Aventina Holzer, Infomail 974, 24. November 2017
Die Wahlen sind ausgegangen wie erwartet. Was hingegen immer wieder eine Überraschung darstellt, ist, wie viele Menschen eigentlich komplett entgegengesetzt zu ihren Interessen wählen. Man sollte glauben, dass die ÖVP mit ihren offenen Versprechen an die obersten Zehntausend, sie besserzustellen auf Kosten der restlichen Bevölkerung, nicht an Popularität dazugewinnen könne. Aber anscheinend braucht es nur ein neues Label, eine Person, die lange selbst an der Regierung beteiligt war und jetzt gegen eben diese alte Regierung mit Konzepten vorgehen will, die genauso aus dem Wahlprogramm Rechtsradikaler stammen könnten. Das führt uns zu den Drittplatzierten dieser Wahl: den Freiheitlichen, die im Wahlkampf hauptsächlich darauf aufmerksam machten, dass sie (und nicht Kurz) die rückschrittlichen Ideen hatten, mit denen sie den „Flüchtlingsstrom“ stoppen wollen. Unzählige Menschen werden aufgrund der kommenden Politik von Schwarz-Blau schlechtergestellt werden. Wer auch nur manchmal in die Nachrichten sieht, wird außerdem wissen, dass sowohl bei ÖVP und FPÖ die Rolle der Frau als Mutter die primäre ist, die sie fördern wollen. Wie schlecht dann erst der weibliche Teil der Bevölkerung dasteht, kann anhand vergangener Positionen und Regierungen erahnt werden.
Ein Thema, das von konservativer Seite gerne umgangen oder schwammig behandelt wird, ist die Frage des Schwangerschaftsabbruchs. In Österreich ist dieser keineswegs legal. Es existiert vielmehr eine Frist von drei Monaten, innnerhalb derer die Abtreibung „straffrei“ ist. Folglich wird der Schwangerschaftsabbruch auch nicht in irgendeiner Form „gefördert“.
ÖVP und FPÖ wollen diesen Zustand der Semi-Legalität nur zu gerne beibehalten bzw. verschlechtern. Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln, die ungewollte Schwangerschaften enorm reduzieren könnten, lehnen sie genauso ab. Stattdessen plädieren sie für mehr „Bedenkzeit vor der Abtreibung“ und unterstützen Kampagnen wie die „Aktion Leben“. Schwangerschaftsabbrüche werden nicht weniger, wenn man sie illegal oder unerschwinglich macht, Das Einzige, was sich damit verändert, ist die Anzahl der Frauen, die an unprofessionellen Eingriffen sterben oder Verletzungen davontragen.
Der „Schutz von ungeborenem Leben“, welches meistens mehr wert ist als das der Frauen selber, passt auch gut in das Familienbild von FPÖ und ÖVP. Die Frau, deren Ziel die Mutterschaft sein sollte und nicht die Karriere, gilt immer noch als Ideal. Dinge wie Ganztagsschulen oder längere Öffnungszeiten für Kinderbetreuungseinrichtungen sind damit auch keine Option für Schwarz-Blau. Damit würde es nämlich mehr Möglichkeiten für Frauen geben, in Vollzeit zu arbeiten.
Bei der FPÖ spielt in der Familie zusätzlich die Nationalität eine wichtige Rolle. Plötzlich etablieren sich die „Retter des Abendlandes“ als einzige BeschützerInnen der weißen Frau vor der „muslimischen Invasion“. Den RassistInnen zufolge wären sexuelle und sexualisierte Übergriffe eigentlich immer das Werk von migrantischen Menschen, vor allem von Geflüchteten. Tatsache ist, dass die meisten Fälle sexueller Belästigung und Missbrauchs im eigenen Umfeld passieren, das heißt im Bekanntenkreis oder in der Familie.
Dennoch ist die Abschaffung von Frauenhäusern immer noch ein großer Punkt im Programm der FPÖ. Tatsächliche Hilfe für Frauen in Notlagen ist nicht vorgesehen, egal ob in Form von Schutz vor gewalttätigen Partnern oder durch finanzielle Unterstützung z.B. für Alleinerziehende. Auch die ÖVP hat ähnliche Forderungen, bei denen Frauen finanziell kaum Unterstützung bekommen.
Man könnte jetzt argumentieren, dass das alles Schnee von gestern ist. Fehler werden gemacht und korrigiert. 2017 könne doch keine Partei mit solchen Forderungen in den Wahlkampf gehen und damit auch noch erfolgreich sein. Leider ist die Realität eine andere. Der Bezug, der auf Frauen genommen wird, setzt wirklich nicht dort an, wo in der Realität die Probleme liegen. Es gibt de facto kein Konzept der beiden rechten Parteien, aktiv gegen Diskriminierung und sexuelle Grenzüberschreitungen vorzugehen und sich auch nur für Gleichberechtigung einzusetzen. Im Wahlkampf mussten sie das auch gar nicht. Das Feindbild des muslimischen Flüchtlings und „rückschrittlicher Kulturen“ reicht vollkommen aus, um ganze Bücher über den Schutz „unserer Mädchen und Frauen“ zu füllen, wobei die ÖVP der FPÖ hier in fast nichts nachstand.
Der Kampf für eine fortschrittliche, inkludierende Frauenpolitik ist eine Sisyphusarbeit. Kaum hat man einen Teil Frauenrechte verbessert, werden andere Aspekte wieder den Berg hinuntergeworfen und man muss wieder von vorne anfangen. Wie weit uns Schwarz-Blau zurückwerfen wird, bleibt noch offen; klar ist aber eines: Die Regierung beweist, wie unmöglich es ist, in diesem System eine tatsächliche Befreiung der Frau zu erringen. Gleichberechtigung kann in diesem Wirtschaftssystem nicht oder nicht ausreichend durchgesetzt werden. Zu groß sind Profit und Vorteile daraus, Unterdrückte gegeneinander auszuspielen. Aber wir lassen uns nicht spalten!