Arbeiter:innenmacht

Berliner DGB-Demonstration: Stark mit dem DGB?

Oda Lux, Infomail 1281, 3. Mai 2025

In Berlin versammelten sich zur alljährlichen Gewerkschaftsdemonstration etwa 6.000 Menschen am Strausberger Platz – und damit zu einer der kleinsten der letzten Jahre. Rund ein Drittel der Teilnehmenden marschierte in den Blöcken der DGB-Gewerkschaften, der „Rest“, also die Mehrheit, verteilte sich auf politische Parteien und auf Linke links von SPD, Grünen oder BSW. Diese Kräfte stellten rund die Hälfte der Demonstrierenden, was sich „natürlich“ nicht in den Reden auf der Auftakt- und bei der Abschlusskundgebung widerspiegelte.

Gemeinsam mit etlichen anderen internationalistischen Gruppierungen beteiligten sich die Gruppe Arbeiter:innenmacht und REVOLUTION an der Organisierung des klassenkämpferischen Blocks, dem sich hunderte klassenkämpferische Gewerkschafter:innen und Jugendliche anschlossen. Abgehoben hat den Block seine internationalistische Ausrichtung. Wie auch in den Jahren zuvor merkte man, dass die Inhalte in der zweiten Demohälfte zunahmen. So gab es Reden von Menschen in aktiven Kämpfen aus Schule und Betrieb. Zudem erreichte uns ein Grußwort des palästinensischen Gewerkschaftsbundes.

Anders als im letzten Jahr konnte der klassenkämpferische Block ohne Provokationen prozionistischer Kräfte laufen und auch ohne Probleme auf den Platz der Abschlusskundgebung gelangen. Auffällig war dennoch eine dauerhafte Polizeipräsenz um ihn herum. Man könnte meinen, es sei ein Fortschritt zum letzten Jahr, dass der klassenkämpferische Block nicht erneut angegriffen wurde. Jedoch zeigt allein dieser Gedankengang, dass wir nicht nur bei einem Minimum von Militanz angelangt sind, sondern auch, dass wir aufhören müssen, uns am Staat und dessen Verhalten zu messen. Denn dieser wurde über die Jahre stets repressiver. Nur mit Militanz, gepaart mit klassenkämpferischen Inhalten, können wir dem entgegnen.

„Mach dich stark mit uns“

So lautete das Motto des DGB für den diesjährigen Kampftag. Doch dieses gleicht einem Hilferuf, der eigentlich sagen will: Bitte kommt zu uns, auch wenn wir euch nichts bieten! Auch wenn sich die Mitgliederverluste der DGB-Gewerkschaften in den letzten Jahren in Grenzen hielten, so ist der langjährige Niedergang der letzten Jahrzehnte unbestreitbar. Es sind nur noch schlappe 5,6 Millionen Mitglieder verteilt auf 8 Mitgliedsgewerkschaften. Zum Vergleich: 2001 waren es noch 7,9 Millionen, 2011 noch 6,16.

Doch der Apparat braucht nicht nur Geld. Seine Macht schwindet auch und gerade durch seine sozialpartnerschaftliche Ausrichtung, die in Stagnation und Krise immer weniger greift. Die Bürokratie versucht, dem durch eine Mischung aus „kreativen Methoden“ wie Organizing-Techniken und teilweise radikalerer Rhetorik einerseits und einer noch weiter nach rechts gehenden „Realpolitik“ bei den Tarifverhandlungen und in der Anbiederung an Regierung und Standortnationalismus „entgegenzutreten“. Das Resultat sind die kritiklose Zustimmung zu oder jedenfalls Tolerierung imperialistischer Außenpolitik und der nächsten Großen Koalition sowie der Ausverkauf der Interessen der Lohnabhängigen bei den Tarifverhandlungen. Kein Wunder also, dass die Masse der Gewerkschaftsmitglieder dem Ersten Mai fernbleibt und so ihrer Desillusionierung zum Ausdruck bringt.

Rechnet man 5,6 Millionen Mitglieder auf 8 Gewerkschaften, 12 Bundesländer und zigtausende Betriebe sowie den öffentlichen Dienst herunter, werden es lokal immer weniger. Forderungen nach einer „Tarifwende“, die nun endlich Ost und West gleichbehandelt (19 % Unterschied!!!!!), bleiben, gerade angesichts der geringen Mitgliederzahlen in Ostdeutschland, nur leere Versprechungen. Verbesserungen werden nie geschenkt, sondern müssen erstreikt werden.

Zu den Themen des DGB dieses Jahr gehörten neben Bildung, Stabilisierung der Wirtschaft (ganz im Sinne der Sozialpartner:innenschaft) und Tarifflucht vor allem die Kürzungen, die das Land durchziehen. Doch eine Verbindung zwischen internationaler und nationaler Lage oder Kriegskrediten und Kürzungen suchte man vergebens. Nicht einmal eine klare Positionierung gegen Rassismus konnte man hier entlocken. In der offiziellen Pressemitteilung heißt es lediglich, dass Deutschland auf ausländische Fachkräfte angewiesen sei. Eine wahre Meisterleistung, sich zwar für Arbeitsmigration (natürlich nur, solange sie nicht zuungunsten einheimischer Beschäftigter stattfindet), aber sich weder für einen Schutz noch für konkretes Handeln gegen Rassismus im Betrieb oder im Parlament auszusprechen.

