Arbeiter:innenmacht

Die Linke Berlin: Solidarität mit Palästina heißt Solidarität mit BDS!

Georg Ismael/Jaqueline Katherina Singh, Neue Internationale 296, November 2026

Am 15. November findet der Parteitag von Die Linke Berlin statt. Neben Debatten zur Regierungsbeteiligung bringt dort die LAG Palästina Berlin einen Antrag zu BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) und PACBI (Palästinensische Initiative für einen akademischen und kulturellen Boykott) ein. Die Annahme des Antrags wäre ein gewaltiger Erfolg für die Palästinasolidarität. Doch bereits eine breite Diskussion und die Überzeugung weiterer Mitglieder in der Linkspartei hätten einen positiven Effekt auf die Verbreiterung und Entkriminalisierung der Palästinasolidarität in Deutschland. Nicht weniger hatte Ines Schwerdtner am 27.09.25 gesagt, als sie vor zehntausenden Menschen vor dem Berliner Rathaus sagte: „Wir haben zu lange geschwiegen. Ab jetzt werden wir euch gegen die Kriminalisierung schützen.“

Der Antrag

Wenn der Antrag „BDS und PACBI entkriminalisieren – zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Apartheid und Besatzung stärken“ auf dem Parteitag Der Berliner Linken angenommen würde, hätte das laut Antragstext wortwörtlich folgende Konsequenzen:

1. Die Linke Berlin würdees der internationalen Linken gleichtun und sich fortan gegen die Diffamierung und Kriminalisierung von PACBI und BDS einsetzen.“

2. Die Linke Berlin würde es „ihren Gliederungen freistellen, PACBI und BDS-Kampagnen zu unterstützen oder zu initiieren und insbesondere in den Gewerkschaften für PACBI und BDS zu argumentieren.

3. Die Linke Berlin würde „sich für die Suspendierung jeglicher Kooperationen zwischen der Stadt Berlin, ihren Bezirken und öffentlichen Einrichtungen gegenüber jenen israelischen Institutionen einsetzen, die Apartheid und Besatzung ideell und/oder materiell fördern oder billigen“.

4. Die Linke Berlin würde „sich dafür einsetzen, dass jene Unternehmen, die die israelische Apartheid oder Besatzung in ähnlicher Weise fördern, und solange sie dies tun, künftig keine Aufträge der Stadt Berlin, der Bezirke oder anderer öffentlicher Einrichtungen erhalten können.

5. Die Linke Berlin würde „sich für diese Position analog in der Bundespartei einsetzen“.

Würden diese Forderungen umgesetzt, wäre das eine unglaubliche materielle Hilfe für das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung aus der Hauptstadt der BRD. Die Annahme oder zumindest eine große Zahl an Delegierten, die auf dem Parteitag für den Antrag stimmen, wären ein starkes symbolisches Zeichen – das deutlich macht, dass es die Partei ernst meint mit ihren Versprechungen gegenüber der Palästinabewegung.

Warum BDS?

BDS geht auf einen Aufruf 171 palästinensischer Organisationen aus dem Jahr 2005 zurück. Die Ziele sind der Abriss der Sperrmauer in der West Bank (2004 vom Internationalen Gerichtshof als illegal beurteilt), die Beendigung der Besetzung arabischen Landes, völlige rechtliche Gleichstellung von Palästinenser:innen in Israel und das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, das in der UNO-Resolution 194 gefordert wird. Die Ziele fordern also nichts weiter als die Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und demokratischer Grundrechte. Die Kampagne prangert in öffentlich wirksamer Weise die systematische Diskriminierung von Palästinenser:innen durch den israelischen Staat an und versucht, durch Anwendung des Boykotts das Bewusstsein für diese Ungerechtigkeiten zu vergrößern und zugleich den Staat Israel unter Druck zu setzen. Dies als antisemitisch zu brandmarken, basiert auf der falschen Gleichsetzung des Staates Israel mit der jüdischen Nation – eine Gleichsetzung, der selbst eine nationalistische bis völkische Vorstellung nationaler Einheit zugrunde liegt.

Das Potenzial der Kampagne, wenn man sich nicht auf individuellen Konsumboykott stützt, wird auch in der Begründung des Antrags deutlich: Am 8. Oktober 2025 beschloss das spanische Parlament auf Initiative der Mitte-Links-Regierung Spaniens ein Gesetz, welches den Handel mit Rüstungsgütern und Technologien zwischen Spanien und Israel verbot. Diese Praxis wurde bereits seit Oktober 2023 mit dem beginnenden Genozid in Gaza weitläufig durchgesetzt. Dies geht unter anderem auf eine Initiative von Podemos, der spanischen Schwesterpartei Der Linken, von 2017 zurück. Damals beschloss das spanische Parlament einstimmig, BDS und die Werbung für diese durch die Meinungsfreiheit zu schützen.

In Deutschland sieht es dagegen ganz anders aus. Mithilfe der Staatsräson wurde die Kampagne böswillig diffamiert. Die Resolutionen im Bundestag haben auch praktisch rechtswidrige Kriminalisierungen durch staatliche Behörden ermutigt. Rechtlich bindend sind diese alle nicht. Die Richtung ist jedoch klar: Es geht nicht um den Kampf gegen Antisemitismus. Kritik an Israels Politik soll delegitimiert werden, um die eigene Komplizenschaft zu verschleiern. Denn wer Waffen liefert, will keine Debatte – und schon gar keine, die den eigenen Anteil an Krieg und Besatzung sichtbar macht.

