Tomasz Jarosław, Neue Internationale 294, September 2025
Die Präsidentschaft von Donald Trump ist eine Antwort des US-Kapitals auf die wachsenden inneren und äußeren Konflikte. Außenpolitisch konzentriert sich die Regierung auf den großen strategischen Widersacher China, beendet die Ära des westlichen Multilateralismus und verfolgt – eher erfolglos – eine Politik von Zöllen und aggressiven Verhandlungstaktiken, um die heimische Wirtschaft zu stärken.
Innenpolitisch reagiert das US-Kapital auf die zunehmenden Krisen und Klassenkonflikte mit einer Umgestaltung der bürgerlichen Institutionen. Weg von der formellen Demokratie mit Gewaltenteilung, Ausdiskutieren und -tarieren fraktioneller Interessen und einem professionellen, parteiunabhängigen Staatsapparat hin zu einer systematischen Benachteiligung nicht republikanischer Wähler:innen (Voter Suppression). Stattdessen werden Institutionen und Personal politisch neu geordnet, wobei die Exekutive zunehmend die gesamte Staatsmacht konzentriert und Trump als unumstrittene Führungspersönlichkeit an die Spitze rückt (Unitarismus: politisches Ziel, die Zentralmacht eines Staates zu stärken). Diese Tendenzen fanden ihren vorläufig schärfsten, aber sicherlich nicht letzten Ausdruck in der militärischen Besetzung ganzer Städte wie Los Angeles (LA) durch die Nationalgarde und die Armee sowie in der massenhaften Entführung und Inhaftierung von Migrant:innen.
Diese Entwicklungen sind nicht neu. Sie reichen bereits bis in die Reagan-Ära zurück, vollziehen sich heute in einem anderen Tempo und einer neuen Intensität.
Unter dem Deckmantel einer aggressiven, populistischen Rhetorik und der Mobilisierung sozial benachteiligter, oft ungebildeter, meist männlicher und politisch rückständiger Wähler:innen verbirgt sich eine enge Verflechtung der Interessen der Finanzoligarchie und multinationaler Konzerne, insbesondere aus den Bereichen Rüstung, fossile Energie, Hightechindustrie und Finanzkapital.
Donald Trump hat seine politische Karriere nicht im luftleeren Raum aufgebaut, sondern mit massiver Unterstützung aus den höchsten Kreisen der Wirtschaftselite. Milliardär:innen und Großunternehmen wie Elon Musk (Medien-, Automobil-, Rüstungs- und Raumfahrtsektor), Peter Thiel (Finanzbranche), Howard Lutnick (Finanz- und Kryptosektor) sowie Chris Wright (fossile Energie) sind nicht nur Förderer, sondern direkt in die Strukturen seiner Regierung eingebunden. Diese wirtschaftlichen Eliten sind die wahren Machthaberinnen hinter Trump und seiner Agenda, die sich in der Förderung von Steuererleichterungen, Deregulierung und der Untergrabung der Arbeitsrechte manifestiert.
Ein anschauliches Beispiel für die enge Verbindung zwischen Regierung und Kapital ist die Unterstützung, die Trump von Tech-Milliardären wie Elon Musk und Peter Thiel erhielt. Musk, der als CEO (Chief Executive Officer; geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Vorstandsvorsitzender, Generaldirektor) von Tesla und SpaceX nicht nur die größte Elektroautoindustrie dominiert, sondern auch in der Rüstungsindustrie aktiv ist, nutzte seine Position als Chef von DOGE (Department of Government Efficiency; Behörde für den Umbau zum „schlanken“ Staat), um ein massives Kürzungsprogramm durchzusetzen und politische Entscheidungen des gesamten Kabinetts zu beeinflussen. Unter seiner Führung profitierte Tesla von Steuererleichterungen, missachtete Regularien und stärkte seine Marktstellung durch den Ausbau von Waffenlieferungen und staatlichen Subventionen.
Peter Thiel, Mitgründer von PayPal und früheres Mitglied von Facebook, spielte von Anfang an eine entscheidende Rolle als Unterstützer von Trump. Thiel ist nicht nur ein Kapitalist, der seine Gewinne maximieren will, sondern auch ein vehementer Verfechter eines autoritären Staatsmodells, das durch seine politische Einflussnahme gestützt wird. Zudem ist Thiel ein wichtiger Unterstützer von James David (JD) Vance, Trumps Vizepräsidenten, und hat mit ihm an der Schaffung von Narya Capital mitgewirkt – einer Investmentgesellschaft, die als Teil von Thiels wirtschaftlichen und politischen Strategien zur Umstrukturierung der US-Wirtschaft fungiert.