Anstelle sein Haus auf dem Treibsand der Gewerkschaftsbürokratie zu bauen, könnte man auch mit Forderungen mobilisieren, die ernsthaft dem Verhältnis zur ökonomischen Not der Arbeiter:innen oder der politischen Lage, in der wir stehen, entsprechen. Anstelle zum gemeinsamen „Feiern“ einzuladen, ist es bitter nötig, sich dem gemeinsamen Kampf zu widmen. Und dieser beginnt im Betrieb, wie etwa die kämpferischen Kolleg:innen der Charité (besser gesagt derjenigen in der Tochtergesellschaft CFM), mit einem Mobivideo, das die Lohnungerechtigkeit von 700 Euro Unterschied im Betrieb beweist, gezeigt haben.

Partner:innenschaftlicher denn je, doch von sozial keine Spur

Der notwendige Kampf gegen die Regierung geht am Ersten Mai nicht vom DGB aus, der noch mit allen „demokratischen“ Parteien und der GdP zusammen die (Brat‑)Wurst teilt. Von Kritik keine Spur, denn die Wurst, bezahlt vom Kapital, schmeckt bekanntlich besser als mit klassenkämpferischen Gewerkschafter:innen zusammen. Den Namen Merz findet man in der DGB-Pressemitteilung nicht. Und das, obwohl seine Regierung schon vor Amtsantritt in die Geschichte eingeht, wenn es um den sozialen Kahlschlag oder Angriff auf demokratische Rechte geht. Vom Krieg bzw. der Kriegstreiberei der deutschen Regierung in Form von Aufrüstung, Umbau von Betrieben oder Wehrpflichtsfantasien wollte man am heutigen Tag wenig wissen.

Dass „soziale Sicherheit“ in Deutschland ein „Standortfaktor“ bleiben müsse, wie DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bei der DGB-Kundgebung in Chemnitz den Demonstrierenden und der Politik erklären wollte, entlarvt lediglich, wie sich das Denken der Bourgeoisie in den Köpfen der Gewerkschaftsbürokratie festgefressen hat. Keine Frage. Über Jahrzehnte war soziale Sicherheit ein Standortfaktor für das deutsche Kapital, die betrieblichen und gesellschaftlichen „Frieden“ gewährleistete. Doch angesichts der massiv gesteigerten Konkurrenz auf dem Weltmarkt kann und will sich die herrschende Klasse immer weniger leisten, genauer: Die will den sozialen Frieden, aber nicht die „Kosten“ in Form von Zugeständnissen an die Arbeiter:innenaristokratie, die aus einer Kombination imperialistischer Extraprofite und extrem hoher Produktivität der Lohnarbeit hierzulande herrühren.

Hinzu kommt, dass die gesamte Standortpolitik die Arbeiter:innen entlang nationaler Linien und zwischen den Betrieben spaltet bzw. diese Spaltung vertieft. Als Internationalist:innen müssen wir diese immer bekämpfen. Denn an diesen „Standorten“ sind ebenfalls Arbeiter:innen wie du und ich. Daher kämpfen wir nicht zusammen mit der DGB-Kaste und der deutschen Bourgeoisie für den Erhalt des „Standorts Deutschland“, sondern Seite an Seite mit unseren Kolleg:innen und Genoss:innen in Italien, Argentinien, den USA, Pakistan oder Palästina für ein gutes Leben für alle und den Sturz des Kapitalismus. Und dazu muss der Kampf für einen Bruch mit ebendieser Standortpolitik in den Gewerkschaften geführt werden.

Erfreulich war die hohe Anzahl an Kufiyas bei der diesjährigen Demonstration. Am Rande der Demo forderten vereinzelte Kolleg:innen anderer Blöcke ebenfalls die Solidarität als Gewerkschafter:innen mit Gaza. Dass die DGB-Spitze aufgrund ihrer Nähe zum deutschen Staat nur wenig dafür übrig hat, ist bekannt. Doch als aktive Gewerkschafter:innen und Revolutionär:innen sind wir in der Pflicht, die Lage zuzuspitzen und sie in die Enge zu drängen, bis sie entweder ihren Kurs ändern (unwahrscheinlich) oder sie absetzen. Das geht aber nur mit einer starken Basis. Als wären das nicht schon genug Krisen (und hier sind wir noch nicht mal auf das Feld der Dauerkrise Klima eingegangen), steht Deutschland wirtschaftlich und sozial eine Existenzkrise bevor, zumindest wenn nicht endlich radikal umverteilt wird.

Die Lösung beginnt mit organisierter Opposition

Wir betteln nicht bei den Kapitalist:innen um „gute Arbeitsbedingungen“, wie es die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi getan hat. Wir müssen die Veränderungen selbst herbeiführen. Jetzt ist die Zeit, sich gegen Krieg und Krise zu engagieren. Dazu reichen Demonstrationen und Proteste nicht. Dazu braucht es Streiks und Arbeitskämpfe, letztlich politische Massenstreiks. Doch diese organisieren sich nicht von selbst.

Dafür brauchen wir eine klassenkämpferische, antibürokratische Opposition in den Gewerkschaften. Am Ende des Kampfes stehen nicht nur höhere Mitgliederzahlen für die DGB-Kassen, sondern eine Einheitsfront, die stark genug ist, eine Gegenmacht aufzubauen, damit wir den Kampf gegen Merz, Krieg und Kapital gewinnen.

Diese Opposition muss in den tariflichen und politischen Auseinandersetzungen in den Gewerkschaften und Betrieben als solche sichtbar und für die Beschäftigten wahrnehmbar sein. Angesichts der Kontrolle des Apparates über die Gewerkschaften und der zahlenmäßigen Schwäche ist das eine schwere Aufgabe – aber es gibt dazu keine Alternative. Wenn wir den Generalangriff der Regierung Merz stoppen wollen, so führt kein Weg daran vorbei, die Gewerkschaften gegen den Willen und die Politik ihrer Führung in Bewegung zu bringen.

Es gibt eine Alternative zu Sozialpartner:innenschaft und Standortlogik – klassenkämpferischen Internationalismus!

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