Arbeiter:innenmacht

Eine schwierige Schlüsselrolle: Was muss die VKG tun?

Bild: Simon Zamora Martin, https://www.klassegegenklasse.org/

Mattis Molde, Neue Internationale 287, November 2024

Die Gewerkschaftsbürokratie verwaltet die Angriffe auf soziale Errungenschaften, die Stagnation und Reallöhne über die letzten Jahrzehnte fleißig mit. Als Resultat schwindet die Basis der Gewerkschaften kontinuierlich. Eine gewerkschaftliche Linke existiert nur in Form einer Apparatlinken und der wenigen verankerten Aktivist:innen, die meist mit einer politischen Gruppierung verbunden waren oder sind.  Die politische Linke ist – wie in jeder Frage – auch in der Gewerkschaftsfrage gespalten: Einige lassen sie mit den unterschiedlichsten Begründungen rechts liegen. Für sie sind die Gewerkschaften korrumpiert, stattdessen gilt es, Selbstorganisation abseits der etablierten Gewerkschaften aufzubauen durch kleine Basisinitiativen oder neue Gewerkschaften. Andere halten eine Intervention in die Gewerkschaften für wichtig, akzeptieren aber den Spielraum, den ihnen die Bürokratie lässt, verhalten sich also überwiegend wie die Apparatlinke.

Wieder andere halten eine wie auch immer geartete oppositionelle Basisarbeit für nötig, nicht aber die Kooperation mit anderen – sei es aus Sektierer:innentum oder dem Unverständis für die Bürokratie als Kaste und nicht zufällige Formation von opportunistischen Individuen.

Die Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften VKG ist in diesem Schaufenster sicher eine der kleinsten Formationen: eine Sammlung von Gruppierungen und Individuen, die die Erkenntnis teilen, dass erstens die Bürokratie/Führung der Gewerkschaften ein Problem für diese darstellt und für eine andere Politik eine Bündelung der Kräfte nötig ist.

Kommt Widerstand von alleine?

Die anstehenden Massenentlasstungen und  Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse  werden nicht automatisch die aktuelle Kräftekonstellation verändern. Wenn’s den Massen dreckig geht, kommen sie noch nicht automatisch in Bewegung. Vor allem wenn die organisierten Schichten der Klasse unter das Joch einer reformistischen Bürokratie gezwungen sind.

Aber es ist ja tatsächlich in den letzten Tarifrunden und bei manchen betrieblichen Angriffen was in Bewegung gekommen. Aber damit solche Bewegungen nicht sofort so billig ausverkauft werden können wie in den Tarifrunden 2022/23 oder den Kämpfen gegen Betriebsschließungen, ist zweierlei nötig:

Die Bürokratie herausfordern

In Konflikten muss es unsere Aufgabe sein, die Begrenztheit der Politik des Apparates aufzuzeigen und uns klar gegen Standortchauvinismus und Einschränkung der Kämpfe durch Mittel wie die Schlichtungsvereinbarungen zu stellen. Konkret bedeutet das, Kolleg:innen für die Idee zu gewinnen, nicht nur zu streiken, sondern selbst das Ruder in die Hand zu nehmen: abzustimmen, wofür, wann und wie lange gestreikt, an welchen Mobilisierungen teilgenommen werden soll etc. Statt Gewerkschaftssekretär:innen, die in den Mühlen des Apparats untergehen und sich verselbstständigen, braucht es Gremien, die rechenschaftspflichtig sind, jederzeit wähl- und abwählbar und deren Mitglieder nicht mehr verdienen als das durchschnittliche Arbeiter:innengehalt. Schließlich kritisieren wir nicht nur die Arbeit der Bürokratie, wir wollen sie abschaffen!

Auf der einen Seite ist das möglich während aktuell laufender Tarifrunden, wo sich Kolleg:innen im Kampf befinden. Diese gilt es, offen als VKG zu begleiten, und wo möglich, auch offen zu intervenieren. Also solidarische Unterstützung der Kämpfe trotz ihrer reformistischen Führung und gleichzeitige Kritik an Taktiken, Zielen und Methoden der Bürokratie. Nach der Niederlage diese zu erklären und zu sagen, wie es richtig gewesen wäre, ist einfach. Wir müssen die alternativen Vorschläge vorher einbringen, auch wenn die Bürokratie dies als Angriff auf die „Einheit gegen das Kapital“ brandmarkt.

