Jeremy Dewar, Infomail 1199, 24. September 2022
Die Welt befindet sich in einer dreifachen Krise, in der jeder Teil mit den anderen interagiert und diese verschärft. Die tödliche Kombination aus militärischem Konflikt, Klimakatastrophe und wirtschaftlichem Zusammenbruch droht, ganze Kontinente in den Abgrund zu stürzen.
Der sechsmonatige Krieg in der Ukraine hat etwa 10.000 ukrainische , 25.000 bis 40.000 russische Soldat:innen und Zehntausende von Zivilist:innen getötet. In der Ukraine gibt es 12 Millionen Flüchtlinge und ebenso viele Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen. Der Einmarsch Russlands hat das Elend der Bevölkerung beider Länder vergrößert.
Die russische Blockade der ukrainischen Häfen verhinderte die Ausfuhr von Getreide, auf das der Nahe Osten und Nordafrika dringend angewiesen sind, und führte zu einem weltweiten Preisanstieg. Jetzt treibt die Abschaltung der Nord-Stream-Pipeline die Öl- und Gaspreise in ganz Europa in die Höhe und damit auch die Preise für alle Waren, für deren Herstellung oder Transport fossile Brennstoffe verwendet werden.
Doch bevor die westlichen Imperialist:innen schreien: „Sie setzen Gas als Waffe ein“, sollten sie sich daran erinnern, dass sie den Handel „bewaffnet“ haben, indem sie die härtesten Sanktionen der Geschichte gegen Russland verhängten. Damals brüsteten sie sich damit, die Bevölkerung des Landes in die Knie zu zwingen. Sie sollten sich auch daran erinnern, dass sie Putin einen imperialistischen „Vorwand“ lieferten, indem sie die Nato an seine Grenzen heranführten und die Ukraine für den Eintritt in die EU umwarben.
Die anhaltende Dürre am Horn von Afrika verursacht eine der schlimmsten Hungersnöte seit Menschengedenken. Die Überschwemmungen in Pakistan hingegen zerstören die Häuser und Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen und hinterlassen Krankheiten und Obdachlosigkeit in ihrem Gefolge. Die Verschärfung der Flüchtlingskrise wird dazu führen, dass die reichsten Nationen der Welt den Schwächsten den Rücken zukehren.
Beides ist die direkte Folge des Klimawandels, wie wir in dieser Zeitung zeigen. Doch die Energiekrise in Europa veranlasst immer mehr Länder, darunter auch das eigene, neue Gasfelder zu erschließen, das Fracking auszuweiten und die Saudis zu bitten, mehr Öl zu pumpen. All dies wird die Welt aus dem Konzept bringen, selbst bis 2050, geschweige denn bis 2030, kohlenstoffneutral zu werden.
Missernten und sterbendes Vieh bedeuten einen tödlichen Ausfall für die betroffenen Familien, treiben aber auch die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt in die Höhe. Sogar in Europa werfen die Landwirt:innen ihre Erzeugnisse weg, die durch jahreszeitlich ungewöhnliche oder extreme Wetterbedingungen verdorben sind.
All diese Ereignisse tragen dazu bei, die Inflation anzuheizen, die die Krise der Lebenshaltungskosten verursacht. Aber so wie die anderen Krisen ihre spezifischen Hintergründe woanders haben, so hat auch diese Krise ihre Wurzeln.
Eine Ausweitung der Geldmenge – durch quantitative Lockerung, Ausgaben während der Pandemie und immer höhere Schuldenberge bei Staaten, Unternehmen und Privatpersonen – in Verbindung mit einem sinkenden Warenangebot, verursacht durch unterbrochene Lieferketten, Sanktionen und Handelskriege – und im Falle des Vereinigten Königreichs durch den Brexit – führt zu höheren Preisen.
Während die Inflation für das gesamte Jahr 2023 bei über 5 % und in Großbritannien und in der Eurozone deutlich höher prognostiziert wird, werden die Zentralbanken die Zinssätze weiter anheben. Dies wird zu Insolvenzen und Rezessionen führen, von denen sich die Kapitalist:innen erhoffen, dass sie die Arbeiter:innenklasse dazu bringen, Lohnkürzungen zu akzeptieren.
Die Stagflation – die Kombination aus hoher Inflation und niedrigem Wachstum, die zuletzt in den 1970er Jahren zu beobachten war –, wird noch einige Zeit andauern. Die zunehmende Rivalität zwischen den westlichen und östlichen imperialistischen Blöcken, der neue Kalte Krieg, werden eine baldige Erholung behindern.
Wie wir an anderer Stelle in dieser Ausgabe sagen, bedeutet dies, dass Gewerkschafter:Innen ihre Gewohnheiten ablegen und kämpferische Aktions- und Organisationsformen annehmen müssen, die in ihrer Gesamtheit sagen, dass wir nicht für ihre Krise bezahlen werden. Vielmehr werden wir die Reichen zur Kasse bitten oder werden sie und ihre Politiker:innen von der Macht vertreiben.
Aber dies ist eine internationale Krise, und wir müssen Teil eines internationalen Kampfes gegen sie sein. Wir müssen Verbindungen zu unseren Gewerkschaftskolleg:innen in Europa, aber auch in Amerika aufbauen, wo eine Wiederbelebung der militanten Gewerkschaftsbewegung im Gange ist. Wir müssen auch denjenigen in Pakistan und in Afrika die Hand reichen, die unter realen, unmittelbaren Klimakatastrophen leiden, und die Anti-Flüchtlingshysterie der Milliardärsmedien und der Tory-Führung verurteilen.
Kurzum, wir brauchen eine bewusst internationale Arbeiter:innenbewegung – eine neue Fünfte Internationale der Arbeiter:innenklasse!