Arbeiter:innenmacht

Für eine Uni des gesellschaftlichen Fortschritts – Aktionsprogramm

Gegen die prekäre Lage von Studierenden!

Immer mehr junge Menschen strömen in die Universität, um den veränderten Bedürfnissen des Produktionsprozesses gerecht werden zu können. Doch studieren ist trotz des Endes von Studiengebühren an staatlichen Universitäten und Hochschulen (mit Ausnahmen) teuer und Semestergebühren gibt es weiterhin. Diese finanzieren das Studentenwerk und Semesterticket. Neben den Semestergebühren gibt es jedoch auch mancherorts noch Langzeitstudiengebühren (in einigen Bundesländern sind diese aber ausgesetzt) und Zweitstudiengebühren (wenn man bereits ein Studium desselben akademischen Grads abgeschlossen hat).

Die Mehrzahl der Studierenden kann es sich nicht leisten, neben dem Studium nicht arbeiten zu gehen. Im Oktober 2023 waren in Deutschland fast 70 Prozent der Studierenden erwerbstätig (genau 69,3 %). Dabei sind aktuell nur 50 % der arbeitenden Studierenden auch in einem Bereich eingesetzt, der ihrem Studiengebiet entspricht. Rund 33 % gaben an, bei der Jobsuche in ihrem Bereich keinen Erfolg gehabt zu haben. Demnach sind sie in für sie irrelevanten Bereichen eingesetzt und das dürfte oftmals Tätigkeiten im Niedriglohnsektor bedeuten: Lieferant:innen-Jobs, Callcenter-Jobs und Gastro-Jobs scheinen besonders oft vorzukommen. Besonders bei arbeitsintensiven Studiengängen sorgt das für eine massive zusätzliche Belastung. Zwar gibt es ein BAföG, aber da dieses i. d. R. einkommensabhängig ist, kommt nur jede:r Zehnte in den Genuss dieser finanziellen staatlichen „Zuwendung“. Des Weiteren muss diese später in Teilen zurückgezahlt werden, Studierende müssen in der Regelstudienzeit bleiben und der bürokratische Aufwand ist immens.

Von den anderen Studierenden, die in ihrem Feld eingesetzt werden, arbeiten viele als Werkstudent:innen. 2023 gab es 900.000 Werkstudent:innenstellen in Deutschland. Bei insgesamt 46 Millionen Erwerbstätigen macht das 1,96 % aus. Auch wenn es besonders den Studierenden als „tolle“ Karrieremöglichkeit verkauft wird, so sollte doch klar sein, dass es vor allem für das Kapital eine Entlastung darstellt: niedrige Löhne je nach Branche (Mindestlohn oder ein paar wenige Euro mehr) trotz Expertise und insbesondere die Befreiung von verschiedenen Sozialleistungen machen Werkstudent:innen besonders attraktiv für Kapitalist:innen. Hinzu kommt, dass sie in vielen Tarifverträgen nicht einbezogen sind und nur in Ausnahmefällen, wie z. B. bei der IG Metall, darin aufgeführt werden.

Doch nicht nur „freiwillige“ Jobs belasten Studierende, auch sind für viele Studiengänge Praktika verpflichtend. Eine Vorgabe dafür, dass diese auch bezahlt werden müssen, gibt es allerdings nicht. Während freiwillige Praktikant:innen ab einer Dauer von 3 Monaten gemäß Mindestlohn bezahlt werden müssen, gilt das nicht für Pflichtpraktika, die meistens in Vollzeit stattfinden und oftmals (je nach Studiengang und -abschluss) sogar länger als 3 Monate dauern. Außerdem besteht für Pflichtpraktikant:innen auch kein gesetzlicher Urlaubsanspruch.

Daher fordern wir:

  • Ein Mindesteinkommen für Studierende von 2.000 Euro durch die Besteuerung von Reichtum und Kapital, unabhängig vom Familieneinkommen! Niemand, der/die das nicht möchte, soll neben dem Studium arbeiten müssen!
  • Weg mit BAföG und Semesterbeitrag! Finanzierung der Ausgaben fürs Studentenwerk (subventioniertes Essen für Studierende, Wohnheime und Beratungsangebote) durch die Profite der Reichen! Weg mit Langzeitstudiengebühren und Zweitstudiengebühren!
  • Kostenloser ÖPNV für alle!
  • Weg mit Werkstudenten„privilegien“, gleiche Sozialleistung, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und Aufnahme in Tarifverträge!
  • Weg mit unbezahlten Pflichtpraktika, Minijobs und Werkstudententätigkeiten im Niedriglohnsektor! Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit! Gesetzliche Pflicht zur Entlohnung aller Arbeitstätigkeiten von Studierenden von mindestens 15 Euro/Stunde! Bei Nichteinhaltung durch private Unternehmen müssen diese entschädigungslos enteignet werden!

Neben den allgemeinen Lebenserhaltungskosten fallen vor allem die Mieten ins Gewicht. Wohnen für Studierende ist so teuer wie noch nie. Natürlich unterscheidet sich das je nach Stadt und Wohnsituation, aber der Mietpreis für WG-Zimmer beträgt im Durchschnitt in Deutschland knapp 500 Euro, in Großstädten kann es deutlich mehr sein. Wohnheime sind oft billiger, aber aufgrund der hohen Nachfrage mit langen Wartezeiten verbunden. Außerdem wurden auch die Wohnheimmieten verschiedener Studentenwerke in den letzten Monaten massiv angehoben. Doch der Wohnraum existiert, er wird nur leer stehend gelassen und zu einem Spekulationsobjekt für Miethaie!

  • Selbstverwaltete und kostengünstige Student:innenwohnheime, gegen jede Mieterhöhung!
  • Enteignung von leer stehendem Wohnraum unter Kontrolle der Arbeiter:innenklasse!
  • Massive Investitionen in den Sozialwohnungsbau durch die Besteuerung von Reichtum und Kapital!

Bessere Arbeitsbedingungen für Verwaltung, wissenschaftliche Mitarbeiter:innen und alle Angestellten an der Uni erkämpfen, Professor:innenstand aufheben!

Die Arbeitsbedingungen für Personen, die an der Universität beschäftigt sind, sind insbesondere für den Mittelbau und studentische Hilfskräfte prekär. Einzig und allein die regulären Professuren sind mit Privilegien ausgestattet, doch wie wir bereits aufgezeigt haben, sind auch diese Stellen nicht vor den Angriffen gefeit (Stichwort: S-Professuren und Tenure-Track-Professuren). Innerhalb der Uni-Bürokratie gibt es zwar Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, jedoch zeigen auch hier die Tarifkämpfe, dass die Interessen der Angestellten nicht wirklich umfangreich durchgesetzt werden.

