Arbeiter:innenmacht

Nein zur Zerschlagung der Bahn – Schiene statt Gewinnmaschine!

Leo Drais, Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, 16. November 2021

Es gibt unter uns EisenbahnerInnen ziemlich viele, für die das mit den Zügen nicht einfach nur ein Job ist. Wir kennen das Potential, das eine funktionierende Eisenbahn hätte. Wir merken, wie gut das System aus Fahrzeugen, Infrastruktur und uns Beschäftigten ineinandergreifen könnte und welche Möglichkeiten der Schienenverkehr an sich böte.

Wir merken das, weil wir in unserer täglichen Arbeit (oft) das Gegenteil erleben. Störungen, Verspätungen, Ausfälle bekommen nicht nur Reisende und KundInnen nach außen mit, sondern vor allem auch wir. Für uns heißt das: liegengebliebene Züge, Regelwerkswidersprüche, Fremdeinwirkung, Langsamfahrstellen, Rotausleuchtung, PZB-Ausfall, fehlende Bremshundertstel usw. usf. Und wir leiden da mit. Selbst dann noch, wenn längst Zynismus oder Resignation eingesetzt haben. Weil es Stress und einen späteren Feierabend bedeutet, die kaputte Weiche zu bearbeiten oder Umleitungen zu fahren. Und weil wir, die wir auf Loks, in Stellwerken und Betriebszentralen, in Werkstätten und in den Gleisen mit dem Mangelhaften arbeiten müssen, Bahnbetrieb eigentlich können – es liegt zum Wenigsten an uns, dass die Bahn in Deutschland ist, wie sie ist.

DB AG und Staat

Denn an der DB AG und der bundesdeutschen Verkehrspolitik gibt es so gut wie nichts zu feiern. Seit der Bahnreform 1994 ist das Netz verstümmelt, das Land abgehängt, der Service verkümmert, Bahngelände verscherbelt. In Stuttgart und andernorts sind Milliarden für Sinnlosigkeiten verbrannt worden. Zugleich – so die Verkehrswende auf Deutsch – wurden 6 000 km Bundesstraßen und Autobahnen gebaut.

Und natürlich wollen wir nicht vergessen, wie tausende KollegInnen gegangen wurden oder gingen und ewig kein Nachwuchs kam oder um wie viel sich unsere Arbeitsbedingungen verschlechterten.

Nein, an diesem hochverschuldeten Konstrukt DB AG mit einer aufgeblähten Führungsebene, die uns schwer auf den Schultern lastet, gibt es nicht viel zu verteidigen. Sie ist ein eigener Verschiebebahnhof – von Geldern. Regio, Cargo und Fernverkehr zahlen Trassengebühren an den Netzbereich. Steuergelder und Subventionen landen in Auslandsgeschäften. Am Ende findet sich alles in derselben schöngerechneten Bilanz wieder. Die AG trimmte die Eisenbahn – ganz nach dem Willen des Eigners Bund – auf einen Börsenkurs, dem nur die Krise von 2008 zuvorkam. Sie beantwortet die Krise im Gütergeschäft mit dem Abbau von Gleisanschlüssen, das Ausbleiben von Fahrgästen mit Streckenschließungen. Sie versteht unter der Verkehrswende Fahrpreiserhöhungen und, den Fernverkehr 40 Meter tief unter Frankfurt zu vergraben –, als ob ein S21 nicht schon zu viel wäre.

Staat und Verkehrsministerium machten bei diesem Spiel immer freudig mit – wenn mal ausnahmsweise nicht gerade die Autoindustrie hofiert wurde. Die Staatsinvestitionen in die Schiene betragen in der BRD nur etwa ein Fünftel im Vergleich zur Schweiz. Mit Milliarden soll aber das E-Auto vorangebracht werden. Naiv zu glauben, eine Trennung von Netz und Betrieb würde die Bahn verbessern! Das hieße auch zu glauben, dass das nächste Verkehrsministerium keine speichelleckende Lakaiin der Autokonzerne mehr sei.

Zerschlagung und Wettbewerb

Die Monopolkommission – diese personifizierte ideelle Gesamtkapitalistin, die so tut, als ob hinter der jetzt schon bestehenden bunten Eisenbahnlandschaft keine (Staats-)Monopole stünden, sowie Grüne und FDP schlagen aber genau das vor: Trennt die DB, treibt das Messer zwischen Rad und Schiene, zwischen Infrastruktur und Betrieb! Bahnreform 2.0.

Die Motivation der Baerbock- und Lindner-Truppe mag verschieden ausfallen, die konkrete Ausarbeitung ist noch lange nicht klar, aber die zwei groben Ideen scheinen aber durch: Die kostenintensive, aufwendige Infrastruktur mit riesigem Investitionsstau bleibt (vorläufig) in Staatshand. Was draußen fährt, wird noch mehr dem Wettbewerb ausgeliefert.

Übersetzt bedeutet das nicht nur bei der Verkehrswende, weitere Jahre mit stümperhaften Umstrukturierungen zu verbringen und tausende Jobs zu streichen und sie woanders (unter vielleicht schlechteren Bedingungen) hin zu verfrachten, es heißt auch, dass die Qualität auf der Schiene nicht besser wird – eher im Gegenteil. Wettbewerb heißt immer, möglichst günstig zu fahren, um die Konkurrenz zu schlagen, was wiederum sparen heißt … Und wo bietet sich das am besten an, wo sich doch mit dem Zugbetrieb sowieso kaum was verdienen lässt? Bei Mensch und Material! Auch verlagert sich der viel erwähnte DB-Wasserkopf damit nur. Denn jedes einzelne Unternehmen hat seinen eigenen! Im Vergleich zum DB-Riesen vielleicht nur im Modellbahnformat, aber ziehen wir hunderte kleine Chefetagen zusammen, haben wir wieder – einen Riesen, den Fahrgäste und SteuerzahlerInnen finanzieren.

