Bitte wenden! Ein antikapitalistisches Mobilitätsprogramm
Leo Drais, Neue Internationale 276, September 2023
So breit der Konsens über die Notwendigkeit einer Verkehrswende auch ist, so unterschiedlich ist die Vorstellung, was darunter verstanden wird. Selbst in der Politik der CDU finden sich floskelhafte Versprechen etwa über die Verlagerung auf die Schiene – wobei es dann auch bleibt. Von einer echten Verkehrswende kann in Deutschland nicht die Rede sein. In anderen Ländern sieht es nur geringfügig besser aus, international existiert die Verkehrswende sowieso nicht.
Jetzt ist das Wort schon einige Male gefallen. Was verstehen wir also unter einer wirklichen Verkehrswende? Sie besteht vereinfacht gesagt im fortschrittlichen Auflösen der akuten Mobilitätskrise:
- Klimakrise: 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen werden in diesem Sektor emittiert (in der BRD 21 %). Mehr als die Hälfte des Erdöls wird in Flugzeugen (6 %), Schiffen (4 %) und auf den Straßen (40 %) verbrannt. Die Werte sind kritisch zu betrachten, da die Art der Stromerzeugung für den Schienenverkehr in den verwendeten Quellen vermutlich unberücksichtigt blieb.
- Verkehr als Teil weiterer Umweltprobleme: Luftverschmutzung, Oberflächenversiegelung, Lärmemissionen, Abfälle von Fahrzeugen und Fahrwegen (z. B. Reifenabrieb als Mikroplastik in den Meeren).
- Verkehr als Teil der Energie- und Ressourcenfrage – die Geschwindigkeit einer Verkehrswende wird zentral von der Energiewende abhängen.
- Todeszahlen: 2018 starben weltweit 1.350.000 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr. Davon ist der überwiegende Teil in armen Ländern und unter Armen zu beklagen. Für Menschen von 5 – 29 Jahren ist dies die wahrscheinlichste Todesursache. Abgesehen davon existiert die Gefahr von Erkrankungen durch Lärm, Stress, Abgase.
- Stadt-Land-Frage: Platznot durch städtischen (Individual-)Verkehr auf engstem Raum steht ländlichem Infrastrukturmangel gegenüber. Beides bedeutet auf unterschiedliche Weise einen Verlust von Lebensqualität und sowieso knapper Zeit.
- Mobilität und Logistik als gesellschaftlich irrationale Konzeption: Warenketten um die ganze Welt, Wettbewerb als Verursacher von überflüssigem Verkehr (Leerfahrten usw.), abgestellte und Raum beanspruchende Massen an Privat-Pkws, transportintensive Just-in-time-Produktion.
- Krise und Kampf um die Neuaufteilung der Welt: (militärischer) Kampf um Absatzmärkte sowie Ressourcen (Lithium, Öl, Erdgas), Verkehrswegebau den Erfordernissen der imperialistischen Welt entsprechend. Die einsetzende Deglobalisierung wird mittelfristig die Konkurrenz im Güterverkehrssektor zuspitzen.
- Zurückdrängung des öffentlichen, Bevorzugung des ineffizienten motorisierten Individualverkehrs.
- Klassen- und Unterdrückungsfrage: Die Möglichkeit, von A nach B zu kommen, im Generellen sowie grenzüberschreitender Verkehr im Speziellen hängen ab von der gesellschaftlichen Stellung und dem Pass. Freien Reisen für die Reichsten in alle Länder der Welt stehen fehlende sichere und legale Fluchtwege für Millionen Menschen gegenüber. Oder noch anschaulicher: Weitgehend ungehinderten Warenverkehren auf einem Weltmarkt stehen unfreie Menschen gegenüber.
- Abschließend: Klassenkampf unmittelbar im Sektor selbst – Ausbeutung der Verkehrsarbeiter:innen, Kampf um Löhne, Arbeitszeiten, Arbeitsplatzerhalt usw.
Ausgehend davon und im Unterschied zu weiten Teilen der bürgerlichen Politik ist die Verkehrswende für uns daher keine vorrangig technologische, sondern zuerst eine gesellschaftliche Frage. Zwar erkennt die bürgerliche Gesellschaft die Notwendigkeit tiefgreifender Änderungen, aber sie ist unfähig, sie zu verwirklichen. Ihre Vorstellung von Nachhaltigkeit ist eine, die sich stets ihren eigenen ökonomischen Erfordernissen unterwerfen muss. Was „nachhaltig“ ist und was nicht, was eine Mobilitätswende ist und was nicht, richtet sich für das Kapital an den eigenen Klasseninteressen aus – für die deutsche Autoindustrie bedeutet die Verkehrswende einfach eine Antriebswende.
