Arbeiter:innenmacht

Russischer Imperialismus, nationale Frage und Krieg – Einleitung

Redaktion, Revolutionärer Marxismus 56, August 2025

Vor etwa 2.400 Jahren stellte Herodot an den Anfang des ersten bekannten Werkes der Geschichtsschreibung für diese die Aufgabenstellung zu ergründen, warum Menschen gegeneinander Krieg führen[i]. Er schrieb bereits schon über einen epochalen „Ost-West-Konflikt“, den Krieg zwischen den griechischen Stadtstaaten und dem Perser:innenreich. Wie heutige Historiker:innen beginnt er seine Untersuchung mit der Widerlegung der „Narrative“ der unterschiedlichen Seiten und endet mit einer Erklärung, die heute noch nach Tausenden Jahren in ähnlicher Form bekannt ist: Kriege entstünden, weil einzelne Völker und ihre Führer der „Hybris“, dem Übermut, der Machtbesessenheit erliegen, sich über Recht und Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen den Völkern hinwegsetzen, um ihre Macht mit allen Mitteln auf immer mehr Völker auszudehnen. Laut Herodot schlägt irgendwann dann die „Nemesis“ zu, die ausgleichende Gerechtigkeit, und nach der Hybris folgt der große Fall. Auch findet sich bei ihm schon die Andeutung, dass insbesondere autoritäre, tyrannische Regime zu Hybris und Expansion neigen, während „Demokratie“ eher zum „gerechten“ Verhalten anderen Völkern gegenüber führe.

Im Gegensatz zu dieser „moralischen“ Geschichtsschreibung und Betrachtung von Kriegen steht bis heute der „Realismus“, der durch Thukydides aus Athen, wenige Jahre jünger als Herodot, repräsentiert wurde. In seiner bekannten Geschichte des „Peloponnesischen Krieges“[ii] führt er zwar detailliert aus, wie Auseinandersetzungen um mögliche Vertragsverletzungen zwischen den beiden großen Bündnissen in der griechischen Welt dazu führten, dass aus der Auseinandersetzung um das kleine Korfu letztlich ein 30-jähriger „Weltkrieg“ (für damalige Verhältnisse) entstand, fügt aber dann gleich hinzu: In Wirklichkeit war der Grund des Krieges, dass der eine Machtblock (Athen) einfach so groß und mächtig geworden war, dass der andere (Sparta) gar nicht anders konnte, als den Krieg zu beginnen.[iii] Er geht davon aus, dass „immer schon“ verschiedene große Mächte in einem komplexen Gleichgewicht bestehen würden und nur „kluge Politik“ mehr oder weniger vermeiden könne, dass Störungen dessen zu Kriegen führen. Die Ursachen für Kriege seien daher untergründige Verschiebungen in den Machtverhältnissen und eine Reihe falscher politischer Entscheidungen, die nicht zu einem neuen Gleichgewichtszustand führen. In diesem Sinn war auch der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz ein „Realist“, als er meinte, dass der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln sei.[iv] Wenn das neue Gleichgewicht nicht mit politischen Mitteln hergestellt werden könne, werde dies eben mit Gewalt getan. Dies meint Clausewitz auch, wenn er sagt, dass ein militärisches Kriegsende nie „absolut“ sei, sondern lediglich in ein neues politisches Gleichgewicht führe, dessen Stabilität darüber entscheidet, ob oder wann es zum nächsten Krieg komme. Ein anderer „Realist“ des Krieges, Napoleon Bonaparte, bezeichnete den Terror als das Wesen des Krieges; die militärischen Mittel würden nicht zur vollständigen physischen Vernichtung des Feindes eingesetzt, sondern um die Masse des Feindes so weit zu demoralisieren, dass die Kapitulation oder ein unterwerfender Friede unvermeidlich würden.[v] Insofern ist auch die „Abschreckung“ vor der militärischen Stärke des Gegners als „kalter Krieg“ wiederum umgekehrt entscheidendes Mittel der Politik.

Auch beim gegenwärtigen Ukrainekrieg findet sich im westlichen bürgerlichen Diskurs beides, die moralische wie die realistische Position. Lange vorherrschend war das Bild von der russischen Hybris, vom Streben, das „Sowjetimperium“ wiederherzustellen, bis zum wahnsinnigen, Hitler gleichenden Eroberungsstreben des Wladimir Putin. „Vordenker“ wie Richard Herzinger[vi] erklärten in den Leitmedien (Zeit, NZZ, Welt …), dass dieser um sich eine „Achse der Zerstörung“ gegenüber den freiheitlich-demokratischen, „offenen Gesellschaften“ geschaffen habe, der man nur mit entschlossener Gegengewalt Herr werden könne. Die Ukraine sei nur das erste Ziel der Welteroberungspläne dieser neuen „Imperialist:innen“. Jegliche Verständigung sei unmöglich. Diejenigen wie Jürgen Habermas, die für einen Kompromissfrieden mit Putin einträten, seien die größte Gefahr, ähnlich wie Chamberlain 1938 mit dem „schändlichen“ Versuch eines „Appeasements“ mit Hitler. Für Putin gibt es für diese Sicht als Antwort nur die Nemesis bzw. sein Ende vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Krieg ist nicht mehr Fortsetzung der Politik, Gewalt wird aus der politischen Sphäre gehoben. Einen Krieg „anzufangen“, wird zum Kriminalfall (Opfer/Täter:in-Logik) – dagegen stehe die friedliebende demokratische „Weltgemeinschaft“, die dann wiederum berechtigt sei, militärische Gewalt gegen die „Täter:innen“ einzusetzen. Wer die Frage nach den tieferen Ursachen stellt, statt die „Wer hat angefangen?“-Debatte zu führen, wird dann schnell der „Täter:in/Opfer-Umkehr“ verdächtigt.

