Flor Salgueiro (Liga Internacional Socialista), Infomail 1286, 30.6.2025
Eine große LGBTIAQ+-Pride-Parade zog durch die Straßen von Budapest und trotzte der Unterdrückung durch die rechtsextreme Regierung. Vor dem Hintergrund von staatlicher Verfolgung, Zensur und institutionellem Hass weist die Mobilisierung den Weg in die Zukunft. Stolz ist Kampf! Und dieser Kampf braucht einen revolutionären und sozialistischen Ausweg, um erfolgreich zu sein.
Jedes Jahr am 28. Juni und an den Tagen davor und danach füllen sich die Straßen weltweit mit Farben, Würde und Widerstand im Rahmen des Welt-LGBTIAQ-Pride-Tages. Jahr für Jahr werden die Mobilisierungen immer größer und breiten sich in verschiedenen Teilen der Welt aus. In diesem Jahr waren sie besonders stark in Ländern wie der Türkei, den USA, Spanien und Mexiko zu spüren.
Obwohl bei den „Pride-Paraden“ in jedem Land die bereits errungenen Rechte verteidigt und die noch fehlenden eingefordert wurden, nahm der Tag in Ungarn einen besonders provokativen Charakter an. Die Kundgebung in Budapest wurde zu einer deutlichen Antwort der Bevölkerung auf die repressive Politik des Orbán-Regimes, das seit Jahren in Zusammenarbeit mit klerikalen, frauenfeindlichen und ultranationalistischen Kreisen eine juristische, mediale und kulturelle Offensive gegen die Rechte der LGTBIAQ+-Gemeinschaft führt.
Orbán war über die Parade nicht erfreut. Für Orbán war es ein „aus Brüssel angeordneter“ Marsch, der „widerwärtige und beschämende“ Ereignisse beinhaltete. Für uns war es ein historischer Marsch, weil rund 200.000 Menschen den autoritären, patriarchalischen, nationalistischen und reaktionären Beschränkungen der ungarischen Regierung und des Regimes nicht Folge leisteten.
Trotz der offiziellen Versuche, die Mobilisierung zu sabotieren – gesetzliche Verbote, polizeiliche Drohungen und eine parteiische oder manipulierte Berichterstattung in den Medien – setzte sich die Menge trotz aller Hindernisse durch. Der Versuch, den Weg über die Erzsébet-Brücke (Elisabeth-Brücke) zu versperren, wurde von Tausenden vereitelt, die organisiert und entschlossen ihre Stimmen erhoben. Der Marsch war geprägt von Gesängen und Parolen wie „Wir haben keine Angst!“, die nicht nur die Verteidigung des Rechts auf Identität und freie sexuelle Ausdrucksweise zum Ausdruck brachten, sondern auch eine offene Ablehnung staatlicher Homophobie. Die starke Präsenz der Polizei und kleiner rechtsextremer Gruppen war auffällig, konnte jedoch den kämpferischen, mutigen und massiven Charakter des Marsches nicht überschatten.
Viktor Orbán war in zwei verschiedenen Amtsperioden Ministerpräsident von Ungarn: die erste von 1998 bis 2002 und die zweite begann 2010. Er wurde 2014, 2018 und 2022 wiedergewählt und ist bis heute an der Macht.
Sein reaktionärer Kreuzzug hat sich durch Gesetze verschärft, die Bildungs- und Kulturinhalte zur sexuellen Vielfalt mit „pädophiler Propaganda“ gleichsetzen, er hat Materialien in Schulen und Bibliotheken zensiert und die rechtliche Anerkennung von trans Personen abgeschafft. All dies unter dem Vorwand, „traditionelle Werte“ und eine vermeintliche „ungarische Familie“ zu verteidigen.
Diese Offensive ist kein Einzelfall, sondern Teil einer allgemeinen Strategie zur autoritären Stärkung des Staates, die von nationalistischer, rassistischer, patriarchalischer und arbeiter:innenfeindlicher Logik geprägt ist. Orbán positioniert sich als Referenzfigur der europäischen Ultrarechten und knüpft enge Beziehungen zu Persönlichkeiten wie Donald Trump, Santiago Abascal Conde (Vorsitzender der rechtspopulistischen und nationalkonservativen spanischen Partei Vox; d. Red.), Marine Le Pen und Giorgia Meloni.
Sie haben gemeinsame Feind:innen: Migrant:innen, Feminismus, sexuelle Dissidenz und soziale Rechte. Angesichts dieser Lage gewinnt die Reaktion der Bevölkerung zusätzlich an Bedeutung. Die gesamte Welt erlebt eine Verschärfung der sozialen und politischen Polarisierung. Auf der einen Seite breitet sich die extreme Rechte aus, die mit Hassreden und repressiven Maßnahmen, die die demokratischen Rechte einschränken, politische Vertretung erlangt.
Auf der anderen Seite nehmen Arbeiter:innenmobilisierungen, Streiks, Jugendaufstände und Massenaktionen wie der jüngste Pride-Marsch in Ungarn zu, auch wenn ihnen eine revolutionäre Führung fehlt.
Was in Budapest geschieht, ist kein Einzelfall, sondern Teil eines globalen Phänomens, das Ausdruck einer Gegenbewegung zur extremen Rechten und des wachsenden Willens ist, Hass mit Organisation, Kampf und aktiver Solidarität zu begegnen.
Die massive Beteiligung an der Pride zeigt, dass ein bedeutender Teil der ungarischen Gesellschaft die offizielle Politik des Hasses nicht akzeptiert.
Verschiedene Kollektive, Gewerkschaften, Student:innenorganisationen und internationale Delegationen haben ihre Unterstützung bekundet und sich gegen den Versuch des Regimes, Schweigen und Angst zu verbreiten, mobilisiert.
Wir müssen die breiteste Einheit der Aktion auf den Straßen vertiefen. Volle demokratische Freiheiten, nieder mit den reaktionären Gesetzen! Und wir müssen die Mobilisierung mit einer antikapitalistischen und sozialistischen Perspektive planen.
Die beste Verteidigung der LGTBIAQ+-Rechte besteht darin, sie mit den Forderungen des Feminismus und der arbeitenden Bevölkerung zu verbinden, denn solange Patriarchat und Kapitalismus bestehen, werden keine vollständigen demokratischen und sozialen Rechte erreicht werden. Es ist dringend notwendig, dass Patriarchat und Kapitalismus gemeinsam gestürzt werden.