Arbeiter:innenmacht

Für ein sozialistisches und demokratisches Palästina!

Arbeiter:innenmacht-Rede, Infomail 1223, 23. Mai 2023

In Berlin wurden in den letzten Wochen alle Veranstaltungen in Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf von der Versammlungsbehörde und den Gerichten verboten oder, wie am 20. Mai, von der Polizei aufgelöst. Unsere Rede konnte daher an diesem Tag nicht vollständig gehalten werden. Wir veröffentlichen sie hier im Wortlaut.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich stehe hier vor euch als eine kurdische Frau, die den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit, gegen Unterdrückung, Vertreibung, Landraub und Besetzung genauso kennt, wie ihr.

Uns trennen vielleicht tausende Kilometer, aber egal ob in Rojava oder in Palästina, wir als Kommunist:innen verstehen den Kampf um Freiheit als einen Kampf um die grundlegenden Rechte eines jeden Menschen auf ein Leben in Würde, ein Leben in Freiheit, ein Leben ohne Herrschaft und Unterdrückung.

Und auch wenn wir heute hier sind, um der Vertreibung und Ermordung von Millionen Palästinenser:innen zu gedenken, sind wir vor allem hier, um den Widerstand nicht nur in unseren Herzen weiter aufrecht zu erhalten, sondern um uns die Straßen wieder zurück zu holen. 75 Jahre Nakba heißt 75 Jahre Vertreibung, Mord und Unterdrückung. Im palästinensischen Gedächtnis ist das Jahr 1948 das Jahr der Katastrophe, in welchem innerhalb eines Jahres mehr als 750.000 Palästinenser:innen aus ihrer Heimat entwurzelt und in die Flucht getrieben wurden. Dabei sollte nicht vergessen werden, die Nakba war eine geplante, systematische ethnische Säuberung Palästinas, die nach der UN Teilungsresolution im November 1947 begann und ihren Höhepunkt in den Monaten vor der Staatsgründung Israels hatte. Die Motive für die ethnische Säuberung sind dabei klar, ein jüdischer Staat in welchem Palästinenser:innen nicht wie historisch gesehen in der Mehrheit sondern in der Minderheit oder gar nicht vorhanden sind. Ziel war es, dass ganze Mandatsgebiet Palästinas zum Staat Israel zu machen. Die Massaker, welche in der Nakba an der arabischen Bevölkerung verübt wurden, waren und sind bis heute Staatsräson Israels und laut Aussagen von Politiker:innen wie Menachem Begin, hatten all die Massaker von Deir Yassin bis zur Staatsgründung Israels seine Berechtigung. Ich frage mich: Wie können die Massaker an der einheimischen Bevölkerung je eine Berechtigung haben, und welcher Staat wurde auf diesem blutigen Boden gegründet? Die Auswirkungen dieser Vertreibung sind immens: Etwa die Hälfte der Palästinenser:innen, fast 6 Millionen Menschen, lebt heute in der Diaspora – mehr als 50 % der gesamten palästinensischen Bevölkerung sind Geflüchtete. Und dieser Zustand hat sich bis heute nicht verbessert. Alleine diese Woche sind mehr als 13 Menschen in Gaza ermordet worden, damit sind seit Jahresbeginn mehr als 110 Menschen ums Leben gekommen. Das heißt, dass alle 3-4 Tage ein Mensch in Palästina ums Leben kommt.

Aktuell scheint die Lage in Israel und Palästina zu eskalieren. Zehntausende Israelis gingen gegen die Angriffe der israelischen Regierung gegen die vermeidliche demokratische Verfassung des Landes auf die Straße! Auch wenn bestimmt einige mutige Menschen unter den Demonstrierenden sind, so finden wir Heuchelei und Doppelmoral in ihrer Bezeichnung von „Demokratie“. Denn gegen die Massaker in Dschenin gingen nur einige Hundert auf die Straßen.

Menschen in Israel versuchen eine „Demokratie“ zu retten, die es nie gab! Denn es sind 75 Jahre andauernde, militärische Besatzung, welche die Grundsätze von Demokratie und Freiheit mit Füßen tritt und nie auch nur ein bisschen geachtet hat. Dass die Wut, die Reaktionen und auch der bewaffnete Widerstand der Palästinenser:innen gegen dieses systematische Morden und Vertreiben nicht gleich zu setzen ist mit dem was der israelische Staat verübt, ist für uns eindeutig. Denn die Gewalt der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker:innen kann in keiner Weise mit der Barbarei der militärischen und zivilen Besatzungstruppen gleichgesetzt werden. Und revolutionäre Kommunist:innen müssen im Kampf gegen den rassistischen, israelischen Siedler:innenkolonialstaat an der Seite der palästinensischen Widerstandsbewegung und der arbeitenden Massen stehen, während sie gleichzeitig die Ideologie, Strategie und Taktik der Führung der Bewegung schonungslos kritisieren müssen. Denn egal ob in Gaza unter einer islamischen Führung, im Westjordanland unter der bürokratischen Fatah oder in Israel unter einer reaktionären und konservativen Führung: Keine dieser Führungen hat das Interesse, die Unterdrückten und Arbeiter:innen zu befreien und diesen Kampf zu vereinen. Dies muss Aufgabe von uns sein! Wir müssen uns zusammenschließen und gemeinsam kämpfen, für eine Welt in welcher die Bedürfnisse der Menschen über denen der Reichen und Besitzenden stehen.

Die in Oslo geplante und von den USA, Großbritannien und weiteren Staaten unterstützte „Zwei-Staaten-Lösung“ hat sich als Utopie erwiesen. Israel hat sie nie umgesetzt, sondern unter dem Deckmantel von Oslo den verbleibenden, zusammenhängenden Teil Palästinas mittels neuer Siedlungen weiter zerstückelt. Die einzige Lösung ist ein einheitlicher Staat für Israelis und Palästinenser:innen.

Dies hat jedoch nichts mit einer Vertreibung der jüdischen Bevölkerung zu tun, denn es muss auch in ihrem Interesse sein, in einem Land zu leben in Frieden mit all jenen, die ebenfalls dort wohnen. Es bedeutet aber auch das Rückkehrrecht für alle Palästinenser:innen in ihre Heimat und das Ende eines Staates, der ausschließlich von und für jüdische Israelis regiert wird. Wir glauben, dass nur die Arbeiter:innenklasse beider Nationalitäten und des gesamten Nahen Ostens eine fortschrittliche Lösung herbeiführen kann. Wir treten dafür ein, dass ein multiethnischer Staat ein sozialistischer sein sollte, da nur so die Beendigung der nationalen Unterdrückung mit einer gerechten Reorganisation der Wirtschaft im Interesse aller Lohnabhängigen, Bauern und Bäuerinnen verbunden werden kann. Und um es noch einmal deutlich zu sagen: Der Kampf um ein befreites Palästina wird und muss von der palästinensischen Arbeiter:innenklasse geführt werden! Die israelische Arbeiter:innenklasse muss den Zionismus abweisen und ihn vehement bekämpfen, und kann dann erst einen Kampf Schulter an Schulter mit den Palästinenser:innen führen. Das heißt die Führung einer neuen Intifada liegt in den Händen der unterdrückten Massen Palästinas und der Unterdrückten weltweit! Widerstand gegen Besatzung ist legitim, ob in Palästina, Kurdistan oder in der Ukraine!

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