Besonders hart trifft es studentische Hilfskräfte. Der Lohn ist nicht sonderlich hoch, meist liegt er knapp über dem Mindestlohn, wenn die Studierenden noch keinen Bachelorabschluss haben. Das heißt ca. 600 Euro im Monat, denn die wöchentliche Arbeitszeit ist auch nicht mit der einer Werkstudentenstelle zu vergleichen, wo bis zu 20 Stunden während der Vorlesungszeit gearbeitet werden darf. Genau das stellt auch einen ersten Selektionsprozess dar. Wer als studentische Hilfskraft arbeitet, hat oft ein Interesse, später in der Wissenschaft tätig zu sein. Unter diesen Bedingungen bereits während des Studiums arbeiten zu wollen (und zu können), zeigt späteren Arbeit„geber“:innen (also den Universitäten), dass die studentischen Hilfskräfte sich gezwungen sehen, diese Bedingungen zu akzeptieren, wenn sie in der Wissenschaft bleiben wollen. Ein großer Teil der studentischen Beschäftigten – in vielen Fällen sogar die Mehrheit – nimmt seinen Urlaubsanspruch nicht wahr, arbeitet Krankheitstage nach und häuft Überstunden an. Oft passiert das nicht nur aus eigenem Druck heraus, sondern auf direkte Aufforderung der Vorgesetzten. In manchen Fällen arbeiten sie monatelang ohne Bezahlung oder sogar ohne Arbeitsvertrag. Dabei sind studentische Beschäftigte in einem Bereich tätig, in dem sie meist von betrieblicher Mitbestimmung ausgeschlossen sind und Arbeitsrechtsverstöße eher die Regel als Ausnahme sind. Das hat vor allem damit zu tun, dass ihre Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse sich in vielerlei Hinsicht von denen anderer Beschäftigtengruppen unterscheiden. Während andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst durch Tarifverträge abgesichert sind, klafft hier eine riesige Tariflücke. Einzige Ausnahmen sind studentische Angestellte, die unter den Tarifvertrag der Länder (TV-L) fallen, und die studentischen Beschäftigten in Berlin, die vom TVStud III erfasst werden. In allen anderen Bundesländern gibt es entweder gar keine oder nur sehr eingeschränkte Mitbestimmungsrechte. Oft sind studentische Beschäftigte faktisch von der Interessenvertretung ausgeschlossen, weil die Wahlrechtskriterien auf sogenannte Normalarbeitsverhältnisse ausgerichtet sind. Im deutschen Arbeitsrecht gilt das unbefristete Arbeitsverhältnis als Standard. Das bedeutet: Jede Form der Befristung braucht eine rechtliche Grundlage. Das gilt auch für studentische Beschäftigte. Während in den meisten Branchen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) die Regeln für befristete Arbeitsverhältnisse vorgibt, gibt es in der Wissenschaft mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ein Sonderbefristungsrecht. Dieses erlaubt so weitgehende Befristungen, dass sie in der Praxis zum Normalfall geworden sind. Das betrifft nicht nur wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, sondern fängt schon bei studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften, Tutor:innen an – für die mit § 6 im WissZeitVG sogar ein eigener Paragraf geschaffen wurde. Auch wenn wir die Initiative für einen bundesweiten TVStud vom Gedanken her richtig finden, da auch das Beschäftigungsverhältnis von Studierenden mit einem Tarifvertrag geregelt werden sollte, halten wir es für sinnvoller, wenn die Tarifregelungen für studentische Beschäftigte in den TV-L und den TVöD überführt werden. So kann die künstliche Spaltung zwischen den Angestellten aufgehoben und bei Tarifverhandlungen eine viel größere Kampfkraft erreicht werden.

Eine andere Angestelltengruppe, die nicht durch die Tarifregelungen der Universität abgesichert ist, sind Personen (insbesondere Frauen), deren Arbeit outgesourct wird. Eventuell haben sie zwar über ihre Firma einen Tarifvertrag, doch dieser könnte schlechter sein. Das betrifft Personen, die z. B. in der Mensa oder Reinigung arbeiten und ein wichtiger Bestandteil der Universität sind. Dennoch führt das Outsourcing zu massiver Lohndrückerei! Das ist nicht hinzunehmen. Auch diese Arbeiter:innen sollten eine feste, unbefristete Anstellung im Rahmen der bestehenden Tarifverträge an den Universitäten erhalten!

Auch der Mittelbau ist vor allem von den Befristungen des WissZeitVG betroffen. So sorgt die 6+6-Regelung dafür, dass wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, die promovieren, insgesamt 12 Jahre befristet an der Universität angestellt werden dürfen. Das soll frischen Wind in die Wissenschaft bringen, bedeutet für die Betroffenen aber massive Unsicherheiten und Abhängigkeiten. Denn wenn man nicht genau weiß, ob man im nächsten Semester noch an der Uni arbeiten darf, überlegt man sich es zweimal, ob man wirklich streiken will. Der Aufschrei rund um die Initiativen #IchBinHanna und #IchBinReyhan (darauf gehen wir im Absatz zu Antidiskriminierung noch einmal stärker ein) hat dies an die Öffentlichkeit gebracht. Oftmals sind die Stellen von Drittmittelfinanzierung abhängig und so sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen auch zu einem großen Teil damit beschäftigt, solcherlei Anträge zu schreiben, statt zu forschen und zu lehren. Doch das ist nicht das einzige Problem. Diese Anstellung erfolgt 6 Jahre vor und 6 Jahre nach der Promotion. Demnach müssen die Doktorand:innen auch, während sie an ihrer Promotion forschen, arbeiten. Das führt zu massiven Überstunden und Überlastungen. Vor allem Frauen können dieser Arbeit aufgrund der Doppelbelastung durch die Reproduktionsarbeit kaum nachgehen. Wir stellen uns gegen das Wissenschaftszeitgesetz und fordern dessen Aufhebung! Gleichzeitig setzen wir uns für eine Entfristung aller Arbeitsverhältnisse an der Universität ein. Das bedeutet auch, dass es keine Anstellung mehr auf Projektbasis geben darf! Doch nur dabei sollte es nicht bleiben. Auch der Professor:innenstand und die damit einhergehende Verbeamtung müssen weg! Denn er sorgt dafür, dass Professor:innen (aber besonders Professoren) die Macht bei sich konzentrieren und auch bei massivem Fehlverhalten nur sehr schwer und kaum gekündigt werden können. Außerdem fordern wir, dass eine Gleichstellung der Arbeit erfolgt. Warum sollte der/die Prof, der/die nur die Vorlesung hält, mehr verdienen als der/die wissenschaftliche Angestellte, der/die die Vorlesungen vorbereitet, Hausarbeiten und Klausuren korrigiert und Seminare abhält?! Zudem halten wir die Einberufungen von Professor:innen für nicht zeitgemäß und fordern daher eine Kontrolle der Einstellung und Anstellung durch Organe der Arbeiter:innenklasse, wobei auch eine Kündigung im Fall von massivem Fehlverhalten möglich sein muss!

  • Überführung von TVStud in TV-L und TVöD!
  • Lohnerhöhung und automatischer Inflationsausgleich (gleitende Lohnskala) für alle Mitarbeitenden der Uni!
  • Schluss mit prekären Arbeitsverhältnissen! Weg mit den Befristungen und der Anstellung auf Projektbasis! Aufhebung des Wissenschaftszeitgesetzes, her mit Entfristung, Aufhebung des Professor:innenstandes und der dazugehörigen Privilegien sowie Schluss mit Verbeamtung! Gleichstellung von gleicher Arbeit (gleicher Lohn für gleiche Arbeit), Kontrolle von Einstellung und Anstellung durch Organe der Arbeiter: Innenklasse! Kündigungen müssen möglich sein im Fall von massivem Fehlverhalten, allerdings müssen genauso Möglichkeiten zur Umschulung angeboten werden, wenn Personen in der Forschung oder in der Lehre nicht richtig aufgehoben sind!
  • Schluss mit Outsourcing von Personen (insbesondere Frauen), die bspw. in der Reinigung oder in der Mesa arbeiten, denn das führt zu Lohndrückerei. Stattdessen feste, unbefristete Anstellung an der Uni!

Generalangriff und Kürzungen entgegentreten!

Dass die neue Bundesregierung unter der Führung von Friedrich Merz einen Generalangriff auf die Arbeiter:innenklasse plant, ist kein Geheimnis. In Berlin können wir aktuell schon sehen, was das für uns bald bundesweit bedeuten wird: Den Kürzungen von 3 Milliarden Euro, insgesamt 10 % des Gesamthaushalts des Landes Berlin, fielen viele in der Hauptstadt zum Opfer. Die Auswirkungen sind massiv und treffen vor allem den ÖPNV, soziale Träger, z. B. in der Jugend- und Frauenhilfe, sowie Kultureinrichtungen. Doch weitere große Verliererinnen dieser Angriffe sind die Berliner Hochschulen und die Wissenschaft. So spart sich das Bundesland nun ca. 200 Millionen Euro, mit dem Resultat, dass Beschäftigte entlassen, unsere Gebäude weiter zusammenfallen oder geschlossen und potenziell sogar ganze Studiengänge gestrichen werden. Auch an der Uni Halle muss gespart werden und die Auswirkungen zeigen sich bereits jetzt: Mensapreise werden erhöht (selbst für das sogenannte Sprintmenü, was die Grundversorgung sicherstellen soll), Bibliotheken haben kürzere Öffnungszeiten, es gibt Einstellungsstopps, Veranstaltungen sind überfüllt und die kleinen „Orchideenfächer“ stehen auf der Kippe oder sind bereits gestrichen. Zusätzlich sollen Studienplätze und Professuren abgebaut werden. Außerdem führen diese Kürzungen zu Verteilungskämpfen unter den Fakultäten, bei denen besonders geistes- und kulturwissenschaftliche Fakultäten leer ausgehen, während die MINT-Fächer, die auch oftmals mit der Exzellenzinitiative gefördert werden, sich alles einverleiben. Doch dagegen müssen wir uns wehren, denn diese Kürzungen sind nicht nur unhaltbar, weil sie zu massiven Einschnitten im Unialltag führen – sie befeuern auch den Rechtsruck! Ebenso stellen die kommenden sozialen Angriffe kein rein deutsches Phänomen dar, sondern finden auf gesamteuropäischer Ebene statt. Statt also vereinzelt Widerstand aufzubauen, sind beispielsweise Aktionstage sowie -konferenzen auf europäischer Ebene etwas, das den gemeinsamen Kampf beleben und stärken kann!

