Arbeiter:innenmacht

Sri Lanka: Präsident Wickremesinghe nimmt Student:innen aufs Korn

Peter Main, Infomail 1196, 25. August 2022

Nachdem Ranil Wickremesinghe Gotabaya Rajapaksa als Präsident abgelöst hat, hat er eine Welle der Repression gegen die Massenbewegung ausgelöst, die Rajapaksa aus dem Amt gezwungen hat.

Täglich werden Hunderte von Menschen verhaftet, viele von ihnen auf Grundlage des Gesetzes über öffentliches Eigentum, das ihnen eine Woche lang eine Kaution verwehrt. Noch schlimmer ist, dass drei Anführer der IUSF (Inter-University Student Federation = Interuniversitäre Student:innenvereinigung), Wasantha Mudalige, Galwewa Siridhamma und Hashan Jeevantha, die eine wichtige Rolle in der Protestbewegung spielten, auf der Grundlage des berüchtigten Gesetzes zur Verhinderung von Terrorismus inhaftiert wurden, das Haft ohne Gerichtsverfahren von bis zu einem Jahr ermöglicht.

Weitere 16 Student:innen, die ebenfalls bei einer Demonstration am 18. August verhaftet worden waren, wurden später freigelassen, allerdings nur gegen eine Kaution von 500.000 Rupien (rund 1.400 Euro).

Mit dem Versuch, Protestdemonstrationen als eine Form des Terrorismus darzustellen, sollen eindeutig die Hunderttausende eingeschüchtert werden, die sich an der Massenbewegung gegen das Rajapaksa-Regime beteiligt haben.

Er wurde bereits von Amnesty International verurteilt, deren Direktorin für Südasien, Yamini Mishra, erklärte: „Dies zeigt, dass die Behörden nicht gewillt sind, jede Form von Kritik zu ertragen, und abweichende Meinungen systematisch unterdrücken. Dies verstößt gegen die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Sri Lankas, insbesondere gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung“.

Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtler:innen, Mary Lawlor, bezeichnete Wickremesinghes Entscheidung, einen ersten 90-tägigen Haftbefehl gegen Mudalige und seine Kommilitonen zu unterzeichnen, als „einen schwarzen Tag für Sri Lanka“.

Wickremesinghes Handeln zeigt sehr deutlich eine grundlegende politische Lektion: Die Ersetzung eines Präsidenten durch einen anderen, ohne dass sich an den wichtigsten Institutionen des Staates etwas ändert, kann die Krise des Landes nicht lösen. Der Ruf nach Neuwahlen ist angesichts des fehlenden Regierungsmandats des neuen Präsidenten zwar verständlich, aber auch keine Lösung – nur Wickremesinghe selbst kann das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen!

Die Frontline Socialist Party (FSP), der die IUSF angehört, hat den Ruf nach „Volkskampfkomitees“ auf der ganzen Insel erhoben, und viele in der Protestbewegung haben auch „Volksräte“ gefordert, um eine demokratische Grundlage für eine neue Verfassung zu schaffen. Diese Forderungen drücken natürlich eine berechtigte Ablehnung des bestehenden politischen Systems aus, sind aber dennoch zu vage und möglicherweise irreführend.

Das „Volk“ umfasst alle Bürger:innen, als ob alle Einwohner:innen ein gemeinsames Interesse hätten, aber das haben sie nicht. Das „Volk“ umfasst auch jene Bevölkerungsschichten, die über den Reichtum und die Verbindungen verfügen, um sicherzustellen, dass sie bekommen, was sie wollen. Die Sozialist:innen in der Bewegung müssen für klassenbasierte Ausschüsse oder Räte eintreten, vor allem für Arbeiter:innen-, Bäuer:innen- und Fischer:innenausschüsse, die sich bei einer Zuspitzung des Kampfes zu Räten entwickeln können.

Nur Klassenorganisationen können die Forderungen aufstellen, die die Bedürfnisse ihrer Mitglieder deutlich machen – die absolut nicht mit den Bedürfnissen der Unternehmer:innen, der Konzerne, der Banken und, hinter all diesen, des Internationalen Währungsfonds und der anderen internationalen Institutionen übereinstimmen. Sozialist:innen, die die Notwendigkeit von Klassenorganisationen verstehen, müssen sich in einer politischen Partei organisieren, einer Arbeiter:innenpartei, die diesen Namen verdient, und innerhalb derer sie die zentralen Forderungen zur Lösung der Krise aufstellen.

Es gibt einen wachsenden Druck für einen vollständigen Wandel, einen demokratischen Wechsel in Sri Lanka, und Sozialist:innen sollten dies auf jeden Fall unterstützen – durch die Forderung nach einer verfassunggebenden Versammlung, deren Wahl von den Massenorganisationen der Arbeiter:innen Bauern und Bäuerinnen beaufsichtigt werden sollte, nicht von dem repressiven Apparat des bestehenden Staates.

Die Bewegung in Sri Lanka braucht und verdient unbedingt auch Unterstützung und Solidarität aus der ganzen Welt, einschließlich Protesten vor den Botschaften Sri Lankas, Forderungen an die Regierungen, die Freilassung aller politischen Gefangenen zu fordern, und Solidaritätsbekundungen und Spenden, in erster Linie an die IUSF.

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