Demgegenüber ist sie für uns ein integraler Teil antikapitalistischer, sozialistischer Politik, die die Frage der Nachhaltigkeit zuerst aus dem Blickwinkel des langfristigen Erhalts der Lebensgrundlagen der Menschheit betrachtet und nicht aus dem einer kapitalistischen Verwertungslogik.
Eckpunkte eines Programms
- Herstellen einer Produktions- und damit Verkehrsweise mit ausgeglichenem Mensch-Natur-Verhältnis. Während den Produzent:innen im Kapitalismus ab dem Verkauf der Ware naturgemäß egal ist, was mit ihr passiert – ergo auch bei oder nach ihrem Verbrauch – bedeutet eine ökologische Kreislaufwirtschaft eine möglichst große Langlebigkeit von z. B. Fahrzeugen, ohne die Natur in einem nicht nachhaltigen Maß auszubeuten oder sie als Senke zu vernutzen.
- Bezogen auf das Verkehrsaufkommen muss der Leitsatz dabei lauten: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“ Schon hierbei springt ins Auge, dass der Kapitalismus dazu nicht in der Lage ist, weil sein Kreislauf Geld – Produktion – Produkt – Ware – Geld + Gewinn – mehr Produktion, mehr Produkte, mehr Waren … zur Ausdehnung (des Verkehrsaufkommens) drängt und dessen Logistik insgesamt ineffizient organisiert ist. Anders ausgedrückt: Was bringt es, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, wenn trotzdem immer mehr Verkehr produziert wird?
- Eine wirklich nachhaltige Wirtschaftsweise kann weltweit daher nur als Planwirtschaft verwirklicht werden, die schon bei der Produktion von Fahrzeugen und Transportwegen einbezieht, was am Ende ihrer Lebenszeit passiert. Während für die Kapitalist:innen dieser Gedanke in der Konkurrenz tödlich ist, ist es bei einer Planwirtschaft umgekehrt: Nicht auf den Ressourcenkreislauf zu achten, wäre ihr Untergang (auf lange Sicht ist das allerdings auch für den Kapitalismus der Fall). Andere populäre Konzepte – Postwachstum (Degrowth), Gemeinwohlökonomie etc. – sind schließlich zum Scheitern verurteilt. Sie kennen weder den Weg zu ihrer Verwirklichung noch brechen sie offen mit dem Kapitalismus, von dem auch keine korrekte Analyse geleistet wird.
- Eine Planwirtschaft im Interesse der gesamten Menschheit hat wiederum die Aufhebung der kapitalistischen Klassengesellschaft (in der die Profitinteressen des Kapitals über den Bedürfnissen der Gesamtheit der Menschen stehen) zur Voraussetzung. Notwendig hierfür ist der Sturz des bürgerlichen Staates und die Errichtung einer demokratischen Rätemacht der Arbeiter:innenklasse über die Gesellschaft, die die Mobilität durch eine Enteignung der Transportindustrie und Entwicklung und Kontrolle der Produktion einem demokratischen Plan unterstellen kann.
- Das aber erfordert, die Arbeiter:innenklasse nicht nur als zentrale Kraft der Mobilitätswende zu begreifen, sondern sie auch zum bewussten Subjekt dieser zu „erziehen“, was in der Notwenigkeit mündet, revolutionäre Arbeiter:nnenparteien und eine neue Internationale aufzubauen, die die Verkehrsfrage als Teil ihres Programms begreifen.
Verkehrsträger
Diese Eckpunkte sollen ein integrales Mobilitätsübergangsprogramm abstecken, einen Wegweiser, der von tagesaktuellen Forderungen aus auf die revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft und damit des Verkehrs zeigt. Dabei müssen wir von dem ausgehen, was heute vorhanden ist. Schauen wir also auf das Potential der heutigen Verkehrsträger in einer Mobilitätswende.
Personenverkehr
- Eigene Körperkraft (Gehen und Radfahren): die ökologischste Art der Fortbewegung und die mit Abstand meist genutzte, oft sogar schnellste auf der Kurzstrecke.
