Frederik Haber/Martin Suchanek, Neue Internationale 262, Februar 2022
Sie trommeln, sie lügen, sie bringen Truppen in Stellung. Die Medien, die PolitikerInnen und die Militärs auf beiden Seiten werden aktiv.
Beide Seiten präsentieren sich als jene, die angegriffen oder bedroht werden. Beide geben vor, Selbstbestimmung, Demokratie, Frieden und das Gute überhaupt zu verteidigen. Doch das sind nur Mittel zum Zweck, die eigenen geostrategischen, politischen und ökonomischen Interessen im Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den USA, der EU auf der einen und den imperialistischen Gegenmächten Russland und China auf der anderen Seite durchzusetzen.
Vordergründig geht es um die Ukraine. Aber anders als 2013/14, als zwar auch USA, EU und Russland ihre Finger, ihr Geld und ihren Einfluss dort drin hatten, sich aber ein Bürgerkrieg entwickelte, der die Massen, die Klassen und alle politischen Kräfte des Landes in Bewegung und zum Handeln trieb, geht diesmal die Initiative ausschließlich von den imperialistischen Ländern aus. Die Kräfte vor Ort sind zu Puppen in einem Spiel degradiert, das droht, auf Kosten der Lohnabhängigen ausgetragen zu werden.
Die ukrainische Regierung ist zwar eine recht aggressive Büttelin der USA/ NATO, aber letztlich völlig von diesen abhängig. Die Führungen der Donbassrepublik wiederum haben keine andere Wahl, als zu schlucken, was Putin ihnen gibt oder vorgibt.
Auch wenn keine der beiden Seiten zur Zeit einen direkten bewaffneten Konflikt zwischen Russland und NATO austragen will, so ist die Kriegsgefahr durchaus real, gerade weil es wesentlich ein innerimperialistischer Konflikt ist, der sich weiter zuzuspitzen droht. Erstens könnte ein Stellvertreterkrieg in der Ukraine das Land weiter in den Abgrund reißen. Zweitens besteht die Gefahr von massiven Sanktionen gegenüber Russland, die natürlich ihrerseits zu Gegenreaktionen führen, die vor allem in Europa ausgetragen werden. Drittens kann ein solcher Konflikt zwischen den stärksten Nuklearmächten der Welt, gerade weil es um die Aufteilung der Welt geht, auch weiter eskalieren, als es die beiden Seiten ursprünglich wollten. Auch wenn beide mit Drohungen, Aufmärschen, Waffenlieferungen, den Gegner „eigentlich“ nur zum Einlenken, also zum diplomatisch-politischen Nachgeben bringen wollen, so ist die nächste Eskalation vorprogrammiert, wenn die Gegenseite nicht darauf einsteigt.
Genau an einem solchen Punkt stehen wir zur Zeit. Die Kriegsgefahr ist daher real. Das wechselseitige Aufrüsten, die innere Mobilmachung, die insb. auch ideologisch, nationalistisch, „demokratisch“ funktioniert, tragen ihre eigene Logik, die den Konflikt verschärft. Die sog „Friedensgespräche“ entpuppten sich als reine Farce, als bloße Wiederholung der jeweiligen Standpunkte.
Für revolutionäre KommunistInnen ist es in einem drohenden Krieg zwischen zwei imperialistischen Mächtegruppen zweitrangig, wer mehr lügt oder das kleinere von zwei imperialistischen Übeln ist. Es ist auch nicht entscheidend, wer zuerst angegriffen hat oder angreift. Für uns ist klar, dass in einer kapitalistischen Welt auch die Beziehungen zwischen Staaten auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhen und die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Ländern auch mit Kriegen ausgetragen wird. Deshalb appellieren wir nicht an die Hyänen, zu Vegetarierinnen zu werden.
Entscheidend ist vielmehr, erstens den Charakter des Konfliktes und drohenden Kriegs zu bestimmen, zu entlarven. Zum Zweiten müssen wir uns gegen jedwede Unterstützung der ImperialistInnen wenden. Es geht darum, den Kampf gegen die Kriegstreiberei beider Seiten mit den Mitteln der Klassenauseinandersetzung zu führen – und das bedeutet als RevolutionärInnen in Deutschland vor allem, die reaktionären Ziele des „eigenen“ Imperialismus zu bekämpfen. Denn für die Lohnabhängigen ist der Hauptfeind die eigene herrschende Klasse, ihre Regierung und Staatsmacht. Daher gilt es, alles zu tun, um zu verhindern, dass aus dem neuen Kalten Krieg ein heißer wird. Dazu gehören folgende Aufgaben:
Der Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus ist mehrfach wichtig. Erstens stellt er den Hauptfeind der ArbeiterInnenklasse dar. Um den Widerstand gegen die eigenen KriegstreiberInnen voranzubringen, treten wir für den Aufbau einer Antikriegsbewegung ein, die auch Aktionen des Klassenkampfes setzt (z. B. Blockade von Rüstungstransporten, Streiks gegen Unterstützung der Kriegsmaschine, … ).
Zweitens kann eine solche Bewegung gegen die eigene Bourgeoisie auch den ArbeiterInnen anderer Länder deutlich machen, dass sich die ArbeiterInnenklasse dem nationalen Taumel, den chauvinistischen und „demokratischen“ Lügen widersetzt. Sie trägt somit praktisch zum Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung bei und zum Aufbau einer neuen Internationale, die für eine Welt ohne Krieg und Ausbeutung kämpft.