV als „Proklamation“ einer weiteren, „sechsten Partei“ attackiert – als ob eine klassenkämpferische Arbeiterpartei einfach eine „sechste Partei“ neben anderen wäre! Im Gegenteil: sie wäre in ihrer Art die einzige!
Die UnterstützerInnen des Antrags stellten auch klar, dass es nicht einfach um die Proklamierung einer neuen Partei ginge. Sie machten deutlich, dass es jetzt darum geht, in der WASG das NLO als sichtbare, handlungsfähige Gruppierung aufzubauen.
Das wurde auch beim zweiten politischen Konflikt deutlich. Soll – wie SAV und isl meinten – die Opposition nur eine lose Koordinierung haben, die einen monatlichen Rundbrief herausgibt oder soll sie von unten, von Basisstrukturen her aufgebaut werden, die eine reale Organisierung der Opposition vor Ort und den Aufbau handlungsfähiger, in der Öffentlichkeit agierende Oppositionsgruppen erlauben, die auch für kämpferische Nicht-WASGlerInnen offen sind. Die GenossInnen von arbeitermacht haben auch diesen Antrag unterstützt.
Die Konferenz unterstützte mit deutlicher Mehrheit, dass mit den Mindestbedingungen (Rote Linien) Konsequenzen verbunden sein müssen. Sie beschloss, Basisstrukturen der Opposition auf lokaler und regionaler Ebene aufzubauen und diese in einer Delegiertenstruktur zu vernetzen.
Es ist klar, dass die Führungen von WASG und PDS – die jede Chance, Widerstand zu formieren und den Prozess zur Fusion einer Linkspartei zu einem Attraktionspool für Proteste und Kämpfe (z.B. zuletzt bei BSH in Berlin) zu machen, verschenkt haben – das NLO als „Spalter“ diffamieren.
Von ihrem Standpunkt macht das auch Sinn, denn die Spitzen von WASG und PDS streben nicht mehr und nicht weniger an, als ihr „Reformprogramm“ gemeinsam mit SPD und Grünen im Bund umzusetzen – eine Reformpolitik, die in der gegenwärtigen Periode nur als neo-liberaler Angriff exekutiert werden kann. Dabei stört eine linke Opposition natürlich.
Das Netzwerk Linke Opposition muss diesen Fehdehandschuh seinerseits aufgreifen und den Kampf zuspitzen – nicht nur für den Erhalt der WASG, sondern vor allem dafür, die Grundlagen, einen Ausgangspunkt dafür zu schaffen, um eine neue kämpferische Arbeiterpartei aufzubauen. Mit den Beschlüssen von Kassel hat sie durchaus einen Schritt in diese Richtung getan. Nun geht es v.a. darum,
• alle Kräfte, die gegen die Angriffe Widerstand leisten – in Gewerkschaft, im Betrieb, Linke, Jugendliche, Arbeitslose, soziale Bewegungen, ImmigrantInnen usw. – für den Aufbau einer bundesweiten, in der Basis verankerten Opposition zu gewinnen;
• ein Aktionsprogramm zu erarbeiten, das Ziele, Mittel und Wege angibt, wie in vorhandene Kämpfe und Bewegungen eingegriffen und der Widerstand voran gebracht werden kann; ein Aktionsprogramm, das die Ausverkaufspolitik von SPD, PDS und Gewerkschaftsführungen anprangert und Alternativen für die Organisierung und Führung des Kampfes aufzeigt.
Als arbeitermacht haben wir dazu einen Programmvorschlag erarbeitet und aktiv am Aufbau der WASG bzw. des NLO mitgewirkt. Wenn – und darauf deutet alles hin – die WASG und mit ihr ein erster Anlauf für eine neue Arbeiterpartei in einer „neuen“, in Wahrheit steinalten reformistischen Linkspartei „entsorgt“ wird, ist das nur eine Momentaufnahme.
Die Krise des Kapitalismus und die daraus resultierenden Angriffe von Kapital und Regierung werden neuen Widerstand provozieren und im Bewusstsein der Massen das Fehlen einer Arbeiterpartei als Kampfführung noch brennender zu Tage treten lassen. Zu deren Schaffung schon jetzt Potential zu sammeln und zum Kampf zu formieren, um zur gegeben Zeit nicht wieder Ernst und Co. die Initiative überlassen zu müssen, ist eine große Chance – eine Chance, hierzulande die erste revolutionäre Arbeiterpartei nach 1945 aufzubauen, statt einer dritten Sozialdemokratie!
