Michael Märzen, Flammende 7, Infomail 1263, 11. September 2024
„Volkskanzler“ Kickl? Einzug der KPÖ? Blau-schwarze Regierung oder Dreier-Koalition unter Ausschluss der FPÖ? Warum BIER-Partei?? Das sind Fragen, die vor den Nationalratswahlen am 29. September sicherlich beschäftigen. Denn die aktuellen Umfragen prognostizieren der FPÖ einen klaren Wahlsieg mit deutlichem Abstand zur zweitstärksten Partei, was entweder die ÖVP oder die SPÖ sein könnte. Das schürt Angst vor einer blau-schwarzen Regierung und motiviert viele zu einer „Wahl gegen rechts“. Wir wagen einen differenzierteren Blick auf die politische Lage und versuchen eine Perspektive zur politischen Formierung der Lohnabhängigen und sozial Unterdrückten zu formulieren.
Der große Vorsprung der FPÖ geht zwar auf Kosten der ÖVP, das macht die Sache aber keineswegs besser. Denn es ist nicht einfach so, dass die Stimmen zwischen rechtskonservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ hin- und herwandern – die FPÖ unter Herbert Kickl hat eine Radikalisierung erfahren und auch die ÖVP ist in den letzten Jahren weiter nach rechts gewandert. Das sehen wir bei der FPÖ ganz klar an der irrationalen und gegenüber Verschwörungstheorien offenen Haltung zur Corona-Pandemie, der Relativierung bzw. Hinwendung zu den Identitären durch Kickl, der propagierten Abschaffung des Asylrechts („Festung Europa“, „Remigration“, „Zuwanderungsstopp“) oder der Abbildung der Kornblume (ehem. Erkennungszeichen der illegalen Nazis im Ständestaat) im Sujet der aktuellen Kampagne „Heimat-Sommer“. Bei der ÖVP geht es in eine ähnliche Richtung: ganz offen und ehrlich wird vertreten, dass Integration Anpassung bedeute, die Abschiebepläne der gescheiterten Tory-Regierung nach Ruanda werden als Vorbild für die EU gelobt und wichtige Maßnahmen zum Klimaschutz torpediert („Verbrenner-Aus“, Erneuerbare-Wärme-Gesetz, Renaturierungsgesetz usw.).
Auf der anderen Seite sehen wir das politische Pendel ein Stück weiter nach links ausschlagen. Die Vorsitzwahl in der SPÖ im Juni 2023 brachte mit Andreas Babler einen vermeintlichen Linksruck. Auf einmal waren Arbeitszeitverkürzung, Vermögens- und Erbschaftssteuer wieder politische Themen. Und nach dem Wahlsieg der KPÖ in Graz 2021 sahen wir in den letzten beiden Jahren weitere beachtliche Wahlerfolge in Salzburg und Innsbruck.
Kurzum, wir beobachten eine stärkere politische Polarisierung nach links und rechts, die aber bisher zugunsten der rekonstituierten FPÖ unter Kickl ausfällt. Für die Arbeiter:innenklasse steht das politische Kräfteverhältnis somit grundsätzlich nicht gut, doch scheint es in der aktuellen Situation möglich, die sozialdemokratische Dominanz über die Arbeiter:innenbewegung aufzubrechen oder zumindest aufzuweichen, was mit einer Reorganisierung, neuen Kämpfen und politisch-ideologischen Verschiebungen einhergehen kann. Das wäre durchaus wichtig in einer Situation, in der die reaktionären Kräfte gestärkt aus den Nationalratswahlen hervorgehen und zu neuen Offensiven gegen die Lohnabhängigen ausholen werden. Die Aufgabe von Marxist:innen ist allerdings weiterhin einen erfolgreichen Weg zu finden, den politischen und organisatorischen Kern einer revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse zu schaffen.