- Motorisierter Individualverkehr (v. a. Auto, Moped, Roller, Motorrad): die ineffektivste Art der Fortbewegung, gemessen an der Auslastung der Fahrzeuge (nicht zu verwechseln mit Auslastung der Parkplätze und Straßen!) und möglichen Personenkilometern (ein voll besetztes Standardauto legt in einem Kilometer fünf Personenkilometer zurück, ein voll besetzter ICE 4 bis zu 918 Personenkilometer). Zudem meistens fossil angetrieben. Das E-Auto ist demgegenüber aus gleich mehreren Gründen keine generell grüne Alternative. Seine Herstellung erfordert bisher einen Wasser verschlingenden Lithiumabbau (1 t Lithium erfordert 1.900.000 l). Seine Herstellung emittiert die doppelte Menge an Treibhausgasen gegenüber Autos mit Verbrennungsmotoren und macht diesen Rückstand gegenüber ihren bauartgleichen Geschwistern erst nach 8 Jahren wett. Der flächendeckende E-Auto-Rollout verzögert die Energiewende. Weiterhin weisen E-Auto wie Verbrenner den gleichen ineffizienten Nachteil auf, ihr/en Treibstoff/Depot als zusätzliches Gewicht mit sich führen zu müssen. Weitere aktuelle Probleme des E-Autos: Entsorgung und Selbstentzündlichkeit der Akkus, brennende E-Autos sind kaum zu löschen.
Für die Anbindung kleiner Orte an den nächsten öffentlichen Anschluss oder für Kleintransporter bleibt ein Rest an motorisiertem Individualverkehr als Sharingkonzept bzw. durch öffentliche Ruftaxis in einer Verkehrswende wahrscheinlich sinnvoll.
- Landgebundener öffentlicher Verkehr (v. a. Bus, Tram, U-Bahn, Bahn): Verkehrsmittel mit dem Potential, den Kern eines nachhaltigen Verkehrs darzustellen, sowohl im Nah- als auch Fernverkehr. Busse (ggf. mit Oberleitung) machen dort Sinn, wo aus Schienenwegen zu wenig Nutzen entspringt oder diese aufgrund der Topographie unmöglich sind. Tramkonzepte können schon ab einigen tausend Menschen im Einzugsgebiet sinnvoll sein. U-Bahn-Konzepte, die ihrerseits vor allem aufgrund der „autofreundlichen Stadt“ einen Hype erfuhren, machen über ihren Erhalt hinaus keinen Sinn wegen Bauaufwands, Evakuierungsschwierigkeiten und der zusätzlichen Wege nach unten und oben. Zudem ist der betonintensive Tunnelbau ebenfalls ein Klimakiller.
Im Regional- und vor allem Fernbahnverkehr ist das Potential des Rad-Schiene-Systems noch lange nicht ausgeschöpft: Elektrifizierung, integrale Taktfahrpläne, internationaler komfortabler Nachtzugverkehr, Knoten- und Streckenentflechtung usw. können potentiell zu Land auch innerhalb von Kontinenten Flugzeug- und Fernautoverkehr ersetzen. Der Hochgeschwindigkeitsbetrieb ist zumindest zu prüfen, da über einer Geschwindigkeit um die 250 km/h Luftwiderstand und daher Energieverbrauch extrem steigen; außerdem hoher baulicher und betonintensiver Aufwand dieser Rennbahnen. Zumindest theoretisch kann jedoch auch ein Zug mit 350 km/h vollkommen ökologisch fahren, immer aber bleibt das eine Frage der Energieerzeugung. Das Konzept eines elektrisch getriebenen Fahrzeugs kann freilich nur wirklich umweltschonend sein, wenn die elektrische Energie auf entsprechende erneuerbare Art gewonnen wird.
- Luft- und Schifffahrt: im Personenverkehr zur Überquerung der Meere mehr oder weniger alternativlos, beide sehr energieaufwändig und bisher fast komplett fossil betrieben. Fähren machen vielerorts ökologisch möglicherweise mehr Sinn als lange Tunnel und Brücken zur Meeresunter/-überquerung.
Güterverkehr
- Straße: Im Fernverkehr extrem ineffektiv, nur auf die „letzte Meile“ und in der Kurzstrecke ohne großes Aufkommen mit alternativen Antrieben sinnvoll oder für die minimal notwendige Erschließung von abgelegenen Zielen.
- Schienengüterverkehr: Landgebundenes Transportmittel mit dem größten Potential, den Kern künftiger Transportketten zu bilden, sowohl lokal wie auch global. Im Vergleich zum Lkw bei gleicher Last deutlich weniger Rollwiderstand zwischen Fahrzeug und Fahrweg bei leicht möglicher externer Energieversorgung (Oberleitung).