(1) Der Steuerungsgruppe zum Programm gehören VertreterInnen aller wichtigen konformistischen Strömungen aus WASG und PDS.Linkspartei an: Joachim Bischoff, Ralf Krämer, Julia Müller, Alex Troost sowie Janine Wissler für die WASG. Für die L.PDS: Wolfgang Gehrke, Bernd Ihme, Dieter Klein, Konstanze Kriese, Katina Schubert und Harald Werner.
(2) Programmatische Eckpunkte, veröffentlicht auf der Homepage der WASG, www.w-asg.de
(3) Eckpunkte, S. 3
(4) Eckpunkte, S. 4
(5) Eckpunkte, S. 1
(6) Eckpunkte, S. 7
(7) „Aufruf zur Gründung der Neuen Linken“, vorgestellt von den geschäftsführenden Bundesvorständen der WASG Klaus Ernst und Felicitas Weck, sowie Lothar Bisky, Vorsitzender der Linkspartei.PDS, Katja Kipping, stellvertretende Parteivorsitzende und den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE Oskar Lafontaine und Gregor Gysi am 2. Juni 2006 in Berlin
(8) Eckpunkte, S. 5
(9) Eckpunkte, S. 10
(10) Aufruf zur Gründung der Neuen Linken
(11) Eckpunkte, S. 16
(12) Eckpunkte, S. 16
(13) Eckpunkte, S. 18
(14) Marx/Engels, Das kommunistische Manifest, MEW 4, S. 488
(15) Jürgen Roth, Bedingungsloses Grundeinkommen: Weg aus der Lohnarbeit? , in: Neue Internationale 115, November 2006; und, Markus Lehner, Allheilmittel Grundeinkommen, in: Neue Internationale 77, Februar 2003
(16) Entwicklung der Mitgliederzahlen der PDS, auf www.sozialisten.de
Das Anwachsen der PDS-Mitgliedschaft im Jahr 2005 auf fast 6.000 im Westen läst sich nicht durch gestiegene Attraktionskraft der PDS, sondern durch die Zunahme von Doppellmitgliedschaften mit der WASG im Zuge gemeinsamer Wahlkämpfe und einer Vorwegnahme der Fusion erklären.
(17) Unter bürgerlicher Arbeiterpartei verstehen wir eine Partei, die eine bürgerliche Politik verfolgt und von einer mit Staat und Kapital verbundenen Bürokratie beherrscht, die sich aber sozial auf die Arbeiterklasse stützt und mit der sie organisch (historisch, über Gewerkschaften, Verbände, …) verbunden ist.
(18) Roberto Heinrich, Malte Lübker und Heiko Biehl: Parteimitglieder im Vergleich: Partizipation und Repräsentation, Kurzfassung des Abschlussberichts zum gleichnamigen DFG-Projekt, Potsdam 2002; Diese und weiter Zahlen sind dem Projektbericht entnommen
(19) Arbeitermacht Infomail 286 (14. November 2006), Entschieden wird im kleinen Kreis, Bericht von der Aktionskonferenz in Rostock, auf: http://www.arbeitermacht.de/infomail/286/rostock.htm
(20) Eckpunkte, S. 14
(21) „Aufruf zur Gründung einer neuen linken Partei“, auf: http://www.antikapitalistische-linke.de/topic/2.aufruf.html
(22) Ebenda
(23) Ebenda
(24) Rosa Luxemburg, die sozialistische Krise in Frankreich, Werke, Bd. 1, S. 32
(25) Linksruck, 7 Thesen zur Diskussion um eine neue Linkspartei
(26) Ebenda
(27) SAV-Broschüre der Gruppe arbeitermacht, S. 7
(28) Ebenda, S. 7
(29) Ebenda, S. 10
(30) Stellungnahme der SAV zum Parteibildungsprozess und den Aufgaben des Netzwerks Linke Opposition
(31) Ebenda
(32) Ebenda
(33) Siehe www.linkezeitung.de