  • Rücknahme aller Kürzungen! Massive Investition in die Bildung, bezahlt aus den Gewinnen der Kapitalist:innen!  „Orchideenfächer“ dürfen nicht einfach gestrichen werden, Organe der Arbeiter:innenklasse sollen überprüfen, inwiefern eine gesellschaftliche Relevanz besteht!
  • Rücknahme der Bologna-Reform, weg mit Bachelor-Master-Strukturierung!
  • Stellenstreichungen und Sparzwang an der Uni? Lassen wir nicht weiter zu. Wir wollen das Ende der Schuldenbremse & Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!

Palästinasolidarität entkriminalisieren – auch an der Uni!

Seit dem 7. Oktober 2023 ist international eine massive Protestwelle an den Universitäten in Solidarität mit Palästina entbrannt. Auch an den deutschen Unis wurde besetzt und protestiert. Doch hier zeigte sich mehr als deutlich, dass die Uni kein herrschaftsfreier Raum ist. Denn viele Universitätsleitungen gingen mit aller Härte gegen ihre Studierenden und solidarischen wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen und Professor:innen vor. Sie genehmigten gewaltvolle Polizeieinsätze, um Hörsäle zu räumen, ließen die Diffamierung der Protestierenden zu und befeuerten diese sogar noch, indem sie beispielsweise behaupteten, die Palästinaproteste würden eine Gefahr für jüdische Lehrende und Studierende darstellen, was eine dreiste Lüge ist! Oder wie an der Uni Leipzig, als die Hochschulleitung die Arbeit der Polizei bei der Räumung der Besetzung unterstützte, indem sie einen Fahrradkeller zur Festsetzung der Protestierenden aufschloss. Alsbald ließ sich auch der Wunsch nach einer Änderung des Hochschulgesetzes vernehmen: Politisch motivierte Exmatrikulationen sollten wieder ermöglicht werden! Dass das dann nicht nur palästinasolidarische Studierende, sondern auch andere linke, revolutionäre und kommunistische Studierende treffen kann, wäre nur eine Frage der Zeit! Burschen und Faschist:innen wird es jedenfalls wohl kaum treffen. Im Januar 2025 wurde dann vom alten Bundestag die neue Resolution gegen Antisemitismus an Schulen und Hochschulen verabschiedet. Der Antrag war von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP eingebracht worden. Auch die AfD stimmte zu, das BSW dagegen, Die Linke enthielt sich. Unter dem Titel „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“ werden darin Empfehlungen für den Bildungsbereich formuliert. Zu den im Resolutionstext geforderten Maßnahmen gehören unter anderem der Ausbau von Kooperationen mit israelischen Hochschulen und mehr Forschung zu Antisemitismus und jüdischer Gegenwart.

Für uns ist klar: Wir stellen uns gegen jede Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten. Denn im schlimmsten Fall werden in diesen Kooperationen Kriegstechnologien erforscht oder die Ideologieproduktion zur Legitimation des Genozids vorangetrieben. Universitäten außerhalb Deutschlands boykottieren bereits israelische Hochschulen bei internationalen Konferenzen. Das muss uns ein Vorbild sein.

Außerdem spricht sich der Resolutionstext für verstärkte Sicherheitskonzepte in engem Austausch mit den Behörden aus – und fordert, „Aktivitäten von Gruppierungen, die israelbezogenen Antisemitismus verbreiten“, zu unterbinden. Unterstützer:innen der Boykottkampagne BDS und „ähnlich gesinnte Bewegungen“ dürfen gemäß dieser Resolution „in deutschen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen keinen Platz haben“. Auch wenn wir das Ideal der akademischen Selbstverwaltung grundsätzlich für idealistisch halten, stellt das doch einen massiven Angriff auf die viel beschworene Autonomie der Universitäten dar!

Außerdem sind die Maßnahmen teilweise unkonkret und außerdem nicht einmal rechtlich bindend – d. h., im schlimmsten Fall ist es dann Auslegungssache, inwiefern Personen nun wegen Palästinasolidarität exmatrikuliert oder anderweitig aus der Uni ausgeschlossen werden können. Wie wir in den USA sehen können, kann das ziemlich schnell gehen. Teilweise sollen Studierende auch wegen ihrer Solidarität mit Palästina abgeschoben werden! Auch die Zusammenarbeit mit Behörden ist absolut unangebracht, da sie Repressionen gegen alles, was nicht der Staatsräson entspricht, befeuern kann und den Universitätsbetrieb zusätzlich hierarchisiert. Auch der Ausbau der Kooperationen mit israelischen Hochschulen muss gestoppt werden! Denn das kann auch bedeuten, dass an deutschen Unis für Kriegsgerät geforscht, welches dann im Genozid gegen die Palästinenser:innen eingesetzt wird!

Zugleich kann sich die zionistische Ideologie so auch an deutschen Unis verstärkt durchsetzen. An der Hochschule Merseburg zum Beispiel kam es im Wintersemester 2024/25 zu einer Veranstaltung einer israelischen Professorin, welche zu dem Thema „Lost Places in Israel“ referieren wollte. Warum diese Orte verlassen sind und wem sie vorher gehörten, blieb unerwähnt. Stattdessen füllte sie ihren Vortrag mit rassistischen Aussagen gegen die Palästinenser:innen, leugnete den Genozid und argumentierte für das Verteidigungsrecht Israels gegen die palästinensische Bevölkerung, indem sie Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten darstellte, welche umzingelt von einer diffusen „arabischen Masse“ sei.

Ein weiteres Problem dieser Resolution: Diese richtet sich ausschließlich gegen den vermeintlichen linken Antisemitismus in Form von Israelfeindlichkeit. Aber Antizionismus ist nicht antisemitisch! Dass antisemitische Gewalt in Deutschland zunimmt, stimmt. Allerdings stammt diese nicht von der Palästinasolidaritätsbewegung, sondern von den Rechten und Faschist:innen! Diese werden mit keinem Wort in der Resolution erwähnt!

Eine weitere Resolution wurde im November 2024 verabschiedet, die dazu aufforderte, die IHRA-Definition für Antisemitismus zur Grundlage für diverse Entscheidungen auch in den Bundesländern und Kommunen zu machen. Die schließt explizit Israelkritik als antisemitisch ein und verteidigt so die zionistischen Interessen und die deutsche Staatsräson. Grundrechte wie Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit werden durch die Bundestagsresolution massiv eingeschränkt. Dies ist selbst vom Standpunkt vieler bürgerlicher Jurist:innen enorm fragwürdig, da damit praktisch grundlegende demokratische Rechte weiter ausgehöhlt werden. Besonders perfide ist dabei, dass versucht wird, Jüd:innen in Deutschland für einen weiteren autoritären Staatsumbau und eine immer weiter verstärkte rassistische Abschottungs- und Abschiebepolitik zu instrumentalisieren und zu unterstellen, dies läge in ihrem Interesse. Die Resolution verdeutlicht besonders: Beim Kampf gegen Antisemitismus kann man sich nicht auf den Staat verlassen! Mehr noch: Dieser muss hier explizit gegen ihn und besonders seine Staatsräson geführt werden, welche den Antisemitismusbegriff missbraucht und damit nicht nur massiv verwässert, sondern auch vom tatsächlichen Antisemitismus, welcher im Zuge des Rechtsrucks Fahrt aufnimmt, ablenkt.

