Martin Suchanek, Infomail 1064, 11. August 2019
Die drohende Zerstörung der natürlichen Grundlagen menschlicher Existenz hat in den letzten Jahren in vielen Ländern zur Entstehung einer neuen Umweltbewegung geführt. Hunderttausende beteiligten sich an Fridays for Future, Zehntausende mobilisieren gegen die Braunkohleverstromung. In den vom Imperialismus beherrschten Ländern wehren sich Lohnabhängige, Bauern/BäuerInnen und Indigene gegen die fortgesetzte, ja beschleunigte Ausplünderung und Verwüstung ganzer Regionen.
Tausende nehmen auch an den Klimacamps oder bei Fridays for Future teil, um über die strategische Orientierung der Bewegung zu diskutieren. So weit so gut.
Die Gruppe ArbeiterInnenmacht hatte Anfang Juni einen Workshop mit dem Titel „Capitalism kills – Imperialismus, Konkurrenz und die Zerstörung von Mensch und Natur“ angemeldet. Dieser war von der Programmgruppe des Klimacamps in den Veranstaltungskatalog aufgenommen worden und sollte am Freitag, dem 9. August, stattfinden. Bei der Einreichung des Workshops hatten wir auch immer klargemacht, dass der Referent Chris Kramer für die Gruppe ArbeiterInnnenmacht spricht und dem Workshop die jüngst erschienene Broschüre unserer Organisation zugrunde liegt.
Umso erstaunter waren wir, als unsere GenossInnen am Morgen des 9. August über einen Aushang am Camp erfahren mussten, dass der Workshop abgesagt sei. Eine direkte Begründung per Mail oder Telefon – beides hatte die Vorbereitungsgruppe des Klimacamps seit Wochen (!) – kam uns erst gar nicht zu.
Am Camp gelang es uns wenigstens noch, vor dem geplanten Beginn der Veranstaltung verantwortliche SprecherInnen der Programmgruppe zu erreichen und von diesen eine mündliche Begründung ihres Vorgehens zu erhalten.
Als politische Gründe wurden uns dabei genannt:
Ganz offenkundig machten sich die Programmgruppe oder jedenfalls deren VertreterInnen uns gegenüber eine Reihe von „Standardargumenten“ der sog. Anti-Deutschen zu eigen.
Auf unsere Nachfragen, wo denn der „breite Konsens“ bezüglich der politischen Ausrichtung des Camps transparent und nachvollziehbar präsentiert würde, mussten auch die VertreterInnen der Programmgruppe zugestehen, dass das nicht so klargemacht wäre.
Auf unsere Nachfragen, warum unsere „Unvereinbarkeit“ mit dem Camp – trotz „transparenter“ Einreichung – erst am Abend vor der Veranstaltung bemerkt worden sei, konnten wir nur lächerliche Ausreden erhalten wie, dass die Vorbereitungsgruppe sehr viel zu tun hätte, nicht alle gleich „bewusst“, also gleichmäßig anti-deutsch indoktriniert, an die Sache rangingen. Außerdem wäre es ein sehr „schwieriger Prozess“.
Außerdem wäre das Thema „hoch komplex“ – wie überhaupt alles andere, wozu die Vorbereitungsgruppe nicht rasch oder einheitlich reagierte. Das Wörtchen „komplex“ wurde uns überhaupt wie ein Zauberwort um die Ohren geschlagen, wenn wir um eine konkrete Erklärung fragen oder z. B. wissen wollten, ob die Politik der Regierung Netanjahu rassistisch sei. Statt eines klaren Ja oder Nein wurden wir auf die „Komplexität der Situation“ verwiesen. Dabei muss man wohl kein politisches Genie sein, um den Rassismus der israelischen Regierungspolitik zu erkennen. Umso bemerkenswerter, dass die Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus, das einfache Nachplappern der israelischen wie auch bundesdeutschen Staatsdoktrin diesen Freunden und Freundinnen der „Komplexität“ keine weiteren Schwierigkeiten bereitet!
Das Verbot des Workshops der Gruppe ArbeiterInnenmacht durch die Programmgruppe und OrganisatorInnen des Camps verlief intransparent, bürokratisch und unter Missachtung jeder demokratischen Form.
Uns wurde eine öffentliche Stellungnahme auf dem Camp – z. B. auf dem Plenum verwehrt, ja diese wurde erst gar nicht „erwogen“. Die TeilnehmerInnen des Camps sollten darüber auch nicht diskutieren dürfen, ob sie die Position der Programmgruppe teilen oder nicht.
Unser Ausschluss wurde auf eine bürokratisch-autoritäre Weise vollzogen, wie sie selbst in den Hochzeiten der stalinistischen oder sozialdemokratischen Dominanz über linke oder soziale Bewegungen selten vorkam. Deren Führungen waren wenigstens formal-demokratisch, wenn auch im Rahmen einer bürokratischen Struktur, legitimiert. Die politische Führung des Klimacamps stellt hingegen eine vollkommen abgehobene Clique dar, die „Basisdemokratie“ spielt.
