Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1168, 26. Oktober 2021
Am Morgen des 25. Oktober kam es in Khartum zu einem Staatsstreich. General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan, Vorsitzender des Souveränen Rates, der die Macht zwischen Militär und ZivilistInnen teilt, kündigte die Verhaftung von Premierminister Abdalla Hamdok und seines Kabinetts an. Hamdok, ein Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger hoher UN-Beamter, der 2019 zum technokratischen Premierminister ernannt wurde, befindet sich derzeit an einem unbekannten Ort, nachdem er sich geweigert hatte, den Putschversuch zu unterstützen.
Tausende von DemonstrantInnen gingen sofort auf die Straße, wie bei der Revolution 2019. Sie marschierten, um das Hauptquartier des Militärs in der Hauptstadt zu belagern, wurden aber von den SoldatInnen unter Beschuss genommen. Zur Speerspitze der Konterrevolution gehören die Truppen der Rapid Support Forces (Schnelle Unterstützungskräfte; RSF), einer Einheit, die aus den Milizen hervorgegangen ist, die während des Krieges in Darfur und später während der Revolution 2019 mörderische Verbrechen verübt haben.
Unterdessen rief die Sudanese Professionals Association (Sudanesische Vereinigung der professionellen Berufe; SPA), eine der HauptorganisatorInnen der Revolution 2019, zum Widerstand auf:
„Wir rufen die Massen auf, auf die Straße zu gehen und sie zu besetzen, alle Straßen mit Barrikaden zu sperren, einen allgemeinen Arbeitsstreik durchzuführen und nicht mit den Putschisten zu kooperieren und ihnen mit zivilem Ungehorsam entgegenzutreten.“
Auch die Sudanesische Kommunistische Partei rief die ArbeiterInnen zum Streik und zum massenhaften zivilen Ungehorsam gegen den Putsch auf. Die KP hatte seit einem gescheiterten Putsch am 21. September vor der drohenden Gefahr gewarnt, als sie erklärte: „Wir brauchen ernsthaftere Maßnahmen, um die Säulen des früheren Regimes zu beseitigen, insbesondere in den Streitkräften, dem Sicherheitsdienst und der Polizei.“
Bei dieser Gelegenheit eilten Hemeti (Mohammed Hamdan Dagalo; Vizechef des Militärrates und Oberbefehlshaber der RSF) und Abdel Fattah Burhan in die Kasernen, die damit beschäftigt waren, den Putsch zu unterdrücken, und letzterer beruhigte die Soldaten: „Die Streitkräfte führen den Wandel an und bringen ihn dorthin, wo sie wollen“. Jetzt wissen wir genau, wohin sie wollen.
Die Machtübernahme durch das Militär erfolgte nach einem Putschversuch im September und einer Blockade der Häfen des Landes am Roten Meer, die von Kräften geschürt wurde, die der ehemaligen Diktatur von Umar al-Baschir treu ergeben sind.
Darüber hinaus hatten in den letzten Wochen knüppelschwingende Banden von AnhängerInnen des früheren Regimes mobilisiert und LoyalistInnen unter dem Schutz des Militärs zu einem Sitzstreik aufgerufen, bei dem sie offen einen Staatsstreich forderten. Diese wurden von Zehntausenden von DemonstrantInnen beantwortet, die das Primat ziviler Herrschaft verteidigen wollen, was von der Polizei mit Gewalt beantwortet wurde.
Es ist wahrscheinlich, dass die ominösen Ereignisse der letzten Wochen eine Vorbereitung der Generäle und konterrevolutionären Rebellen auf einen Staatsstreich darstellten. Gleichzeitig geriet die amtierende Regierung unter zunehmenden Druck der Bevölkerung, Schritte in Richtung einer stärkeren zivilen Kontrolle zu unternehmen, verbunden mit Frustrationen über die wirtschaftliche und soziale Leistung des Regimes.
In den Städten kam es zu einer zunehmenden Lebensmittelknappheit, die durch die Zustimmung der Hamdok-Regierung zu Preiserhöhungen bei Treibstoff und anderen lebenswichtigen Gütern, die der IWF als Bedingung für einen Schuldenerlass für den Sudan gestellt hatte, noch verstärkt wurde und zu einer galoppierenden Inflation führte. Aus Angst vor einer fortschrittlichen Lösung der gegenwärtigen Krise durch eine Welle sozialer Mobilisierungen haben sich die Militärs offenbar zum Handeln entschlossen.