- Luftfahrt: Nur für absolut dringende und notwendige Güter vernünftig, extrem energieaufwändig.
- Schifffahrt: Sehr energieintensiv. Möglich sind statt Schweröl auch Gasantriebe (auch aus erneuerbaren Quellen, z. B. power-to-gas). Im interkontinentalen Verkehr nach wie vor notwendig, aber mit Änderung der Produktionsweise enorm reduzierbar im Aufkommen.
Soweit zu den technischen Voraussetzungen. In den vergangenen Jahrzehnten haben immer wieder auch neue technische Entwicklungen Furore gemacht, sei es das autonome Fahren oder beispielsweise die Magnetschwebebahn in den Varianten deutscher Transrapid oder als Elon-Musk-Vakuumröhre Hyperloop. Diese sind bisher nie wirklich über das Erprobungsstadium hinausgekommen und bei allen stellt sich auch ganz grundsätzlich die Frage der Sinnhaftigkeit. Vielmehr scheinen sie die Entfremdung zwischen Mensch und Natur auf ein technisch neues Niveau zu heben.
Und natürlich wäre es falsch, sich gegen die Erforschung neuer Verkehrskonzepte zu stellen. Entscheidend muss aber immer die Frage des Gesamtnutzens und -aufwands für die Menschheit als Ganze sein, was schon in sich trägt, dass es eine demokratische Kontrolle und keine der Konzerne und Milliardär:innen braucht.
Die wichtigste Voraussetzung, die der Kapitalismus für eine Verkehrswende geschaffen hat, sind schließlich die Abermillionen Arbeiter:innen einschließlich der Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen, die weltweit in dem Bereich arbeiten. Sie vereinen auf sich eine riesige Expertise darüber, wie ein schnellstmöglicher Umbau von Logistik und Transport überhaupt geschehen kann. Sie können das treibende Subjekt des Umbruchs darstellen.
Übergangsprogramm
Betten wir schließlich die Verkehrswende in die aktuelle Lage einerseits und in eine sozialistische Perspektive andererseits ein. Gleich vorweg: Eine fortschrittliche Verkehrspolitik wird dabei, um der akuten ökologischen Notlage gerecht zu werden, nicht ohne repressive Einschränkungen gegenüber besonders umweltschädlichen Verkehrsweisen auskommen, die manche als eine Gängelung der (bürgerlichen, auf den Besitz und den rechten Fuß beschränkten) Freiheit empfinden werden. Auf der anderen Seite werden sich aber ganz andere, für die Mehrheit der Menschheit ungleich größere Freiheiten ergeben.
- Für ein ökologisches Notsofortprogramm! Massive Einschränkung des Flugbetriebs, Verbot von Inlandflügen und Flügen unter 2.000 km! Aufbau kontinentaler Fernzug- und Nachtzugnetze! Für den schnellstmöglichen, umfänglichen Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und baulich getrennter Radwege in der Stadt und auf dem Land! Gleitende Anpassung der Fahrpreise hin zu einem kostenlosen Nah- und Berufsverkehr!Für eine Preisgestaltung, die Bahnreisen gegenüber dem Autoverkehr entscheidend günstiger macht! Einschränkungen und Verbote für bestimmte Fahrzeugklassen (Verbrauchsobergrenzen)! Schnellstmögliche Abkehr vom innerstädtischen Autoverkehr! Weitreichender Stopp der Automobilproduktion und sofortiger Umbau der Fabriken für andere Produkte, einem gesamtgesellschaftlichen Wirtschaftsplan entsprechend! Verbot des Motorsports als Aushängeschild fossiler und rücksichtsloser Raserei!
- Für eine Umweltbewegung, die sich zu einer konkret-revolutionären weiterentwickelt und die Arbeiter:innenklasse in den Mittelpunkt einer Mobilitätswende stellt!#wirfahrenzusammen kann dafür nur der Anfang sein.
- Für die demokratische Gestaltung und Kontrolle eines solchen Notfallplanes und des Verkehrswegebaus im Kleinen und Großen durch Komitees der Beschäftigten im Transportbereich sowie Anwohner:innen, Pendler:innen und Reisende! Für die Finanzierung eines solchen Notprogramms durch eine massive Besteuerung von VW, Shell, Lufthansa und alle die, die jahrzehntelang mit fossiler Mobilität riesige Gewinne getätigt haben!