Handelsminister Howard Lutnick, ehemaliger CEO von Cantor Fitzgerald und Gründer von BGC Partners, ist ein weiteres Beispiel für die Verflechtung von Kapital und Trump-Regierung. Lutnick, ein einflussreicher Finanzmogul, spielte eine zentrale Rolle bei der Unterstützung von Trump, sowohl finanziell als auch politisch. Er ist eine Schlüsselfigur, die die Beziehungen zwischen Wall Street und der Trump-Administration mitprägte.
Energieminister Chris Wright, Milliardär und CEO von Liberty Energy, zeigte ebenfalls klare Unterstützung für Trump. Als führender Investor im Bereich des Hydraulic Fracturing (Fracking) stärkte er während Trumps Amtszeit die fossile Brennstoffindustrie und profitierte von der Deregulierungspolitik, die den Umweltschutz lockerte.
Diese Figuren – Thiel, Musk, Lutnick und Wright – sind nur ein Teil eines Netzwerks von Milliardär:innen und Konzernführer:innen, die die politischen Weichenstellungen der Trump-Regierung beeinflussten. Sie alle teilen das gemeinsame Interesse, den Kapitalismus weiter zu entfalten und zu konsolidieren, und nutzten Trumps Präsidentschaft als Hebel, um ihre Macht zu vergrößern.
Unter Trump begannen viele der größten Techkonzerne, ihre politischen Ausrichtungen und Beziehungen zur Regierung zu verstärken und zu optimieren. Facebook, Apple und Amazon sind Paradebeispiele dafür, wie milliardenschwere Unternehmen ihre politischen Allianzen vertieften, um von Steuererleichterungen, regulatorischen Vorteilen und staatlicher Unterstützung zu profitieren.
Mark Zuckerberg, CEO von Facebook, ging so weit, Trump zu schmeicheln, indem er eine Amtsantrittsparty am 20. Januar 2025 ausrichtete. Jeff Bezos, Gründer von Amazon, spielte eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung politischer Unterstützung für seine Unternehmungen.
Die Trump-Regierung versuchte, politisch unliebsame Akteur:innen durch systematische Klagen oder den Entzug von Budgets zum Schweigen zu bringen oder ihren Einfluss zu übernehmen. Medienkonzerne, Rechtsberatungsfirmen, Institutionen und Hochschulen wurden besonders betroffen. In 90 % der Fälle fällte die Trump-Administration Urteile zugunsten der eigenen Agenda. Doch viele Organisationen knickten vorher ein – so etwa die bekannte Rechtskanzlei Perkins Coie, die Hillary Clinton unterstützte und an den Ermittlungen gegen Trump in der Russland-Affäre beteiligt war. Nach einem Präsidialerlass, der die Kanzlei von Staatsaufträgen ausschloss, knickte Perkins Coie ein und bot Trump kostenlose Rechtsvertretung an.
Ein weiteres Beispiel für die Verquickung von Kapital und Regierung ist die Verwendung der Antitrustbehörde Federal Trade Commission (FTC), die bei Fusionen ihre Zustimmung erteilen muss. So wurde die Fusion von CBS und Viacom (Medienkonzerne) genehmigt, kurz nach der plötzlichen Absetzung der Trump-kritischen „Late Show“ mit Stephen Colbert – ein klares Zeichen politischer Einflussnahme.
Die ökonomischen Auswirkungen für die breite Bevölkerung sind verheerend:
1. Die Zollpolitik der Trump-Regierung führt zu steigenden Preisen. Letztlich stellt sie eine zusätzliche Einkaufssteuer dar, die vom/von der Verbraucher:in getragen wird, da US-Importeur:innen und -Händler:innen die Zölle auf die Preise umlegen. Ausländische Unternehmen oder Staaten sind nicht für die Zölle verantwortlich.
2. Durch die Entführung, Inhaftierung und Ausweisung von Migrant:innen entzieht die Regierung der Wirtschaft viele Arbeitskräfte, vor allem in Saisonarbeit, Baugewerbe und anderen Hilfssektoren. Das führt zu Arbeitskräftemangel und verringerten Gewinnen für Unternehmen.
3. Ein zentraler Bestandteil der ökonomischen Agenda war die sogenannte „Big Beautiful Bill“, eine Steuerreform, die vor allem den extrem Reichen und großen Konzernen zugutekommt. Das Gesetz reduzierte Unternehmenssteuern drastisch und verschaffte den Kapitalist:innen noch mehr Spielraum zur Profiterhöhung, während gleichzeitig soziale Leistungen für Arbeiter:innen weiter gekürzt wurden.
