Ob 68er-Bewegung, Bildungsproteste gegen die Bolognareform oder auch die Palästinasolidaritätsbewegung der letzten zwei Jahre: Ein Blick zurück zeigt, dass die Universität ein politischer Ort ist. Doch welche Rolle spielt sie im Kapitalismus, wie hat sie sich entwickelt? Wie wirken sich die kapitalistischen Verhältnisse auf die Universitäten aus? Welche Strukturen prägen die Universität? In welcher Beziehung steht die Arbeiter:innenklasse zu ihnen?
Wir halten es als Kommunist:innen für essenziell, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Daher veröffentlichen wir nun dieses Aktionsprogramm, um es mit allen Interessierten zu diskutieren und auf dieser Grundlage den KSB als Studierendenorganisation der Gruppe Arbeiter:innenmacht aufzubauen. Dazu bedarf es einer ausführlichen materialistischen Analyse der Universität selbst, um uns als Studierende klassenkämpferisch zu organisieren. Arbeit an der Universität begreifen wir nicht als von der Wirtschaft, Politik und Ideologie losgelöste Sphäre, sondern wir wollen unsere Kämpfe mit einer gesamtgesellschaftlichen, revolutionären Perspektive und Programmatik verbinden.
Dass die Welt in der Krise ist, ist kein Geheimnis. Diese Krise hat verschiedene Ausdrücke, sei es wirtschaftlich, in Bezug auf die Neuaufteilung der Welt, Krieg, Umwelt oder den Rechtsruck. Die Überakkumulation von Kapital und der Fall der Profitraten über mehrere Zyklen und in allen wichtigen Ländern bilden die ökonomische Basis der aktuellen Krisenperiode. Die globale wirtschaftliche Konkurrenz ist aber keineswegs eine bloß ökonomische Frage. Sie hängt unmittelbar mit dem imperialistischen System zusammen, das selbst durch eine bestimmte, nach 1945 etablierte Weltordnung unter Vorherrschaft der USA geprägt war, die zur Absicherung dieser Ordnung etabliert wurde – von Seiten der US-Bourgeoisie mit dem Ziel, ihre Vorherrschaft zu verewigen. Wir erleben den Niedergang der US-Hegemonie und deren etablierter Weltordnung, ohne dass eine neue an ihre Stelle getreten wäre – und das ist auch nicht „friedlich“ möglich. Der Aufstieg imperialistischer Rival:innen wie China und Russland geht zudem auch mit den gestiegenen Ambitionen ökonomisch entwickelter und militärisch stärker werdender Halbkolonien einher: insbesondere Indiens, aber auch anderer Regionalmächte. Auch der deutsche Imperialismus und die EU versuchen, im Kampf um die Neuaufteilung der Welt mitzumischen, was sich nicht zuletzt auch an gigantischen Programmen zur Aufrüstung und Förderung „unserer“ Wirtschaft zeigt.
In diesem Kontext müssen wir auch dieses Programm verstehen. Denn einerseits wirkt diese Krise auch in die Hochschule hinein, die Deutung und die Ideologie der herrschenden Klasse werden dort verhandelt und Innovation von Produktionsmitteln und Kriegsgerät vorangetrieben, und andererseits müssen wir uns gesamtgesellschaftlich dagegen organisieren.
Zunächst müssen wir erkennen, dass die Universität auch einer gewissen Internationalisierung unterliegt, wenn wir sehen, wie Bildungs- und Forschungseinrichtungen aus verschiedenen Ländern kooperieren. Gleichzeitig verschärft sich die internationale Konkurrenz. Daher sollen die Strukturen der Universität effizienter im Sinne von Kapitalverwertungsinteressen und Staat gestaltet werden. Das sogenannte New Public Management und Exzellenzinitiativen führen dazu, dass Universitäten eher als Unternehmen denn als eine Bildungseinrichtung geführt werden sollen. Es gibt also sehr wohl auch eine nationale Konkurrenz zwischen den Universitäten, wie sie sich im Hochschulranking und im Kampf um Drittmittel abzeichnet. So erhalten 1/3 der Hochschulen insgesamt 80 % der Drittmittel.
Gleichzeitig sorgt die Wirtschaftskrise dafür, dass staatliche Mittel für Universitäten gekürzt werden. Ein Beispiel dafür ist Berlin, wo dies bereits besonders rigoros beim Landeshaushalt durchgesetzt wurde: 200 Millionen Euro sollen eingespart werden. Dass das zu massiven Einschränkungen führt, ist offenkundig. Des Weiteren zeigt dies auch, wie es in der ganzen BRD weitergehen könnte.
Letztlich sind es dann vor allem die Studierenden, Dozent:innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen aus dem Flexikariat, die sich mit den Konsequenzen herumschlagen müssen. Sogar der Professor:innenstand erlebt Angriffe, insofern, als dass die Privilegien, wie keine Befristung zu haben, weiter ausgedünnt werden. Nun ist es aber auch so, dass das Gesamtkapital sehr wohl Interesse daran hat, dass die Arbeiter:innenklasse für die immer komplexer werdenden Produktionsprozesse ausgebildet wird. Ein Widerspruch, der sich wohl kaum in der aktuellen Situation auflösen lässt.
Der Kampf um die Neuaufteilung der Welt zeigt sich aktuell vor allem im Bezug auf Israels Genozid in Gaza und die fortschreitende Militarisierung der Gesellschaft. Einerseits erleben wir natürlich die Produktion der ideologischen Rechtfertigung, andererseits wird Kriegsgerät entwickelt, teilweise auch noch in Kooperation mit Rüstungskonzernen oder israelischen Universitäten. Aber es regt sich auch Widerstand, wie die internationalen Proteste an Universitäten in Solidarität mit Palästina gezeigt haben. Des Weiteren gibt es auch konkrete Kampagnen wie die BDS-Kampagne oder auch Zivilklausel-Kampagnen, um der Militarisierung und der Kompliz:innenschaft mit Israel entgegenzutreten.
Im ersten Teil des Aktionsprogramms wollen wir nun zunächst die theoretische Grundlage darlegen. Wir beschäftigen uns mit der Aufgabe der Bildung im Kapitalismus, insbesondere der Universitäten, ihrer Umstrukturierung, dem Aufbau ihrer Entscheidungsmechanismen, analysieren die Klassenlage der Studierenden und präsentieren einen kurzen Abriss der historischen Kämpfe an Universitäten. Im zweiten Teil präsentieren wir dann unsere programmatischen Vorschläge für die unserer Meinung nach aktuell relevantesten Bereiche.
Wenn ihr das Programm interessant findet und mit uns darüber diskutieren möchtet, meldet euch doch gerne bei uns!