Arbeiter:innenmacht

Die SPD wird stärkste Kraft in Bremen??

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Anne Moll/Karl-Heinz Hermann, Infomail 1222, 14. Mai 2023

Musste die SPD 2019 noch bangen, die Regierungsmehrheit zu verlieren und seit 1945  nicht mehr an der Landesregierung in Bremen beteiligt zu sein, steht sie, laut Umfragewerten, eine Woche vor der nächsten Wahl deutlich besser da.

Bremer Senatsgeschichte

Sie regiert im Zwei-Städte-Staat also ununterbrochen seit dem 2. Weltkrieg, darunter in 2 von den Alliierten ernannten Senaten vor der ersten Landtagswahl 1946 (Vagts, Kaisen I). In den ersten 3 Senaten, darunter dem ersten gewählten (Kaisen II), saß auch die KPD gemeinsam mit BDV (Bremer Demokratische Volkspartei, ab 1951 in die FDP übergegangen) und SPD.

Hat sie etwas richtig oder haben die an der Landesregierung beteiligten Parteien, die Grünen und DIE LINKE, alles falsch gemacht?

Bilanz des Senats Bovenschulte (Rot-Grün-Rot)

Wenn wir uns die Politik der letzten Jahre in Bremen anschauen, sind die Probleme alle noch da, und einige haben sich verschärft.

In der Wahrnehmung der Menschen dort gilt allerdings nicht vor allem die SPD als unfähig, sondern ihre Koalitionspartner:innen haben sehr viel mehr mit Kritik und auch mit Stimmenverlusten zu kämpfen.

Die Grünen, werden besonders über die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau und Stellvertreterin des Präsidenten des Senats, Bürgermeisterin Maike Schaefer, bewertet – und hier besonders negativ. Die Idee, Bremen als Fahrradstadt umzugestalten, wurde von einer großen Minderheit sehr positiv aufgenommen. Die Realisierung dieses durchaus strittigen Vorhabens – unserer Meinung nach sollte der Schwerpunkt auf dem ÖPNV, insbesondere dem schienengebundenen, liegen – erfolgte aber so chaotisch und wenig konsequent, dass auch diejenigen, die hinter der Idee stehen, es den Grünen nicht zutrauen, diese auch umzusetzen.

DIE LINKE mit der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Claudia Bernhard, zeigt große Schwächen bei den Lösungsansätzen für die seit Jahrzehnten verschuldeten kommunalen Krankenhäuser. Klar: Die Probleme hat DIE LINKE nicht verschuldet, aber sie versucht, diese Lösung nun gegen die Beschäftigten durchzudrücken, was ihr einen großen Stimmenverlust einbringen wird.

Die SPD hat es geschafft, sich als stabilisierend und verlässlich darzustellen, obwohl das Wirtschaftsressort auch von der Linkspartei geführt wird und es um die Bildung in Bremen schlechter wohl nicht mehr bestellt sein kann – ein Ressort, das von der SPD bekleidet wird.

Wahlprognosen

Erklären kann dies nur die Besonderheit in Bremen, traditionell SPD zu wählen, um die CDU zu verhindern, gepaart mit einem Sympathieträger wie dem Bürgermeister und Senatspräsidenten Andreas Bovenschulte, der so bodenständig und vertrauenswürdig daherkommt im Gegensatz zu seinem Vorgänger Sieling, der als distanzierter Bürokrat wahrgenommen wurde.

Die SPD konnte sich in der Koalition der letzten Jahre damit hervortun, dass sie den Mindestlohn in Bremen und Bremerhaven eher erhöht hatte, als der Bund das vorsah. Außerdem hält sich die Meinung, dass die Bremer Regierung die Pandemie ganz gut gemanagt hat. Es gab schnell viele Testzentren, kurzfristig FFP2-Masken umsonst, die Impfungen liefen organisiert und es gab wegen der Pandemie keine Massenentlassungen.

Zusätzlich spielt natürlich die höhere Erwerbsquote eine Rolle. Besonders für Bremerhaven konnte hier gepunktet werden. Was allerdings weniger eine Bremer Leistung ist, als ein bundesweiter Trend und im Großunternehmen Daimler gibt es seit Monaten Produktionsprobleme, vor allem wegen der Zulieferung, und es wurden in diesem Jahr hunderte Leiharbeiter:innen nicht weiterbeschäftigt.

Aber auch die CDU ist politisch ideenlos, kann keine neuen Lösungsansätze bieten, kritisiert vor allem die schlechte Politik der jetzigen Regierung und das reicht in Bremen nicht, um die SPD abzulösen.