Darüber hinaus gilt es aber auch, politisch notwendige Initiative zu zeigen, vor allem dort, wo die Bürokratie schweigt: gegen Krieg, Rassismus, Inflation und letztendlich den Kapitalismus selbst. Denn erfolgreiche Antikrisenpolitik oder Kampf gegen Massenentlassungen können nicht erfolgreich sein ohne Verständnis der kapitalistischen Krise selbst – und das entsteht eben nicht aus reinen tariflichen Auseinandersetzungen. Letztere verbleiben nämlich im Rahmen der bürgerlichen Verhältnisse, denn der reine Kampf um höhere Löhne u. ä. stellt noch nicht das Lohnsystem an sich infrage. In gewisser Hinsicht reproduziert er es sogar. Deswegen muss es auch unsere Aufgabe sein, offensiv politische Debatten in die Gewerkschaften hereinzutragen und auch in Tarifkämpfe zu intervenieren und aufzuzeigen, wo die Wurzeln der Reallohnstagnation oder Massenentlassungen liegen.

Nächste Schritte

Die VKG ist keine klassenkämpferische Basisbewegung, noch nicht mal eine verankerte Gewerkschaftsopposition. Aber sie kann helfen, antibürokratische Gewerkschafter:innen zu sammeln und Basisgruppen zu bilden. Es ist niemand sonst da, der/die das übernehmen kann oder würde.

Eine neue Generation von gewerkschaftlichen Kämpfer:innen muss von einem bewussten Eingreifen der jetztigen aus entwickelt werden. Deswegen reicht eine reine Vernetzung zwischen den beteiligten Gruppen nicht aus. Es braucht offene Absprachen, wie wir gemeinsam gegen die Bürokratie einschließlich des linken Apparatflügels intervenieren wollen, wenn wir Erfolg mit unseren Initiativen haben wollen. Darüber hinaus gilt es, Material zu erstellen, das von von Kolleg:innen direkt genutzt werden kann. Wir müssen Musteranträge zur Verfügung stellen, die sich beispielsweise mit der Workers-in-Palestine – Kampagne solidarisieren, gegen die Schlichtungsvereinbarungen stellen oder die verbindliche Teilnahme sowie Mobilisierung an und für Demonstrationen und Bündnisse/n einfordern. Zur Unterstützung in der Diskussion mit der Bürokratie bieten sich Argumentationshilfen an, die aufzeigen, wie man nicht nur einzelne Gliederungen, sondern Gesamtstrukturen für Aktivitäten gewinnen kann.

Eigene Veranstaltungen als VKG machen Sinn nach größeren Demonstrationen oder Streiks, wo interveniert wurde. Zentraler ist jedoch, in die Offensive zu gehen: Wir sollten das Angebot machen, als VKG Veranstaltungen bei Gliederungen zum Thema von Rassismus, Krieg oder Kampf gegen die Massenentlassungen abzuhalten sowie zu Gewerkschaftstreffen zu gehen und dort das unter erwähnte Material zu präsentieren und kommende Aktionen vorzustellen.

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One thought on “Eine schwierige Schlüsselrolle: Was muss die VKG tun?”

  1. Hanns Graaf sagt:

    Guter Artikel, der aber einen entscheidenden Mangel hat: die VKG hat keinesfalls eine „Schlüsselrolle“. Der Horizont bei der Betrachtung des Problems ist viel zu eng. Eine relevante, sprich: revolutionäre Gewerkschaftsopposition kann nur entstehen, wenn eine Kraft von außen sie formiert und trägt. Das kann nur eine Partei sein. Eure Sichtweise hingegen passt sich dem Nur-Gewerkschaftertum teilweise an. Ihr müsstet den Fokus auf den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei legen und dazu die Arbeiterparteitaktik praktisch anwenden. Das macht ihr – zumindest formell – international, doch national passiert nichts. Eine Gewerkschaftsopposition ist nur im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Partei realistisch. Das zeigen auch alle historischen Erfahrungen.

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