  • Hände weg vom Hochschulgesetz: Politisch motivierte Exmatrikulation in Berlin und anderswo stoppen!
  • Gegen Polizei auf dem Campus! Schluss mit jeder Strafverfolgung! Für das Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit – auch an der Universität!
  • Kampf dem Rassismus und Antisemitismus auf allen Ebenen! Gegen alle Abschiebungen: Volle Staatsbürger:innenrechte für alle, wo sie leben!
  • Gegen die IHRA-Definition: Keine Gleichsetzung von Antizionismus mit Antisemitismus! Weg mit der rassistischen Resolution! Für eine Bewegung gegen Antisemitismus und den Rechtsruck!
  • Offenlegung und Beendigung aller Kooperationen mit israelischen Hochschulen!

Gegen Rechtsruck und Unterdrückung, für eine barrierefreie Uni!

Die Uni stellt sich gerne als weltoffene Institution hin. Natürlich wissen wir, dass diese fest ins kapitalistische System integriert ist und durch Ideologieproduktion und Reproduktion direkt daran beteiligt ist, dass sich die Unterdrückung marginalisierter Gruppen festigt. Diversity-Management, wie es an vielen Universitäten ausgelebt wird, ist eigentlich nur eine Verschiebung und versucht, durch positive Darstellung der Eigenschaften marginalisierter Gruppen den Istzustand in Gesellschaft und universitären Strukturen zu übertünchen. Letztlich ist dies eine Fortführung der Einteilung in „nützliche und nicht nützliche Migrant:innen“, wie wir es auch aus anderen Kontexten kennen: Wer arbeiten geht und sich brav integriert, darf bleiben und wer nicht, wird abgeschoben (Popal 2016).

So macht der Rechtsruck auch vor der Uni keinen Halt: Burschenschaften und Faschist:innen treten auf und versuchen, Studierende für ihre nationalistischen, reaktionären Ideen zu rekrutieren. Professor:innen tätigen rassistische Aussagen in ihren Vorlesungen und auch die Angriffe auf die Palästinabewegung zeigen ein klares Bild. Auf Hochschulfesten wie an der Hochschule Merseburg oder bei Klubtouren der Uni Halle kommt es zu rassistischen Vorfällen und Hitlergrüßen. Außerdem sind viele Unis auch historisch auf kolonialistischen und rassistischen Füßen aufgebaut worden: Hörsäle sind oder waren nach NS-Täter:innen oder Sympathisant:innen benannt, z. B. der Rudolf-Wöhrl-Hörsaal an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Dieser wurde erst 2023/24 umbenannt. Auch an der Uniklinik Frankfurt gab es einen ähnlichen Fall: Der Franz-Volhard-Hörsaal, benannt nach einem Mediziner, der während der NS-Zeit an Medizinverbrechen beteiligt war und Experimente an Kindern rechtfertigte, wurde erst 2025 umbenannt. Ähnliche Vorfälle gab es auch an der Technischen Universität München. Studierende der Universität Tübingen forderten eine Umbenennung des Namens der Universität, da dieser den Antisemiten Graf Eberhard im Bart ehrt. Dieser hatte die Vertreibung aller Jüd:innen aus Tübingen zur Bedingung gemacht, ehe er die Gründung der Universität im 15. Jahrhundert zuließ. Als Studierende die Umbenennung in Ernst-Bloch-Universität forderten, lehnte dies die Hochschulleitung ab und hielt an einem Antisemiten fest.

Rassismus raus aus der Uni!

Doch nicht erst seit dem Rechtsruck zeigt sich Unterdrückung an den deutschen Hochschulen. Aktuell liegt der Anteil migrantisierter Studierender an den Universitäten bei 20 %. Dazu sei anzumerken, dass diese bereits vor dem ersten Schulabschluss selektiert werden. Die verschiedenen Schulabschlüsse des Bildungssektors befeuern dies nämlich. So ist für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung in Form des Abiturs bereits in den unteren Schulklassen (abhängig vom Bundesland und der Schulform) eine recht willkürliche Empfehlung durch Lehrkräfte nötig. Viele Kinder werden dort mit rassistischen Einschätzungen konfrontiert und bei gleicher Leistung wie nichtmigrantisierte Kinder werden sie häufiger auf einen Haupt- oder Realschulabschluss anstatt auf ein Abitur verwiesen.

Demnach sind auch die Ausgangsbedingungen für migrierte Studierende schlecht: Viele stammen nicht aus Akademiker:innenfamilien, jede/r Vierte erhält BAföG und ein Abbruch des Studiums erfolgt verhältnismäßig oft aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten.

Studierende berichten von rassistischen Mikroaggressionen, z. B. von Lehrkräften, die rassistische Anmerkungen oder Witze machen. Wenn sie sich dagegen wehren, bekommen die Betroffenen selbst Konsequenzen zu spüren, zum Beispiel durch schlechtere Noten oder durch Herabspielen des Vorfalls durch andere weiße Verantwortliche in Machtpositionen. Des Weiteren gibt es Berichte von Betroffenen, die aufgrund ihrer vermeintlich fehlenden Deutschkenntnisse von Kommiliton:innen belästigt, ausgeschlossen und angegriffen werden (Eleyth & Fereidooni 2023). Auch körperliche Gewalt gegen migrierte Studierende geschieht an deutschen Universitäten.

Curricula sind dominiert von einer westlich-hegemonialen, imperialistischen Perspektive, zum Beispiel in den Studiengängen der Religionswissenschaften oder Ethnologie. Dort werden marginalisierte Religionen und Gruppen von weißen Wissenschaftler:innen rassistisch bewertet, andere Perspektiven werden nur wenig behandelt. Auch die Behauptungen der Existenz rückständiger Kulturen und des Verhältnisses verschiedener Kulturkreise, die angeblich so stark verschieden seien und nicht miteinander harmonieren könnten, werden produziert und reproduziert. Dabei ist diese Rückständigkeit auch in den westlichen Gesellschaften vorhanden. Grundlage sind also nicht die Kulturen, sondern die Klassengesellschaft und die daraus resultierenden imperialistischen Verhältnisse. Des Weiteren sucht man Lehrveranstaltungen zu schwarzen und migrantisierten Themen an vielen Hochschulen vergeblich (Golly 2006, Popal 2016). Genau das führt zum vorher angesprochenen Problem. Gesellschaftliche Missstände werden auf einmal zum Beispiel mit dem Islam begründet. Muslimische Studierende kommen dadurch auf einmal in eine unfreiwillige Expert:innenrolle, müssen die Falschinformationen richtigstellen und sich gegen die Lehrkräfte verteidigen. Das führt auch dazu, dass betroffene Student:innen ständig unter Spannung stehen und abwägen müssen, ob sie eingreifen oder nicht, und sie sich gleichzeitig nicht darauf verlassen können, dass andere eingreifen. Die bloße Rolle der zuhörenden Person bleibt ihnen somit verwehrt (Golly 2006). Dass dies zu hinreichender psychischer Belastung führen kann, dürfte klar sein. Negativ auswirken kann sich dies natürlich auf die Studienleistungen und die Studierfähigkeit. Auch hinsichtlich des Tragens von Kopftüchern kommt es immer wieder zu antimuslimischen Rassismen: So konnte beispielsweise eine muslimische Studentin an der Universität Bochum ihr Pflichtpraktikum im Krankenhaus aufgrund ihres Kopftuchs nicht antreten. Möglich wurde dies erst durch Druck der Öffentlichkeit und des Rektors (Eleyth & Fereidooni 2023).

Antiimperialistische Perspektiven tauchen ebenso gar nicht erst auf, Diskussionen dazu werden unterbunden, als störend betitelt und die wissenschaftliche Beweiskraft der Aussagen von Studierenden wird in Frage gestellt. So kann das auch schnell dazu führen, dass man als Student:in nicht für die Stelle einer wissenschaftlichen Hilfskraft zugelassen wird, weil man es gewagt hat, sich gegen antimuslimischen Rassismus und für Palästina auszusprechen, wie es an der Hochschule Merseburg passierte.