Keine Angst haben

Für alle Internationalist:innen und Linken inner- und außerhalb der Partei muss klar sein: Dieser Antrag muss unterstützt und diskutiert werden! Die „Waffenruhe“ wurde seitens Israels bisher rund 50-mal gebrochen, die Westbank droht annektiert zu werden – von einem Ende der Unterdrückung der Palästinenser:innen kann nicht die Rede sein.

Dabei gelten Ängste, dass es zu einer medialen Gegenkampagne kommt, nicht. Sollte Die Linke jemals in die Position kommen (wollen), Forderungen wie die Vermögensteuer, Enteignung der Wohnungskonzerne oder selbst den Mietendeckel durchzusetzen – überall dort, wo man Besitzverhältnisse und die grundlegenden Interessen des deutschen Imperialismus angreift, muss man mit Verleumdungskampagnen und Gegenwind rechnen. Wie soll die Linkspartei jemals glaubhaft Widerstand organisieren, wenn sie Angst hat, dass sie in Medien wie Springer schlechte Schlagzeilen bekommt? Es ist längst klar, dass die Mehrheit der Deutschen die dauerhafte Unterstützung der israelischen Regierung durch beispielsweise Waffenlieferungen nicht mittragen will – und das braucht einen politischen Ausdruck.

Organisierende Klassenpartei

Wenn Die Linke ihre eigenen Worte und Versprechen ernst nimmt – von der „organisierenden Klassenkampfpartei“ im Sinne des Leitantrags, den der letzte Parteitag verabschiedet hat –, dann darf sich das nicht auf ökonomische Kämpfe beschränken. Klassenkampf hört nicht an der Landesgrenze auf. Wer von Solidarität redet, muss sie auch international leben, anstatt diese Fragen gegen „innenpolitische“ auszuspielen. Denn ob eine Partei wirklich sozialistisch ist, zeigt sich nicht nur an ihrem Innenprogramm oder ihrer Mitgliederzusammensetzung, sondern auch daran, was ihre programmatischen Grundlinien sind und wie sie außenpolitisch handelt – beispielsweise ob sie sich gegen Waffenlieferungen und Kolonialherrschaft stellt oder nicht.

Ebenso müssen jene, die von Realpolitik reden, sich daran messen lassen. Gerade weil die Linkspartei aktuell weit davon entfernt ist, auf Bundesebene Druck auszuüben, braucht es klassenkämpferische Basisinitiativen, die Solidarität praktisch machen. Die Unterstützung von BDS und PACBI kann dazu genutzt werden, Widerstand an jenen Orten aufzubauen, die Genozid und Besatzung unterstützen. Sie kann genutzt werden, um an diesen Orten politische Debatten zu führen, die Verfehlungen der Bundesregierung aufzuzeigen und gleichzeitig zu realen Erfolgen zu führen. Es ist eine Kampagne, die nur funktioniert, wenn sich Menschen auch aktiv daran beteiligen. BDS ist somit kein ultralinks-romantisches Projekt, sondern – um es mit Francesca Albanese zu sagen – das bare Minimum. Israel bricht das Völkerrecht, BDS verlangt seine Einhaltung, und Sozialist:innen in Deutschland sollten sich fragen, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen wollen. 

Kollektives Handeln

Als Sozialist:innen kämpfen wir innerhalb der BDS-Bewegung für eine klare Klassenlinie. Es geht weder darum, zufällige Individuen noch individuell bestimmte Produkte zu boykottieren. Es geht um kollektive Aktionen in Betrieben und Gewerkschaften, für die Kontrolle der Arbeiter:innen über Produktion, Forschung und Handel.

Denn die Kampagne wirft unmittelbar die Fragen auf: Wer entscheidet eigentlich, was hergestellt, geliefert und verbreitet wird? Welche Interessen stehen dahinter? Und was müssen wir tun, um unsere Interessen als Beschäftigte durchsetzen zu können? In diesem Sinne kann BDS mehr sein als ein moralischer Aufruf. Es ist eine Taktik, um die Arbeiter:innenklasse als politische Akteurin in Bewegung zu bringen. Ob in der Wissenschaft, in der Industrie oder im Dienstleistungssektor – überall kann Solidarität praktisch werden, wenn Beschäftigte – aber auch Studierende oder Schüler:innen – die Zusammenarbeit verweigern – und darüber diskutieren, was es für Alternativen braucht.

Unterstützung nötig

Damit die Partei wirklich alles Nötige tut, um das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser:innen zu verteidigen und die deutsche Beihilfe an Apartheid, Besatzung und Genozid zu beenden, braucht es nach wie vor solidarischen Austausch, Überzeugungsarbeit, aber auch politischen Druck. Tut also alles Erdenkliche bis zum 15. November, um zu zeigen, dass ihr von Der Linken Berlin erwartet, diesen Antrag anzunehmen.

Macht den Antrag bekannt: Auf Protesten, Veranstaltungen, in sozialen Medien, in Der Linken selbst. Schreibt dem Parteivorstand Der Linken oder dem Kreisverband, in dem ihr lebt, oder geht direkt zu einem Ortsgruppentreffen, um für den Antrag zu argumentieren – auch im Bundesgebiet. Unterstützt die LAG Palästina: Sie hat den Antrag gestellt und ist die Kraft in Der Linken, die antiimperialistische und internationalistische Politik durch die Partei in der Hauptstadt durchsetzen möchte.

Den gesamten Antrag könnt ihr hier lesen: https://dielinke.berlin/fileadmin/Parteitage/10._Landesparteitag/2._Tagung/A19.pdf

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