Arbeiter:innenmacht

Massenentlassungen bei der Bahn drohen: Hier hilft nur Arbeitskampf

PoliticalPost DE, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Lia Malinovski, Infomail 1261, 27. Juli 2024

Die Deutsche Bahn will in den kommenden fünf Jahren 30.000 Stellen streichen. Das sind etwa 15 % aller Beschäftigten bei der Bahn. 1.500 davon geht es schon dieses Jahr an den Kragen. Hintergrund ist der Milliardenverlust in den letzten 6 Monaten, den die Bahn zu verzeichnen hatte. Zwar sollen vor allem in der Verwaltung Stellen gestrichen werden, die Auswirkungen werden sich aber auf das gesamte System erstrecken.

Auswirkungen der „Haushaltskrise“

Nach den Streitereien über den Bundeshaushalt und den Streichungen für den Klima- und Transformationsfonds ist diese Entwicklung nur logisch: Um das notwendige Geld für die Instandhaltung der Infrastruktur in Ansätzen aufzutreiben, wurde der Eigenkapitalanteil des Bundes bei der Bahn erhöht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Gewinne zu erwirtschaften. Da das System Bahn nicht läuft, die Züge unpünktlich wie nie sind und keine Ziele des Konzerns eingehalten werden, muss das Geld also anderswo hergenommen werden. Es folgen Spardiktate um Spardiktate. Beschäftigte und Nutzer:innen der Bahn leiden darunter am stärksten. Schon jetzt wurden Streichungen von Verbindungen im Fernverkehr angekündigt. Der Personalmangel besonders bei Lokführer:innen und Fahrdienstleiter:innen belastet die Kolleg:innen und führt regelmäßig zu Zugausfällen. Gleichzeitig konnten sich vor kurzem noch die Bahnvorstände mit Boni ihre Taschen vollstopfen.

Die neue Ankündigung der Bahn stellt ihre gesamte Argumentation in der Tarifrunde mit der GDL völlig auf den Kopf: Wurde letztens noch behauptet, eine 35-Stunden-Woche sei nicht möglich, weil an allen Ecken und Enden Personalnotstand herrscht, heißt es jetzt aus Frankfurt, dass es zu viel Personal gäbe und man „in Zukunft mehr Bahn mit weniger Menschen schaffen“ müsse (Finanzchef Levin Holle). Die Zustände für das Personal werden also nur weiter verschlechtert statt verbessert.

GDL und EVG gemeinsam gegen den Stellenabbau!

Die beiden Gewerkschaften EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) müssen den Kampf gegen den Stellenabbau gemeinsam aufnehmen. Angesichts der Streichung von 15 % der Stellen können sich die Beschäftigten der Bahn keine weitere Spaltung der Basis leisten! Es ist Zeit, gemeinsam vorzugehen. Um den Abbau zu stoppen, müssen wir einen massiven Arbeitskampf mit Streiks gegen den Kahlschlag planen und durchsetzen.

Wir dürfen nicht zusehen, wie die Bahn weiter heruntergewirtschaftet wird und sich die Bosse auf Kosten der Beschäftigten die Taschen füllen! Daher brauchen wir jetzt Personalversammlungen in allen Abteilungen und Betriebsstätten, um darüber zu diskutieren, wie wir den Kahlschlag jetzt gemeinsam stoppen können. Die Beschäftigten müssen auf den Versammlungen Aktionskomitees wählen, die den Kampf führen und dort Rechenschaft vor der Belegschaft ablegen müssen und von der Basis abwählbar sind. Letztere müssen über die Dauer und Ziele eines Arbeitskampfs entscheiden, denn die Führungen von EVG wie GDL beweisen immer wieder, dass sie die Ziele am Ende doch verraten oder erst gar nicht den Kampf angehen. Ob in der Tarifrunde der EVG Anfang 2023 oder in der der GDL Ende 2023 – Anfang 2024, die Ziele wurden nicht eingehalten, trotz der teils kämpferischen Rhetorik!