Den Gegenpol stellt der US-amerikanische Politikwissenschaftler und „Neorealist“ John J. Mearsheimer[vii] dar. Er vertritt, dass durch „kluges, machtpolitisches“ Handeln der Ukrainekonflikt hätte vermieden werden können, während illusorische Schwärmereien vom unaufhörlichen Fortschreiten von Demokratie und „westlichen Werten“ (vor allem in Form der EU) verkennen ließen, dass man damit unweigerlich die Machtinteressen Russlands herausfordern würde (NATO- und EU-Osterweiterung). Insbesondere in der EU habe man die Stärke Russlands und seine Bereitschaft zur Bewahrung seiner Einflusssphäre vollkommen unterschätzt, ebenso, dass die eigene Stärke weniger in ihrer „wundervollen Demokratie“ als vielmehr im militärischen Background des US-Beistands liege (ohne den die NATO auf Regionalmachtniveau absinke). In Spiegel- und NZZ-Interviews provozierte Mearsheimer mit der Formulierung „An Putins Stelle hätte ich viel früher angegriffen“. Dessen Kalkül, dass sich die US-Beistandsverpflichtung immer mehr relativieren würde, sei letztlich voll aufgegangen. In seiner Replik auf Mearsheimer empörte sich Herzinger[viii] insbesondere über dessen Einschätzung, dass Putin vollkommen rational aufgrund machtpolitischen Kalküls handeln würde und daher nur begrenzte, auf die Sicherung der klassischen russischen Einflusssphären ausgerichtete Ziele verfolge. Herzinger & Co. glauben dagegen bekanntlich, dass das „System Putin“ einen grenzenlosen Rachefeldzug gegen den Westen, der Russland sein Imperium gekostet habe, in Gang setze, gegen den alle militärischen Mittel des nun von den USA verlassenen Europas zu mobilisieren seien. Zynisch ist natürlich die Antwort Mearsheimers auf die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer:innen – sie hätten halt wissen müssen, was ihnen blüht, wenn sie sich mit einer Großmacht wie Russland anlegen.[ix] „Realismus“ wird hier zur imperialen Rechtfertigungsideologie – offenbar passend zur neuen Ausrichtung der US-Politik. Thukydides wird hierzu gerne zitiert: „Die Starken tun, was sie können, die Schwachen erleiden, was sie müssen“.[x]

Marxismus und Krieg

Die marxistische Herangehensweise zur Kriegsfrage, die wir in diesem RM in einigen Aspekten genauer ausführen, unterscheidet sich grundlegend von den beiden hier angedeuteten Polen des herrschenden Diskurses über den Krieg. Kriege sind weder in der „menschlichen Natur“ begründet noch in ewigen Gesetzmäßigkeiten von „menschlichen Gemeinwesen“. In der 6. und 7. These über Feuerbach stellt Marx fest: „… das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es ein Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“, damit (so wie die verschiedenen Formen von Ideologie, Politik, Institutionen etc.) „selbst ein gesellschaftliches Produkt, … das … in Wirklichkeit einer bestimmten Gesellschaftsform angehört“.[xi] Also ist das menschliche Wesen ein historisches Produkt einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe, das sich mit diesen Entwicklungsstufen ändert und veränderbar ist. Das „Ensemble“ von Entwicklungsstufe der Produktivkräfte und dazu entsprechender Eigentumsformen (Produktionsverhältnisse) bedingt in der bisherigen Geschichte die Herrschaft einer Klasse (Besitzer der zentralen Produktionsmittel) durch Aneignung der Mehrarbeit der arbeitenden Klassen. Dies führt nicht nur zu gewalttätigen Klassenauseinandersetzungen im Inneren und zur Notwendigkeit des Staates zur Verteidigung dieses Ausbeutungsverhältnisses, sondern auch zu unterschiedlichen Formen des Ausdehnungszwanges der Ausbeutungsordnung nach außen. Während der „Realismus“ eines John Mearsheimer[xii] z. B. die Tendenz zur Expansion von sozialen Gemeinwesen auf Kosten anderer sozialer Gemeinwesen aus der „Natur des Menschen“ ableitet, gingen Marx und Engels davon aus, dass der Konflikt zwischen der bestehenden Produktionsweise, den darüber hinaus drängenden Elementen anderer, zukünftiger Gesellschaftsformationen und den damit verbundenen Klassenkämpfen zu inneren Krisen und Bürgerkriegen führen muss, die sich in gewalttätigen Expansionsbestrebungen nach außen umwandeln können und müssen. Diese Logik entwickelt der historische Materialismus jeweils spezifisch für die unterschiedlichen Stadien der gesellschaftlichen Entwicklung.

