Martin Suchanek, Neue Internationale 283, Juni 2024
Wenn’s dem Herrn gut geht, geht es auch dem Knecht gut – so etwa lautet die politische Weisheit, das sozialpartnerschaftliche Credo der größten deutschen Gewerkschaft, der IG Metall. Dem deutschen Kapital und unser allem Wirtschaftsstandort geht es schlecht, so jedenfalls die Diagnose der „11 Punkte für ein modernes, innovatives und gerechtes Industrieland“, die die Gewerkschaft am 14. Mai unter dem Titel „Die Zeit drängt“ veröffentlichte. Und wenn es dem Herrn nicht gut geht, dann bereitet das auch Magd und Knecht Sorgen.
„Deutschland steht still, droht im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren,“ diagnostiziert die IG Metall. Schuld darin? Erstens eine Regierung, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt und auf die Schuldenbremse statt auf Innovation und Konjunkturprogramme wie die USA und China setzt. Zweitens Unternehmen, die vom Standort fliehen, übertriebene und unrealistische kurzfristige Renditeerwartungen verfolgen, statt sich zum „Standort bekennen und hier investieren“.
Mit dieser unpatriotischen, standortfeindlichen Totengräberpolitik will die IG Metall aufräumen und schlägt Alarm. Auch wenn die 11 Punkt im Grunde nichts Neues enthalten, so verdeutlichen sie die politische Einschätzung und Ausrichtung der Gewerkschaftsbürokratie und ihre servile Abhängigkeit von „unseren“ Unternehmen, die „uns“, also den Lohnabhängigen, gar nicht gehören. Doch davon lässt sich die Gewerkschaftsführung nicht weiter irritieren. Wer in „seinem“ Unternehmen mitbestimmt, Standortpakte verhandelt, „sozialverträglich“ Personal abbaut, beim Mitbestimmen das Unternehmensintersinteresse nie aus dem Auge verliert, die/der betrachtet natürlich auch den Nationalstaat, in dem „ihre/seine“ Firmen verwurzelt sind und dessen gesellschaftliches Gesamtkapital sie bilden, auch als ihr/sein Interesse.
Als Vertretung aller Knechte und Mägde, aller Lohnabhängigen macht sich die IG Metall um den Standort nicht nur Sorgen, sie hält ihren Herr:innen auch vor, dass sie sich um ihre und unsere gemeinsamen Interessen nicht richtig kümmern würden. Und der geschäftsführende Ausschuss des Kapitals kommt dank FPD-Depp:innen und Schuldenbremse auch nicht in die Gänge. Glücklicherweise gibt es die IG Metall, die Grünen und SPD beispringt, die Schuldenbremse und, wäre es denn möglich, auch die FDP gern canceln würde. Und sie macht auch gleich klar, worin ihr und unser Ziel im Interesse Deutschlands und seiner Unternehmen besteht: „Wir wollen, dass Deutschland ein erfolgreiches Industrieland bleibt. Unser Ziel: Wir setzen uns bei Innovationen und neuen Technologien an die Spitze.“ Weniger als der Platz 1 in der Weltmarktkonkurrenz kommt für die IG Metall offenbar nicht in Frage.
Daher muss „Deutschland Industrieland bleiben“, damit „wir“ unabhängig sind vom Ausland und – das sagt die IG Metall nicht – als Exportweltmeister:innen dieses wieder stärker von uns abhängig machen können. Außerdem klappt es so auch mit der Transformation und Energiewende. Dafür aber braucht es ein „Bekenntnis der Arbeitgeber zu Standort und Innovation.“
Dafür stehen dann auch die IG Metall und die Lohnabhängigen bei Fuß. „Sie sind die Innovationstreiber. Sie arbeiten hart für den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt.“ So können „wir“ gemeinsam, in sozialpartnerschaftlicher Eintracht in der Weltmarktkonkurrenz gewinnen – mit „anständigen“ Löhnen zu „angemessenen“ Profiten. Und damit die Energiewende, der Umbau der Konzerne nicht „zu teuer“ werden, muss die Schuldenbremse weg, die Steuergerechtigkeit etwas verbessert werden, so dass Geld genug vorhanden ist für zeitlich begrenzte Subventionen, staatlich garantierte günstigere Energiepreise für alle Unternehmen, ob groß oder klein. Kurzum, damit sich auch die Unternehmen für das Programm der IG Metall erwärmen, sollen sie im Gegenzug für Standortgarantien und gute Löhne motivierte, gut ausgebildet flexible Arbeitskräfte, regelrechte Arbeitsarmeen für die Weltmarktkonkurrenz plus staatliche Förderungen überall da vorfinden, wo der Schuh in der Konkurrenz mit dem Ausland drückt. Das gilt natürlich besonders für den ureigenen Geschäftsbereich der IG Metall, die Autoindustrie, wo es Kaufprämien für E-Autos geben soll und staatliche Fördermaßnahmen, aber nur für Modelle, die zu großen Anteilen in Europa gefertigt werden und nicht etwa in China oder den USA.
Kurzum, die Solidarität mit den Lohnabhängigen weltweit endet bei der Industriegewerkschaft dort, wo es um die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals geht. Denn nicht irgendein, sondern das deutsche Kapital ist der Herr über die Knechte aus dem IG-Metall-Vorstand. Und dem soll es endlich wieder gutgehen, damit die Knechte und Mägde auch wieder mehr vom Profitkuchen abkriegen können.
Es gibt keine bevorstehenden Veranstaltungen.
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One thought on “11-Punkte-Programm: IG Metall als beste Gesamtkapitalistin”