Lehrbücher strotzen vor Rassismus, z. B. stehen in den Lehrbüchern von Dermatolog:innen größtenteils Abbildungen weißer Menschen (Eleyth & Fereidooni 2023), was offensichtlich das Problem offenbart, später auch PoC fachgerecht behandeln zu können.

Rassistische Beleidigungen wie das N- und Z-Wort werden in Lehrveranstaltungen ausgesprochen, weil es angeblich für den Kontext wichtig wäre, auch wenn es durchaus möglich ist, dies zu umschreiben. Auch stereotype Zuschreibungen, wie zum Beispiel die besonderen naturwissenschaftlichen und mathematischen Fähigkeiten ostasiatischer Studierender oder die besondere Sportlichkeit schwarzer Studierender, sind letztendlich rassistisch, entindividualisieren die Betroffenen und sind die logische Kehrseite biologisch-rassistischer Zuschreibungen. Studierende werden also auf ihr Aussehen reduziert. Sie berichten auch, dass ihnen ein Migrationshintergrund angedichtet würde, obwohl sie sich selbst gar nicht als Migrant:in identifizieren. Die Frage nach Herkunft steht schnell im Raum, man wolle wissen, wer die Menschen seien, reduziert dies aber nur auf die (vermeintliche) ausländische Herkunft (Popal 2016).

Zusätzlich sind die studentischen Gremien auch nicht sonderlich durchsetzt von der Lebensrealität migrantisierter Personen (Aslan 2017). Wir haben schon aufgezeigt, dass es sich bei diesen Gremien sowieso um eine Befriedung der Student:innenbewegung handelt, die allenfalls als Symbolpolitik zu verstehen sind, und viele der beteiligten Studierenden das Ganze eher als Karrieresprungbrett ansehen. Gerade deswegen sind vor allem weiße Menschen in der politischen Arbeit an der Uni aktiv und konsequenter Antirassismus ist kaum vorhanden. Das zeigt sich auch daran, dass es zwar Lippenbekenntnisse gegen rechts gibt, aber zionistische StuRa/AStA lieber Veranstaltungsreihen zum vermeintlichen „exklusiv muslimischen Antisemitismus“ organisieren, anstatt sich mit dem strukturellen Rassismus in Gesellschaft und universitären Strukturen auseinanderzusetzen und vor allem wirklich aktiv dagegen vorzugehen. Aufgrund der allgemeinen Schwächung linker Zionist:innen vollzieht sich diesbezüglich zwar ein Wandel, der zumindest an einigen Standorten dafür sorgt, dass sich die studentischen Gremien auch pro Palästina positionieren, wie an der Uni Leipzig. Doch es braucht mehr: Strukturen, die sich auch wirklich gegen alle Formen des Rassismus stellen und in denen die Unterdrückten gemeinsam mit der Jugend und der Arbeiter:innenklasse gegen die rassistischen Zustände kämpfen können! Wichtig ist hierbei aber, dass das nicht als isolierte Struktur in der Sphäre der Universität bestehen bleibt, sondern dieser Kampf in der gesamten Gesellschaft geführt wird.

Rassistisch ist außerdem die strukturelle Benachteiligung ausländischer Studierender: Zunächst ist für Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland ein Visum nötig, welches sich oftmals daran knüpft, eine Hochschulzusage zu haben und Nachweise über die Finanzierung des Studiums zu erbringen. Des Weiteren hat man mit solch einem Visum natürlich nicht die vollen Staatsbürger:innenrechte und somit auch das Problem, nicht im gleichen Maß politisch aktiv sein zu können und sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. Denn dann könnte das Visum aberkannt werden. Wer schon mal auf einer Demonstration war, weiß, wie schnell man mit Vorwürfen von Seiten des Staats konfrontiert ist, man habe ein Gesetz gebrochen, was aber letztendlich dem Belieben der Polizei unterliegt. Außerdem müssen seit dem Wintersemester 2017/18 internationale Studierende in Baden-Württemberg, die zum Zwecke des Studiums von außerhalb der EU einreisen, auf der Grundlage des Landeshochschulgebührengesetzes (LHGebG) einen Eigenbeitrag von 1.500 Euro pro Semester leisten. Es ist definitiv denkbar, dass im Kontext von Kürzungswelle und einer rigorosen Migrations- und Abschottungspolitik auch weitere Bundesländer nachziehen könnten. Zusätzlich müssen Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland ihre Abschlüsse erst einmal prüfen und Noten umrechnen lassen, z. B. bei Uniassist. Auch das kostet Geld und ist nebenbei natürlich auch ein bürokratischer Aufwand, dem nicht jede/r nachgehen kann.

Für Geflüchtete kommen zusätzliche Probleme hinzu: Zwar dürfen sie, wenn sie sich legal in Deutschland aufhalten (auch wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist), in Deutschland studieren. Jedoch kann dies schwierig werden, wenn die Dokumente, die die Hochschulberechtigung nachweisen sollen, nicht verfügbar sind. Das ist im Fall einer Flucht nichts Ungewöhnliches. Zwar gibt es diverse Verfahren, um die Eignung zu prüfen, aber diese unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und auch von Hochschule zu Hochschule. Diese Hürden müssen abgeschafft werden!

Zudem ist es für Studierende, die nicht aus dem EU-Ausland kommen, besonders schwer, BAföG zu erhalten. Grundsätzlich haben sie kein Recht darauf, dürfen aber auch gleichzeitig nicht im selben Maß wie deutsche und EU-Student:innen einer Arbeit nachgehen. Sie dürfen nur 140 volle Tage oder 280 halbe Tage ohne zusätzliche Arbeitserlaubnis arbeiten.

Nicht nur Studierende sind von den rassistischen Strukturen der Universität betroffen, auch Wissenschaftler:innen berichten davon. So gab es neben der Bewegung um #IchBinHanna, die das Wissenschaftszeitgesetz und die prekären Arbeitsbedingungen des Mittelbaus kritisierte, auch den Aufruf #IchBinReyhan, gestartet von der Sprach-, Migrations- und Rassismuswissenschaftlerin und Rapperin Reyhan Şahin (aka Dr./Lady Bitchray). Diese kritisiert, dass ihr der Zugang zur Akademie kategorisch verwehrt wurde, was aus rassistischen und sexistischen Strukturen resultiert. So hatte sie nie eine Uni-Stelle und konnte ihre Ausbildung und Postdoc-Stelle nur über Stipendien finanzieren. Der zusätzliche Arbeitsaufwand für sie und der Ausschluss offenbaren zusätzliche strukturelle Hürden für PoCs. Denn diese sind keine Einzelfälle. Dies offenbart sich, wenn man betrachtet, wer im Mittelbau, als studentische Hilfskraft oder gar als Professor:in arbeitet, denn da sieht man vor allem weiße Menschen, insbesondere cis Männer.

Sexismus und Queerfeindlichkeit an der Uni bekämpfen!

Aber nicht nur Rassismus, sondern auch Sexismus gehören zum Alltag an den Universitäten. Professoren nutzen ihre Macht aus, um weibliche Studierende zu drangsalieren und ihre Übergriffe zu vertuschen, werden aufgrund ihrer Stellung in der Uni-Struktur aber nicht gefeuert. Der Fall eines Dozenten des Geschichtsinstituts der Berliner Humboldt-Universität, welcher über Jahrzehnte weibliche Studierende verbal belästigte und quälte, konnte erst durch die unermüdliche Arbeit von Betroffenen und Unterstützer:innen offengelegt werden. Dies hat „nur“ 20 Jahre und zahlreiche Betroffene gebraucht. Der Uni war das Problem bekannt, eingegriffen hat sie erst mal nicht. Stattdessen wurde jetzt der rechte Professor Baberowski als Ansprechpartner in Fällen von Übergriffen benannt. Sehr vertrauenswürdig, insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund! Auch in Wohnheimen und auf Partys, die von Uni-Strukturen (wie z. B. dem StuRa) organisiert werden, kommt es zu Übergriffen und Belästigungen. Meldestellen für solche Vorfälle suchen wir vergeblich. Auch die bereits erwähnten Burschenschaften sind für ihr konservatives Frauenbild, übermäßigen Alkoholkonsum und Übergriffe auf ihren Partys (der einzige Moment, bei dem Frauen in den Burschenschaftshäusern geduldet werden) bekannt. Auch wenn es für den deutschsprachigen Raum keine Studien dazu gibt, konnte in Bezug auf die Frats in den USA – welche eine ähnliche Wurzel wie die Burschenschaften in Deutschland und Österreich aufweisen – herausgefunden werden, dass Männer in diesen Studentenverbindungen dreimal so häufig eine Vergewaltigung begehen wie andere Studenten (Foubert et al. 2007). Das lassen wir uns nicht länger bieten!