Ein Blick in das Programm des Camps, auf die Webseite oder auf die öffentlichen Verlautbarungen lässt die Veranstaltung als strömungsübergreifendes Diskussionsforum erscheinen. Die bis zur kurzfristigen Absage unseres Workshops problemlose Kommunikation und Aufnahme unserer Veranstaltung erweckten auch bei uns den Eindruck, dass eine offene, transparente und auch kontroverse Diskussion unter Linken gewünscht wurde.
Wir können nur darüber spekulieren, ob es bezüglich unserer „Zulassung“ unterschiedliche Positionen in der Vorbereitungsgruppe gab oder ob diejenigen, die mit uns sprachen, wirklich eine gemeinsame Auffassung vertraten. Im Endeffekt ist das auch nicht wichtig, weil die politische Position der anti-deutschen, anti-internationalistischen Kräfte offenkundig so stark war, dass die Absage des Workshops einer marxistischen Organisation durchgezogen wurde und die anti-deutschen DoktrinärInnen ihren Willen durchsetzen konnten. Auch wenn wir eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse in der Vorbereitungs- und Programmgruppe begrüßen würden, so haben wir wenig bis keine Hoffnung darin. Und ganz sicher wird diese Änderung nicht stattfinden ohne den Aufbau eines internationalistischen, antirassistischen und klassenkämpferischen Pols in der Umweltbewegung.
Die Bedeutung der Absage des Workshops der Gruppe ArbeiterInnenmacht liegt nicht nur darin, dass eine Gruppe ausgegrenzt und mundtot gemacht werden soll, für die internationalistische Arbeit, Klassenpolitik und der Kampf für den Aufbau einer revolutionären Partei und Internationale seit Jahren Schwerpunkte ihrer Politik darstellen. Was am 9. August uns betraf, betriff auch alle anderen Gruppierungen und Strömungen, die, trotz aller auch tiefgehender politischer Differenzen, einen ähnlichen Anspruch haben.
Die explizite Ausgrenzung von Antizionismus und Solidarität mit Befreiungsbewegungen konterkariert vollständig die an sich zu begrüßende Ausrichtung des Camps auf den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung, Rassismus und Antikolonialismus. Was nützt das freilich, wenn der Befreiungskampf der PalästinenserInnen, eine der wichtigsten konkreten Formen des anti-imperialistischen und anti-kolonialen Kampfes, ignoriert oder gar bekämpft wird. Ein solcher „Antirassismus“ und „Antikolonialismus“ verkommt zur Lüge. Er dient allenfalls zur Verwirrung und zur Rechtfertigung der konkreten imperialistischen Politik.
Nicht besser ist es um die falsche Entgegenstellung von „Systemkritik“ am Kapitalismus und Klassenpolitik bestellt. Wie jede ausbeutende Gesellschaftsformation ist natürlich auch die bürgerliche Gesellschaft durch einen grundlegenden Klassenwiderspruch gekennzeichnet. Die Tatsache, dass sich die Logik der Kapitalakkumulation auch gegenüber einzelnen KapitalistInnen als Zwangsgesetze der Konkurrenz geltend macht, ändert überhaupt nichts daran, dass sich in der bürgerlichen Gesellschaft Lohnarbeit und Kapital als antagonistische Klassen gegenüberstehen. Revolutionär ist nur eine Politik, die auf die Formierung der ArbeiterInnenklasse als „Klasse für sich“ zielt, ihr Bewusstsein und ihre Selbstorganisation vorantreibt und auf alle gesellschaftlichen Fragen eine sozialistische, eine proletarische Antwort zu geben vermag. Nur durch die internationale ArbeiterInnenklasse kann eine neue, sozialistische Gesellschaft überhaupt geschaffen werden, die die Bourgeoisie stürzt, die bürgerlichen Staatsapparate zerschlägt und durch eine Rätedemokratie und demokratische Planwirtschaft ersetzt. Die Formierung eines proletarischen Klassensubjekts stellt eine unerlässliche Voraussetzung für die revolutionären Überwindung von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung der Umwelt dar. Wer dem Kampf für die Herausbildung eines kollektiven Klassensubjekts, das notwendigerweise die Macht einer feindlichen, herrschenden Personengruppe – der KapitalistInnenklasse – brechen muss, abstrakter „Systemkritik“ entgegenstellt, muss unwillkürlich die Formierung der ArbeiterInnenklasse von einer Klasse an sich zu einer Klasse für sich ablehnen und ideologisch und realpolitisch bekämpfen.
Das steckt auch politisch hinter dem Verbot unseres Workshops: das Verhindern der Veranstaltung einer Organisation, die für Internationalismus und revolutionäre Klassenpolitik steht. Die gegen die Gruppe ArbeiterInnenmacht vorgebrachten Einwände stellen demagogische, längst entkräftete Lügen dar, wie ein Lesen unserer Publikationen leicht zeigt.
Wir wollen an dieser Stelle noch einmal die an unseren Positionen interessierten Klima-AktivistInnen auf unsere Broschüre „Capitalism Kills“ verweisen. Wir veröffentlichen außerdem auch das Manuskript unseres Workshop-Beitrages, so dass unvoreingenommene GenossInnen nachlesen können, was von der Programm-Gruppe zensiert wurde.
Am 9. August konnte sie unseren Workshop absagen und verhindern – zum Schweigen bringen wird sie uns nicht.