Nun stehen wir vor einer noch schwierigeren Situation, denn es herrscht Friedenspflicht. Die Gewerkschaften dürfen sich davon ebenso wenig wie vom Tarifrundenritual und von der Sozialpartner:innenschaft fesseln lassen! Ein erster Schritt muss darin bestehen, dass die Personalräte jede Zusammenarbeit mit dem Unternehmen aufkündigen, keine Überstunden mehr genehmigen und auch alle anderen Maßnahmen ergreifen, um den Druck auf den Bahnvorstand zu erhöhen. Zweitens müssen wir selbst – orientiert an den Tarifverträgen Entlastung im Gesundheitswesen – den Kampf für massive Neueinstellungen aufnehmen. So können wir faktisch gegen die Entlassungspläne streikfähig werden und einen landesweiten, unbefristeten Bahnstreik vorbereiten.

Aktuell scheint ein gemeinsamer Kampf zwischen EVG und GDL fast schon eine Utopie. Die Gewerkschaftsführungen greifen sich gegenseitig an und auch unter den Kolleg:innen spürt man die Spaltung. Davon profitiert aber in erster Linie der DB-Vorstand, der mit weniger kämpferischen und durchsetzungsfähigen Arbeitskämpfen rechnen kann. Auch die Spitzen von GDL und EVG haben ein Interesse daran, diesen Zustand aufrechtzuhalten, müssten sie sich doch in einer gemeinsamen Gewerkschaft ihre Posten teilen. Auch für die Sozialpartner:innenschaft, besonders jene der EVG, würde eine gemeinsame Gewerkschaft heißen, mit mehr kämpferischen Elementen umgehen zu müssen. Um also einen effektiven Kampf aufzubauen, müssen wir auch gegen die Vorstände der Gewerkschaften kämpfen!

Es darf aber nicht dabei stehengeblieben werden, den Stellenabbau zu stoppen: Um die Verkehrswende zu meistern, ist eine gut funktionierende Bahn unumgänglich. Dafür muss der Personalnotstand besonders beim Fahr- und Stellwerkspersonal aufgelöst werden! Es braucht einen massiven Ausbau der Ausbildungskapazitäten, eine grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Azubis, sowie fertiges Personal, Planung der Schichten mit den Beschäftigten gemeinsam und vieles mehr!

Der Kampf gegen die Entlassungen müsste zugleich mit dem für eine Bahn verbunden werden, die sich auch am Interesse der Nutzer:innen, von Berufspendler:innen und der arbeitenden Bevölkerung orientiert. Ein erster unmittelbarer Schritt dazu wäre die Garantie des 49-Euro-Tickets sowie die Einführung eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs.

Die Perspektive muss klar sein: Die Bahn muss wieder in öffentliche Hand! Wir stehen ein für eine Verstaatlichung der Bahn, aber unter Kontrolle der Beschäftigten und Nutzer:innen, nicht der Ministerialbürokratie! Wissing, Lutz und Co. sind nicht in der Lage, die Bahn zu retten und den Beschäftigten angemessene Arbeitsbedingungen zu bieten. Das müssen wir schon selber tun!

  • Gemeinsamer Arbeitskampf alle Bahnbeschäftigten gegen die drohenden Massenentlassungen! Für ein massives Programm zum Ausbau des Bahnverkehrs, finanziert aus den Profiten des Privatkapitals, insbesondere der Autoindustrie!
  • Für eine flächendeckende Umsetzung der 35-Stunden-Woche ohne Lohn- und Personalverlust! Transparente Kontrolle der Einteilung der Schichten durch die Beschäftigten!
  • Für den massiven Ausbau der Ausbildungskapazitäten und Verbesserung der Ausbildungsbedingungen! Entlohnung angepasst an die Inflation und rechtzeitige Einteilung der Schichten!
  • Für eine gleitende Lohnskala, Löhne angepasst an die Inflation!
  • Schluss mit der Spaltung! Für eine gemeinsame kämpferische Gewerkschaft aller Eisenbahner:innen, mit jederzeitiger Wähl- und Abwählbarkeit und Rechenschaftspflicht aller Funktionär:innen!
  • Vollversammlungen in allen Abteilungen und Betriebsstätten, Wahl von Aktionskomitees zur Leitung des Kampfes!
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