In der antiken Sklavenhaltergesellschaft konnten die inneren Auseinandersetzungen abgemildert werden durch die beständige Eroberung neuer Gebiete zur Sklav:innenbeschaffung. In der Feudalepoche war es die territoriale Ausdehnung der Lehenshoheit auf weiteres Land und damit verbundene Leibeigene, die das Auskommen der Herrschenden trotz zwangsläufiger Krisen durch ausgelaugte Böden und ausgepresste Landbevölkerung sicherten. Aus den Krisen dieser Klassengesellschaften gingen also nicht nur die inneren Bürgerkriege, sondern auch mit Notwendigkeit die Expansion nach außen und damit die kriegerischen Zusammenstöße der Staaten hervor. Die „räuberischen Naturen“ der einzelnen Kriegsfürsten waren somit auch nichts anderes als eine Widerspiegelung des räuberischen Charakters der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, also die Sicherung der diesen Verhältnissen zugrunde liegenden Ausbeutungsverhältnisse. Die liberale (neomoralische) Geschichtsauffassung mag zugeben, dass in der Vergangenheit solche Zusammenhänge von Ausbeutungsverhältnissen und Eroberungskriegen bestanden hätten, aber seit dem 19. Jahrhundert sehen sie die Prinzipien von freiem Austausch, Welthandel, den „Ideen“ von Menschenrechten und Demokratie etc. auf einem unaufhaltsamen Vormarsch. Sobald die demokratischen Gesellschaften in entsprechenden „historischen“ Nationen ihren „natürlichen“ politischen und ökonomischen Raum gefunden hätten, würde eine „regelbasierte“ Ordnung internationaler Beziehungen für „ewigen Frieden“ sorgen. Schon mehrfach wurde dementsprechend ein „Ende der Geschichte“ verkündet[xiii], nur dass immer noch einige unverbesserliche, vom „alten Denken“ geprägte Autokrat:innen und Terrorist:innen für Unfrieden sorgen. Für Marxist:innen ist die gegenwärtige Epoche, der Kapitalismus, dagegen weiterhin von Klassenherrschaft, Ausbeutung und sogar noch schärferen Kriegstendenzen durchzogen.

Allerdings werden in der kapitalistischen Epoche Klassenherrschaft und ihre Beziehung zu expansiven Außentendenzen verdeckt durch den „Freiheitsschleier“ rund um die versachlichten Ausbeutungsverhältnisse. Die gewaltige Kapitalakkumulation und die Spielarten des Warenfetischismus erzeugen ungeheure „Sachzwänge“, die bei der „freien Wahl“ zwischen Varianten der Lohnsklaverei, der billigsten Konsumwaren, des „politischen Wettbewerbs“, der „notwendigen Sparzwänge“ etc. letztlich doch immer das Kapital-Lohnarbeitsverhältnis als Herrschaftsverhältnis reproduzieren. Alle sozialen und demokratischen Errungenschaften müssen in diesem System durch Klassenkampf errungen werden – und sind beständig durch die dem Kapitalverhältnis innewohnenden Krisentendenzen gefährdet. Die von Marx entdeckte Tendenz zum Profitratenfall zwingt das Kapital zum beständigen „grenzenlosen“ Wachstum, das ebenso beständig an die Schranken der Verwertung der bestehenden Kapitale stößt.[xiv] Ist die Herstellung des nationalen Marktes und seine Absicherung durch den bürgerlichen Nationalstaat die Ursprungsbedingung der Kapitalakkumulation, so führt dieser Verwertungszwang zur letztlichen Ausrichtung der nationalen Kapitale auf ihre Konkurrenz auf dem Weltmarkt als dem zentralen Ort der Kapitalverwertung. Hatte Marx noch den Außenhandel und seine koloniale Absicherung als wesentlichen gegenwirkenden Faktor zum Fall der nationalen Profitraten erkannt, so sahen seine Nachfolger:innen den Kapitalexport und andere Instrumente der globalen (Finanz-)Kapitalbewegung als Basis einer Aufteilung des Weltmarktes unter eine kleine Zahl großer Kapitale. Diese weltbeherrschende Stellung der Finanz- und Monopolkapitale ist, wie Lenin es analysierte[xv], die Grundlage für eine Aufteilung der Welt unter einige wenige Großmächte, deren Macht auf der Verbindung zu diesen Kapitalen beruht und deren Funktion in der Verteidigung von deren Interessen im Klassenkampf, gegen aufmüpfige untergeordnete Staaten und in der Konkurrenz zu anderen großen Kapitalen besteht. Die Krisenhaftigkeit des globalen Kapitalismus wie auch der Aufstieg neuer Mächte führen immer wieder zu Phasen der Erschütterung dieser imperialistischen Weltordnung, in denen diese großen Mächte unmittelbar oder mithilfe von abhängigen Staaten in Machtkonflikte geraten, die bis hin zu Kriegen führen können.