Die politische Auseinandersetzung rund um die Nationalratswahlen findet vor dem Hintergrund einer stagnierenden bis rezessiven wirtschaftlichen Entwicklung statt. Nach der Erholung von der Corona-Wirtschaftskrise erlebten wir 2023 eine neuerliche Rezession mit -0,8 % des BIP. Alle Prognosen einer bescheidenen wirtschaftlichen Erholung für das heurige Jahr mussten Schritt für Schritt nach unten korrigiert werden, sodass davon wohl nichts übrigbleiben wird. Im Industriebereich wie im Baugewerbe herrscht Rezession, die volkswirtschaftlich betrachtet durch die Erholung im Dienstleistungsbereich kompensiert wird. Mehrere Industriebetriebe haben angefangen, Beschäftigte zu entlassen und es drohen weitere. Die exportorientierte österreichische Wirtschaft leidet unter der konjunkturellen Flaute in Deutschland und Europa. Aber auch die Kombination von hohen Energiekosten, Mangel an (billiger) Arbeitskraft und Inflation hat vor allem in Bau, Handel und Industrie viele Unternehmen belastet. In diesem Jahr wird mit einem Rekord an Firmenpleiten gerechnet. Doch während die Inflation zurückgegangen ist und die Wirtschaftsforschungsinstitute schon auf den rettenden Aufschwung im nächsten Jahr verweisen, signalisieren Kursverluste an den internationalen Börsen die Angst vor einem Wirtschaftsabschwung in den USA, was natürlich negative Auswirkungen auf den Weltmarkt haben würde. Wir können also davon ausgehen, dass jede neue Regierung, egal von welchen Parteien sie gestellt wird, konjunkturbelebende Maßnahmen setzen und die strauchelnden Kapitalist:innen unterstützen wird. Darüber hinaus hat die EU-Kommission vom Finanzministerium aufgrund der Staatsverschuldung und des Budgetdefizits von knapp über 3 % Einsparungen in der Höhe von 11,6 Mrd. Euro bis ins Jahr 2028 verlangt. Das sind Maßnahmen die auf Kosten der breiten, lohnabhängigen Bevölkerung getätigt werden und unseren Lebensstandard, zusätzlich zu den deutlich gestiegenen Preisen und der Arbeitslosigkeit, nur weiter bedrohen.
Der Kapitalismus steckt in einer tiefen Verwertungskrise, die sich durch die geopolitischen Spannungen mit China, der offenen Konfrontation des Westens mit Russland, der Eskalationsgefahr im Nahen Osten und der zunehmenden Klimakrise verschränkt und weiter verschärft. Die österreichische Bourgeoisie verbleibt weiterhin in ökonomischer Verflechtung mit dem deutschen Imperialismus als führender Kraft im europäischen Block. Das bedeutet trotz „immerwährender Neutralität“ die militärische Einordnung gegen den „Hauptfeind“ Russland, zum Beispiel durch politische Unterstützung der Wirtschaftssanktionen und der Beteiligung am Raketenabwehrsystem „Sky Shield“. Auch beim Aufrüsten ist Österreich fix dabei und investiert 16 Milliarden Euro bis zum Jahr 2032, unter anderem in 225 neue Pandur-Radpanzer. Und im Nahen Osten ist Österreich ganz vorne dabei in der bedingungslosen politischen Unterstützung des mit dem Westen verbündeten Israel im genozidalen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung.
Die FPÖ wird aller Voraussicht nach die Nationalratswahlen gewinnen. In linksradikalen, linken und liberalen Kreisen geht die Angst vor einem rechtskonservativen Regierungsblock um und damit vor der faktischen Aushebelung des Asylrechts, Angriffen auf das Sozial- und Pensionssystem sowie dem Abbau demokratischer Rechte. Diese Gefahr ist selbstverständlich ernst zu nehmen. Die Linke und die Arbeiter:innenbewegung tun gut daran, sich auf einen solchen Fall vorzubereiten und gegen eine derartige Regierung und ihre Angriffe zu mobilisieren. Allerdings scheint es aus heutiger Sicht tendenziell unwahrscheinlich, dass es zu einer von Kickl als „Volkskanzler“ geführten blau-schwarzen Regierung kommt. Dessen Vorgehen als Innenminister in schwarz-blauen Kurz-Regierung, samt Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, hat auch der ÖVP wenig Freude bereitet. Die freiheitliche Corona-Politik und die radikale Rhetorik Kickls zeigen irrationale und unberechenbare Züge. So überrascht es nicht zu sehr, dass ÖVP-Chef Nehammer Kickl als Sicherheitsrisiko bezeichnete und eine Koalition ausschloss, solange dieser Parteivorsitzender sei, wobei er eine Koalition mit der FPÖ grundsätzlich offen ließ. Nun kann es natürlich sein, dass nach der Wahl alles anders aussieht, Nehammer zurücktritt und die ÖVP Kickl doch akzeptiert. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Kickl seine persönlichen Ambitionen als Kanzler zurücksteckt um eine FPÖ-geführte Regierung zu ermöglichen und die Fäden als Partei-Chef und/oder Klub-Obmann zieht. Etwas realistischer, gerade in Anbetracht der breiten Ablehnung Kickls, scheint das Szenario einer „Großen Koalition“ plus, in der sich die beiden ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ mit einer dritten Kraft zusammenschließen, um die FPÖ in der Regierung zu verhindern. Mehrheitsbeschaffer:innen wären dann wahlweise die Grünen oder die NEOS, je nach ihrer Bereitschaft zu Zugeständnissen, um sich somit als Brandmauer zu inszenieren. In der SPÖ würde so eine Koalition wohl deutlich einfacher nach einem Abtritt von Andreas Babler als Parteichef einhergehen, aber – auch wenn nicht – zumindest die anfangs erhoffte, positive Neuausrichtung der SPÖ unter ihm endgültig beenden… Mit einer solchen „Anti-Kickl-Koalition“ wäre es womöglich einfacher, eine stabile bürgerliche Regierung zu bilden, welche den pro-europäischen Kurs und die derzeitige politische Ausrichtung unterstützt, in Österreich die Aufrüstung vorantreibt, die Kapitalist:innenklasse subventioniert und über „realistische“ (d.h. im Sinne des Kapitals) Klimapolitik die Produktivkräfte modernisiert und Energieautarkie (insbesondere gegenüber Russland) vorantreibt. Doch auch in diesem Fall bliebe die Gefahr von rechts bestehen, die ÖVP würde sich weiterhin vor der FPÖ hertreiben lassen, der Ausschluss der FPÖ trotz Wahlsieg würde radikale Rechte ermutigen und Kickl hätte weiter die Möglichkeit, sich als bevölkerungsnahe Opposition gegen das Establishment zu inszenieren und seine vergiftende Politik weiter in der Bevölkerung zu verankern.
Auf der anderen Seite steht die Arbeiter:innenbewegung weitgehend passiv. Gegen die Teuerung der letzten Jahre wurden zwar teils harte Kollektivvertragsverhandlungen samt Warnstreiks in manchen Branchen geführt, doch ein branchenübergreifender Kampf, geschweige denn eine politische Bewegung der Arbeiter:innenklasse, hat sich unter Führung der verräterischen Gewerkschaftsbürokratie nicht gebildet. Auch die Hoffnungen in den Linksruck der SPÖ haben sich nicht erfüllt. Andreas Babler hat es verabsäumt, die Basis für einen linken Kurs zu mobilisieren und sich stattdessen lieber auf Kompromisse mit der Wiener Landespartei, die ihn ja gegen den burgenländischen Landeshauptmann Doskozil unterstützte, orientiert. Daran, dass er nur in einem Drittel der Partei wirklichen Rückhalt besitzt, hat sich in den vergangenen 12 Monaten nichts geändert. In der Asylpolitik hat Babler keinen klaren Gegenpol zum allgegenwärtigen Staatsrassismus formuliert, sondern das schon existente „Kaiser-Doskozil“-Papier gemäß dem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) „nachgeschärft“, welches Asylverfahrenszentren an den EU-Außengrenzen vorsieht und die Festung Europa grundsätzlich fortschreibt. Von einer Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich, welche Babler zu Beginn seiner Tätigkeit als SPÖ-Chef propagierte, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Stattdessen wird nun eher von der 4-Tage-Woche gesprochen, welche als Pilotprojekt gemeinsam mit Unternehmen angegangen werden soll. Auch wenn eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung gesetzlich angestrebt wird, wird darüber nicht mehr gesprochen und es gibt schon gar keine Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse, die zu einer Durchsetzung nötig wäre. So gerät auch dieses Thema als nicht durchsetzbar ins „realpolitische“ Hinterfeld.
