Arbeiter:innenmacht

Joe Biden: Was können wir von dem neuen US-Präsident erwarten?

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joe_Biden_(48554137807).jpg

Ronja Keller, REVOLUTION, Infomail 1136, 23. Januar 2021

Trotz des Sturms aufs Capitol wurde am 20. Januar Joe Biden in das Amt des Präsidenten eingeführt. Endlich können wir mal einen Artikel über US-Politik schreiben, in dem es nicht primär um Trump geht! Aber wird es mit Biden denn so viel besser? Was hat der neue Präsident bisher so gemacht? Was hat er versprochen und wie wird sein Kabinett aussehen? Im folgenden Artikel wollen wir uns einen Überblick darüber verschaffen und feststellen, ob die arbeitenden Massen und unterdrückten Menschen wohl auf eine Verbesserung ihrer Lage durch Biden hoffen können.

Joes bisherige Laufbahn

Der neue Präsident hat eine lange Geschichte in der US-Politik, denn bis zur Präsidentschaft Obamas war er 36 Jahre lang Mitglied des Senats und während Obamas achtjähriger Amtsperiode Vizepräsident. Dabei hat er eine seine politische Agenda mehrmals klargemacht:

Biden ist vor allem durch seinen Standpunkt in der Außenpolitik aufgefallen. Bei vielen Brennpunkten sprach er sich für eine US-amerikanische Intervention aus. Während des Balkankriegs war er für eine aktive und gewaltsame Einmischung der USA, für Lufteinsätze der NATO. Er unterstützte mehr Bodentruppen im Afghanistankrieg und damit die Linie des damaligen republikanischen Präsidenten George W. Bush. Auch den syrischen Bürgerkrieg sollte die US-Army weiter anfachen. Bei dem Thema Finanzen stimmte Biden meist für einen ausgeglichenen Haushalt („Schwarze Null“), womit er unter anderem den Abbau der Sozialsysteme unterstützt hat. Außerdem hat er eine Gesetzesänderung durchgeboxt, durch die es unmöglich geworden ist, bei zu hohen Studien- oder Kreditkartenschulden Privatinsolvenz anzumelden, sodass viele ArbeiterInnen für immer mit dieser Last leben müssen. Er stand somit immer hinter dem kapitalistischen System und dem US-Imperialismus. Dies wird er auch weiter tun. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit schon mehrfach von übergriffigem Verhalten berichtet wurde inklusive sexueller Nötigung einer ehemaligen Angestellten.

Was können wir von seinen Versprechen erwarten?

Der Wall Street hat Biden versprochen, dass alles beim Alten bleibe und er keine größeren Veränderungen vornehmen werde. Dies wird sich auch für die Ausbeutung der Menschen ähnlich verhalten. Er hat keine Lösungen für die Probleme wie steigende Armut oder (Jugend-) Arbeitslosigkeit.

Biden möchte einen besseren Neuaufbau nach dem „Build Back Better“-Konzept, kurz: BBB. Das heißt: staatliche Finanzierungen für einen „grüneren“ und „gerechteren“ Kapitalismus. Dies beinhaltet auch Elemente des Green New Deals. Konkret sollen 7 Billionen US-Dollar für grünen Verkehr und Maßnahmen, um den US-Kapitalismus aufzubauen und damit die Hoffnung auf gut bezahlbare Arbeitsplätze, ausgegeben werden. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Biden dieses Versprechen hält, und selbst wenn, ist die Rettung der sozialen Lage von unzähligen Menschen ohne ein bewusstes Eingreifen in die Produktionsverhältnisse nicht zu machen. Ohne Enteignung und Kontrolle der Betriebe durch die Beschäftigten ist es eher wahrscheinlich, dass die Förderungen bloß wieder in den Taschen der KapitalistInnen landen. Da die demokratische Mehrheit im Senat hauchdünn ist, sind bloß faule Kompromisse zu erwarten, die keinen annähernden Ausgleich für die Auswirkungen der Krise bringen, die die ausgebeuteten und unterdrückten Massen erlitten haben und noch werden, da der Senat die Vorschläge des Präsidenten blockieren kann.

Bei der #Black-Lives-Matter-Bewegung gegen rassistischen Polizeiterror ist Biden auf Versöhnung aus. Er stellt sich nicht konkret auf eine Seite, da er weder die AktivistInnen vergraulen will noch seine eher konservative Basis. Es ist natürlich eine Illusion zu glauben, dass dadurch eine Versöhnung möglich ist und es Gerechtigkeit für rassistisch Unterdrückte in diesem System geben kann. Dazu kommt noch, dass Biden schon in der Vergangenheit immer ein Verfechter von Recht und Ordnung war und damit die Rechte der Polizei eher stärken als schwächen wird. Als Lösung für die anhaltende Polizeigewalt sagte er, dass Polizist_Innen „ins Bein statt ins Herz schießen sollten“. Auch das Gesundheitssystem, welches momentan sehr profitorientiert ist und dringend verbessert werden müsste, wird wohl nicht grundlegend geändert, obwohl es eine zentrale Forderung des linken Flügels ist, dass es eine allgemeine Krankenversicherung geben soll.

