Arbeiter:innenmacht

Klimawandel: Der nächste Waldbrandsommer?

Leo Drais, Neue Internationale 275, Juli/August 2023

Verschwunden sind die Rauchfahnen südlich von Berlin. Nach zwei langen Wochen konnte das Feuer im Waldgebiet bei Jüterbog Mitte Juni gelöscht werden. 733 Hektar Wald gingen verloren, mehr als doppelt so viel wie das Berliner Tempelhofer Feld. Was bleibt ist ein Bild der Verwüstung. Erschwert wurden die Löscharbeiten durch das Vermächtnis der imperialistischen Armeen deutscher Vergangenheit des Kaiser- und Dritten Reichs, nach 1945 aufgestockt v. a. durch die Hinterlassenschaft der sowjetischen Besatzungsarmee: tonnenweise Munitionsrückstände, die über die Waldgebiete verstreut sind. Ein ähnliches Problem gab es bereits in den vergangenen Jahren bei Bränden im Berliner Grunewald oder bei Treuenbrietzen.

Immer häufiger werden auch in Deutschland Waldgebiete durch verheerende, nicht zu kontrollierende Brände vernichtet. Und mit ihnen – wie etwa in Jüterbog, das sich seit Jahrzehnten in  Renaturierung befand – der Rückzugsraum für teils bedrohte Tierarten und ein Erholungsgebiet für die Bevölkerung. Insbesondere Nordost-, Ost- und Südwestdeutschland sind von Waldbränden zunehmend bedroht. In Bayern werden inzwischen Flugzeuge eingesetzt, um nach Brandherden Ausschau zu halten. Keine Region scheint wirklich mehr sicher vor Waldbränden. Die menschengemachte Klimaerwärmung mit ihren Dürresommern macht es möglich.

Plantagen, keine Wälder

Dabei wird bei fast allen in der jüngeren Vergangenheit eines klar: Die kapitalistische Forstwirtschaft ist mitverantwortlich. Ihr Profitinteresse steht einer ökologischen Waldnutzung entgegen – und erhöht stattdessen stetig die Gefahr, die jetzt, mit den trockenen Sommern, ausbricht.

Egal ob staatlich oder privat, die profitgelenkte Forstwirtschaft kennt nur eine Maxime: So viel verkäufliches Holz wie nur möglich aus einem Waldgebiet herauszuholen, dass es gerade eben erhalten bleibt. Der Weg dorthin führt unweigerlich über die Monokultur: Die exklusive Bepflanzung mit Fichten und Kiefern versprach den größten Gewinn in Gestalt schnellwachsender Bäume, wobei sich die Fichte auch noch hervorragend als Bauholz eignet. Die eigentlich heimischen Bäume wie Buchen oder Eichen wachsen deutlich langsamer. Buche ist zudem als Bauholz ungeeignet. Hinzu kommt ein steigender Brennholzbedarf, wo wiederum vor allem Buchen verbrannt werden.

Kaum noch ein Wald in Deutschland setzt sich annähernd naturnah aus Mischhölzern zusammen. Ihr Anteil ist seit langem rückläufig. Selbst in Nationalparks wie dem Harz oder der Sächsischen Schweiz wurden Fichtenplantagen angelegt, die nun großteils abgestorben oder verbrannt sind. Die Hauptprobleme bei diesen sind, dass Nadelhölzer randvoll mit gut brennbaren ätherischen Ölen und vor allem Fichten durch anhaltende Trockenheit nicht mehr in der Lage sind, sich gegen den Borkenkäfer zu wehren, und absterben, was zusätzlich trockenes, brennbares Gehölz bedeutet. Zudem sind Fichten- und Kiefernplantagen nicht in der Lage, viel Wasser zu speichern, und heizen sich somit stärker auf. Es fehlt der Kühleffekt durch Verdunstung. Gerade für Brandburg wird immer wieder das Argument vorgetragen, dass es die sandigen Böden sind, die das Wasser nicht speichern. Jedoch provoziert die Monokulturbepflanzung mit Kiefern genau diese Versandung. Es gibt Mischwälder, die, ebenfalls auf sandigen Böden stehend, ihren eigenen Wasserspeicher bilden. Hinzu kommt, dass durch die maschinisierte Forstwirtschaft die Böden in den Rückegassen und Harvesterschneisen verdichtet sind, Wasser hier also auch nicht versickert, sondern stehenbleibt und nach wenigen trockenen Tagen verdunstet ist.

Kapitalistische Misstöne

Der kapitalistische Dreiklang des Waldbrands lautet also: Waldvernichtung, Artendegradierung und Klimawandel. Das ist übrigens nicht erst seit den vergangenen Dürresommern bekannt. Der Holzhunger der Forstwirtschaft wurde z. B. auch 1970 beim Brand in der Lüneburger Heide bitter bezahlt: Mehr als 13.000 Hektar Wald, Moor- und Heideland verbrannten, sieben Menschen starben. Auch beim größten Waldbrand in der Geschichte Deutschlands spielten Kiefernmonokulturen – also die profitorientierte Nutzung der Waldgebiete – eine erhebliche Rolle. Große Teile der verbrannten Gebiete wurden erneut mit Kiefern aufgeforstet, wider besseres Wissen.

Und schließlich ist die größte Auslöserin von Waldbränden menschliche Fahrlässigkeit oder Mutwilligkeit.

