Arbeiter:innenmacht

CDU: Grundsätzlich reaktionär

Stefan Katzer, Neue International3 283, Juni 2024

Es hat sich ausgemerkelt. Nach monatelangen Debatten hat sich die CDU unter Führung ihres Vorsitzenden Friedrich Merz nun auf ein neues Grundsatzprogramm verständigt. Dieses soll allen potentiellen Wähler:innen und Mitgliedern deutlich machen „wer wir sind, wo wir stehen, was wir wollen“, so Merz mit Bezug auf das neue Programm, das Anfang Mai auf dem Bundesparteitag der CDU einstimmig angenommen wurde.

Ende der Ära Merkel

Die Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms steht dabei im Zusammenhang mit dem Ende der „Ära Merkel“, welche 16 Jahre lang die CDU prägte. Seit der Niederlage der Partei bei der letzten Bundestagswahl und der Wahl Friedrich Merz’ zum neuen Vorsitzenden setzte ihre Führung alles daran, das „konservative Profil“ der Partei wieder zu schärfen, sprich einen deutlichen Schwenk nach rechts zu vollziehen. Sie CDU hofft nun darauf, mit dem neuen Programm andere, über das bisherige Potenzial hinausreichende Wähler:innenschichten ansprechen und dadurch die anstehenden Wahlen gewinnen zu können. Es geht ihr dabei in erster Linie um die Macht, d. h. vor allem um die Rückeroberung des Kanzleramtes und darum, Deutschland fit zu machen für die sich zuspitzende Konkurrenz auf internationaler Ebene.

Die Lohnabhängigen und sozial Unterdrückten können sich davon –  kaum überraschend – nichts versprechen. Vielmehr wird es für sie darauf ankommen, Widerstand auf den Straßen und in den Betrieben zu organisieren, um die drohenden Angriffe abzuwehren. Bevor wir jedoch auf die geplanten sozialen Angriffe näher eingehen, geht es zunächst darum, das Grundsatzprogramm der CDU vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Weltlage genauer zu analysieren und die darin niedergelegte Strategie für den deutschen Imperialismus herauszuarbeiten. Diese bildet den Rahmen auch für die innenpolitischen Weichenstellungen, die die CDU für die kommenden Jahre plant.

Aufrüstung, Militarisierung und Nationalismus

Sie tritt in ihrem Grundsatzprogramm für eine „interessen- und wertegeleitete“ Außenpolitik ein, die darauf abzielt, „die geopolitische Handlungsfähigkeit und die strategischen Interessen Deutschlands und Europas wieder stärker in den Fokus zu rücken.“ Unverhohlen wird dabei die „Führungsverantwortung“ des deutschen Imperialismus betont und die Notwendigkeit hervorgehoben, die Bundeswehr weiter aufzurüsten. Ein einmaliges Sondervermögen reiche hierfür nicht aus. Vielmehr möchte die CDU dauerhaft mehr Geld in die Bundeswehr stecken.

Doch es geht nicht nur um finanzielle Mittel. Die Kooperation bei Rüstungsprojekten mit strategischen Partner:innen soll bei der Ertüchtigung des deutschen Imperialismus ebenso helfen wie die Wiedereinführung der Wehrpflicht, welche ebenfalls in das neue Programm aufgenommen wurde. Diese soll als verpflichtendes Gesellschaftsjahr bei der Bundeswehr oder sozialen Einrichtungen abgeleistet werden können. Bis zu deren vollständiger Wiedereinführung möchte die CDU durch eine sogenannte Kontingentwehrpflicht den Bedarf des deutschen Imperialismus an frischem Kanonenfutter decken.

Auch symbolisch soll die Bundeswehr und der Beruf des/der Soldat:in aufgewertet werden. Als Mittel der Wahl benennt die CDU öffentliche Gelöbnisse und einen nationalen Ehrentag für die Soldat:innen. Das Töten und Sterben fürs Vaterland soll dadurch offensichtlich wieder attraktiver gemacht werden. Darüber hinaus möchte die Christenunion die Militarisierung der Gesellschaft auch durch die „regelmäßige Präsenz von Soldatinnen und Soldaten im täglichen Leben und auch zur Nachwuchsgewinnung an unseren Schulen“ weiter vorantreiben. Auch die Hochschulen sollen  durch „sicherheits- und verteidigungsrelevante Forschungskooperation“ weiter in den Dienst des deutschen Imperialismus genommen werden. Regelungen, durch welche sich die Hochschulen darauf verpflichten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen (sog. Zivilklauseln), sollen nach dem Wunsch der CDU vollständig abgeschafft werden.