Neben der Besonderheit, dass, wie zuweilen mancherorts außerhalb des kleinsten Bundeslands gewitzelt wird, bereits Karl der Große Bremen als Lehen auf Lebenszeit an die SPD verpachtet habe, gibt es bei dieser Wahl eine weitere: Die AfD steht nicht auf dem Stimmzettel. Sie hat es geschafft, sich in Bremen und Bremerhaven so zu zerstreiten, dass sie dadurch gar nicht zugelassen wurde. Aber der rechte Flügel bleibt nicht unbesetzt: Die Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW), ein Ableger der Schill-Partei seit 2004 und eine weitere Besonderheit des Zwei-Städte-Staats, kommt entsprechend über die 5 %-Hürde und wird statt der AfD wohl in die Bürgerschaft einziehen. Prognosen bewegen sich um die 9 %, vergleichbar wie die für DIE LINKE. Bisher profitierte die BiW von einer Besonderheit des Bremischen Wahlrechts: Die 5 % müssen nur in einer der beiden Städte erreicht werden. So reichte ihr bisher die Unterstützung aus Bremerhaven. In Bremen Stadt erzielte sie nur im abgehängten Norden ähnlich respektable Ergebnisse. Mittlerweile erhält sie im ganzen Bundesland gute Prognosen. Ursachen dafür: Sie beerbt das Wähler:innenpotenzial der AfD (2019: 9,1 % in Bremerhaven; 5,6 % in Bremen; 5 Sitze in der Bürgerschaft). Außerdem verfügt sie dank Unterstützung durch die neugegründete rechtskonservative Kleinpartei Bündnis Deutschland über ein großes Wahlkampfbudget. Manche munkeln, es stehe dem der Grünen nicht nach. Schließlich begünstigt das Wahlrecht mit der Möglichkeit, 5 Stimmen auf einzelne Kandidat:innen und Listen verteilen zu können, kleine Parteien. Diese wird einer weiteren Bremensie, der MERA25, einem Ableger der EU-weiten Bewegung DiEM25 aber laut allen Voraussagen trotzdem nicht zum Sprung in die Bürgerschaftssessel verhelfen.

Wählt DIE LINKE, aber organisiert den Kampf!

Zur Wahl rufen wir zur Stimmabgabe für DIE LINKE auf. Unsere Unterstützung ist aber eine kritische, denn wir wählen eine bürgerliche Arbeiter:innenpartei wie SPD und/oder DIE LINKE trotz ihrer Politik und nicht wegen ihr. Es ist ihre Basis, die angesprochen, in ihrer fortschrittlichen Haltung (Die Arbeiter:innenschaft braucht eine Partei, die sich allein auf sie stützt und von ihr gestützt wird) gegenüber allen offen bürgerlichen Parteien einschließlich der Grünen bei der Stimmabgabe gestärkt gehört. Das erleichtert den Dialog mit dem organisierten Teil unserer Klasse und ermöglicht uns, ein offenes Ohr für unsere Kritik an ihrer vollständig bürgerlichen Politik zu finden, die in Forderungen an diese Parteien vor den Augen ihrer Basis münden muss.

DIE LINKE ist die erste Gliederung im Westen der Republik gewesen, die den Sprung in ein Landesparlament und in die Regierung geschafft hat. Aber nicht dies ist ausschlaggebend für unsere Wahlempfehlung und es sind auch nicht ihre „Glanzlichter“ als Regierungspartei (Impfkampagne, Pilotprojekte für die Unterbringung von Obdachlosen, Drogenpolitik und Durchsetzung der Ausbildungsabgabe für nicht ausbildende Betriebe). Im Unterschied nach wie vor zur SPD wird sie von den klassenbewusstesten Elementen (Arbeitslosen-, Wohnungs- und Stadtteilinitiativen, linken Vertrauensleuten und Betriebsräten) gewählt. Das macht – einstweilen noch – den Unterschied zur größeren und rechteren Sozialdemokratie aus: dass sie die fortgeschritteneren Schichten der Arbeiter:innenklasse repräsentiert, anders als die SPD.

Kein Wunder also, dass folglich ein größerer Widerspruch zur Realpolitik der Parteimehrheit, deren traurigen Kern wir oben beschrieben haben, auch unter ihren Funktionsträger:innen wie Cornelia Barth, Mitglied im Bundessprecher:innenrat der Strömung Sozialistische Linke, und Olaf Zimmer zum Ausdruck kommt und die Linksjugend [’solid] eigene Plakate für den Nachwuchskandidaten Dariush Hassanpour kleben darf. Insbesondere Zimmer tritt verbal für eine konsequent antimilitaristische Linie der LINKEN gegen die Unterstützung der Landespartei für Waffenlieferungen an die Ukraine ein, die damit der Beschlusslage der Bundespartei Hohn spricht. Diese Kräfte in Funktionärskörper und Parteijugend sind neben der Parteibasis die ersten Adressat:innen für Vorschläge, die die Partei auf einen klassenkämpferischen Weg bringen sollen und somit den Widerspruch zwischen Arbeiter:innenbasis und Wähler:innenschaft einerseits und bürgerlicher Regierungspolitik andererseits zuzuspitzen helfen können. Der linke Flügel muss sich fraktionell organisieren und darf den Kampf für notwendige Forderungen und das Eintreten für eine Ende der bürgerlichen Koalitionspolitik nicht scheuen, um den Bruch mit der Partei zu vermeiden, denn letztlich brauchen wir etwas ganz anderes als DIE LINKE.

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