Klimawandelfolgenbewältigung

Der Großteil der modernen Forstwirtschaft kennt keine adäquaten Antworten auf das Problem. Abgebrannte oder abgestorbene Gebiete werden beräumt und wieder plantagenartig aufgeforstet, mit ordentlich staatlicher Förderung. Kahle, sich leicht aufheizende Flächen entstehen, die im Sommer schnell vertrocknen.

Hinzu kommt die unzureichende Ausrüstung von Katastrophenschutz und Feuerwehren. Beide werden zu über 90 Prozent im Ehrenamt betrieben. Mit Satelliten ließen sich Waldbrände binnen kurzer Zeit erkennen, aber weil die Überwachung durch sie teuer ist, wird bisher wenig davon Gebrauch gemacht. Daneben bleibt vielerorts das spezifische Problem von militärischen Altlasten.

Für Regionen wie Deutschland, aber auch generell spielt Wald eine sehr wichtige Rolle dabei, wie sehr Gebiete von Trockenheit und Hitze betroffen sind. Die Dürre in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hängt auch damit zusammen, dass große Teile der Landfläche dort land- und forstwirtschaftlich genutzt werden und der Wald als „Regenmacher“ fehlt. Im Kontinentalklima bildet er einen der wichtigsten Faktoren für die Wolkenbildung. Wälder reichen das Wasser über die Landmasse weiter . Es gilt als erwiesen, dass der Regen in Nordchina sein Wasser eigentlich aus dem Atlantik bezieht.

Es wäre also wichtig, wieder mehr Wald – und zwar naturnahen – zu haben. Es zeigt sich bereits, dass wenn der Wald mehr sich selbst überlassen wird, er sowohl sturmfester als auch brandresistenter wächst. In Deutschland würden sich langfristig standortheimische Bäume durchsetzen. Pionier:innen wie Birken und Pappeln zeigen in Untersuchungen, dass diese als erste verbrannte Flächen erobern und effektiver Wasser speichern als neu angepflanzte Douglasien oder Stieleichen. Erstere wachsen schneller und bieten die Wachstumsvoraussetzungen für z. B. für Buchen.

Hinzu kommt der Aspekt, dass Wälder gigantische Kohlenstoffspeicher sind, im Kampf gegen die Klimaerwärmung also einen der wichtigsten Verbündeten darstellen.

Kapitalismus, Natur und Sozialismus

Wie im Generellen offenbart sich auch im Umgang, in der Nutzung und Ausbeutung der Wälder, deren Brandanfälligkeit zu großen Teilen eine Folge davon ist, wenigstens in gemäßigten Klimazonen  – ein Mensch-Natur-Verhältnis, in dem der Kapitalismus über natürliche Grenzen hinauszutreiben versucht und damit Ökosysteme ins Wanken bringt.

Am offensichtlichsten ist das beim Vergleich Holznutzungsdauer zu Baumwachstum. Bspw. wird kaum ein Möbelstück von IKEA solange genutzt, wie die Bäume, aus denen ihr Holz stammt, zum Wachsen gebraucht haben. Bei Papier oder Energie-/Wärmeerzeugung fällt dies noch mehr auf. Eine ökologische Kreislaufwirtschaft müsste bedeuten, dass im Schnitt so viel Holz entnommen wird, wie nachwachsen kann, jedoch müsste zuvor deutlich mehr Fläche wieder bewaldet werden – Stichwort: Wald und Lokalklima, siehe oben.

Erst dann wäre hier ein ausgeglichenes Mensch-Natur-Verhältnis im Kohlenstoffkreislauf erreicht. Hier wird bereits deutlich, dass das Problem nicht isoliert gelöst werden kann. Der Holzhunger der Industrie steht ökologischen Erfordernissen entgegen. Die Enteignung und Verstaatlichung der Holzindustrie als auch der Forste selbst, die Etablierung eines demokratischen Wirtschaftsplans, kontrolliert von Forstarbeiter:innen, Wissenschaftler:innen und Holzverarbeiter:innen, ist daher die Voraussetzung für eine wirkliche Nachhaltigkeit. Dieser könnte zum Beispiel eine Holznutzungskette etablieren, sprich Holz mehrfach nutzen lassen (etwa: Bauholz und dann erst Brennholz), was heute selten passiert.

Der Wald ist dabei ein Beispiel dafür, wie lange, selbst wenn sie in den nächsten einhundert Jahren erreicht würde, eine sozialistische Gesellschaft an den Folgen des Kapitalismus zu knabbern hätte, auch wenn Tätigkeiten wie Katastrophenschutz und Feuerwehr dann nicht ins Ehrenamt gedrängt würden und eine bessere Waldbrandüberwachung gewährleistet werden könnte. Zudem würde in einer sozialistischen Gesellschaft durchschnittlich das Bewusstsein für Natur und Mensch steigen, würden Waldbrände aus Unachtsamkeit und Böswilligkeit also wahrscheinlich zurückgehen.

Vor allem aber – und das kann wenigstens Hoffnung machen – zeigen Orte, die, zum Beispiel auch nach Waldbränden, der Natur selbst überlassen wurden, dass hier eine relativ schnelle Wiederbewaldung erfolgt. Das bedeutet, dass eine der wichtigsten Lebensgrundlage der Menschen sich auch schon ohne ihr Zutun mitunter am besten regeneriert. Wenn es ein Gesellschaftssystem gibt, das in der Lage ist, sich auf die Langsamkeit der Bäume einzustellen, kann das von Menschenhand erstmals gesamtgesellschaftlich rational überwacht, gesteuert und im Sinne der Wiederherstellung eines ausgeglichenen Mensch-Natur-Verhältnisses, einer ökologischen Kreislaufwirtschaft, gefördert werden.

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