Clausewitz stellte in „Vom Kriege“[xvi] fest, dass seit der Französischen Revolution ein grundlegender neuer Faktor im „modernen Krieg“ auftritt: Waren es zuvor vor allem besondere Teile des Staates als „Haufen bewaffneter Menschen“, abgesonderte privilegierte und professionelle „Handwerker des Todes“, so trat mit den Revolutionskriegen „das bewaffnete Volk“ als entscheidender Faktor auf. Die Politik des Krieges als Vorbedingung der „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ verlangt also eine enorme Mobilisierung von Massen (vor allem) junger Menschen und eine gewaltige Industrie zu ihrer militärischen Ausrüstung. Die herrschenden Klassen lernten schnell, wie sie diese Volksmobilisierung in von ihnen kontrollierte Maschinerien umwandeln konnten: Kasernierung, brutales Disziplin-Regime, Korps von Berufssoldaten und -offizieren etc. Marx und Engels stellten dem die „allgemeine Volksbewaffnung“, das Milizsystem entgegen: ohne Kasernen, militärische Ausbildung vor Ort, Wahl der Offiziere, politische Kontrolle vor Ort etc. Nach der Erfahrung der Pariser Kommune erklärte Engels (am Beispiel der Pariser Nationalgarde), dass der Kampf um eine solche revolutionäre Miliz und das Brechen der Kontrolle der Herrschenden über das bewaffnete Volk ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche proletarische Revolution ist.[xvii]

National Frage

Die Herausbildung von Nationen durch Schaffung nationaler Märkte und Nationalstaaten war zu Beginn der kapitalistischen Epoche ein enormer Fortschritt für die Entwicklung der Produktivkräfte. Die Überwindung feudaler Herrschaft und Kleinstaaterei war zum Teil mit heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen verbunden. Waren im 19. Jahrhundert „Volkskriege“ noch entscheidend für die Herausbildung moderner Nationen und hatten „nationale Verteidigungskriege“ oder „revolutionäre Befreiungskriege“ so noch teilweise auch fortschrittliche Momente, so geriet die Massenmobilisierung für imperialistische Kriege zum reaktionär-chauvinistischen Deckmantel für räuberische Eroberungskriege. Andererseits führt diese imperialistische Aufteilung des Globus zu berechtigtem Widerstand in der (halb-)kolonialen Welt und damit auch weiterhin zu Verteidigungs- und Befreiungskriegen mit fortschrittlichen Momenten. Die Widersprüche der kapitalistischen Entwicklung führen dazu, dass einem großen Teil der Menschheit der Schritt zur Herausbildung einer selbstständigen Nation bis heute grundlegend verwehrt wird und dies auch trotz Erscheinungen wie der sogenannten „Entkolonialisierung“ (die eigentlich eine Form der Neokolonialisierung ist). In den konkreten kriegerischen Auseinandersetzungen verknüpfen sich die Auseinandersetzung konkurrierender imperialistischer Mächte, die widersprüchlichen Interessen der Bourgeoisie in „antiimperialistischen“ Kämpfen, die Zusammenhänge mit Klassenkämpfen, die Fragen der Bewaffnung unterschiedlicher Kräfte etc. zu sehr komplexen Zusammenhängen, die in der Geschichte des Marxismus zu einer Reihe von exemplarischen Analysen und politischen Antworten geführt haben. In diesem RM behandeln wir in dem Artikel über den „Revolutionären Defaitismus“ eine der zentralen Herangehensweisen für proletarische Antikriegspolitik im Konflikt zwischen imperialistischen Mächten. Ebenso wird im Artikel „Marxismus, nationale Frage und Imperialismus“ Grundlegendes zur Verbindung des Kampfes um die proletarische Revolution mit nationalen Befreiungskämpfen entwickelt. Eine zentrale Bemerkung von Lenin – „Ein nationaler Krieg kann in einen imperialistischen Krieg umschlagen und umgekehrt“[xviii] – kann als Schlüssel dafür gesehen werden, wie gerade in der imperialistischen Epoche in den verschiedensten Kriegen, zu verschiedensten Zeitpunkten und in verschiedenen Regionen unterschiedliche politisch-ökonomische Aspekte miteinander verwoben sind und mal mehr oder weniger dominieren. Dies führt für eine am revolutionären Klassenstandpunkt orientierte Politik zur Verpflichtung, auf Grundlage tieferer Analyse der konkreten Gegebenheiten zu einer entsprechend differenzierten Politik zu finden. Dies versuchen wir, insbesondere in den beiden Artikeln zum Ukrainekrieg, zu entwickeln.

Russland als imperialistische Macht

Vor allem beschäftigen wir uns in diesem RM ausführlich mit dem Aufstieg Russlands zu einer neuen imperialistischen Macht und den damit zusammenhängenden Kriegen und Konflikten, insbesondere dem Ukrainekrieg. Dabei erklären wir die besonderen Eigenheiten des russischen Imperialismus aus den Bedingungen der Restauration des Kapitalismus in den 1990er Jahren und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Krisenentwicklungen im gesamten Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Sowohl der Kampf um die Behauptung eines eigenständigen russischen Monopolkapitals und das Weiterbestehen seiner Verbindungen zum krisengeschüttelten postsowjetischen Raum als auch die Wiederbelebung der russischen Militärmaschinerie, insbesondere nach dem zweiten Tschetschenienkrieg – beides erklärt die Besonderheit der Stabilisierung von russischer Ökonomie und Staatlichkeit in der Putin-Ära der 2000er Jahre wie auch seine Wendung zu Autoritarismus nach innen und Aggressivität nach außen. In der Ukraine kumulierten letztlich die Konflikte um die Etablierung Russlands als ökonomische und politische Großmacht innerhalb der Neuaufteilung der Welt in der heutigen globalen Krisenperiode. In den Artikeln „Systematisches zu unserer Position zum Ukrainekrieg“ und auch in unserer Resolution zu diesem Krieg von 2023 erläutern wir, wie sehr dieser Krieg von mehreren Ebenen her betrachtet werden muss. Auch wenn wir ihn aus dem Zusammenhang dieses Kampfes um die Neuaufteilung der Welt heraus verstehen, sehen wir bis heute den berechtigten Widerstand der Ukrainer:innen gegen die imperialistische Aggression Russlands als das Moment, das für uns im Vordergrund der Parteinahme für die unterdrückte Nation Ukraine steht. Dies insbesondere, seit die USA immer unverhohlener ihr imperialistisches Machtspiel mit einer „Friedensvereinbarung“ mit Russland betreiben. Andererseits sehen wir klar, dass die exzessive Verteufelung Russlands durch die EU-Imperialist:innen ihrerseits genutzt wird, um eine von Russland und den USA eigenständige, militärisch unterlegte Großmachtrolle einzunehmen. Auf diese Weise und in beständiger Konkurrenz zu einem immer stärker werdenden chinesischen Imperialismus schickt sich dieser Kampf um die Neuaufteilung der Welt an, sich zu einem neuen, noch schrecklicheren Krieg auf globaler Ebene zu entwickeln, der den Ukrainekrieg wie einst die Balkankriege als Vorläufer zum Weltkrieg erscheinen lassen würde.

