Martin Eickhoff, Infomail 1027, 30. Oktober 2018
Am Sonntag, dem 21. Oktober, wollte PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) großspurig ihren 4. Geburtstag mit Zehntausenden feiern, um ein Zeichen gegen „Merkel“ und den „Islam“ zu setzen. Gekommen sind nicht mal 4000 Alt- und Neurechte auf den Dresdener Neumarkt, um dem Hetzer Michael Stürzenberger, gegen den nach der Kundgebung ein Verfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet wurde, und dem fast kultisch verehrten „Lügen-Lutz“ zuzuhören. Auch der Deutschlandfunk stellte fest, dass die Ansammlung überwiegend aus älteren Männern über 50 bestand.
Auch wenn die Zahl der TeilnehmerInnen rückläufig war – die Thesen von PEGIDA werden immer extremer und auch die AfD unterstützt diese immer offensiver. So nahmen Bundestagsabgeordnete an der Kundgebung teil. Ebenso zeigen sich Neonaziparteien, wie z. B. der „Dritte Weg“, dort immer offensiver.
Schön zu sehen war, dass erstmalig deutlich mehr Menschen auf den Straßen und Plätzen gegen PEGIDA unterwegs waren, darunter die Jugendorganisation Revolution und die Gruppe ArbeiterInnenmacht. Insgesamt nahmen gut 13.000 Menschen an den Demonstrationen und Kundgebungen von „Dresden Respekt“, „Hass statt Hetze“ und Tolerave (einem linken Rave-Projekt) teil, darunter die Linkspartei, aber auch VertreterInnen von CDU und SPD sowie der Dresdener FDP-Oberbürgermeister. Ein Demonstrationszug startete am Dresdener Hauptbahnhof, die anderen am Bahnhof Neustadt. Beide endeten mit einer gemeinsamen Abschlusskundgebung.
So positiv es war, dass dieses Jahr weit mehr Menschen an den Gegendemonstrationen teilnahmen als an der PEGIDA-Kundgebung, so politisch harmlos zeigten sich die „Proteste“. Versuche, PEGIDA selbst zu blockieren oder auch nur zu stören, unterblieben praktisch. Dafür bot die Kundgebung allen „DemokratInnen“ eine Bühne.
Angesichts der kommenden Landtagswahlen reihte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) diesmal in die Demonstration ein, erhielt wie andere bürgerliche PolitikerInnen Rederecht und schloss eine CDU-AfDKoalition nach den im Herbst 2019 stattfindenden Landtagswahlen in Sachsen aus. Hierfür erhielt er von einem Beamten der Staatsregierung einen „Offenen Brief“, indem er dafür kritisiert wurde, dass er sich mit angeblichen „Linksextremisten“ verbünden würde. All das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Teile der CDU weiter munter die Möglichkeit einer Koalition mit der AfD erwägen. Von einer „Wendung zu den Linksextremen“ kann erst recht keine Rede sein. Kretschmer wandte sich „natürlich“ gegen „jeden Extremismus“, steht unter anderem für eine rassistische Abschiebepolitik, Ausweitung der Polizeibefugnisse und behauptet weiter, dass es in Chemnitz keine Hetzjagd auf Geflüchtete gegeben habe.
In Wirklichkeit haben sich die OrganisatorInnen der Proteste von Kretschmer und der Landesregierung den Takt und die Inhalte der Kundgebung vorgeben lassen. So konnte der Ministerpräsident die Plattform nicht nur zu Selbstdarstellung nutzen – er sorgte auch gleich dafür, dass die Kundgebung politisch harmlos blieb und weitab von der von PEGIDA selbst stattfand. In dieser Hinsicht war die Veranstaltung ein Musterbeispiel für eine verfehlte Bündnispolitik, die vor allem der CDU und der Landesregierung hilft, sich politisch reinzuwaschen.
Im Kampf gegen Rassismus und Faschismus kann letztlich nur die Aktionseinheit der arbeitenden Bevölkerung und die Verbindung mit dem Kampf gegen den Kapitalismus zum Erfolg führen. Leere Worthülsen eines Ministerpräsidenten, der am nächsten Tag mehr Abschiebungen, mehr Repression, mehr staatlichen Rassismus auf den Weg bringt, tragen dazu nicht nur nichts bei, sie machen den Kampf selbst unglaubwürdig – zumal wenn so auch gleich die Aktionsformen brav im Rahmen sächsischer Polizeianordnungen bleiben.
Widerstand gegen rechte HetzpredigerInnen ist notwendig. Dazu reicht es aber nicht, einmal im Jahr auf die Straße zu gehen. Antifaschismus und Antirassismus sind vielmehr Fragen des Klassenkampfes. Es geht ebenso darum, im Alltag, im Betrieb, an Schulen gegen rechte Parolen Stellung zu beziehen, rechtsextreme Thesen zu entlarven und für den Aufbau antirassistischer und antifaschistischer Aktionsbündnisse der Gewerkschaften, aller Parteien, die sich auf die ArbeiterInnenklasse stützen, der rassistisch Unterdrückten und der Linken einzutreten.
Während Kretschmer wie selbstverständlich reden durfte, sollte der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION ein Redebeitrag bei der Demonstration „Für ein solidarisches Dresden ohne Rassismus“ trotz gegenteiliger Absprache verweigert werden. Hinterrücks versuchten einige Akteure aus der hiesigen linken Szene einzelne OrganisatorInnen der Demo unter Druck zu setzen, uns nicht reden zu lassen. Wir konnten diesen Beitrag zwar gegen undemokratische Vorstöße anti-deutscher Gruppierungen durchsetzen – es zeigte sich aber auch, dass der Opportunismus gegenüber der Landesregierung mit Sektierertum gegen RevolutionärInnen und Anti-ImperialistInnen einhergeht.
Die Rede einer GenossIn konnte schließlich durchgesetzt und gehalten werden – und erhielt sehr großen Beifall. Das verdeutlicht, dass Jugendliche auch in Dresden offen für eine klassenkämpferische, internationalistische und revolutionäre Politik gewinnbar sind. Diese Jugendlichen und die ArbeiterInnenklasse gilt es zu organisieren – massenhaft und militant, damit Rassismus und Faschismus dort landen, wo sie hingehören: auf dem Müllhaufen der Geschichte.