Inzwischen haben die EU und die USA den Putsch verurteilt und sich für die Demokratie ausgesprochen. Aber es waren Institutionen unter ihrer Kontrolle, die zu dieser Situation beigetragen haben, sei es durch die Finanzierung der schnellen Eingreiftruppen im Rahmen des Khartum-Prozesses der EU, der darauf abzielt, Flüchtlinge zu stoppen, oder durch die Wirtschaftspolitik des IWF.
Dies zeigt die Gefahr der imperialistischen Mächte als Verbündete im Streben nach Demokratie. Ihre Demokratie fordert immer einen hohen Preis von den ArbeiterInnen und Armen. Ein Drittel der Bevölkerung leidet bereits unter schwerer Nahrungsmittelknappheit. Da die Regierung in ihrem Sinne gehandelt hat, haben die USA und die EU den Staatsstreich in diesem Fall scharf verurteilt. Ein US-Gesandter hatte Hamdok sogar gerade besucht.
Die Zukunft der 2019 errungenen begrenzten Demokratie hängt nun von der Macht der ArbeiterInnenklasse und der Jugend ab, um das Land zum Stillstand zu bringen, die einfachen SoldatInnen für sich zu gewinnen und die Revolution, die durch die Vereinbarung mit dem Militär über ein gemeinsames Regime bis zu den Wahlen im Jahr 2023 gestoppt wurde, fortzuführen. Die 2019 gebildeten Widerstandskomitees bestehen weiter und müssen zu Räten gestärkt werden, die alle ArbeiterInnen, Frauen, StudentInnen und SoldatInnen vertreten, die auf die Seite der Massen übergehen. Der Putsch beweist, dass die Teilung der Macht mit den Generälen des alten Regimes eine gefährliche Illusion war und bestätigt den Ausspruch des französischen revolutionären Jakobiners Saint Just: „Wer die Revolution nur halb macht, schaufelt sich sein eigenes Grab“.
Wir haben immer argumentiert, dass jedes stehende Heer – solange es unter dem Kommando der Generäle und des Offizierskorps steht – eine tödliche Waffe gegen das Volk bildet. Eine wesentliche frühe Aufgabe jeder echten Volksrevolution ist es, ihnen die Herrschaft über den Repressionsapparat zu entreißen, die einfachen SoldatInnen vom Kommando der Offiziere zu brechen und sie auf die Seite der Massen, insbesondere der ArbeiterInnen, zu bringen und ein revolutionäre Selbstverteidigungskräfte unter der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnen- und Volksräte zu bilden.
Entscheidend ist, dass der Generalstreik und der Massenwiderstand auf der Straße wirksam sind und die einfachen SoldatInnen sowie die UnteroffizierInnen und niederen Offiziersränge dazu bringen, zum Volk überzulaufen. Die aktuelle Widerstandsbewegung muss sich insbesondere auf die Stärke der revolutionären Frauen und Jugendlichen stützen, die bei der Revolution 2019 eine führende Rolle gespielt haben. Und wenn dies geschieht, darf die Revolution dieses Mal nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Sie darf sich auch nicht mit einer Regierung aus zivilen TechnokratInnen zufrieden geben, die Hand in Hand mit dem IWF, den USA, der EU und den anderen imperialistischen Mächten arbeiten.
Was die gegenwärtige Krise auf soziale, demokratische und nachhaltige Weise lösen kann, ist eine Regierung, die sich voll und ganz der Revolution verschrieben hat, eine Regierung, die sich auf ArbeiterInnen- und Volksräte stützt und in der Lage ist, sozialistische Maßnahmen zu ergreifen, um die dringenden Bedürfnisse der Land- und Stadtbevölkerung zu erfüllen.
In anderen Ländern müssen sich SozialistInnen und GewerkschafterInnen mit den Exil-SudanesInnen zusammentun, um gegen den Putsch zu demonstrieren und Nahrungsmittel- und medizinische Hilfe zur Bekämpfung von COVID und der Wirtschaftskrise sowie ein Ende des Diktats des IWF zu fordern.