Der revolutionäre Marxismus hat nicht nur eine klare Antwort auf die Ursachen von Kriegen – er ist vor allem auch ein Programm zu ihrer endgültigen Überwindung, zur Umsetzung der Losung „Nie wieder Krieg!“. Beim Stuttgarter Kongress der Zweiten Internationale 1907 wurde eine Resolution angenommen (in der Urheberschaft Rosa Luxemburgs, Lenins und Martows),[xix] die feststellt, dass Kriege unvermeidlich mit den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen verbunden seien und nur durch deren Überwindung beseitigt werden könnten. Dies bedinge, dass das international organisierte Proletariat, das sowohl die Mehrzahl der Soldaten als auch die Arbeiter:innen in der Rüstungsproduktion stellt, durch die internationale Koordination seiner Aktionen den Vorbereitungen von Kriegen in den Arm fallen könne. Während die Linke auf diesem Kongress als konkrete verpflichtende Maßnahmen für Generalstreik und Ablehnung aller Kriegskredite in den Parlamenten eintrat, wurde nur eine Kompromissformulierung von der „Anwendung entsprechender Mittel …, die sich je nach der Verschärfung … der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern“ beschlossen. Weiter heißt es schon in dieser Resolution, dass bei einem Ausbruch eines imperialistischen Krieges alle Mittel des Klassenkampfes zu seiner Beendigung einzusetzen seien – eine Zuspitzung des Klassenkampfes, die letztlich zur Verbindung dieser Antikriegspolitik mit dem Sturz des Kapitalismus führen müsse.

Schon Marx hatte es (anders als die Anarchist:innen) abgelehnt, dass sich 1867 die erste Internationale einfach in die „Internationale Friedensliga“ eingliederte, eine damalige Vereinigung der liberalen, pazifistischen Bourgeoisie (aus der das Haager Schiedsgericht hervorging). Er lehnte eine Kooperation nicht ab, erklärte aber klar, dass bürgerlicher Pazifismus die tatsächlichen Ursachen der Kriege nie an der Wurzel fassen könne und daher letztlich immer wieder der „gerechten Sache“ der einen oder anderen Kriegspartei anheimfallen und in entsprechende Lager zerfallen würde. Dies ist auch unvermeidlich, da Gewalt als Mittel der Politik der Klassengesellschaft inhärent ist und damit Pazifismus vor allem den Herrschenden hilft, die nicht vor dem Einsatz bestehender Gewaltmittel oder ihrer auf der Gewalt der Ausbeutungsverhältnisse fußenden „Rechtsordnung“ zurückschrecken. Daher sei nur eine kommunistische Arbeiter:inneninternationale letztlich in der Lage, konsequent gegen den Krieg zu kämpfen. 1912 versammelte sich in diesem Sinn die Zweite Internationale in Basel zu einem Kongress gegen den drohenden Weltkrieg. Rund um diesen Kongress demonstrierten Hunderttausende gegen den Krieg und schworen, die Resolution des Stuttgarter Kongresses zum Stoppen der Kriegsvorbereitungen umzusetzen. Wiederum verhinderte die Rechte auf diesem Kongress jegliche Konkretisierung, was die Maßnahmen zur Kriegsverhinderung betraf. Im August 1914 war ein Großteil der Führungen der nationalen Sektionen der Zweiten Internationale weder willens noch in der Lage, der chauvinistischen Hetze und der ihr folgenden Kriegsmobilisierung entgegenzutreten. Sie fanden wiederum „gerechte“ Elemente der „Vaterlandsverteidigung“ oder schreckten vor der Zerschlagung ihrer sorgsam aufgebauten „Errungenschaften“ (und ihrer Bürokrat:innenprivilegien) zurück. Der Bruch der Linken (über Zimmerwald[xx] und die Dritte Internationale) war unvermeidlich, um die konsequente Antikriegspolitik (den „revolutionären Defaitismus“) und die Perspektive der Umwandlung des imperialistischen Krieges in den revolutionären Bürgerkrieg in eine eigenständige organisatorische Form einzubetten. Dieser Bruch zeigte auch, dass ein Teil der Arbeiter:innen, insbesondere in den imperialistischen Ländern, zu einer scheinbar besser gestellten „Arbeiter:innenaristokratie“,[xxi] zur Stütze sozialchauvinistischer Politik geworden war. Für revolutionäre Politik sind damit die reformistischen Staats- und Vaterlandsverteidiger:innen zu einem wesentlichen Hindernis der sozialistischen Umwälzung geworden, wenn auch ein widersprüchlicher Faktor, der durch die Dynamik der Krise von seiner Basis bis zu einem gewissen Punkt nach links gedrängt werden kann. Dies ist der Hintergrund für die Diskussion um revolutionäre Antikriegspolitik, wie wir sie in diesem RM insbesondere im Artikel „Revolutionärer Defaitismus“ darlegen.