Deutscher Imperialismus und die Rolle der EU

Als wäre das alles nicht genug, sieht das neue Programm auch die „nukleare Teilhabe als wichtiges Element der nuklearen Abschreckung“ sowie den Aufbau einer eigenständigen europäischen Armee vor. Die deutsche Außenpolitik soll insgesamt stärker auf die Interessen des deutschen Imperialismus zugeschnitten werden. Die EU wird dabei von der CDU als ein Vehikel betrachtet, durch das man die deutschen Interessen auf globaler Ebene stärker zur Geltung bringen möchte. Im neuen Grundsatzprogramm der CDU fordert diese deshalb, dass „die EU ein geopolitischer und weltpolitikfähiger Akteur werden [muss]“, der seine Interessen auf globaler Ebene durchsetzen können muss.

In diesem Zusammenhang drängt die CDU auf vereinfachte und beschleunigte Entscheidungsverfahren innerhalb der EU, „unter anderem durch qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik.“ Sollten sich die halbkolonialen Länder innerhalb der EU also nicht mehr so leicht in die Strategie der imperialistischen Führungsmächte einbinden lassen, sollen diese dadurch die Option erhalten, die abtrünnigen Länder zu überstimmen.

Außerdem sollen wirtschaftliche Abhängigkeiten von konkurrierenden imperialistischen Staaten abgebaut und eine strategische Unabhängigkeit in zentralen wirtschaftlichen Bereichen erreicht werden. Auch das dient der Blockbildung im imperialistischen Handgemenge und bereitet letztlich die Möglichkeit künftiger Kriege gegen China und Russland vor. Weiterhin soll auch die Entwicklungszusammenarbeit „strategischer an unseren wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen ausgerichtet […] werden.“ Im Visier hat die CDU dabei auch den afrikanischen Kontinent, den sie als Einflusszone nicht einfach „systemischen Konkurrenten“ überlassen möchte.

Repression, Abschottung und Verarmung

Darüber hinaus sollen auch die anderen Repressionsorgane des bürgerlichen Staates mehr Geld erhalten. Sie sollen ausgebaut und in ihren Kompetenzen gestärkt werden. So soll etwa die Polizei finanziell und personell besser ausgerüstet werden. Auch den sogenannten„Verfassungsschutz“ möchte die CDU weiter stärken, den Datenaustausch innerhalb der EU vereinfachen und Europol zu einem „europäischen FBI“ ausbauen. Aufrüstung nach innen und außen lautet somit knapp zusammengefasst ihr Programm.

Betrachtet man diese Forderungen im Zusammenhang mit denen in Bezug auf das Asylrecht, ergibt sich ein düsteres Gesamtbild: Durch Aufrüstung und Militarisierung soll die Rolle des deutschen Imperialismus im Zusammenspiel mit anderen europäischen Mächten (insbesondere Frankreich und Polen) gestärkt werden. Die Bundeswehr soll kriegstüchtig gemacht und die EU als schlagkräftiger geopolitischer Akteur gegen die konkurrierenden imperialistischen Blöcke in Stellung gebracht werden. Dadurch möchte man sich Einflusssphären in der unmittelbaren Nachbarschaft, aber auch in „Nord- und Südamerika […] und den Ländern des Indopazifiks und Zentralasiens“ sichern. Nach innen soll dies durch den Ausbau der staatlichen Repressionsorgane abgesichert werden. Das durch das imperialistische Weltsystem verursachte menschliche Leid möchte man sich gleichzeitig durch eine verschärfte Abschottungspolitik an den europäischen Außengrenzen vom Leib halten.

