Georg Ismael/Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 297, Dezember 2025 / Januar 2026
Es herrscht „Waffenruhe“, doch das Morden, Vertreibung und Besatzung gehen weiter. Der Genozid nimmt eine andere Form an. Die deutsche Bundesregierung liefert weiter Waffen – aber auch andere deutsche Institutionen haben ihre stumme Unterstützungspolitik nicht geändert. Jede der acht staatlichen Universitäten Israels ist tief in den staatlichen militärisch-industriellen Komplex eingebunden – und somit aktiv an der Aufrechterhaltung des Siedler:innenkolonialismus und des Apartheidregimes beteiligt.
Deutsche Universitäten und Forschungszentren fungieren dabei als strategische Partner:innen: Sie öffnen israelischen Institutionen den Zugang zu Grundlagenforschung, Technologien, finanziellen Mitteln und Laborinfrastrukturen. Laut Hochschulrektor:innenkonferenz bestanden 2024 rund 290 offizielle Kooperationen, dazu kommen Partnerschaften großer außerhochschulischer Institute wie Max-Planck-, Helmholtz- oder Leibniz-Gesellschaft – überwiegend öffentlich finanziert.
Ein akademischer Boykott setzt genau hier an und stellt grundlegende Fragen: Wer entscheidet eigentlich, mit wem Hochschulen kooperieren? Wohin fließen öffentliche Gelder – und wer bestimmt, was geforscht wird und was mit dem Wissen passiert? Ein solcher Boykott fordert Konsequenzen in Lehre, Forschung und internationalen Partnerschaften. Damit er wirksam wird, braucht es jedoch eine informierte, gut organisierte und kollektive Bewegung. Doch wo beginnt man?
Die Boykott-AG des Berliner InterBündnisses sammelt detaillierte Informationen zu den Verstrickungen israelischer Universitäten – Material, das ihr nutzen könnt, um Berichte über eure eigene Hochschule zu erstellen. Zentrale Grundlage dafür ist eine gründliche Recherche: Welche Kooperationen bestehen an eurer Uni? Dazu gehören Austauschprogramme, gemeinsame Forschungsprojekte, institutionelle Partnerschaften, Drittmittelkooperationen oder fakultätsübergreifende Programme. Beginnt mit öffentlichen Quellen wie Jahresberichten, Webseiten von Fakultäten und Instituten, Pressemitteilungen sowie Fördermeldungen großer Stiftungen und Forschungsverbünde! Wichtig ist eine einheitliche Dokumentation: Welche Art der Kooperation liegt vor? Seit wann existiert sie? Wer ist beteiligt? Welche Inhalte stehen im Mittelpunkt? Sind die Informationen gesammelt, gilt es, sie kampagnenfähig aufzubereiten: kurze Berichte, dokumentierte Fakten oder übersichtliche Grafiken, die die wichtigsten Erkenntnisse sichtbar machen.
Jetzt geht es zum Ersten darum, öffentlich zu machen, wie eure Universität in Besatzungspolitik und Gewaltstrukturen verstrickt ist – und zugleich Menschen zu gewinnen, die die Kampagne langfristig unterstützen wollen. Organisiert dafür regelmäßige offene Treffen, die den Einstieg erleichtern, und legt klare Verantwortlichkeiten fest, etwa für Öffentlichkeitsarbeit, Recherche, Aktionen oder die Zusammenarbeit mit bestehenden Gruppen und Gremien! Gemeinsame Aktivitäten erhöhen eure Sichtbarkeit und schaffen Verbindlichkeit.
Nutzt die Strukturen, die es bereits gibt, und fragt aktiv nach Unterstützung: Verteilt Flyer und Poster, organisiert Aktionsstände, macht transparent, wo man sich einklinken kann! Präsentiert eure Materialien in Seminaren oder Tutorien, bringt das Thema in Diskussionen ein, richtet Informations- und Diskussionsveranstaltungen aus und nutzt sog. Social Media, um eure Inhalte zu verbreiten! So erreicht ihr sowohl Studierende als auch akademische Mitarbeitende und schafft Aufmerksamkeit über einzelne Fachbereiche hinaus.
Gerade jetzt ist es wichtig, weitere Menschen zu aktivieren: Ladet Interessierte zu euren Treffen ein, bittet um Unterstützung bei Aktionen auf dem Campus und motiviert Initiativen, Gruppen und Fachschaften, das Thema ebenfalls aufzugreifen! Je breiter euer Netzwerk wird, desto größer der Druck, den ihr gemeinsam aufbauen könnt.
Ein Boykott wirkt nur, wenn er kollektiv getragen wird – nicht durch einzelne Entscheidungen, sondern durch gemeinsames, organisiertes Handeln. Deshalb besteht der nächste Schritt darin, Unterstützer:innen an eurer Universität zu sammeln und Strukturen aufzubauen, die dieses gemeinsame Handeln ermöglichen.
Sobald ihr einen stabilen Aktivenkreis habt und eure Rechercheergebnisse öffentlich gemacht wurden, geht es an die praktische Organisierung: Plant kollektive Rundgänge durch Institute, Fachbereiche und Büros von wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Beschäftigten! Dort könnt ihr über die Verstrickungen der Universität ins Gespräch kommen, Unterschriften – etwa zur Unterstützung der Uppsala-Erklärung – sammeln und weitere Verbündete gewinnen. Das ist oft mühsam, aber unverzichtbar für den Aufbau einer breiten Basis. Geht auch zu den gewerkschaftlichen Betriebsgruppen eurer Universität, stellt euer Vorhaben vor und verweist auf der Beschlüsse internationaler Gewerkschaften!
Parallel dazu braucht es eine kontinuierliche Mobilisierung der Studierenden. Ziel ist die Vorbereitung einer großen, sichtbaren Vollversammlung, auf der Studierende und Mitarbeitende gemeinsam die Verstrickungen der Uni diskutieren und Forderungen beschließen können. Eine solche Versammlung schafft Öffentlichkeit, stärkt den Rückhalt der Kampagne und setzt die Unileitung spürbar unter Druck, wenn sie breit diskutiert wird.
Der nächste Schritt einer Boykottkampagne besteht darin, die gesammelte Unterstützung in konkrete Beschlüsse und Forderungen zu überführen. Eine breite Beteiligung gibt euch die Legitimation, klare Erwartungen an die Universitätsleitung zu formulieren – aber auch an andere Akteur:innen an der Uni, wie etwa gewerkschaftliche Gruppen, falls sie sich der Kampagne noch nicht angeschlossen haben. Dazu können Erklärungen von Fachschaften, Positionierungen von Instituten oder Beschlüsse der Vollversammlung gehören.
Das Ziel ist, dass die Hochschule problematische Kooperationen transparent macht, überprüft und beendet; dass sie sich klar zu internationalem Recht bekennt, den Genozid an den Palästinenser:innen anerkennt und konkrete Verbesserungen zum Boykott umsetzt. Die Umsetzung muss durch ein gewähltes Gremium aus Studierenden und Beschäftigten kontrolliert werden. Auf dieser Grundlage lässt sich gezielt politischer Druck ausüben und die Frage muss diskutiert werden: Wie können unsere Forderungen umgesetzt werden? Viele der deutschen Universitäten haben in der Vergangenheit versucht, alles Mögliche zu tun, Palästinasolidarität klein zu halten – doch kontinuierlicher Druck, der zu gemeinsamen Streiks, Besetzungen führen kann, sind mögliche Schritte.