Die Grüne Partei hat sich in ihrer Koalition mit der ÖVP zur Steigbügelhalterin der Hauptpartei der österreichischen Bourgeoisie gemacht. Aus ihrer Sicht mit gutem Grund, geht es ihr doch um den nachhaltigen Umbau der auf fossilen Brennstoffen basierenden kapitalistischen Wirtschaft. Dabei sind durchaus Reformen gelungen, in zähen Verhandlungen mit der ÖVP und zum Teil gegen sie (Renaturierungsgesetz). Um die Erreichung der österreichischen Klimaziele vorgeblich nicht zu gefährden, sind die Grünen ein weiteres Mal bereit, den politischen Hauptarm der Bourgeoisie an die Spitze des Staates zu hieven. Bundesparteichef und Vizekanzler Werner Kogler hat etwa im Sommergespräch unmissverständlich klargemacht, dass er und seine Partei „Verantwortung“ übernehmen wollen und zu diesem Zweck im Rückblick auf die Arbeit der Regierung die Mauer für die ÖVP gegen jegliche Kritik gebildet. Daraus können wir ablesen, dass sich die Grünen quasi bedingungslos für eine Koalition hergeben werden, solange sie umweltpolitische Reformen auf den Weg bringen dürfen. Wir teilen zwar durchaus die Meinung, dass es keine Zeit zu verlieren gibt, um die Gesellschaft klimafreundlicher zu gestalten. Doch wir warnen– trotz mancher Fortschritte – vor der Illusion eines grünen Kapitalismus. Für eine nachhaltige Transformation muss die Ausbeutung der Natur und die Emission von Treibhausgasen beendet werden. Das ist ein Unterfangen, das mit der Logik der Profitmaximierung des Kapitals im Widerspruch steht und das nur im Rahmen einer international geplanten Wirtschaft zu verwirklichen ist. Die politische Perspektive der Grünen dient dagegen letztlich nur zur Erneuerung der technologischen Basis des österreichischen Kapitals im Rahmen der imperialistischen Konkurrenz am Weltmarkt.
Geht es nach den aktuellen Umfragen, zieht eine neue Partei in den Nationalrat ein, und zwar die BIER-Partei. Ursprünglich als eine Art Satireprojekt vom Frontmann Dominik „Marco Pogo“ Wlazny der Band „Turbobier“ gegründet, ist sie 2019 schon einmal bei den Nationalratswahlen angetreten. Wlazny kandidierte 2022 auch bei den Präsidentschaftswahlen und erhielt 8,3 %. Die Partei, die ihren alkoholverherrlichenden Namen nun mit „Bin in einer Reformbewegung“ umdeutet, versucht vor allem Menschen anzusprechen, die mit den etablierten Parteien und der Politik im Allgemeinen unzufrieden sind. Zwar wird sie in den Medien immer wieder einmal als Alternative für linke Wähler:innen bezeichnet, die sie schlicht nicht ist. Ihre kaum existente Programmatik (die Inhalte werden als „Menü“ präsentiert und sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle verfügbar) offenbart rasch ihren kleinbürgerlichen Charakter, der keine gegensätzlichen Klasseninteressen anerkennt, quasi vorgeblich unabhängig für die einfachen Bürger:innen eintreten möchte und daher so gut wie keine sozialpolitischen Forderungen, sondern hauptsächlich pseudo-demokratische Konzepte bedient. So findet man als wesentlichen Teil des „Menüs“ das „Entpolitisierungspaket“, wo man dann Ideen wie Eignungstests für Minister:innen, ein parteipolitisch unabhängiges Zukunftsministerium aus „Expert:innen“ oder schärfere Offenlegungspflichten für Politiker:innen findet. Der besagte Eignungstest für Minister:innen besteht dann darin, dass eine Kommission aus Vertreter:innen aller Parteien und genauso vielen Expert:innen (ausgewählt von einem Beratungsunternehmen!) über eine Auswahl von Kandidat:innen der regierungsbildenden Parteien entscheidet. Auch die im Menü beschriebenen „Menschenräte“ sind keine Vertretung der einfachen Bevölkerung, geschweige denn eine Alternative zur Herrschaft des Kapitals. Es sind die wohlbekannten Bürger:innenräte, deren Zusammensetzung gelost wird und die wiederum mit „Expert:innen“ politische Vorschläge ausarbeiten sollen. Man wolle zwar ändern, dass diese wie jene vom Klimarat nicht ernstgenommen werden – wie, wird allerdings nicht gesagt. Für die Arbeiter:innenklasse ist die BIER-Partei keine Lösung, denn sie steht mit ihrer Entpolitisierung vor allem für politische Unklarheit, aber mit ihrem Konzept auch für eine Technokratisierung und damit auch Entdemokratisierung der Politik. Das ist nicht irgendwie links, weil gegen die Politiker:innen, sondern reaktionär. Die Arbeiter:innenklasse braucht am allerdringlichsten eine politische Partei, die ihre Interessen als Klasse abbildet und vertritt und in letzter Konsequenz eine Regierung, die von der Arbeiter:innenklasse kontrolliert wird und nicht von irgendwelchen Expert:innen, die mit sicherer Wahrscheinlichkeit einen anderen Klassenstandpunkt vertreten.
