KD Tait, Workers Power, Infomail 1191, 21. Juni 2021
Am Samstag, dem 18. Juni, marschierten Zehntausende Menschen durch das Zentrum Londons, um Maßnahmen zur Bekämpfung der wachsenden Lebenshaltungskostenkrise zu fordern.
Die Demonstrant:innen kamen aus dem ganzen Land zu der ersten landesweiten Demonstration, zu der der britische Gewerkschaftsdachverband TUC aufgerufen hatte. Es war die erste umfassende Mobilisierung seit 2018. Die Gewerkschaften forderten Lohnerhöhungen zum Ausgleich der Inflation, bessere Arbeitsbedingungen und Steuererhöhungen für die Reichen zur Finanzierung von Bildungs-, Gesundheits- und Umweltreformen.
Die Eisenbahner:innen der Gewerkschaft RMT (Eisenbahn-, See- und Transportarbeiter:innen), die in dieser Woche drei Tage lang streiken werden, wurden bei ihrer Ankunft auf der Kundgebung auf dem Parlamentsplatz mit großem Beifall empfangen. Lehrer:innen und Postangestellte, die sich auf einen Streik vorbereiten, mobilisierten ebenso wie viele andere Gewerkschaften aus dem öffentlichen und privaten Sektor große Kontingente.
Gewerkschaftsführer:innen riefen zu gemeinsamen Aktionen auf, um Lohnerhöhungen zu erreichen, die mit der Inflation Schritt halten. Die Unite-Generalsekretärin Sharon Graham sagte: „Die Beschäftigen haben genug. Die Gewerkschaftsbewegung muss wiederbelebt werden. Wir müssen gemeinsam handeln.“ (Unite: Gewerkschaft im Bau-, Transportsektor und verarbeitendem Gewerbe)
Mark Serwotka, Generalsekretär der PCS (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Handelsarbeiter:innen), deren Mitglieder im öffentlichen Dienst von 90.000 Stellenstreichungen bedroht sind, erkärte: „Wenn wir alle zusammenarbeiten, gemeinsam marschieren und einen Arbeitskampf führen, können wir die Lohnerhöhung bekommen, die wir verdienen“.
Im Vorfeld der Demonstration wies die Vertretung der Krankenschwestern und -pfleger, das Royal College of Nursing, auf die Auswirkungen hin, die mehr als ein Jahrzehnt realer Lohnkürzungen auf die Personalausstattung und das Wohlergehen der Patient:innen nach sich zog. Angesichts der Tatsache, dass Tausende von Krankenschwestern und -pflegern darum kämpfen, ihre Familien zu ernähren oder sogar ihr Auto vollzutanken, um zur Arbeit zu kommen, fordert die Gewerkschaft, dass die kommenden Gehaltsvereinbarungen des Nationalen Gesundheitsdienstes nicht nur der Inflation entsprechen, sondern fünf Prozent darüber liegen.
Am Sonntag berichtete die Financial Times über die wachsende Besorgnis in der Regierung über das Risiko, dass die Lohnzurückhaltung eine Welle von Arbeitskampfmaßnahmen auslösen könnte. Ein Kabinettsminister sagte: „Wenn wir das falsch machen, riskieren wir einen De-facto-Generalstreik, der weitere Unruhen auslösen wird, die die gesamte Wirtschaft zum Stillstand bringen könnten.“
In dieser Woche werden 40.000 Mitglieder der RMT drei 24-stündige Streiks gegen den geplanten Stellenabbau und für Lohnerhöhungen durchführen, die mit der Inflation Schritt halten. Die Regierung, die das Geld kontrolliert, hat sich geweigert zu verhandeln. Sie weiß, dass eine Isolierung und Niederlage der RMT den Schwung der bevorstehenden Urabstimmung über die Löhne im öffentlichen Sektor brechen könnte. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Aktivist:innen die größtmögliche Unterstützung für den Streik mobilisieren: Sie müssen Streikposten besuchen und unterstützen, die Lügen der Regierung entlarven und in der Öffentlichkeit für Solidarität werben.
Die Demonstration hat gezeigt, dass die Arbeiter:innen entschlossen sind zu verhindern, dass Löhne, Arbeitsplätze und Lebensstandards gekürzt werden, um die Profite der Arbeit„geber“:innen zu schützen oder die Bücher der Regierung auszugleichen. Die Aktivist:innen müssen sich jetzt organisieren, um bei den anstehenden Lohnurabstimmungen eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Aber Mandate und eintägige Streiks werden nicht ausreichen, um zu gewinnen.
Unsere Bewegung ist in der Defensive. Bei British Gas und dem Reederei-Konzern P&O haben die Bosse gut organisierten Teilen der Belegschaft große Niederlagen zugefügt. Die Demonstration vom Samstag war die größte seit vielen Jahren – aber sie hätte noch eindrucksvoller sein können. Trotz der Bemühungen von Aktivist:innen an der Basis war die Werbung für die Demonstration durch den Dachverband und einige Einzelgewerkschaften bestenfalls lauwarm.
RMT-Generalsekretär Mick Lynch forderte die Labour-Partei auf, „aufzustehen und mit uns zu kämpfen oder uns aus dem Weg zu gehen“. Doch Keir Starmer, der Vorsitzende der Partei, der die meisten TUC-Gewerkschaften angehören, blieb der Veranstaltung fern. Wes Streeting, der sich kürzlich beim Schattenkabinett für seine öffentliche Unterstützung der Streiks entschuldigte, posierte für ein Selfie mit TUC-Generalsekretärin Frances O’Grady.
Wir müssen die Lehren aus dem Rentenkonflikt von 2011 ziehen, bei dem zwei Millionen Beschäftigte im größten Streik seit Jahrzehnten die Arbeit niederlegten – nur damit TUC und Unison (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) einen faulen Ausverkauf mit der Koalitionsregierung vereinbarten.
Um echte Lohnerhöhungen für Millionen von Geringverdiener:innen zu erreichen, um Rechnungen und Mieten zu begrenzen und zu verhindern, dass die Inflation unsere Löhne und Gehälter auffrisst, müssen wir die Arbeiter:innenbewegung von Grund auf neu aufbauen:
In den Gewerkschaften müssen wir Streikkomitees aus den Reihen der Belegschaften bilden, um Streitigkeiten und Verhandlungen zu kontrollieren. Gewerkschafts- und Betriebsdelegierte sollten Aktionsräte bilden, um lokale und nationale Aktionen zu koordinieren.
Um die Masse der Arbeiter:innenklasse – Mieter:innen, Rentner:innen, Arbeitslose, Organisationen der sozial Unterdrückten, Student:innen – zu mobilisieren, sollten in allen Städten und Bezirken Versammlungen der Bevölkerung auf Delegiertenbasis gebildet werden.
Die Gewerkschaften sollten Abgeordneten und Ratsmitgliedern, die sich weigern, Streiks zur Verteidigung von Löhnen, Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen bedingungslos zu unterstützen, die Finanzierung entziehen.
Wir brauchen eine Kampagne mit koordinierten, eskalierenden Streiks, um für eine Antwort der Arbeiter:innen auf die Krise zu kämpfen: