Arbeiter:innenmacht

Brasilien: Nieder mit Bolsonaro! Landesweite Autokorsos verlangen Amtsenthebung

Carlos Uchoa Magrini/Assyria Conti, Infomail 1138, 7. Februar 2021

Die Unzufriedenheit der brasilianischen Bevölkerung mit der Regierung Bolsonaro wächst seit ihrem Amtsantritt. Seine rechtsextreme Politik fördert den Hass gegen Frauen, BeamtInnen, LehrerInnen, Schwarze, LGBTQ+ sowie gegen SozialistInnen und AnhängerInnen der ArbeiterInnenpartei PT und all jene, die mit der Linken identifiziert werden. Gleichzeitig verteilt sie Gefälligkeiten an ihre Gefolgschaft, und zusammen haben diese die Unzufriedenheit unter allen Sektoren geschürt, die nicht Vorurteile und sogar faschistische Ideen und Verhaltensweisen unterstützen.

Doch aufgrund der Pandemie und der Untätigkeit der Führungen der zentralen Gewerkschaften und linken Parteien war die ArbeiterInnenklasse gelähmt. Es gab viel zu wenig Initiative zur Bekämpfung von Bolsonaros völkermörderischer und verleumderischer Regierung.

Die Beweise für eine tiefe kapitalistische Krise, die durch die Pandemie des neuen Coronavirus noch verschärft wird, sind bereits aus den Statistiken ersichtlich. Die Arbeitslosigkeit rangiert auf dem höchsten Stand seit den 1990er Jahren. Bolsonaros Politik zur Gesundheitskrise hat es nicht geschafft, den Vormarsch der Krankheit einzudämmen, was zu einer wachsenden Zahl von Todesfällen führt, während die Wirtschaftskrise jeden Tag schlimmer wird.

Aktionen

Am 11. Januar kündigte der Autohersteller Ford die Schließung der Fabriken in Camaçari im Bundesstaat Bahia, Taubaté im Bundesstaat São Paulo und Horizonte im Bundesstaat Ceará, an. Dies bedeutet den Verlust von etwa 5.000 direkten und 50.000 indirekten Arbeitsplätzen. Kurz darauf gab auch Audi seine bevorstehende Stilllegung bekannt, und andere Unternehmen weisen bereits in die gleiche Richtung.

Diese Schließungen waren ein Schock, vor allem für die Linke. Die Verweigerung des Coronavirus-Impfstoffs führte dazu, dass Brasilien eines der letzten Länder war, das Lieferungen bestellte. Die Folgen waren sehr ernst. In Manaus gingen Bolsonaros AnhängerInnen auf die Straße, um gegen die Abriegelung zu demonstrieren und zwangen den Bürgermeister, sie zu beenden. Die direkte Folge war, dass eine Woche später das öffentliche und private Krankenhausnetz zusammenbrach. Die Menschen starben aus Mangel an Sauerstoff und Krankenhausversorgung. Eine furchtbare Situation!

Bewegt von diesem Drama, starteten KünstlerInnen eine Solidaritätskampagne, um Sauerstoff zu kaufen und nach Manaus zu schicken. Am 19. Januar schickte der Präsident von Venezuela, Nicolás Maduro, fünf LKW-Ladungen Sauerstoff als Spende. Diese ganze katastrophale Lage rüttelte das brasilianische Volk aus seiner Lähmung auf.

Zu Protesten riefen die zentralen Gewerkschaften, linke Parteien, einige Einheitsfrontorganisationen (Frente Brasil Popular, Frente Povo sem Medo) in Form eines Autokorsos am 23. Januar auf und forderten Impfungen gegen Covid-19 und die Amtsenthebung der Regierung Bolsonaro. Der Aufruf erfolgte zunächst über die offiziellen Webseiten dieser Organisationen, gewann aber in den sozialen Medien an Kraft.

Nach Angaben des Gewerkschaftsverbandes CUT fanden die Autokorsos in mehr als 90 Städten statt, darunter 24 Landeshauptstädte und der Bundesdistrikt. Die langen Autoschlangen mit Fahnen und Plakaten machten deutlich, dass das brasilianische Volk die Untätigkeit dieser Regierung nicht länger ertragen kann und bereit ist, für ihren Sturz zu kämpfen. In São Paulo schätzte der Präsident der CUT-SP, Douglas Izzo, dass sich mehr als 2.000 Fahrzeuge in der Autokolonne befanden, die mehr als drei Stunden dauerte.

Laut Janeslei Albuquerque (CUT-Sekretär für Mobilisierung und Beziehungen zu sozialen Bewegungen) ist „die Tragödie in Manaus nicht etwas völlig Unerwartetes. Sie wurde vorhergesagt, berechnet und angeprangert, aber es wurde absolut nichts getan“.