Die Folgen: schwere Verarmung für Hunderttausende, wobei paradoxerweise gerade die republikanischen Staaten und Trump-Wähler:innen am stärksten betroffen sind. Die Trump-Regierung steht für eine dramatische Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Die Steuererleichterungen für die Reichen und die Deregulierung in Bereichen wie Umweltschutz und Arbeitsrecht haben den Reichen noch mehr Wohlstand verschafft, während die Arbeiter:innenklasse schärfer ausgebeutet und unterdrückt wird.
Natürlich sollte man der Trump-Regierung und den MAGA-Anhänger:innen (MAGA: Make America Great Again; Macht Amerika wieder groß) überall entgegentreten. Auch in den Medien, an der Uni, vor Gericht oder an der Wahlurne. Jedoch bildet die Strategie der Demokrat:innen, auf die „Unabhängigkeit der Institutionen“, die Wiederherstellung der „Demokratie“ und auf die Erringung der Senatsmehrheit bei den Zwischenwahlen (Mid-term-Elections) zu setzen und bis dahin zu warten, eine Strategie der Niederlage. Erstens kann die Trumpregierung einen Angriff nach dem nächsten starten, egal ob es die Entführung von Menschen ohne Prozess ist oder die militärische Besetzung ganzer US-Staaten: Die spätere Zurückweisung der illegalen Machenschaften vor Gericht ist bestenfalls ein Rückzugsgefecht. Die Trumpregierung schafft mit jedem Angriff vollendete Tatsachen. Zweitens sind die US-Institutionen die Form, in welcher die Kapitale ihre Interessen durchsetzen. Diese zu verteidigen, heißt, die Ursache für Unterdrückung und die Unterstützer:innen Trumps mit zu verteidigen. Der US-Senat hat eine beachtliche Konzentration an reichen Abgeordneten. Drittens kann man nicht auf eine Partei oder Bürokratie setzen, die für den Wahlsieg Trumps mitverantwortlich ist. Es war die neoliberale Politik der Demokrat:innen, die zu einer Stagnation des Lebensstandards der breiten Bevölkerung geführt hat, die dann ihren Ausweg in der Politik Trumps suchte.
Der Anführer der Teamsters (Transportarbeiter:innengewerkschaft), Sean O’Brien, sprach 2024 auf dem Parteitag der Republikaner:innen. Das zeigt, dass nicht nur die Strategie der Demokrat:innen zum Scheitern verurteilt ist, sondern die politische Unterstützung der Demokrat:innen durch die Gewerkschaftsbürokratie selbst stellt eine Sackgasse dar. Die „No Kings“-Proteste am 14. Juni 2025, der 250 Jahr-Feier-Parade der US-Armee und an Trumps 79. Geburtstag, mit 5 Millionen Teilnehmer:innen zeigen, welches Potenzial heute bereits existiert, in einer Zeit, in der die katastrophalen ökonomischen Auswirkungen der Trumppolitik sich noch nicht manifestiert haben. Eine unabhängige Protest- und Streikbewegung aller von der Trumppolitik unterdrückten Gruppen wie Lohnabhängigen, Frauen, der Jugend und Migrant:innen muss aufgebaut werden, die nicht nur die Republikaner:innen politisch angreift, sich von den Demokrat:innen nicht nur politisch emanzipiert, sondern diese und das hinter den beiden Parteien stehende Kapital angreift. Bündnisse müssen organisiert werden, um Massenkundgebungen, Streiks und Besetzungen abzuhalten. Gegen ICE-Terror müssen Selbstverteidigungsgruppen aufgebaut werden (ICE: Einwanderungs- und Zollbehörde). LA hat gezeigt, dass die Polizei nicht auf Seiten der Bevölkerung steht. Letztlich braucht man eine dezidierte proletarische Partei, die den Kämpfen der Lohnabhängigen und der sozialen Unterdrückten eine politische Perspektive weg vom Zweiparteiensystem, von den bürgerlichen Institutionen und dem Kapitalismus aufzeigt. Daher wird der Widerstand nicht primär in den Medien, dem Gerichtssaal oder in der Caférunde progressiver Intellektueller geführt, sondern auf dem Unicampus, am Arbeitsplatz oder auf der Straße, wo man sich gegen die Angriffe des Kapitals, der Regierungen und ihrer Scherg:innen wehren muss.