Auch Queerfeindlichkeit betrifft die Uni: Eine Änderung von Namen oder die Ansprache mit den richtigen Pronomen lassen auf sich warten, Namen auf Abgaben müssen mit den registrierten im Immatrikulationsamt genau übereinstimmen – sonst drohen Konsequenzen. An vielen Universitäten gibt es nur wenige oder keine All-Gender-Toiletten. Selbst wenn diese mal eingeführt werden, kann es zu öffentlichen Debatten wie im konservativen Cicero-Magazin kommen, die dazu führen, dass diese als gefährlich für cis Frauen gelabelt werden und Transfeindlichkeit befeuern.

In manchen Bundesländern wie z. B. Bayern darf in offiziellen Schreiben der Uni nicht gegendert werden. In Uni-Aufgaben wie Hausarbeiten o. Ä. darf zwar aufgrund der Forschungsfreiheit weiter gegendert werden, wie es die Studierenden möchten, dennoch stellt sich die Frage, wie lange das so bleibt. Außerdem gibt es durchaus Fälle von Dozierenden, die das ablehnen und dann auch eine schlechtere Note erteilen, wenn doch gegendert wird. Biologistische Narrative und die Antigender-Ideologie finden immer wieder ihren Weg in verschiedenste Lehrveranstaltungen, queere Themen werden hingegen kaum behandelt. In Bezug auf Unterdrückungsforschung dürfen sich Studierende außerdem in Kolloquien anhören, dass ihr wissenschaftliches Interesse an der eigenen Unterdrückung nach Betroffenheitsforschung „riecht“ und die Arbeit somit nicht sachlich genug werden könne.

Nicht nur von Seiten der Dozierenden und der Verwaltung kommt es zu queerfeindlichen Angriffen. Im Rahmen der rechten Initiative #Stolzmonat wurden queerfeindliche Sticker auf Unigeländen verklebt und queerfeindliche Social-Media-Beiträge gepostet. Queere Symbole wurden zerstört, Regenbogenfahnen gestohlen und offen queer auftretende Personen verbal und körperlich angegriffen (Gutsche, Völsch & Steinfeldt-Mehrtens 2025).

Barrieren an den Hochschulen überwinden!

Die Uni ist auch für körperlich behinderte, kognitiv beeinträchtigte und psychisch erkrankte Studierende alles andere als barrierefrei. Während es wegen der Coronapandemie durchaus möglich war, Veranstaltungen und Prüfungen hybrid oder nur online abzuhalten, wird dies mittlerweile wieder größtenteils abgelehnt. Und das, obwohl die Unis eben nicht durchgehend rollstuhlgerecht ausgebaut sind und ein Drittel der Studierenden psychische Probleme hat (auch aufgrund von Leistungsdruck und Doppelbelastungen), die den Gang zur Uni beeinträchtigen können! Auch wenn es die Möglichkeit gibt, Nachteilsausgleiche für Prüfungen und Abgaben zu beantragen, so sind die Chancen begrenzt, die Beantragung aufwendig und im Fall psychischer Störung oftmals auch nicht von Erfolg gekrönt. So werden generalisierte (oder andere, spezifische) Angststörungen schnell als Prüfungsangst gewertet, für die es dann natürlich keinen Nachteilsausgleich geben darf, weil das angeblich unfair wäre. Das sorgt dafür, dass viele Studierende, die psychische Probleme haben, länger studieren müssen, was teurer wird, oder sie schlimmstenfalls sogar ihr Studium abbrechen müssen. Wenngleich es Beratungsstellen an den Hochschulen gibt, die versuchen, damit einen Umgang zu finden, so sind die Entscheidungsträger:innen, nämlich die Prüfungsämter bzw. Vorsitzenden, dabei alles andere als hilfreich und zuvorkommend.

Zusätzlich gibt es auch in manchen Bereichen eine Anwesenheitspflicht. Diese ist zwar nicht deutschlandweit pauschal geregelt und kann sich auch von Hochschule zu Hochschule und von Studiengang zu Studiengang unterscheiden. Dennoch ist das ausgrenzend. In NRW beispielsweise hat die CDU seit dem Wintersemester 2019/2020 die Anwesenheitspflicht wieder eingeführt (und mit den geplanten Kürzungen könnten wohl auch andere CDU-Landesregierungen nachziehen), wogegen viele Studierende auf die Straße gegangen sind. Denn dieser Zwang zur Anwesenheit betrifft nicht nur Menschen mit körperlichen, kognitiven und psychischen Einschränkungen, sondern auch lohnarbeitende Studierende sowie Student:innen (insbesondere Frauen), die die Pflege von Angehörigen oder Kindern übernehmen. Die Zahl studierender Eltern liegt an Universitäten zwischen sieben und zehn Prozent. Etwa ein Drittel davon sind alleinerziehende Studentinnen. Wenn sich das Studium durch das Kind verzögert, fallen sie nicht selten durch die Maschen im sozialen Netz, wenn die staatliche oder elterliche Unterstützung ausbleibt. Der Abbruch des Studiums ist dann vorprogrammiert, denn Studierende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

  • Kein Platz für Faschismus an den Unis! Rechtsradikale Burschenschaften und identitäre Bewegung zerschlagen!
  • Gegen Diskriminierung, Machtgefälle und Missbrauch: für breite Aufklärungskampagnen an den Universitäten, selbstverwaltete Beratungsstellen und Meldestellen bei diskriminierendem Verhalten und Übergriffen sowie das Caucusrecht für gesellschaftlich Unterdrückte und Diskriminierte! Ausbau von psychischen Beratungsstellen und Therapieplätzen!
  • Spezielle Förderung für alle, die es benötigen, egal ob aufgrund von sozialer Herkunft oder kognitiver Beeinträchtigung! Ausbau der Unis in barrierefreie Einrichtungen!
  • Flächendeckende und kostenlose Kinderbetreuung und Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen, damit jede/r die Möglichkeit zum Studieren hat!
  • Kein Fußbreit den Rassist:innen, Sexisten und Tätern an der Uni! Aufhebung von jeglichen Professurprivilegien, die eine Entlassung aufgrund von Fehlverhalten verhindern. Polizei und Sicherheitskräfte raus aus unseren Unis! Bildet Selbstverteidigungsgruppen gegen Rassist:innen, Burschen und Täter:innen!
  • Für den Aufbau von Präventions- und Aufarbeitungsstrukturen unter Kontrolle der Studierenden, Dozent:innen, wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen und Gewerkschaften! Für ein Caucusrecht der Betroffenen!
  • Grenzen auf, Staatsbürger:innenrechte für alle!
  • Uni für alle: Weg mit Privatunis, NCs, Semester- und Studiengebühren sowie Uniassist! Für Barrierearmut auf dem Campus! Für alle Studierenden nach Möglichkeit des Fachs die Online-Teilnahme an Seminaren und Prüfungen ermöglichen! Schluss mit Verschulung der Uni, weg mit Leistungsterror und Anwesenheitspflicht!

Gegen die Uni des Kapitals!

Im Jahr 2022 hat eine Professorin beziehungsweise ein Professor an einer deutschen Universität durchschnittlich 326.400 Euro Drittmittel eingeworben. Das waren 9 % oder 28.000 Euro mehr als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, lag die Technische Hochschule Aachen (RWTH Aachen) mit 1.051.400 Euro erneut auf Platz 1 bei den Drittmitteleinnahmen je Professor:in, wie in den Vorjahren gefolgt von der Technischen Universität München mit 857.300 Euro und der Universität Stuttgart mit 833.400 Euro. Besondere Drittmittelzuwendungen erhalten dabei die Fachbereiche der Natur-, der Ingenieurwissenschaften und der Humanmedizin.

