Helga Müller, Neue Internationale 227, April 2018
Seit Monaten versuchen die Beschäftigten des Klinikums, einen Entlastungstarifvertrag gegen das Unternehmen durchzusetzen. In Februar berichteten wir von den Solidaritätsaktion der „Bürger*innen-Initiative Bessere Pflege Amper“. Zugleich spitzte sich der Konflikt zwischen ver.di einerseits und der Belegschaft und der unabhängigen Betriebsgruppe (UBG) andererseits um die Durchsetzung der Forderung zu.
Hintergrund ist die einseitige Absage des vom Arbeitsgericht im November ausgesetzten dreitägigen Durchsetzungsstreiks, für den sich 97 % (!) der organisierten KollegInnen ausgesprochen hatten, durch ver.di und das wochenlange Stillschweigeabkommen zwischen der Gewerkschaft und der Helioskonzernleitung, zu der die Amperkliniken gehören. Nach der Geheimhaltungsfrist verkündete ver.di auf einer Betriebsversammlung Mitte Dezember den „historischen Erfolg“, dass der Helioskonzern den TVöD Krankenhaus (TVöD-K) übernehmen würde durch Beitritt zum kommunalen Arbeit„geber“verband (KAV). Zur Hauptforderung der KollegInnen – Entlastung und mehr Personal – steht in diesem Tarifvertrag jedoch so gut wie nichts. Entsprechend groß war die Empörung und Enttäuschung. Es dauerte dann noch ca. 2 Monate, bis ver.di damit rausrückte, dass der Durchsetzungsstreik ihrer Meinung nach obsolet sei, da der KAV seinen Mitgliedern Verhandlungen über einen Entlastungstarifvertrag verboten hat. Doch bis heute ist unklar, ob der Helioskonzern dem KAV beigetreten ist!
Vor allem die einseitige Absage des Durchsetzungsstreiks ohne Diskussion mit den ver.di-Mitgliedern, geschweige denn mit der Belegschaft, hat zu einer weiteren Eskalation geführt. Auch die Aussage von ver.di, dass jetzt der Betriebsrat (BR) für eine Betriebsvereinbarung (BV) Entlastung sorgen soll, der zu keinen Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen kann, hat dazu beigetragen. Zu Recht haben vor allem die Mitglieder der UBG, aber auch Teamdelegierte das intransparente und undemokratische Vorgehen von ver.di immer wieder scharf kritisiert.
Die UBG verbreitete ein Flugblatt, in dem sie ihre Kritik an ver.di zusammenfasste, und initiierte eine Unterschriftensammlung, die 100 KollegInnen unterstützten. Darin wurde ver.di darauf hingewiesen, dass eine Entlastung dringend notwendig sei und sie mit der Absage des Durchsetzungsstreiks das Votum der Beschäftigten missachtet hätte. Daraufhin war die Entrüstung bei den ver.di-Verantwortlichen groß: In einem Schreiben vom 6. März diffamiert Landesfachbereichsleiter Hinke dies als einen „nicht hilfreichen Profilierungsversuch verschiedener Akteure“. Weiter heißt es, „der TVöD-K würde verschiedenen Berufsgruppen mehr Geld bringen“ und die Forderung nach einem Entlastungstarifvertrag würde nur dazu führen, „dass der KAV die Beitrittsgespräche beenden würde und HELIOS einen Vorwand dafür hätte, das TVöD-Projekt fallen zu lassen.“
So verdeckt ver.di ihren Kniefall vor der Konzernleitung. Damit versucht sie, ihre konsequentesten KritikerInnen ins Abseits zu stellen, diese könnten ja ihren faulen Kompromiss mit der Konzernleitung tatsächlich noch in Frage stellen! Es ist kein Zufall, dass diese Erklärung 10 Tage vor den Betriebsratswahlen erschien, an der sich auch drei KollegInnen aus der UBG mit einer Liste beteiligten. Ver.di musste ernsthaft befürchten, dass sie im BR Konkurrenz bekommt und damit ihre Geheimverhandlungstaktik durchkreuzt wird. Kein Wort, dass seit nunmehr drei (!) Monaten von Seiten ver.dis und des BR nichts mehr in puncto Überleitung zum TVöD-K, geschweige denn in puncto Entlastung passiert ist – trotz vollmundiger Ankündigungen. So kann man erfolgreich eine aktive und kampfbereite Belegschaft demoralisieren. Ver.di hat bei den BR-Wahlen die entsprechende Quittung erhalten: Bei einer schlechten Wahlbeteiligung kam ihre Liste auf Platz 4 und war damit an drittletzter Stelle, die Liste der UBG schaffte es auf Platz 2.
Viele KollegInnen wollen aus Enttäuschung aus der Gewerkschaft austreten. Das ist verständlich, hilft aber nicht, das ständige Zurückweichen des Gewerkschaftsapparates wirksam zu bekämpfen noch die Kampffähigkeit zu erhalten. Dafür müssen sich die KollegInnen sowohl weiter in ver.di als auch unabhängig organisieren mit folgendem Ziel: Die ver.di-Haustarifkommission und der BR müssen alle Forderungen insbesondere bzgl. einer Betriebsversammlung (BV) zur Entlastung, alle Verhandlungsschritte dazu, alle Abmachungen, alle Unterlagen und Gespräche mit der Konzernleitung offenlegen und auf Betriebsversammlungen zur Diskussion und Abstimmung stellen.
Die KollegInnen aus der UBG müssen sich im BR dafür einsetzen, dass dieser seine gesetzlichen Möglichkeiten nutzt wie z. B. die konsequente Ablehnung von Dienstplänen, die nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, mit dem Ziel, eine BV durchzusetzen, die konkret festschreibt wie viel examiniertes Pflegepersonal pro Schicht und Station zur Verfügung stehen muss – wie z. B. an der Helios Ostseeklinik Damp. Auch Aktionen, die die Belegschaft immer wieder mit einbeziehen inkl. Verweigerung des Einspringens aus der Freizeit, müssen von der BR-Mehrheit gefordert werden. Wenn sich die Mehrheit dagegen sperrt, muss dies immer wieder öffentlich gemacht werden.
Für die Zukunft muss man aber auch verhindern, dass hinter dem Rücken der KollegInnen Streiks „ausgesetzt“, dass diese über Verhandlungen mit der Klinikleitung wochenlang nicht informiert werden. Dafür ist eine Kontrolle der Verhandlungsführung notwendig. Die Verhandlungskommission muss von den Mitgliedern gewählt, abwählbar und ihnen jederzeit rechenschaftspflichtig sein. Auf Streikversammlungen muss über die Forderungen und Vorgehensweise abgestimmt werden. Darüber hinaus müssen die kommenden Organisationswahlen dazu genutzt werden, dass alle Mitglieder der ver.di-Haustarifkommission (ver.di-HausTK), die die Forderungen und den Willen der Belegschaft missachtet haben, durch aktive GewerkschafterInnen, die die Forderungen der KollegInnen durchsetzen wollen, ersetzt werden. So kann ein politischer Pol in der ver.di-Haustarifkommission gebildet werden, der zum einen klar macht, dass es für mehr Personal und Entlastung einen unversöhnlichen Kampf gegen das Management braucht, und der zum anderen für eine Kontrolle des Streikablaufs durch die Belegschaft kämpft. Dies erfordert aber auch, dass sich die KollegInnen, die keinen sozialpartnerschaftlichen Kuschelkurs wollen, oppositionell organisieren, um die oppositionelle Betriebsgruppe sammeln, um so zu einem Faktor im Betrieb und in der Gewerkschaft anzuwachsen.