Die Oktoberrevolution 1917 bedeutete zwar tatsächlich, dass die Mobilisierung der Bolschewiki gegen den Krieg in eine sozialistische Revolution übergeführt werden konnte, und leitete auch den Ausstieg Russlands aus dem imperialistischen Krieg ein. Es war jedoch klar, dass die junge Sowjetrepublik isoliert weder die vielfältigen Angriffe der vereinigten in- und ausländischen Bourgeoisien abwehren noch auf der Grundlage der Unterentwicklung im Zarenreich zu einer raschen sozialistischen Wirtschaftsentwicklung kommen können würde. Der Ausstieg aus dem Weltkrieg war also ein Übergang zu Bürgerkrieg, internationalen Interventionen und der Deformation des ersten Arbeiter:innenstaates durch den „Kriegskommunismus“. In dieser Situation waren die Nationalitätenkonflikte im ehemaligen Zarenreich von entscheidender Bedeutung und stellte die Intervention der Bolschewiki in die unterschiedlichen Befreiungskämpfe in den verschiedensten Regionen dieses Riesenreiches einen entscheidenden Faktor für den Sieg im Bürgerkrieg dar (wenn auch mit Niederlagen in der Ukraine und gegen Polen verbunden). Der Artikel in diesem RM zu „Marxismus, nationale Frage und Imperialismus“ ist daher ein Beispiel für durchaus erfolgreiches Eingreifen in den antiimperialistischen Kampf rund um proletarische Revolutionen.

Das letztliche Ausbleiben der internationalen Revolution am Ende des Ersten Weltkriegs und die Verheerungen des Bürgerkrieges bildeten die Grundlage dafür, dass die auf sich zurückgeworfene Sowjetunion letztlich der stalinistischen Konterrevolution anheimfiel. Auch wenn die nachkapitalistischen Produktionsverhältnisse in Form einer bürokratischen Planwirtschaft erhalten blieben, wurden die Reste von Arbeiter:innen- und Parteidemokratie zerstört und ein bürokratisch-diktatorisches Regime errichtet. Insbesondere wurden auch das Milizsystem und die revolutionäre Form der Roten Armee auf die übliche bürgerliche Form von Repressions- und Militärorganen zurückgeführt. Die stalinistische Konterrevolution hat daher auf der Grundlage einer nachkapitalistischen Ökonomie zur Sicherung der privilegierten Stellung der Bürokratie einen der Form nach bürgerlichen Staat errichtet.[xxii] Dies legte 1990/91 die Voraussetzung dafür, dass die Auflösung der Sowjetunion und die Einleitung der Restauration des Kapitalismus ohne blutige Konterrevolution vonstattengehen konnten. Diese Form der Restauration, die sowohl wichtige Teile der alten Nomenklatura entweder in eine Bourgeoisie oder die Eliten des neuen bürgerlichen Staates übergehen ließ als auch Armee und Polizei nach bestimmten Säuberungen und Kürzungen in beträchtlicher Stärke erhalten ließ, ermöglichte, dass sich in der Russischen Föderation bald wieder der Kern einer ökonomischen und militärischen Großmacht stabilisieren konnte. Die Besonderheiten des russischen Monopolkapitals, das weit über den Rohstoffbereich hinaus durchaus bedeutsam ist, führten dazu, dass sich diese etablierende kapitalistische Macht nur durch aggressive Großmachtpolitik nach innen (z. B. Tschetschenien) und außen (z. B. Georgien) ihren Platz im Kampf der Großmächte um die Neuaufteilung der Welt sichern konnte. Diese Tendenzen werden im Artikel über den russischen Imperialismus genauer herausgearbeitet, genauso wie die Zwangsläufigkeit, mit der die Konflikte um die Ukraine, Georgien und Moldawien, aber auch in Zukunft in der Arktis notwendigerweise zu Großkonflikten mit den bestehenden westlichen Imperialismen führen mussten und müssen.