Immerhin können wir damit rechnen, dass seine Corona-Politik nicht so katastrophal ist wie die Trumps, auch wenn es schwierig werden dürfte, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen.

Wer ist in seiner Regierung?

Keines der Mitglieder seines Kabinetts, die bisher feststehen, gehört dem linken Flügel der Demokrat_Innen an. Weder Bernie Sanders noch Elizabeth Warren als wichtige linke Vertreter_Innen stehen auf der Liste. Biden selbst hat gesagt: „Das ist ein Team, das die Tatsache widerspiegelt, dass Amerika zurück ist. Bereit, die Welt anzuführen und sich nicht von ihr zurückzuziehen.“ Dass er für die Vorherrschaft des US-Imperialismus kämpfen wird, gibt er damit offen zu. Doch schauen wir uns mal einige Mitglieder an:

Bereits im Wahlkampf stand fest, dass Kamala Harris Vizepräsidentin werden wird. Dass sie als „Woman of Colour“ in diesem Amt ist, stellt für viele bereits eine Errungenschaft dar, jedoch zeigt ihr Lebenslauf, dass sie wenig mit den Kämpfen der meisten schwarzen Frauen in Amerika zu tun hatte. Außerdem trat sie in der Vergangenheit, wie auch Biden, für das Polizeiwesen, Sicherheit und Ordnung ein. Ihre harte Linie zeigt sie beispielsweise darin, dass sie die Kriminalisierung von Eltern unterstützt hat, deren Kinder die Schule schwänzen. Weiter hat sie auch einmal Ermittlungen gegen Polizisten, die einen Schwarzen erschossen haben, abgelehnt. Als „Woman of Colour“ erwarten viele von ihr einen Kampf gegen Rassismus und Unterdrückung, doch auf die Frage, wie sie diesen Kampf unterstützen will, spricht sie bloß darüber, wer sie ist, aber nicht, was sie vorhat. Sie bedient damit die identitätspolitische Linie der DemokratInnen.

Außenminister wird Antony Blinken. Mit ihm kommt jemand auf den Posten, der für eine kriegerische Politik steht und sich für traditionelle Bündnisse, wie die NATO, einsetzen wird. Blinken wird auch eine Verbindung zur Rüstungsindustrie nachgesagt. In seiner Funktion als Nationaler Sicherheitsberater für Vizepräsident Biden unter Obama befürwortete er unter anderem die Unterstützung der USA für die saudische Intervention im Jemen, welche bis heute furchtbare humanitäre Folgen zeitigt.

Finanzministerin wird Janet Yellen, die während der Obama-Administration Präsidentin des Federal Reserve Board, also des Vorstands der Notenbank, war. Sie war maßgeblich an der staatlichen Rettung von Banken und Unternehmen während der Krise 2009 beteiligt. Mit ihr werden wohl großzügige Konjunkturpakete für Unternehmen zu erwarten sein.

All diese Punkte belegen den Klassencharakter des neuen Präsidenten und der Demokratischen Partei. Genauso wie Trump liegen seine Interessen ganz klar darin, das System zu retten und die USA an erster Stelle in der Welt zu halten, jedoch mit einer anderen Taktik. Auch die Kriegsgefahr kann zunehmen, gerade mit Hinblick auf Russland, China oder Iran, wenn es darum geht, die Größe der USA zu verteidigen. Für die Arbeiter_Innenklasse und unterdrückten Menschen wird sich wohl nicht viel ändern. Migrant_Innen werden weiterhin inhaftiert, „People of Colour“ durch Polizeiterror getötet, Sparmaßnahmen gefordert, Angriffe auf Rechte und Leistungen für Arbeiter_Innen fortgesetzt. Eine Erholung für die Arbeiter_Innenklasse wird es nicht geben.

Welche Perspektive gibt es?

Sicher ist Biden dazu bereit, noch weiter nach rechts zu rücken – mit Hinblick auf die wirtschaftliche Krise und den wachsenden Druck von rechts in Politik und auf der Straße, gerade nach dem Sturm aufs Capitol. Dadurch wird es wohl viele Kompromisse geben. Das kann auch dazu führen, dass der rechte Flügel der Demokrat_Innen weiter wächst und mit ihm die Angriffe auf die Unterdrückten und Ausgebeuteten.

Weder wird die Demokratische Partei die ArbeiterInnenklasse verteidigen, noch wird sie die Angriffe auf ihre Rechte abwehren. Sowohl die demokratische als auch die republikanische Partei sind Parteien des Kapitals und der Wall Street. Sie haben nicht die Absicht, das System grundlegend zu ändern, sondern würden vielmehr alles dafür tun, genau dieses System aufrechtzuerhalten. Umso wichtiger ist es, soziale Bewegungen wie BLM oder die Gewerkschaftsbewegung weiter aufzubauen und mit dem Ziel zu einen, eine ArbeiterInnenpartei in den USA zu etablieren. Eine Verbesserung der Lage schafft kein Präsident, sondern das kann nur der Druck auf die Regierung, der von den Ausgebeuteten und Unterdrückten kommen muss.

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