Janeslei Albuquerque nutzte die Gelegenheit, um die Schließung von Fafen (Stickstoffdüngerproduzent), das zu dem Energiekonzern Petrobras gehörte, anzuprangern: „Die Regierung bevorzugt die totale Verseuchung, und wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Menschen durch Sauerstoffmangel ersticken, obwohl wir in Araucária, Paraná, eine Fabrik haben, die den Sauerstoff produzieren könnte, der in Brasilien zur Rettung von Menschenleben benötigt wird – aber die wurde vor einem Jahr geschlossen“.

Wir verfügen nicht über Daten aus allen Städten, aber alle Nachrichtenmeldungen sind ermutigend und zeigen eine positive Reaktion der Bevölkerung, die Fahnen schwenkte, mit Töpfen schlug und „Nieder mit Bolsonaro“ rief. Die Wut, die den Autokorso befeuerte, verbreitete sich dann wie mit einer Schießpulverlunte durch Brasilien und ermunterte die Menschen, mit anderen Protesten fortzufahren, andere Städte zu erreichen und die Unzufriedenheit der Menschen und ihre Bereitschaft zu zeigen, etwas zu tun, um die Bolsonaro-Regierung zu stürzen.

Reaktionen aus dem Parlament

In der Bürokratie des Nationalkongresses sitzt derweil Rodrigo Maia von der wirtschaftsliberal-konservativen Partei Democratas, Präsident der Abgeordnetenkammer, immer noch bequem auf einem Stapel von mehr als 60 Amtsenthebungsanträgen gegen den Präsidenten.

Einige Führer der Rechten, wie der ehemalige Präsident Fernando Henrique Cardoso (PSDB; Partei der Brasilianischen Sozialdemokratie) selbst, haben in ihren Reden bereits deutlich gemacht, dass sie Bolsonaro nicht zu Fall bringen wollen. Vielmehr wollen sie ihn „ausbluten“ lassen, indem sie auf die Wahlen im Jahr 2022 warten. Einige Führer der Linken, wie Fernando Haddad (PT), Marcelo Freixo (PSOL; Partei für Sozialismus und Freiheit) und Manuela D’Ávila (PC do B; Kommunistische Partei Brasiliens) haben ebenfalls deutlich gemacht, dass sie diese Strategie unterstützen und eine breite Front mit „demokratischen“ Sektoren der Bourgeoisie aufbauen wollen. Sie scheinen vergessen zu haben, dass diese „demokratischen“ Sektoren der Bourgeoisie dieselben sind, die den Putsch anführten, der die Regierung Dilma Rousseff (PT) stürzte.

Für uns besitzen die Autokorsos allein nicht die Kraft, die Regierung Bolsonaro aus dem Sattel zu heben. Aber sie können der Startpunkt für eine große Massenbewegung im ganzen Land sein. Wir müssen mehr Autokorsos und Straßendemonstrationen organisieren, mit dem klaren Ziel, einen Generalstreik aufzubauen, der ein Ende der Regierung Bolsonaro fordert.

Die Linke muss das Vakuum füllen, das seit den Wahlen 2018 entstanden ist. Damals hatte die Bourgeoisie keine anderen Optionen und unterstützte Bolsonaro. Das gefiel der traditionellen Rechten nicht, aber es reichte aus, um eine Regierung aufrechtzuerhalten, die korrupt ist, Privatisierungen und Austerität unterstützt und die ArbeiterInnenklasse schwer angegriffen hat. Die Linke muss die Wahltaktik einer breiten Front mit Sektoren aufgeben, die vorgeben, die Demokratie zu verteidigen, aber in Wirklichkeit PutschistInnen sind, die lediglich die Interessen der Bourgeoisie verteidigen.

In diesem Zusammenhang sehen wir die Notwendigkeit, neben diesem Kampf große Anstrengungen zu unternehmen, um eine Einheitsfront auf der Grundlage eines Regierungsprogramms aufzubauen, das den Bedürfnissen und Forderungen der ArbeiterInnenklasse entspricht.

Dies ist der Weg, um den Dialog mit der ArbeiterInnenklasse zu eröffnen und einen Weg nach vorne auf der Linken zu präsentieren. Es kann auch der Weg sein, eine revolutionäre Partei aufzubauen, mit einem Programm, das die Agenda der unmittelbaren und Übergangsforderungen der ArbeiterInnenklasse erfüllt, d. h. den Weg zum Sturz des Kapitalismus einschlägt. Es ist notwendig, sehr deutlich zu machen, dass wir einen revolutionären Prozess brauchen, um den bürgerlichen Staat zu zerstören und auf seinen Trümmern einen sozialistischen Staat unter Kontrolle der ArbeiterInnen aufzubauen.

  • Für einen Generalstreik!
  • Für den Sturz Bolsonaros!
  • Für eine Regierung der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen!
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