Dieser RM soll einen Beitrag leisten zur Vertiefung des marxistischen Verständnisses von Antikriegspolitik im Allgemeinen, der Positionierung im Ukrainekrieg und der Analyse des russischen Imperialismus im Speziellen. Wir wollen einige hölzerne Vereinfachungen in Bezug auf den „Defaitismus“ genauso überwinden wie einige verkürzte Darstellungen zur Russischen Föderation korrigieren. Weder ist diese als noch verbliebene Widersacherin gegen einen anscheinend allmächtigen Westen irgendwie zu überhöhen, noch ist sie das neue „autoritäre Böse“, gegen das nun der angeblich so „demokratische Westen“ mit Aufrüstung und eventuell sogar Präventivschlag zu reagieren habe. Denn auch wenn in der radikalen Linken eine klammheimliche Sympathie für die russische Seite herrschen mag, so ist in der breiteren Linken sehr viel mehr eine Verharmlosung des global brutal-ausbeuterischen, heuchlerischen Demokratismus des „Westens“ vorherrschend – mit dem man sich dann als „unsere“ Seite (als das kleinere Übel) gegen den „neuen Hitler“ aus dem Osten zu verteidigen habe. Für den revolutionären Marxismus dagegen gilt – im deutlichen Kontrast zu diesen beiden „Lagern“ – weiterhin die Losung von Karl Liebknecht:

„Nieder mit den Kriegshetzern diesseits und jenseits der Grenze! Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“[xxiii]

Endnoten

[i] Herodot, „Historien“ (um 430 v. u. Z.), es gibt seit dem 16. Jahrhundert eine große Zahl von Übersetzungen ins Deutsche, die letzte von 2019 von Brodersen/Ley-Hutton bei Reclam (Stuttgart). Die Frage nach den Ursachen für Kriege findet sich schon im zweiten Satz der Vorrede.

[ii] Thukydides, „Der Peloponnesische Krieg“ (um 400 v. u. Z.). Auch von diesem Werk gibt es seit dem 16. Jahrhundert eine große Zahl Übersetzungen ins Deutsche, die letzte von Michael Weißenberger, 2017 bei De Gruyter (Berlin).

[iii] Ebd., Buch 1, Absatz 23: „Der eigentliche, wenn auch nie offen ausgesprochene Grund für den Krieg war die wachsende Größe Athens, die den Spartanern Angst einflößte und sie zum Krieg trieb.“ Dieses „Eindämmungssyndrom“ bezeichnete der US-amerikanische Politologe Graham Allison („Destined for War“, 2017) als „Thukydides-Falle“, die in Zukunft zu einem Krieg zwischen den USA und China führen würde.

[iv] Carl von Clausewitz, „Vom Kriege“, zwischen 1816 und 1830 geschrieben und 1832–1834 posthum und unvollendet von seiner Witwe veröffentlicht. In Kapitel 1 (Was ist der Krieg?) findet sich als Abschnitt 24 das bekannte Zitat „Der Krieg ist bloß Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“.

[v] Dies findet sich etwa im Bericht über Napoleons Feldzug in Ägypten durch den als Berichterstatter mitgereisten Vivant Denon, „Voyages dans la Basse et la Haute Égypte, pendant les campagnes du général Bonaparte“ (1802), in deutscher Übersetzung bei Knaur (München–Zürich, 1982) als „Mit Napoleon in Ägypten 1798–1799“ erschienen. Die Wirkungsweise der Karrees von französischen Infanteriedivisionen auf die vormodernen Mamluken (Mamelucken-)-Krieger wurde hier als Demonstration einer (möglichen) „planmäßigen Massenvernichtung“ dargestellt (ebd. S. 28). Napoleon entwickelte eine ausgefeilte „Ökonomie des Schreckens“, so z. B. in einer Nachbetrachtung der Niederschlagung des royalistischen 13-Vendémiaire-Aufstandes vom 5. Oktober 1795, bei dem er entgegen der üblichen Vorgehensweise zuerst scharf schießen ließ, um dann zu Warnschüssen überzugehen – nach dem Prinzip, maximalen Schrecken zu verbreiten, aber unnötige Opfer zu vermeiden (die nur mehr Widerstand hervorrufen könnten).

[vi] Gesammelt zu verfolgen unter https://herzinger.org/. Insbesondere zur Auseinandersetzung mit Habermas: https://herzinger.org/habermas-ein-intellektuell-moralischer-bankrott

[vii] John Mearsheimer, „Ich hätte dasselbe getan wie Putin“, NZZ, 6.5.2025. Seine allgemeine „neorealistische“ Anschauungsweise und Ablehnung von „wertebasierter“ Außenpolitik findet sich in: The Great Delusion: Liberal Dreams and International Realities, Yale University Press, New Haven CT 2018).

[viii] R. Herzinger, „Hegemoniale Vorherrschaft muss sein – die gefährlichen weltpolitischen Theorien des ,offensiven Realisten‘ John Mearsheimer“, NZZ 9.11.2024.

[ix] https://www.spiegel.de/ausland/transatlantische-beziehungen-trump-und-vance-verachten-die-europaeer-a-9f58dfb8-4c45-4b98-9b88-27422ce2d797. Mearsheimer zur Selbstbestimmung der Ukraine: „Ich verstehe den Wunsch der Ukrainer. Aber Russland ist eine Großmacht, und sie hat klargemacht, dass sie die Ukraine eher zerstören wird, als das zuzulassen.“

[x] Thukydides, „Der Peloponnesische Krieg“, a. a. O., Buch 5, Absatz 89. Tatsächlich legt Thukydides diese Worte der athenischen Delegation in den Mund, als diese die Bewohner:innen der Insel Milos (Melos) zum Anschluss an ihr Bündnis zwingen wollte. Nachdem sie dem militärischen Druck nicht nachgaben, wurde ein Großteil der Miloser:innen in die Sklaverei verkauft. Der „Miloser:innendialog“ wird als Paradigma für Verhandlungen und politisch-militärische Auseinandersetzungen zwischen einer Großmacht und einem Kleinstaat angesehen. Während der Kleinstaat auf Recht und gerechtes Verhalten unter den Völkern drängt, verzögert die Großmacht, erhöht schrittweise den Druck, setzt militärische Nadelstiche und beginnt Verhandlungen mit dem „Angebot“, entweder würden die Bedingungen angenommen oder schlimme Konsequenzen drohen; schließlich kapituliert der Kleinstaat und wird trotzdem plattgemacht, zwecks Statuierung eines Exempels für andere Kleinstaaten.