Im Jahr 2023 beliefen sich die Einnahmen der Hochschulen aus Drittmitteln der „gewerblichen Wirtschaft“ auf 1,54 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt 2025). Insgesamt beliefen sich die Einnahmen der Hochschulen in Deutschland aus Drittmitteln im Jahr 2023 auf rund 10,7 Milliarden Euro, wobei verschiedenste Institutionen, allen voran der Bund und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, beteiligt waren, deren Beitrag sich auf je ca. 3 Milliarden Euro belief. Dennoch liegt die gewerbliche Wirtschaft auf Platz 3. Laut der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist der Anteil der Wirtschaft an der Finanzierung der Hochschulen aber weiter gesunken. Ihr Anteil als Drittmittelgeberin betrug 2022 nur noch 14,7 Prozent. Zum Vergleich: 2019 hatten die Hochschulen noch 17,4 Prozent aus der Wirtschaft erhalten, 2006 sogar mehr als 26 Prozent.

Allerdings heißt das nun nicht, dass die Unternehmen nicht mehr in Forschung investieren würden, aber anstatt ihr Geld in Hochschulen zu stecken, investieren sie im Ausland oder in außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut. Gründe hierfür sind einerseits Kosteneinsparungen, denn das Forschen an deutschen Hochschulen ist teurer, und andererseits Transparenzgesetze, die Forschungsthemen offenlegen müssen, wenn eine gewisse Summe an Drittmitteln fließt (das variiert aber von Hochschulgesetz zu Hochschulgesetz und demnach von Bundesland zu Bundesland). So hagelte es in Bremen Kritik, als Details bei einer Kooperation zwischen Universität und Bundeswehr nicht rechtzeitig genug veröffentlicht wurden, obwohl die Drittmitteleinnahmen eine Summe von 50.000 Euro überschritten.

Einen weiteren Hintergrund, weswegen immer mehr in privatwirtschaftliche Forschungsinstitute gesteckt wird, finden wir in der Produktion und Ideologieproduktion. Ein interessantes Beispiel dafür ist die Plattform Industrie 4.0, welche von den Bundesministerien für Wirtschaft und Energie sowie für Forschung, Technologie und Raumfahrt angeführt wird. Dabei sind aber auch Unternehmensvertreter:innen und verschiedene Lobbygruppen, Thinktanks und eben auch Forschungsinstitute wie Fraunhofer. Ziel ist es, einerseits die Forschung im Bereich der Industrie 4.0 voranzutreiben, aber auch eine ideologische Legitimation dieser herzustellen. So wird sie als Allheilmittel für die schwächelnde deutsche Wirtschaft verkauft, und das schon seit Jahren. Die Gesellschaft soll sich darauf einstellen und verstehen, dass das die einzige Möglichkeit ist, um den imperialistischen und wirtschaftlichen Erfolg der BRD zu stärken. Die ersten Auswirkungen rund um KI, Robotik und Big Data bekommen wir bereits zu spüren: die Ersetzung von Arbeitskräften durch technologische Errungenschaften, KI-Programme, um staatliche Repressionen und auch Kriegsführung voranzutreiben (z. B. Gesichtserkennung, Überwachungssoftware, Waffensysteme insbesondere über Drohnen), neue Standorte für die Produktion von Computerchips (ein wichtiger Bestandteil des Konzepts der Industrie 4.0) und natürlich auch ein imperialistischer Wettstreit um die Vormachtstellung im Bereich KI. Diesen Instituten ist es viel stärker möglich, sich in den Dienst der Ideologieproduktion zu stellen, eben auch aufgrund der fehlenden Transparenzgesetze und durch das Fehlen des Ideals der Wissenschaftsfreiheit. Natürlich wissen wir als Marxist:innen, dass die Industrie 4.0 dem tendenziellen Fall der Profitrate insbesondere langfristig wenig entgegenzusetzen hat. Doch das spielt kaum eine Rolle, denn die Vertreter:innen aus Politik und Wirtschaft nutzen lieber die Zahlen der Institute und Thinktanks, um belegen zu wollen, wie elementar dieser Schritt doch für die gesamte Gesellschaft sei. In erster Linie wird dieser aber nur kurzfristig helfen, die Wirtschaft anzukurbeln, und das auf dem Rücken der Unterdrückten und Ausgebeuteten.

Zurück zu den Universitäten: Besonders Rüstungswirtschaft und die Bundeswehr selbst gehen enge Partnerschaften mit Universitäten ein. Vorreiter dabei ist Bayern. Hier geht es so weit, dass die bayerische Regierung 2024 ein Gesetz erließ, welches die Zivilklausel an bayerischen Hochschulen verbietet. Die Zivilklausel ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Universitäten, nur im zivilen Bereich zu forschen und sich für Frieden einzusetzen. Interessanterweise gab es auch vor dem Gesetz an keiner einzigen bayerischen Hochschule eine Zivilklausel. Dieses Gesetz muss also im Kontext der Zeitenwende verstanden werden. Außerdem hat die bayerische Staatsregierung Universitäten zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichtet. Das bedeutet: Es gibt ein Kooperationsgebot zwischen Hochschulen und Bundeswehr. Konkret: Wenn die Bundeswehr mit einem Antrag auf die bayerische Regierung zukommt, prüft das Wissenschaftsministerium den Antrag. Wenn das Ministerium das Vorhaben für notwendig hält „aus Gründen der nationalen Sicherheit“, dann kann die Kooperation eingefordert werden, wie es vom Wissenschaftsministerium auf BR24-Anfrage heißt.

In Zeiten von Krieg und Aufrüstung muss diese Vorgehensweise der bayerischen Regierung auch als möglicher Vorreiter für andere Bundesländer gesehen werden. Für uns heißt das, dass wir die Zivilklausel nicht nur an neuen Standorten erkämpfen, sondern auch an bestehenden verteidigen müssen! Ein besonderes Augenmerk müssen wir dabei auch auf die sogenannte Dual-Use-Thematik legen. Denn viele Forschungseinrichtungen lehnen die Implementierung einer Zivilklausel mit der Begründung ab, dass sie sowieso nur im zivilen Bereich forschten.

Das ist aber nur ein Scheinargument, da sich viele vermeintlich friedliche Forschungsbereiche auch für den militärischen Einsatz eigneten. Der englische Fachbegriff dafür ist „Dual-Use“, also ein doppelter Verwendungszweck. Zum Beispiel könnte eine Zivilklausel der einer Hochschule vorschreiben, nicht für Firmen im rüstungsrelevanten Bereich an Satellitensystemen zu forschen, weil diese leicht auch im Kriegskontext zum Einsatz kommen könnten. Ein anderes Beispiel sind die TU Berlin und die Uni Rostock, die beide eine Zivilklausel haben und zusammen mit dem Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems an einem unbemannten U-Boot forschen. Die Unis stellen dies als völlig unproblematisches Projekt der „grünen Innovation“ dar, wohingegen ThyssenKrupp Marine Systems auf der Website schreibt, dass dieses U-Boot auch für militärische Projekte eingesetzt werden kann. Auch bei alten Zivilklausel-Universitäten, wie z. B. Bremen, gibt es immer wieder interne Diskussionen darüber, ob bestimmte Forschungsgebiete gegen die dortige Zivilklausel verstoßen oder nicht. Selbst wenn die Hochschulen noch nicht über eine Zivilklausel verfügen, können sie versuchen, ihre Verbindungen zur Militärproduktion geheim zu halten: An der Hochschule Merseburg fand eine Jobmesse statt, bei der sich verschiedene Arbeitgeber:innen vorstellten. Darunter auch Rheinmetall, die im offiziellen Programm als Automobilunternehmen geführt waren. Proteste von zwei verschiedenen Uni-Gruppen gegen Rheinmetall interessierten die Uni-Leitung nicht, Rheinmetall durfte bleiben und den Aktivist:innen wurde mit der Polizei gedroht.