- Für die innige Verknüpfung der Energie- mit der Verkehrswende unter Arbeiter:innenkontrolle! Erforschung und Entwicklung von power-to-gas als möglicher Energiequelle alternativer Antriebe wie Speichermedium für Überschussstrom!
- So oder so steht die Arbeiter:innenklasse nicht zuletzt in den Autokathedralen vor großen Umbrüchen. Aber statt sie als passiven Spielball von Politik und Konzernen zu betrachten, schlagen wir vor: Keine einzige Jobstreichung! Weiterbeschäftigung bei vollem Lohn! Entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung der Autoindustrie unter demokratischer Arbeiter:innenkontrolle! Ein Startpunkt kann schon in den kommenden Kämpfen liegen: Für Streiks und Besetzungen unter Kontrolle der Arbeiter:innen selbst, nicht der Gewerkschaftsbürokratie von IG Metall und Co!
- Gegen das Ausspielen der Verkehrsbeschäftigten gegeneinander, von Pilot:innen und Bodenpersonal, polnischen und deutschen Lkw-Fahrer:innen, EVGler:innen und GDL-Mitgliedern. Wir halten dem die Perspektive einer Neuordnung der Gewerkschaften entlang der Wertschöpfungsketten entgegen im Rahmen eines demokratisch erneuerten und fusionierten DGB! Für eine internationale Transportarbeiter:innengewerkschaft unter direkter Kontrolle aller Logistik- und Transportbeschäftigten statt einer zahnlosen ITF!
- Für die generelle Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit auf alle! Sämtliche Steigerungen und Entwicklungen der Produktivkraft ermöglichen eine weitere Ausweitung der Freizeit – und schaffen somit die Möglichkeit zur Verkehrsvermeidung!
- Für die weltweite Restrukturierung von Stadt und Land, von Wohn- und Produktionsstätten und damit der Verkehrsinfrastruktur nach einem globalen Wirtschaftsplan! Aufbau von Infrastruktur, wo es der Imperialismus immer verhindert und sabotiert hat! Umbau, wo er eine unökologische Verkehrsweise erschaffen hat: Für die weitgehende Renaturierung von Autobahnen und anderen Asphaltwüsten, sofern sie nicht anders sinnvoll genutzt werden können! Für so wenig wie möglich, so viel wie nötig Transport in der Produktion! Weitgehende Trennung von Transportwegen und Wohnorten! Gleichmäßige Verteilung der Bevölkerung, Land- und Forstwirtschaft, Dienstleistungs- und Freizeitangeboten, Industrie nach einem Clustermodell (Wohnen und Arbeiten im Mittelpunkt)! Vernetzung durch ein Verkehrskonzept, das öffentliche Schienenverkehre zum Kern hat! Für die Vergesellschaftung der Hausarbeit – nicht nur als Teil der Frauenbefreiung, sondern auch als Möglichkeit zur Transportvermeidung: Gemeinschaftskantine statt eines privat zu füllenden Kühlschranks!
- Für offene Grenzen und einen freien internationalen Verkehr! Für das Recht, überall leben und arbeiten zu dürfen, statt unachtsam-bewusstlosen Massentourismus’!
Das Programm ist bewusst skizzenhaft gehalten. Die jeweilige lokale Ausgestaltung der Verkehrswende ist Aufgabe derer, die dort leben und arbeiten. Jedoch ist sie stets vom globalen Standpunkt, als Teil einer internationalen Perspektive zu betrachten.
Zum Schluss wollen wir darauf verweisen, dass Entschleunigung einen konkret erreichbaren Fortschritt darstellen kann. Ein Mensch, der die alltägliche Konkurrenz, Bewusstlosigkeit und Erniedrigung des Kapitalismus nicht mehr kennt und im Gegenzug als Teil eines wirklichen, bewussten Kollektivs arbeitet und lebt und dabei auch noch über ein vielfach größeres Maß an Freizeit als heute verfügt, wird den Drang nach Flucht, Schnelligkeit, Zerstreuung und Besitz eines eigenen Fahrzeugs als Scheinfreiheit auf vier Rädern vermutlich kaum noch spüren. Seine Bewegung durch den Raum würde viel eher bewusstes Erleben statt Mühsal oder Ablenkung bedeuten. Voraussetzung dafür bleibt, die Verkehrsfrage heute mit einem konkreten Antikapitalismus zu verbinden.
Dieses Programm ist ein Auszug aus unserem Theoriejournal „Revolutionärer Marxismus“, Ausgabe 54. Erhältlich bei uns vor Ort oder über die Kontaktadresse info@arbeiterinnenmacht.de
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