Arbeiter:innenmacht

Britannien: Eine Labour-Regierung wird ein neues Kampffeld eröffnen

K. D. Tait, Workers Power, Infomail 1259, 3. Juni 2024

Bei diesen allgemeinen Wahlen sind die großen Parteien und ihre Führer:innen so unbeliebt wie bei kaum einem anderen Wettbewerb zuvor. Das ist nicht überraschend. Die konservativen Tories haben 14 Jahre lang unerbittliche Angriffe auf die Arbeitsbedingungen und den Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse geführt. Mit Ausnahme einer relativ kleinen Schicht von wohlhabenden Hausbesitzer:innen und Rentner:innen werden am 4. Juli Millionen von Menschen an die Wahlurnen gehen, die unter dem Druck von Löhnen und Gehältern leiden, die real niedriger sind als 2010, von Wartelisten des staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS), die ein Rekordhoch erreicht haben, und von Schulen und Universitäten, die physisch oder finanziell am Rande des Zusammenbruchs stehen.

Rishi Sunak wurde als Premierminister eingesetzt, nachdem eine Rebellion der Anleihemarktkapitalist:innen und der Bank von England dem Kabinett von Liz Truss ein jähes Ende bereitet hatte. Die große „Errungenschaft“ der Tories, der Brexit, hat die Wirtschaft unterminiert und eine giftige Welle von Chauvinismus und Rassismus gegen Migrant:innen und Flüchtlinge beschleunigt.

Das andere Pferd in einem Rennen, das für die meisten Brit:innen aus nur zwei Bewerbern besteht, ist nur geringfügig weniger unbeliebt. Keir Starmer hat seinen Ruf darauf gesetzt, die Politik und das Personal des kurzen Corbyn-Aufstands zu vertreiben. Von seiner verlogenen Abkehr von dem Programm, das ihm die Wahl zum Parteivorsitzenden sicherte, bis hin zu seiner Erklärung, Israel habe „das Recht“, zwei Millionen Bewohner:innen des Gazastreifens auszuhungern, hat Starmer junge Menschen, Muslim:innen und mehrere Gewerkschaften, darunter Unite, den größten Spender der Partei, verprellt. Seine Schattenkanzlerin, Rachel Reeves, verspricht, dass eine Labour-Regierung „die wirtschaftsfreundlichste“ sein wird, die das Land je gesehen hat. Die Entscheidung, die Zusagen zur Abschaffung von „fire and rehire“( Entlassen und Wiedereinstellen zu schlechteren Konditionen) und Nullstundenverträgen zu streichen, ist ein erster Hinweis darauf, auf welcher Seite ihre Instinkte im Klassenkampf stehen.

Angesichts der Übereinstimmung zwischen Labour und den Tories in vielen wichtigen Fragen ist es verständlich, dass viele Menschen zu dem Schluss kommen, dass beide Parteien einfach gleich sind. Vom Standpunkt ihres Engagements für den Kapitalismus aus gesehen, sind sie das. Aber unter dem Gesichtspunkt, welche gesellschaftlichen Kräfte sie vertreten, sind sie es nicht.

Die Tories sind die Partei des offenen Klassenkampfes. Die Labour-Partei, die fast ausschließlich von den Gewerkschaften finanziert wird und deren Mitglieder, Wähler:innen und Aktivist:innen überwiegend aus der Arbeiter:innenklasse stammen, ist eine Partei, die versucht, die antagonistischen Interessen von Kapital und Arbeit in der Regierung zu versöhnen. Es ist eine Partei, die die Politik des Reformismus vertritt: schrittweise Verbesserungen für die Arbeiter:innenklasse innerhalb des Kapitalismus.

Der Reformismus ergibt sich aus der Existenz einer relativ großen, gut bezahlten und privilegierten Arbeiter:innenaristokratie – einem Teil der Arbeiter:innenklasse, dessen Lebens- und Arbeitsbedingungen gut genug sind, um ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Kapitalismus zu haben, anstatt für seine Ablösung durch den Sozialismus zu arbeiten.

Von diesem Standpunkt aus gehen die revolutionären Kommunist:innen an die Frage der Wahlen in Großbritannien heran. Es ist klar, dass die Arbeiter:innenklasse dringend eine andere Partei braucht, eine, die ein Programm hat, das ihre Interessen wirklich vertritt, die eine Strategie für den Klassenkampf am Arbeitsplatz und auf der Straße sowie im Parlament entwickeln und umsetzen kann.

Die große Streikwelle von 2022-2023 war ein deutliches Beispiel dafür. Angesichts des Scheiterns der Regierungen Johnson und Truss verfolgten die Gewerkschaftsführer:innen in Erwartung von vorgezogenen Neuwahlen bewusst eine begrenzte Streikstrategie, um – wie sie es sahen – zu vermeiden, dass größere Arbeitskampfmaßnahmen die Wahlchancen von Labour beeinträchtigen oder „unangemessene“ Forderungen an eine Labour-Regierung stellen.

Wenn Labour in der Opposition ist, können die Gewerkschaftsführer:innen eine Labour-Regierung immer als Alternative zu einem ernsthaften Arbeitskampf hinstellen. Aber wenn Labour an der Regierung ist und sich für eine Seite entscheiden muss, sieht die Sache anders aus. Der Weg zur Zerstörung der prokapitalistischen Gewerkschafts-Labour-Partei besteht darin, sie in die Regierung zu bringen, den arbeiter:innenfeindlichen Charakter ihrer Führung durch den Kampf gegen ihre kapitalistische Politik zu entlarven und in diesem Prozess eine beträchtliche Avantgarde von Klassenkämpfer:innen für die Gründung einer revolutionären Arbeiterpartei mit einem marxistischen Programm zu mobilisieren.

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