Was diese Nationalratswahlen besonders brisant macht, ist nicht nur der wahrscheinliche Wahlsieg der FPÖ (was das erste Mal bei einer NR-Wahl wäre), sondern auch ein möglicher Einzug der KPÖ in den Nationalrat, was das letzte mal 1956 passiert ist. In den jüngeren Umfragen liegen die „Kommunist:innen“ bei 2-4 %, es ist also durchaus möglich, die 4 % Hürde zu knacken. Das wäre nicht nur ein enormer Erfolg für eine linke Partei, es würde auch die politische Auseinandersetzung in Österreich verändern, wenn es eine bundesweite Kraft gibt, die die Bezeichnung kommunistisch trägt und linke Opposition sein kann. Zusätzlich wäre es ein Test für die KPÖ, wie sie diese Opposition ausfüllen kann.
Doch so sehr die KPÖ auch ihren Namen verteidigen mag, sonderlich kommunistisch ist ihre Politik nicht. Eine klassenkämpferische Haltung, das Tragen eines revolutionären Bewusstseins in die Klasse, internationalistische Standpunkte, eine Perspektive über den Kapitalismus hinaus, all davon findet man in ihrer politischen Praxis keine Spur. Stattdessen inszeniert sich die KPÖ lieber als die „Wohnen-Partei“, als ehrliche Helfer:innen (Stichwort Sozialberatung) und vermeidet eine klare Positionierung auf Seiten der Palästinenser:innen („Aktive Neutralitätspolitik“). Der Spitzenkandidat Tobias Schweiger betont dabei gerne, nicht mehr versprechen zu wollen, als man halten könne (sowohl in der Zeitschrift „Tagebuch“, als auch in der Zeit im Bild). Das trifft die Bescheidenheit der KPÖ sehr gut, verdeutlicht aber gleichzeitig die beschränkte politische Perspektive, die sie formuliert. Das bestätigt sich auch bei einem Blick in das Wahlprogramm „Eine Stimme für leistbares Wohnen“: Hier findet man zwar eine Reihe von unterstützenswerten Reformen aber auch keine gesellschaftspolitische Perspektive über den Kapitalismus hinaus und auch keinen Bezug auf die Arbeiter:innenklasse als Träger:in eines gesellschaftlichen Wandels. Dafür gibt es wieder einmal viel über Neutralität und Friedenspolitik, was zwar im Sinne der Ablehnung eines NATO-Beitritts und weiterer Aufrüstung gut klingt, doch gleichzeitig die Tatsache verkennt, dass auch die österreichische Arbeiter:innenklasse im internationalen Klassenkampf nicht neutral sein kann (auch nicht auf militärischem Gebiet). Kurz gesagt: Die KPÖ ist eine Partei die zwar ideologisch und historisch zur „kommunistischen Bewegung“ gehört, aber dennoch eine reformistische Partei ist, die den Lohnabhängigen keine Strategie zur Überwindung des Kapitalismus bietet.
Wir unterstützen dennoch kritisch die KPÖ bei den Nationalratswahlen. Ein Erfolg würde einen Raum für Politik links der Sozialdemokratie öffnen und eine historische Möglichkeit bedeuten, die Dominanz der sozialdemokratischen Bürokratie über die Arbeiter:innenbewegung herauszufordern. Zusätzlich kandidiert die KPÖ in Wien gemeinsam mit der kleinen Partei LINKS, in der auch wir vom Arbeiter:innenstandpunkt aktiv sind und für ein revolutionär-marxistisches Verständnis von Antikapitalismus arbeiten. In diesem Sinn rufen wir dazu auf die Spitzenkandidatin von LINKS, Anna Svec, auf der Bundesliste der KPÖ, und unsere eigene Kandidatin Heidi auf Platz 31 der Wiener Landesliste und Platz 3 in Wien Nord-West zu unterstützen!