Auch die Universitäten der Bundeswehr wollen wir hier nicht unbeachtet lassen. An diesen können Soldat:innen in der Offiziersausbildung auch studieren und werden dabei vollständig finanziert. Studiengänge, die angeboten werden, sind natürlich auf die militärischen und staatlichen Interessen angepasst, jedoch sind auch auf den ersten Blick für das Militär irrelevantere Studienfächer wie Sozialwissenschaften möglich. Ausgebildet werden an diesen Universitäten zudem auch Anwärter der deutschen Geheimdienste oder Mitarbeiter:innen relevanter staatlicher Ministerien. Besonders attraktiv sind diese Angebote natürlich für Personen, die gerne studieren möchten, ein reguläres Studium aber nur schwer finanzieren können. Da es der Bundeswehr an Nachwuchs mangelt, werden die Vorzüge dieses „dualen“ Studiums auch immer aggressiver beworben. Doch die Nachteile sind natürlich immens: 13 Jahre Verpflichtung inklusive Auslandseinsätze, strenge Hierarchien und kaum die Möglichkeit, das Fach zu wechseln. Ob man später mit diesem Studium überhaupt woanders als bei der Bundeswehr arbeiten kann, hängt stark von der Branche ab. Hinzu kommt, dass die Campuse der Bundeswehruniversitäten auch ein wahrer Hort für rechtsradikale Entwicklungen sein können, wie ein Fall aus Neubiberg bei München zeigt: Bekannte rechte Akteur:innen schrieben hier für das Campus-Magazin und Kritik der Leitung der Uni wurde erst nach öffentlicher Bekanntmachung des Skandals durch verschiedene Medienrecherchen laut. Des Weiteren spielen diese Universitäten auch eine Rolle in der Ideologieproduktion, wie es sich auch in der aktuellen Zeitenwende abzeichnet. Carlo Masala, Lehrender an der Bundeswehr-Universität in München, befeuert schon seit Jahren die Kriegsstimmung, indem er die Ausrüstung der Bundeswehr öffentlich bemängelt und die Zivilgesellschaft dazu aufruft, sich auf die Einschränkungen eines möglichen kriegerischen Szenarios in Europa einzustellen. Das bedeutet natürlich nichts anderes, als Burgfriedenspolitik mit der herrschenden Klasse zu propagieren und brav die Aufrüstung mitzutragen.

  • Weg mit Drittmittelfinanzierung, massive Investition in die Bildung, bezahlt aus den Gewinnen der Kapitalist:innen! Zivilklausel überall erkämpfen. Offenlegung aller Drittmittelfinanzierungen, Investitionen, Spenden und Abkommen mit militärischen und wirtschaftlichen Institutionen!
  • Weg mit NCs, freier Zugang zur Uni für alle, unabhängig von Schulabschluss oder Herkunft, Anerkennung aller ausländischen Abschlüsse und die Abschaffung des kostenpflichtigen Portals Uniassist, weg mit privaten Unis!
  • Bundeswehr und Konzerne, raus aus den Universitäten! Entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung aller privaten Universitäten.
  • Kontrolle über das Budget, die Lehr- und Wissenschaftsinhalte durch Studierende, Lehrende, Wissenschaftler:innen und die organisierte Arbeiter:innenklasse!

Für eine Uni für alle!

Wir wollen eine Universität, die nicht mehr für die Kapitalinteressen dient. Für uns als Marxist:innen ist klar, dass die Universität kein gelöster Raum von der Klassengesellschaft sein kann und sehr konkrete Aufgaben für die Produktion und Reproduktion des Kapitalismus hat. Deswegen ist der Kampf für eine bessere Universität für alle auch unabdingbar mit einer Überwindung des Kapitalismus verbunden und muss neben der Organisierung von Studierenden und Angestellten an der Universität auch die Arbeiter:innenklasse konkret mit einbeziehen. Nur unter einer revolutionären Arbeiter:innenregierung, die das Kapital enteignet und eine demokratische Planwirtschaft unter Kontrolle von Räten einrichtet, kann auch das Universitäts- und Bildungssystem in den Dienst der Gesellschaft, der Lohnabhängigen und Unterdrückten gestellt werden.

Die Universität im Sozialismus wird sich bedeutend von unseren heutigen Hochschulen unterscheiden. Zum einen halten wir es für elementar, dass die Aufteilung von Kopf- und Handarbeit überwunden werden muss. Eine Universität der Zukunft muss daher für die gesamte Arbeiter:innenklasse offen sein, nicht nur für Abiturient:innen. Sie sollte demnach auch einen klaren Praxisbezug beinhalten, bei dem gelernte Inhalte angewendet werden oder selbst geforscht werden kann.

Gleichzeitig sollte die universitäre Bildung aber auch nach den Bedürfnissen der gesamten Gesellschaft ausgerichtet werden. Technische und naturwissenschaftliche Innovationen und Forschungen, die der Verbesserung der Lebens- und Produktionsbedingungen dienen, sollen in den relevanten Bereichen vorangetrieben werden. Beispielsweise die Automatisierung von Tätigkeiten in Produktions- und Reproduktionsbereichen, die dafür sorgt, dass die Arbeitszeit gesamtgesellschaftlich gesenkt werden kann, oder die Entwicklung von Technologien, die wirklich zum Schutz von Umwelt und natürlichen Ressourcen beitragen. Eine andere Möglichkeit wäre die Entwicklung von Programmen zur Unterstützung der Planwirtschaft und Bedarfsabfrage. Wohingegen sich die Sozial- und Geisteswissenschaften damit auseinandersetzen könnten, wie gesellschaftliche Strukturen und Aufgaben im Sozialismus aufgebaut und umgesetzt werden können. Beispielsweise die Kinderbetreuung, die wir vergesellschaften wollen: Wie könnte man Frauen von der doppelten Belastung entbinden und gleichzeitig die Bedürfnisse von Kindern erfüllen? Natürlich wären auch Erhebungen über den tatsächlichen Stand der Gesellschaft von Relevanz, die bspw. Soziolog:innen oder Statistiker:innen abdecken könnten. Denn wenn wir aus den Fehlern der DDR-Planwirtschaft gelernt haben: Konkrete und vor allem korrekte Zahlen sind relevant für die Planwirtschaft und die Einschätzung der gesellschaftlichen Entwicklung. Wenn wir diese nicht haben, hat es eine mögliche Bürokrat:innenkaste u. a. leichter, sich herauszubilden und ihre Privilegien zu sichern, da sie Zahlen schönen kann (natürlich gibt es noch weitere Mechanismen, die nötig sind, um dies zu überwinden, aber das wollen wir nicht an dieser Stelle ausführen, genauere Infos finden sich zum Beispiel in „Revolutionärer Marxismus 52: Stalinismus & Untergang der DDR“). Aber das sind nur Beispiele. Die Möglichkeiten, die die Hochschulen im Sozialismus bereithalten, könnten weitere 90 Seiten locker füllen.

Wir sehen: Die Universität ist im Sozialismus zentral, um den Weg zur befreiten Gesellschaft vorantreiben zu können. Dennoch wird es natürlich auch im Sozialismus noch Lehre und Forschung in Bereichen geben, die von einem unmittelbaren gesellschaftlichen Nutzen entbunden sind, aus dem Grund heraus, dass dieser in manchen Bereichen wie der Grundlagenforschung oder auch theoretischen Auseinandersetzungen zunächst nicht immer unbedingt besteht und eine grundsätzliche Beschneidung des Wissens- und Forschungsdrangs auch nicht sonderlich fortschrittlich ist.

Gleichzeitig müssen die kleinbürgerlichen und bürgerlichen Tendenzen, die die Universität innehat, bekämpft werden. Dafür schlagen wir ein Ende der ohnehin rückschrittlichen akademischen Selbstverwaltung vor. Stattdessen wollen wir die Hochschulen unter die Kontrolle der Studierenden, Lehrenden und selbstverständlich der Arbeiter:innenklasse stellen. Das schließt auch die Planung von Lehr- und Forschungsinhalten und die Verwaltung der Universität mit ein.

  • Für eine Uni, die dem allgemeinen gesellschaftlichen Fortschritt dient und nicht dem Kapital!
  • Verwaltung & Planung unter Kontrolle durch Studierende, Lehrende und die Arbeiter:innenklasse!

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