Bezüglich ihrer Abschottungspolitik orientiert sich die CDU am sogenannten Ruanda-Modell, das eine Bearbeitung von Asylanträgen ausschließlich in Drittstaaten vorsieht und Menschen auf der Suche nach Asyl auch dann keine Einreise nach Deutschland gewährt, wenn der Bescheid positiv ausfallen sollte. Geflüchtete sollen lediglich über ein nicht weiter definiertes europäisches Kontingent nach Deutschland kommen können.

Angesichts der geplanten massiven Aufrüstung und der Tatsache, dass die CDU auch weiterhin an der Schuldenbremse festhalten möchte, während sie gleichzeitig die Vermögensteuer ablehnt, plant sie weitere Angriffe auf den Sozialstaat. Hier, d. h. vor allem bei den Erwerbslosen, soll ordentlich gekürzt werden. So soll jede:r, der/die arbeitslos ist und nicht jeden Drecksjob annehmen möchte, dafür nach den Vorstellungen der CDU sanktioniert werden und „finanziell spürbar schlechter stehen als jemand, der sich aktiv um Arbeit bemüht.“ Es geht der CDU somit nicht darum, dass diejenigen, die arbeiten, mehr Geld haben sollen als bisher. Eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns lehnt die CDU strikt ab. Ihr Hauptanliegen besteht vielmehr darin, diejenigen, die ohnehin kaum etwas haben, weiter zu drangsalieren. So sollen jene, die keine Erwerbsarbeit finden und auch keine geeigneten Stellen angeboten bekommen, nach dem Willen der CDU gemeinnützige Arbeit verrichten – schließlich sei Arbeit „eine solidarische Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft.“

Dabei ist es für die CDU gar nicht entscheidend, dass die Einsparungen in diesem Bereich die zusätzlichen Kosten für Aufrüstung und Militarisierung nicht decken können. Darum geht es der Partei aber auch gar nicht. Die Erwerbslosen sollen der „hart arbeitenden Bevölkerung“ vielmehr als Sündenböcke angeboten werden, an der sich die von Krise und Inflation gebeutelte Arbeiter:innenklasse und das abstiegsbedrohte Kleinbürger:innentum abreagieren können, ohne dass sich deren Lage dadurch real verbessern würde.

Leitkultur und Nationalismus als ideologischer Kitt

Um dennoch Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und sich die Unterstützung von Teilen der Lohnabhängigen und nicht-ausbeuterischer Schichten zu sichern, wo angesichts enger werdender Verteilungsspielräume und gegensätzlicher Interessen die Konflikte zwischen den Klassen sich immer mehr verschärfen, zieht die CDU unter Merz das alte Konzept der Leitkultur aus der Schublade. Diese müssten alle, die hier leben wollen, „ohne Wenn und Aber anerkennen“. Dass dieses Konzept und dessen öffentliche Propagierung lediglich dazu dient, die Spaltung der Lohnabhängigen entlang nationaler oder religiöser Linien zu vertiefen, wird deutlich, wenn man sich anschaut, was die CDU darunter versteht. Es geht ihr um deutsche „Traditionen und Bräuche“, das Verständnis deutscher „Kultur und Sprache“ und nicht zuletzt um das „Bekenntnis zum Existenzrechts Israels“.

Abgerundet wird das reaktionäre Programm der CDU durch das Festhalten an der Atomkraft als „[Option], auf die wir derzeit nicht verzichten können“, die Verteidigung des „gegliederten Schulsystems“ inklusive Privatschulen sowie Pläne zur Senkung der Steuern für Gutverdiener:innen und Reiche.

Die Lohnabhängigen und Unterdrückten wissen nun also, worauf sie sich einstellen müssen. Nach den Vorstellungen der Herrschenden sollen sie diejenigen sein, die die Rechnung für die geplante Aufrüstung des deutschen Imperialismus zahlen müssen. Es kommt somit alles darauf an, schon heute die Voraussetzung für effektiven Widerstand gegen die Politik der Herrschenden zu schaffen. Hierfür brauchen wir vor allem klassenkämpferische Gewerkschaften sowie eine Einheitsfront aller Organisationen der Arbeiter:innenklasse.

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