[xi] Karl Marx, „Thesen über Feuerbach“, MEW, Band 3, Berlin/DDR 1969, S. 534 f.

[xii] John Mearsheimer, „The Great Delusion“, a. a. O., S. 40 (Kapitel: „The Imperative to Expand“).

[xiii] Francis Fukuyama, „The End of History?“, in: The National Interest, no. 16, 1989. Auch noch unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg, als 40 Jahre ohne Krieg in Europa vergangen waren, glaubten viele, dass durch die Bündnissysteme, die Abschreckung durch moderne Waffen, die politischen Antikriegskräfte, die Entwicklung der „Zivilisation“ etc. Kriege der Vergangenheit angehören würden.

[xiv] Karl Marx, „Das Kapital, Band 3“, 3. Abschnitt „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“, 15. Kapitel „Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes“, 2. Abschnitt „Konflikt zwischen Ausdehnung der Produktion und Verwertung“. „Die kapitalistische Produktion strebt beständig danach, diese ihr immanenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerm Maßstab entgegenstellen.“ MEW 25, Berlin/DDR 1969, S. 260.

[xv] W. I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, gemeinverständlicher Abriss“, LW 22, Berlin/DDR 1972, S. 189 ff. „Die Epoche des jüngsten Kapitalismus zeigt uns, daß sich unter den Kapitalverbänden bestimmte Beziehungen herausbilden auf dem Boden der ökonomischen Aufteilung der Welt, daß sich aber daneben und im Zusammenhang damit zwischen den politischen Verbänden, den Staaten, bestimmte Beziehungen herausbilden auf dem Boden der territorialen Aufteilung der Welt, …“ (S. 258).

[xvi] Clausewitz, „Vom Kriege“, 8. Buch, 3. Kapitel, Abschnitt B, S. 710 f. (Nikol-Ausgabe, Hamburg 2008): „Der Krieg war urplötzlich eine Sache des Volkes geworden …“. Oft wird dagegen fälschlich das Kapitel „Volksbewaffnung“ herangezogen (insbesondere in Theorien des Guerillakrieges), in dem Clausewitz mehr solche Dinge wie Landwehren und Verteidigungsstellungen bespricht – nicht die Frage der Massenmobilisierung, -aushebung, -mobilmachung, -rekrutierung (Levée en masse) der französischen Revolutionsarmeen.

[xvii] Friedrich Engels, „Einleitung [zu Karl Marx’ ,Bürgerkrieg in Frankreich‘ (Ausgabe 1891)]“, MEW 22, Berlin/DDR 1977, S. 192 ff.

[xviii] W. I. Lenin, „Über die Junius-Broschüre“, LW 22, a. a. O., S. 314. Lenin widerlegt hier die Argumentation insbesondere von Rosa Luxemburg, dass es in der imperialistischen Epoche keine Kriege für nationale Befreiung mehr geben könne, und begründet sogar im Zeichen des Kolonialismus ihre Vervielfältigung. Er zeigt aber auch, wie stark von Anfang an in der bürgerlichen Epoche Kriege, auch wenn sie als „Befreiungs“- oder „Verteidigungskriege“ begannen, zu expansiven, imperialistischen Unternehmungen wurden – insbesondere am Beispiel der als nationale Verteidigungskriege begonnenen Unternehmungen der Ersten Französischen Republik.

[xix] Rosa Luxemburg, „Änderungsanträge zum Resolutionsentwurf August Bebels über die imperialistische Politik“, in: Gesammelte Werke, Band 2, Dietz Verlag Berlin/DDR 1986, S. 236.

[xx] Nach dem Verrat der Mehrheit der Zweiten Internationale im August 1914 gelang es Teilen der „Linken“ (37 Teilnehmer aus 12 Ländern), vom 5. bis zum 8. September 1915 einen Antikriegskongress im schweizerischen Zimmerwald abzuhalten und mit dem „Zimmerwalder Manifest“ ein Signal an die Arbeiter:innenbewegung der kriegführenden Länder zu richten, die „Gewehre umzudrehen“. Der radikaleren Position Lenins „Verwandlung des Weltkrieges in den revolutionären Bürgerkrieg“ folgte nur ein Teil der Delegierten – aus dieser „Zimmerwalder Linken“ wurde später der Kern der Dritten, Kommunistischen Internationale.

[xxi] Siehe: W. I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, a. a. O., S. 288 ff.

[xxii] Siehe: D. Hughes/P. Main (Editors), „The Degenerated Revolution: The Rise and Fall of the Stalinist States“, London 2012. Insbesondere: Appendix 1, „Marxist State Theory“; hier zur Charakterisierung des Staates nach der stalinistischen Konterrevolution: S. 456 ff.

[xxiii] Karl Liebknecht, „Flugblatt vom Mai 1915“, in: Gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Berlin 1972, S. 225 ff.

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