SPD, EVG und GDL

Dass die SPD und die eng mit ihr verbundene EVG (in der der Autor dieses Textes Mitglied ist) die Zerschlagung ablehnen, ist erst mal richtig. Eine Aufspaltung bedeutet, die Belegschaft zu spalten,  unsere Kampfbedingungen zu schwächen, die neoliberale Klinge erneut an unsere Arbeitsbedingungen zu legen!

Aber EVG und SPD stellen sich zugleich auch hinter eine Konzernspitze, die das Trauerspiel Deutsche Eisenbahn seit bald 30 Jahren zu verantworten hat. Und das überrascht ja auch nicht. Die EVG-Führung und ihre VorgängerInnen sind selbst eng mit der AG verwachsen, nicken alles ab und haben überhaupt, was mit der Bahn seit den Neunzigern passiert ist, mitgetragen.

Genauso wenig überrascht, dass die GDL die grün-gelben Pläne unterstützen wird, erhofft sich ihre Führung doch, vom Aufbrechen der DB und damit der EVG zu profitieren. Zugleich sind viele ihrer Mitglieder ebenso gegen die Zerschlagung. Sie sollten einfordern, dass ihre Führung um Claus Weselsky mit der rückschrittlichen, bahnzerstörenden Position bricht und mit allen Bahn-Beschäftigten gegen die Zerschlagung kämpft.

Die Trennung von Netz und Betrieb gehört deshalb abgelehnt, weil sie die DB-Misere vertieft.

Alle, die sich gegen eine Zerschlagung stellen und dabei aber auch kein Deutsche-Bahn-weiter-so wollen, sollten sich weder auf die SPD noch auf Hommel, Borchert und Co. verlassen. Eine rote Linie kann  schließlich auch mal ganz schnell ihre Farbe wechseln. Wir müssen SPD und Linkspartei auffordern, dass sie die DB-Zerschlagung kategorisch ablehnen! Von der GDL fordern wir einen Kurswechsel. Die DGB-Gewerkschaften sollen zu Solidaritätsdemonstrationen und -streiks aufrufen, denn die drohende Zerschlagung der Bahn betrifft alle Lohnabhängigen. EVG sowie Betriebsräte müssen gewerkschafts- und betriebsübergreifende Versammlungen organisieren, auf denen der Angriff diskutiert und unsere Abwehr besprochen wird – inklusive des Streiks gegen die Zerschlagung!

In den kommenden Auseinandersetzungen können wir uns letztlich nur auf uns selbst und unsere Kampfkraft verlassen. Lasst uns daher auf Belegschaftsversammlungen Aktionskomitees wählen, um den Kampf zu organisieren! Nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand!

Anhang: Verkehrswende = EINE Eisenbahn

Wer eine gut funktionierende Bahn will und die Verkehrswende ernst meint, sollte für EINE einzige staatliche Bahn einstehen. Das heißt auch, alle Privatisierungen der letzten drei Jahrzehnte zurückzunehmen und die sogenannten Privatbahnen zu enteignen sowie die Länderbahnen in eine bundesdeutsche zu überführen. Nur so werden Schnittstellen weniger, Kommunikation einfacher und vor allem: die Bahn dem zermürbenden Wettbewerb entzogen.

Statt einer Zerschlagung braucht es einen Investitions- und Ausbauplan für die Schiene – und zwar finanziert durch massive Besteuerung der Konzerne und AktionärInnen, die mit einer klimaschädlichen Verkehrsweise Milliarden Gewinne gemacht haben: Oberleitung statt E-Auto, Flächenbahn statt Flächenautobahn, kostenloser Nahverkehr statt Pkw-Kaufprämien, Daseinsversorgung Schiene statt Gewinnmaschine!

Allein, dass es eine Staatsbahn gibt, ist natürlich kein Garant für einen funktionierende, breit ausgebauten Schienenverkehr mit guten Arbeitsbedingungen – siehe DB und ihre beiden Vorgängerinnen. Die drohende Zerschlagung bietet da auch eine Chance zur Diskussion, nämlich darüber: Wer kontrolliert eigentlich die Bahn und überhaupt die Verkehrswende? DB-Wasserkopf, Autokonzerne und Verkehrsministerium? Oder wäre es vielleicht eine Alternative, dass die Bahnbeschäftigten direkt und demokratisch zusammen mit anderen VerkehrsarbeiterInnen und Fahrgästen in Komitees darüber entscheiden und wachen, wie die Verkehrswende schnellstmöglich vorankommt? Wir brauchen keine Konzernspitze und keinen neuen Andi Scheuer dafür. Wir haben das Fachwissen und die Kenntnis darüber, wie Eisenbahn gut funktionieren kann als Teil eines nachhaltigen, integralen Verkehrssystems.

Klingt erst mal utopisch, aber wir können schon heute anfangen, solch eine Selbstorganisation aufzubauen, indem wir Aktionskomitees wählen, auch den politischen Streik als Kampfmittel diskutieren und verwirklichen! Wir sagen: Uns gibt‘s nicht für Profite, uns gibt‘s fürs Fahren!

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